Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 RJ 1715/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 334/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1946 in der Türkei geborene und seit 1972 in der Bundesrepublik lebende, schwerbehinderte Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er war nach seinen Angaben seit 1972 bis 17. Juli 2001 als Maschinenarbeiter und Arbeiter im Garten- und Landschaftsbau tätig. Seitdem ist er arbeitslos.
Am 21. Januar 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit 1998 wegen der im Bescheid des Versorgungsamts vom 12. August 1998 aufgeführten Behinderungen (operativen Teilverlust des Magens mit Restbeschwerden, Whipple-OP im Stadium der Heilungsbewährung, chronischer Hepatitis, Gallensteinleiden und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und Gelenksverschleiß), wegen der ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt wurde, für erwerbsunfähig zu halten.
Der Beklagten lagen Berichte des Universitätsklinikum B F vom 23. November 2000, 09. Mai 2001 und 22. November 2001 vor, in denen ein Tumorrezidiv im Bereich des Pankreas ausgeschlossen wurde. Aus dem Bericht über eine Angiographie der arteriellen Beckengefäßstrombahn sowie beider Beine vom 23. September 2002 ergab sich eine Mediasklerose der Aorta abdominalis sowie der arteriellen Beckengefäßstrombahn mit Nachweis einer kurzstreckigen nahezu subtotalen Stenose der abgangsnahen rechten Arteria iliaca externa. Der im Auftrag der Beklagten tätig gewordene Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S stellte in seinem Gutachten vom 26. Februar 2003 fest, der Kläger leide an Belastungsschmerzen des rechten Beins bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit Typ II a, gut eingestelltem arteriellem Bluthochdruck, Belastungsschmerz der Lendenwirbelsäule bei Abnutzungserscheinungen, Zustand nach Whipple-OP bei Krebserkrankung der Papilla vateri, zurzeit ohne besondere Beschwerden und ohne Anhalt für Rezidiv, sowie wiederholten abdominellen Beschwerden bei Kardiainsuffizienz. Als Gartenbauarbeiter sei er nicht mehr einsetzbar. Er könne jedoch noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten 6 Stunden und mehr täglich verrichten. Das Führen eines Fahrzeugs sei dem Kläger möglich. Fußwege über 500 Meter seien möglich. Für Fußwege bis 500 Metern seien mehr als 20 Minuten Gehzeit nicht erforderlich.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 10. März 2003 ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es liege bei ihm Erwerbsunfähigkeit vor, da er nur unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten könne. Er benötige zusätzliche Arbeitspausen, die im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen seien. Im Weiteren bezog sich der Kläger auf ein Attest des Internisten Dr. F vom 21. Mai 2003. Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinaldirektors Dr. L vom 01. Juli 2003, der betriebsunübliche Pausen nicht für erforderlich hielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 zurück.
Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, wegen der rezidivierenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre sei eine Magenresektion durchgeführt worden. Seitdem sei er gezwungen, wegen seines kleinen Restmagens häufige kleine Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Um sein Wohlbefinden zu erhalten, müsse er in etwa ein- bis zweistündigem Abstand essen. Das Erfordernis zusätzlicher Pausen für Zwischenmahlzeiten lasse keine Arbeit zu betriebsüblichen Arbeitsbedingungen zu. Er sei deshalb nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erwerbsunfähig. Im Übrigen habe das Versorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004 zwar die Herabsetzung des GdB auf 50 wegen Ablaufs der Heilungsbewährung bestätigt, ihm jedoch das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beine zuerkannt.
Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst einen Befundbericht des Internisten Dr. F vom 25. Februar 2004 sowie die medizinischen Unterlagen aus der Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen. In einer Stellungnahme vom 20. August 2004 hat der leitende Medizinaldirektor Dr. S ausgeführt, kleinere Zwischenmahlzeiten könnten in aller Regel im Rahmen einer persönlichen Verteilzeit, wie sie an den meisten Arbeitsplätzen üblich sei, eingenommen werden und machten damit in aller Regel eine betriebs-unübliche Pausenregelung nicht erforderlich. Die dokumentierten Untersuchungsbefunde im Hinblick auf die periphere arterielle Verschlusskrankheit belegten im Übrigen keine rentenrechtlich relevante Wegstreckeneinschränkung. Der Kläger habe auch bei seiner Begutachtung durch Dr. S angegeben, bei normalem Spazierschritt 500 bis 1000 Meter hintereinander laufen zu können. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" könne keinesfalls mit dem Vorliegen einer rentenrechtlich relevanten Wegstreckeneinschränkung gleichgesetzt werden.
Zu der Frage der persönlichen Verteilzeiten hat das Sozialgericht eine Stellungnahme des Instituts für Arbeitsphysiologie an der Universität D vom 08. Dezember 2004, ergänzt durch eine weitere Stellungnahme vom 24. Februar 2005, eingeholt. Danach sei die Frage eines besonderen Erholungszuschlags (persönliche Verteilzeiten) aufgrund der zwischenzeitlichen tarifvertraglichen Entwicklung heute als wissenschaftlich überholt zu betrachten.
Der Kläger hat zunächst noch einen weiteren Bericht einer Angiographie der arteriellen Beckengefäßstrombahn sowie beider Beine vom 01. Februar 2005 vorgelegt. Danach bestehe unverändert die kurzstreckige wenigstens 90%ige bzw. nahezu subtotale Stenose der abgangsnahen rechten Arteria iliaca externa.
Dann hat das Sozialgericht Dr. G mit der Erstattung eines internistisch-gastroenterologischen Fachgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 19. April 2005 ist der Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger leide an einer arteriellen Durchblutungsstörung im rechten Bein, Bluthochdruck, Überempfindlichkeit der Hände gegen Kälteexposition (Raynaud-Syndrom), Zustand nach 2/3-Resektion des Magens 1985 und Teilresektion der Bauspeicheldrüse mit Teilentfernung des Zwölffingerdarms 1998 wegen einer Krebserkrankung im Bereich des Ausführungsgangs der Bauchspeicheldrüse (Papillenkarzinom), beginnender Zuckerstoffwechselstörung als Folge der Teilentfernung der Bauchspeicheldrüse, leichte chronische Bronchitis bei chronischem Nikotingebrauch, leichte degenerative Wirbelsäulenerkrankung mit Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Der Kläger könne noch regelmäßig leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen oder Stehen mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche für mindestens 6 oder mehr Stunden der täglichen Arbeitszeit aus. Allerdings seien die üblichen Pausen nicht ausreichend. Der Kläger müsse in der Lage sein, alle zwei Stunden eine kleine Mahlzeit einzunehmen. Hierfür benötige er mindestens jeweils 15 Minuten. Die Mahlzeiten müssten einer Dumping-Kost entsprechen. Der Befund am oberen Magendarmtrakt sei von dem Vorgutachter nicht hinreichend gewürdigt worden. Zudem sei der Kläger nicht in der Lage, mindestens viermal täglich eine Strecke von mehr als 500 Meter innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er für das Zurücklegen einer Wegstrecke von 500 Metern bis zu 30 Minuten benötige. Zwischen zwei Fußwegen sei der Kläger in der Lage, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen. Die schmerzfreie Gehstrecke betrage etwa 100 Meter. Grund für diese Feststellung sei, dass bei seiner Untersuchung im Gegensatz zur Untersuchung des Vorgutachters die Arteria tibialis posterior des rechten Beins nicht mehr tastbar gewesen sei. Die Durchblutungsstörung am rechten Bein könne durch einen invasiven Eingriff (Angioplastie) gebessert werden. Es sei zu erwarten, dass dann die Wegefähigkeit deutlich gebessert, eventuell normalisiert würde. Das Magenleiden und die anderen Krankheitszustände seien dagegen nicht besserungsfähig.
Die Beklagte, die sich dem Ergebnis der Begutachtung nicht anzuschließen vermocht hat, hat auf Stellungnahmen der Medizinaloberrätin Dr. R vom 16. Juni 2005 und des Medizinaldirektors H vom 20. Mai 2005 Bezug genommen.
Der Kläger hat sich im März 2005 wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Stadium II b mit kurzstreckiger Stenosierung der Arteria iliaca externa rechts in stationärer Behandlung des V Klinikum i F befunden, wo eine Arteriographie der Beckengefäße und der Gefäße der unteren Extremitäten sowie eine Angioplastie vorgenommen worden sind (Entlassungsbericht vom 29. März 2005).
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten veranlasst, das von Prof. Dr. B, Direktor der Chirurgischen Klinik des V Klinikum A U, am 01. September 2005 erstattet worden ist. Dieser hat gegenüber den vorliegenden ärztlichen Unterlagen keine neuen Befunde erhoben, allerdings den Befund einer arteriellen Durchblutungsstörung in erheblichem Ausmaß, nämlich im Stadium II b nach Ratschow & Fontaine, festgestellt. Der Kläger könne zwar noch leichte Arbeiten 6 Stunden und mehr mit qualitativen Einschränkungen verrichten, allerdings sei er auch nicht ansatzweise wegefähig. Die von ihm angegebene Gehstrecke, die unter 50 Metern tendiere, sei glaubhaft, sie korreliere mit dem vorliegenden klinischen Befund, der Dopplersonographie und auch der Angiographie. Normalerweise seien bei alleinigen Beckenverschlüssen Gehstreckenlimits um 100 Meter üblich, jedoch könne dies sehr variieren. Beim Kläger seien aber außer den Veränderungen der Beckenstrombahn noch Einengungen im Bereich der Oberschenkelstrombahn vorhanden, die den Gesamtbefund verschlechterten. Dies beweise die Angiographie. Er halte im Gegensatz zu dem Vorgutachter das Erfordernis von zusätzlichen Arbeitspausen alle zwei Stunden für völlig überzogen. Erfahrungsgemäß kämen Patienten mit Magenteilresektion mit denselben Intervallen zwischen den Mahlzeiten aus wie Magengesunde. Der Kläger habe bei der Befragung auch die Zahl der täglichen Mahlzeiten zwischen 3 und 5 angegeben. Die dargestellten Einschränkungen bestünden seit Rentenantragstellung. Zur Besserung des Gesundheitszustands des Klägers müsse die Implantation einer künstlichen Arterie durchgeführt werden. Dieser Eingriff sei allerdings nicht duldungspflichtig, da Operationen im Bereich der Hauptschlagader mit einer Operationssterblichkeit zwischen 1 und 2 % behaftet seien.
Die Beklagte sieht sich durch das Gutachten von Prof. Dr. B in ihrer Auffassung bestätigt, dass es zusätzlicher betriebsunüblicher Pausen nicht bedürfe. Der Kläger sei jedoch, wie Prof. Dr. B festgestellt habe, seit seiner Begutachtung nicht mehr in der Lage, Fußwege von mindestens 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Die Wegefähigkeit sei damit eingeschränkt. Die Beklagte hat sich daher mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 bereit erklärt, die Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche bei einem künftigen Arbeitsgeber (§ 33 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch IX - SGB IX -) zu übernehmen. Zur Abrechnung eventueller Kosten benötige man eine Bestätigung des aufgesuchten Arbeitgebers über das stattgefundene Bewerbungsgespräch sowie einen Nachweis über die entstandenen Kosten. Ein Rentenanspruch bestehe somit nicht. Im Weiteren hat sich die Beklagte auf eine erneute Stellungnahme des leitenden Medizinaldirektors Dr. S vom 28. September 2005 bezogen.
Nach Beiziehung eines aktuellen Versicherungsverlaufs vom 09. Dezember 2005 hat das Sozialgericht die Beklagte durch Urteil vom 20. Dezember 2005 unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 01. Januar 2004 zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei zwar grundsätzlich in der Lage, körperlich leichte Arbeiten für mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, wie die gerichtlichen Sachverständigen Dr. G und Prof. Dr. B in Übereinstimmung mit der Einschätzung des im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Dr. S überzeugend ausgeführt hätten. Gleichwohl sei dem Kläger die begehrte Rente zuzusprechen gewesen, da er aufgrund einer erheblichen Einschränkung seines Gehvermögens nicht mehr in der Lage sei, Erwerbsvermögen zu erzielen, weil er wegeunfähig im rentenrechtlichen Sinne sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG könne Wegefähigkeit nur dann genommen werden, wenn der Versicherte noch in der Lage sei, mindestens viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. in maximal jeweils 20 Minuten, zu Fuß zurückzulegen und darüber hinaus zweimal täglich Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Diese Fähigkeit bestehe bei dem Kläger jedoch nachweisbar seit dem 01. Januar 2004 nicht mehr. Dies folge aus den schlüssigen und für das Gericht in vollem Umfang nachvollziehbaren Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen und der Beurteilung des Gehvermögens und der aus den Durchblutungsstörungen des rechten Beins resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. B in seinem für die Versorgungsverwaltung erstatteten Gutachten vom 02. April 2004. Die Durchblutungsverhältnisse des rechten Beins und das damit einhergehende Gehvermögen hätten sich seit Rentenantragstellung in einem derart gravierenden Maße verschlechtert, dass zumindest sei Beginn des Jahres 2004 Wegefähigkeit als nicht mehr gegeben festzustellen gewesen sei. Dr. B sei unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers sowie der von ihm erhobenen Befunde bei dessen körperlicher Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass die periphere arterielle Verschlusskrankheit des rechten Beins mit einem Einzel-GdB von 40 entsprechend den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX) 2004 Nr. 26.9. S. 73 zu beurteilen gewesen sei. Da Dr. B die einseitige Verschlusskrankheit mit einem GdB von 40 bewertet habe, sei er von einer schmerzfreien Gehstrecke in der Ebene von nur wenig mehr als 100 Metern ausgegangen. Dass durch die Operation im März 2005 möglicherweise eine zeitweise kurzfristige Besserung des Gehvermögens eingetreten sei, vermöge nichts daran zu ändern, dass eine nahezu durchgehende Wegeunfähigkeit des Klägers seit Beginn des Jahres 2004 zu verzeichnen sei.
Das Angebot der Beklagten, dem Kläger die Beförderungskosten für etwaige Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche bei potenziellen Arbeitgebern zu erstatten, vermöge die Wegeunfähigkeit nicht zu beseitigen. Die Situation wäre nur dann anders zu beurteilen gewesen, wenn der Kläger trotz der Behinderung einen für ihn zumutbaren Arbeitsplatz inne gehabt hätte oder - zumindest für die Zukunft - wenn die Beklagte sich mit Bescheid bindend verpflichtet hätte, die Kosten für die Erreichung eines Arbeitsplatzes zu übernehmen.
Die Rente sei auch auf Dauer zuzusprechen gewesen, da es unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Dies ergebe sich aus den Ausführungen von Prof. Dr. B zu der Operation, mit der die Durchblutungsstörungen möglicherweise beseitigt werden könnten, die aber im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken nicht duldungspflichtig sei.
Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da bei dem Kläger noch ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten für 6 Stunden ab Antragstellung bestehe. Die Notwendigkeit besonderer Pausenerfordernisse bestehe, wie Prof. Dr. B ausgeführt habe, nicht. Der Kläger habe selbst angegeben, täglich lediglich 3 bis 5 Mahlzeiten einzunehmen.
Gegen das am 15. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 06. März 2006 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie geltend macht, die derzeitige Wegefähigkeit des Klägers sei unbestritten eingeschränkt, wobei eine Besserung durch eine allerdings nicht duldungspflichtige Gefäßoperation möglich erscheine. Die Einschränkung der Wegefähigkeit von unter 500 Metern sei jedoch erst ab dem Tag der Begutachtung durch Prof. Dr. B am 31. August 2005 anzuerkennen. Da der Kläger zwar einen Führerschein, aber derzeit kein Kraftfahrzeug besitze, habe sie, die Beklagte, sich zur Abwendung eines Rentenanspruchs mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 zur Gewährung berufsfördernder Leistungen (Übernahme von Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche) verpflichtet. Dabei handele es sich um eine verbindliche Bewilligung von Leistungen. Das Angebot umfasse auch die Zusage, dass im Falle einer Arbeitsaufnahme Leistungen nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) dem Grunde nach bewilligt seien und nur über die konkrete Hilfe je nach Einzelfall noch zu entscheiden sei. Zur Klarstellung und Verdeutlichung werde die Zusage wiederholt:
"Die Beklagte bewilligt aufgrund des Vorrangs von Leistungen zur Rehabilitation vor Rentenleistungen die Übernahme der Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs-/Bewerbungsgespräche bei einem künftigen Arbeitgeber. Hierfür muss ein konkretes Bemühen zur Erlangung eines Arbeitsverhältnisses erkennbar sein. Zur Abrechnung evtl. Kosten benötigt die Beklagte eine Bescheinigung des (aufgesuchten) Arbeitgebers über das stattgefundene Bewerbungsgespräch sowie einen Nachweis über die entstandenen Kosten. Die Beklagte bewilligt wegen der eingeschränkten Wegefähigkeit für den Fall der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses notwendige Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes im Rahmen der Voraussetzungen der Kfz HV (z.B. Zuschüsse zur Beschaffung eines Kfz oder zur Erlangung einer Fahrerlaubnis, Übernahme der Kosten für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung) unter Berücksichtigung der ggf. bei einzelnen Leistungen zu beachtenden Einkommensgrenzen.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen ist, dass - die zu Fuß zurückzulegende direkte Wegstrecke zwischen der Wohnung oder wenn ein Teil des Weges mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus und Bahn) zurückgelegt werden kann, die zu Fuß zurückzulegende Wegstrecke zwischen Wohnung und Haltestelle bzw. Haltestelle und Arbeitsort nicht zumutbar ist und der Kläger infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist, um den Arbeitsort zu erreichen.
Es kann auch ein Zuschuss für Ihre Beförderung, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn ein Kfz nicht selbst geführt werden kann und auch nicht gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kfz führt, oder die Übernahme der Beförderungskosten an Stelle von Kfz-Hilfe wirtschaftlicher und für den Kläger zumutbar ist.
Die Beklagte behält sich den Widerruf für den Fall vor, dass in den tatsächlichen Verhältnissen der Wegefähigkeit eine Änderung in der Form eintritt, dass der Kläger wieder in der Lage ist, seinen Arbeitsplatz mit den ihm zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln zumutbar täglich zu erreichen."
Ergänzend führt die Beklagte aus, der Rentenbeginn zum 01. Januar 2004 sei unzutreffend. Bei einem Eintritt der Wegeunfähigkeit im Januar 2004, wie vom Gericht angenommen, wäre der Rentenbeginn der 01. Februar 2004.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2005 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2006 hat der Senat die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagte verwiesen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die form- und fristgerecht eingelegte Berufung durch Beschluss zurückweisen, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass dem Kläger ab dem 1. Januar 2004 eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer zusteht.
Gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor. Er verfügt zwar, wie sich aus den eingeholten Gutachten, insbesondere der gerichtlichen Sachverständigen Dr. G vom 19. April 2005 und Prof. Dr. B vom 01. September 2005 ergibt, über ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen, das es ihm, was auch der Kläger nicht mehr in Frage stellt, erlaubt, ohne zusätzliche Pausen – wenn auch mit sonstigen qualitativen Einschränkungen - zu arbeiten.
Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit aber auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufsuchen zu können. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Meter in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, stellt bei dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen als verschlossen anzusehen ist (ständige Rechtsprechung, s. BSG SozR 3- 2600 § 44 Nr. 8). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz innehat, der in zumutbarer Entfernung liegt oder mit einem vorhandenen Kfz erreichbar ist, oder wenn ein entsprechender Arbeitsplatz angeboten wird. Ist der Arbeitsmarkt für den Versicherten in diesem Sinne verschlossen, muss er infolgedessen so lange als erwerbsgemindert angesehen werden, wie seine Wegeunfähigkeit nicht behoben wird.
Danach ist der Kläger, der zwar einen Führerschein hat, aber nicht im Besitz eines Kfz ist, wegeunfähig. Er leidet an einer peripheren arteriellen Durchblutungsstörung, insbesondere der rechten Extremität, im Stadium II b nach Ratschow & Fontaine und ist deswegen, wie Prof. Dr. B in Übereinstimmung mit Dr. G ausführt und was die Beklagte auch nicht mehr in Abrede stellt, nicht mehr ansatzweise wegefähig. Das Sozialgericht hat die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen umfänglich ausgewertet und nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen der Annahme der Sachverständigen, die Wegefähigkeit des Klägers sei aufgehoben, zu folgen ist. Dem hat der Senat, der zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), nichts hinzuzufügen.
Allerdings wäre das Sozialgericht auch berechtigt gewesen, von fehlender Wegefähigkeit vor dem 1. Januar 2004 auszugehen, denn auch dazu hat Prof. Dr. B im Hinblick auf das Krankheitsbild ausführlich dargelegt, dass die Wegefähigkeit bereits seit Antragstellung aufgehoben ist. Der Rentenbeginn ab 01. Januar 2004 entspricht damit § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI.
Dem Sozialgericht ist auch darin zu folgen, dass der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer hat. Nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB VI ist zwar die Rente wegen voller Erwerbsminderung grundsätzlich auf Zeit zu leisten. Sie wird jedoch unbefristet gewährt, wenn der Anspruch unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht und unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI). In den Fällen der Wegeunfähigkeit bei ansonsten vollschichtigem Leistungsvermögen beruht die Erwerbsminderung nicht auf der Arbeitsmarktlage, sondern ausschließlich auf dem Gesundheitszustand (vgl. Kasseler Kommentar- Niesel § 102 SGB VI RN 12 unter Hinweis auf Bürck in DAngVers 1984, S. 191). Hängt – wie hier – die Besserung der Erwerbsfähigkeit von einem nicht duldungspflichtigen medizinischen Eingriff ab, kann grundsätzlich keine günstige Prognose gestellt werden, so dass die Rente gemäß § 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI auf Dauer zu gewähren ist.
Die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Leistungen nach der Kfz HV zu gewähren, wie sie mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 erstmals abgegeben und mit Schriftsatz vom 06. April 2006 wiederholt und ergänzt worden ist, reicht nicht aus, um die Wegeunfähigkeit des Klägers zu beheben.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 21. März 2006, Aktenzeichen B 5 RJ 51/04 R), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, wird die den Versicherungsfall begründende fehlende Mobilität des Versicherten regelmäßig nicht schon durch das Angebot von Rehabilitationsmaßnahmen, sondern erst mit deren erfolgreicher Durchführung effektiv wiederhergestellt. Ebenso wenig wie die Aussicht auf eine Maßnahme, die den Versicherten gesundheitlich in die Lage versetzen soll, wieder vollschichtig arbeiten zu können, eine Erwerbsminderung beseitigt, wird die Wegeunfähigkeit des Versicherten bereits dadurch überwunden, dass er beispielsweise eine finanzielle Unterstützung für die Beschaffung eines Kfz zugesagt bekommt. Es mögen ausnahmsweise Fälle denkbar sein, in denen nicht erst die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern bereits eine geeignete Leistungsbewilligung die Wegeunfähigkeit auch des arbeitslosen Versicherten beseitigt. Voraussetzung ist jedenfalls, dass die bewilligte Leistung den Versicherten in eine Lage versetzt, die derjenigen eines Versicherten gleicht, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitzt und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 Meter entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten ist, weil er mit einigermaßen verlässlich einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen kann.
Die von der Beklagte erklärte Bereitschaft, die Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs-/Bewerbungsgespräche bei einem künftigen Arbeitgeber zu übernehmen, wenn ein konkretes Bemühen zur Erlangung eines Arbeitsverhältnisses erkennbar ist, genügt den Anforderungen schon deshalb nicht, weil sie von verschiedenen nicht geklärten Fragen abhängt, insbesondere der Erforderlichkeit der Vorstellungs- bzw. Bewerbungsgespräche und dem erkennbaren konkreten Bemühen des Versicherten. Es ist auch nicht klar, welche Beförderungskosten die Beklagte konkret zu übernehmen bereit wäre. Darüber hinaus sollen die Kosten erst im Nachhinein erstattet werden. Auch das Versprechen, dem Kläger im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit die notwendigen Kosten zu Erlangung eines Arbeitsplatzes im Rahmen der Voraussetzungen der KfzHV zu gewähren, erleichtert es dem Kläger in keiner Weise, tatsächlich zu einem mehr als 500 Meter von seiner Wohnung entfernten Arbeitsplatz zu gelangen. Denn selbst wenn er ein Arbeitsverhältnis eingehen und damit die Bedingung für die angekündigte Bewilligung erfüllen würde, müsste er zunächst ein geeignetes Kraftfahrzeug erwerben. Außerdem ergibt sich aus der Zusage nicht, in welcher Höhe die Beklagte Kosten übernehmen will und ob der Kläger dadurch in die Lage versetzt würde, sich ein Kraftfahrzeug zu beschaffen. Zusammengefasst ist die vage Aussicht auf Zuschüsse unter unklaren Bedingungen, in unbekannter Höhe und auf unbekannte konkrete Einzelleistungen nicht im gleichen Maße geeignet, die Wegeunfähigkeit des Klägers zu beheben, wie bei einem Versicherten mit einem eigenen Kraftfahrzeug. So lange also die angebotene Maßnahme nicht erfolgreich durchgeführt worden ist und der Kläger infolgedessen weiterhin außer Stande ist, einen Arbeitsplatz zu erreichen und eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist die Erwerbsminderung nicht beseitigt worden.
Der Kläger erfüllt auch die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren gemäß §§ 43 Abs. 2 Nr. 3, 50 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI sind, was auch von der Beklagte nicht bestritten wird, unabhängig von der Frage, ob der Versicherungsfall bereits bei Antragstellung oder spätestens im Dezember 2003 eingetreten ist, ebenfalls erfüllt, denn der Versicherungsverlauf des Klägers vom 09. Dezember 2005 weist zumindest seit 1990 keinerlei Lücken auf. Dementsprechend liegen sämtliche Anspruchvoraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vor.
Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe die für Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1946 in der Türkei geborene und seit 1972 in der Bundesrepublik lebende, schwerbehinderte Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er war nach seinen Angaben seit 1972 bis 17. Juli 2001 als Maschinenarbeiter und Arbeiter im Garten- und Landschaftsbau tätig. Seitdem ist er arbeitslos.
Am 21. Januar 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit 1998 wegen der im Bescheid des Versorgungsamts vom 12. August 1998 aufgeführten Behinderungen (operativen Teilverlust des Magens mit Restbeschwerden, Whipple-OP im Stadium der Heilungsbewährung, chronischer Hepatitis, Gallensteinleiden und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und Gelenksverschleiß), wegen der ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt wurde, für erwerbsunfähig zu halten.
Der Beklagten lagen Berichte des Universitätsklinikum B F vom 23. November 2000, 09. Mai 2001 und 22. November 2001 vor, in denen ein Tumorrezidiv im Bereich des Pankreas ausgeschlossen wurde. Aus dem Bericht über eine Angiographie der arteriellen Beckengefäßstrombahn sowie beider Beine vom 23. September 2002 ergab sich eine Mediasklerose der Aorta abdominalis sowie der arteriellen Beckengefäßstrombahn mit Nachweis einer kurzstreckigen nahezu subtotalen Stenose der abgangsnahen rechten Arteria iliaca externa. Der im Auftrag der Beklagten tätig gewordene Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S stellte in seinem Gutachten vom 26. Februar 2003 fest, der Kläger leide an Belastungsschmerzen des rechten Beins bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit Typ II a, gut eingestelltem arteriellem Bluthochdruck, Belastungsschmerz der Lendenwirbelsäule bei Abnutzungserscheinungen, Zustand nach Whipple-OP bei Krebserkrankung der Papilla vateri, zurzeit ohne besondere Beschwerden und ohne Anhalt für Rezidiv, sowie wiederholten abdominellen Beschwerden bei Kardiainsuffizienz. Als Gartenbauarbeiter sei er nicht mehr einsetzbar. Er könne jedoch noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten 6 Stunden und mehr täglich verrichten. Das Führen eines Fahrzeugs sei dem Kläger möglich. Fußwege über 500 Meter seien möglich. Für Fußwege bis 500 Metern seien mehr als 20 Minuten Gehzeit nicht erforderlich.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 10. März 2003 ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es liege bei ihm Erwerbsunfähigkeit vor, da er nur unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten könne. Er benötige zusätzliche Arbeitspausen, die im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen seien. Im Weiteren bezog sich der Kläger auf ein Attest des Internisten Dr. F vom 21. Mai 2003. Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinaldirektors Dr. L vom 01. Juli 2003, der betriebsunübliche Pausen nicht für erforderlich hielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 zurück.
Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, wegen der rezidivierenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre sei eine Magenresektion durchgeführt worden. Seitdem sei er gezwungen, wegen seines kleinen Restmagens häufige kleine Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Um sein Wohlbefinden zu erhalten, müsse er in etwa ein- bis zweistündigem Abstand essen. Das Erfordernis zusätzlicher Pausen für Zwischenmahlzeiten lasse keine Arbeit zu betriebsüblichen Arbeitsbedingungen zu. Er sei deshalb nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erwerbsunfähig. Im Übrigen habe das Versorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004 zwar die Herabsetzung des GdB auf 50 wegen Ablaufs der Heilungsbewährung bestätigt, ihm jedoch das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beine zuerkannt.
Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst einen Befundbericht des Internisten Dr. F vom 25. Februar 2004 sowie die medizinischen Unterlagen aus der Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen. In einer Stellungnahme vom 20. August 2004 hat der leitende Medizinaldirektor Dr. S ausgeführt, kleinere Zwischenmahlzeiten könnten in aller Regel im Rahmen einer persönlichen Verteilzeit, wie sie an den meisten Arbeitsplätzen üblich sei, eingenommen werden und machten damit in aller Regel eine betriebs-unübliche Pausenregelung nicht erforderlich. Die dokumentierten Untersuchungsbefunde im Hinblick auf die periphere arterielle Verschlusskrankheit belegten im Übrigen keine rentenrechtlich relevante Wegstreckeneinschränkung. Der Kläger habe auch bei seiner Begutachtung durch Dr. S angegeben, bei normalem Spazierschritt 500 bis 1000 Meter hintereinander laufen zu können. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" könne keinesfalls mit dem Vorliegen einer rentenrechtlich relevanten Wegstreckeneinschränkung gleichgesetzt werden.
Zu der Frage der persönlichen Verteilzeiten hat das Sozialgericht eine Stellungnahme des Instituts für Arbeitsphysiologie an der Universität D vom 08. Dezember 2004, ergänzt durch eine weitere Stellungnahme vom 24. Februar 2005, eingeholt. Danach sei die Frage eines besonderen Erholungszuschlags (persönliche Verteilzeiten) aufgrund der zwischenzeitlichen tarifvertraglichen Entwicklung heute als wissenschaftlich überholt zu betrachten.
Der Kläger hat zunächst noch einen weiteren Bericht einer Angiographie der arteriellen Beckengefäßstrombahn sowie beider Beine vom 01. Februar 2005 vorgelegt. Danach bestehe unverändert die kurzstreckige wenigstens 90%ige bzw. nahezu subtotale Stenose der abgangsnahen rechten Arteria iliaca externa.
Dann hat das Sozialgericht Dr. G mit der Erstattung eines internistisch-gastroenterologischen Fachgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 19. April 2005 ist der Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger leide an einer arteriellen Durchblutungsstörung im rechten Bein, Bluthochdruck, Überempfindlichkeit der Hände gegen Kälteexposition (Raynaud-Syndrom), Zustand nach 2/3-Resektion des Magens 1985 und Teilresektion der Bauspeicheldrüse mit Teilentfernung des Zwölffingerdarms 1998 wegen einer Krebserkrankung im Bereich des Ausführungsgangs der Bauchspeicheldrüse (Papillenkarzinom), beginnender Zuckerstoffwechselstörung als Folge der Teilentfernung der Bauchspeicheldrüse, leichte chronische Bronchitis bei chronischem Nikotingebrauch, leichte degenerative Wirbelsäulenerkrankung mit Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Der Kläger könne noch regelmäßig leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen oder Stehen mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche für mindestens 6 oder mehr Stunden der täglichen Arbeitszeit aus. Allerdings seien die üblichen Pausen nicht ausreichend. Der Kläger müsse in der Lage sein, alle zwei Stunden eine kleine Mahlzeit einzunehmen. Hierfür benötige er mindestens jeweils 15 Minuten. Die Mahlzeiten müssten einer Dumping-Kost entsprechen. Der Befund am oberen Magendarmtrakt sei von dem Vorgutachter nicht hinreichend gewürdigt worden. Zudem sei der Kläger nicht in der Lage, mindestens viermal täglich eine Strecke von mehr als 500 Meter innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er für das Zurücklegen einer Wegstrecke von 500 Metern bis zu 30 Minuten benötige. Zwischen zwei Fußwegen sei der Kläger in der Lage, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen. Die schmerzfreie Gehstrecke betrage etwa 100 Meter. Grund für diese Feststellung sei, dass bei seiner Untersuchung im Gegensatz zur Untersuchung des Vorgutachters die Arteria tibialis posterior des rechten Beins nicht mehr tastbar gewesen sei. Die Durchblutungsstörung am rechten Bein könne durch einen invasiven Eingriff (Angioplastie) gebessert werden. Es sei zu erwarten, dass dann die Wegefähigkeit deutlich gebessert, eventuell normalisiert würde. Das Magenleiden und die anderen Krankheitszustände seien dagegen nicht besserungsfähig.
Die Beklagte, die sich dem Ergebnis der Begutachtung nicht anzuschließen vermocht hat, hat auf Stellungnahmen der Medizinaloberrätin Dr. R vom 16. Juni 2005 und des Medizinaldirektors H vom 20. Mai 2005 Bezug genommen.
Der Kläger hat sich im März 2005 wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Stadium II b mit kurzstreckiger Stenosierung der Arteria iliaca externa rechts in stationärer Behandlung des V Klinikum i F befunden, wo eine Arteriographie der Beckengefäße und der Gefäße der unteren Extremitäten sowie eine Angioplastie vorgenommen worden sind (Entlassungsbericht vom 29. März 2005).
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten veranlasst, das von Prof. Dr. B, Direktor der Chirurgischen Klinik des V Klinikum A U, am 01. September 2005 erstattet worden ist. Dieser hat gegenüber den vorliegenden ärztlichen Unterlagen keine neuen Befunde erhoben, allerdings den Befund einer arteriellen Durchblutungsstörung in erheblichem Ausmaß, nämlich im Stadium II b nach Ratschow & Fontaine, festgestellt. Der Kläger könne zwar noch leichte Arbeiten 6 Stunden und mehr mit qualitativen Einschränkungen verrichten, allerdings sei er auch nicht ansatzweise wegefähig. Die von ihm angegebene Gehstrecke, die unter 50 Metern tendiere, sei glaubhaft, sie korreliere mit dem vorliegenden klinischen Befund, der Dopplersonographie und auch der Angiographie. Normalerweise seien bei alleinigen Beckenverschlüssen Gehstreckenlimits um 100 Meter üblich, jedoch könne dies sehr variieren. Beim Kläger seien aber außer den Veränderungen der Beckenstrombahn noch Einengungen im Bereich der Oberschenkelstrombahn vorhanden, die den Gesamtbefund verschlechterten. Dies beweise die Angiographie. Er halte im Gegensatz zu dem Vorgutachter das Erfordernis von zusätzlichen Arbeitspausen alle zwei Stunden für völlig überzogen. Erfahrungsgemäß kämen Patienten mit Magenteilresektion mit denselben Intervallen zwischen den Mahlzeiten aus wie Magengesunde. Der Kläger habe bei der Befragung auch die Zahl der täglichen Mahlzeiten zwischen 3 und 5 angegeben. Die dargestellten Einschränkungen bestünden seit Rentenantragstellung. Zur Besserung des Gesundheitszustands des Klägers müsse die Implantation einer künstlichen Arterie durchgeführt werden. Dieser Eingriff sei allerdings nicht duldungspflichtig, da Operationen im Bereich der Hauptschlagader mit einer Operationssterblichkeit zwischen 1 und 2 % behaftet seien.
Die Beklagte sieht sich durch das Gutachten von Prof. Dr. B in ihrer Auffassung bestätigt, dass es zusätzlicher betriebsunüblicher Pausen nicht bedürfe. Der Kläger sei jedoch, wie Prof. Dr. B festgestellt habe, seit seiner Begutachtung nicht mehr in der Lage, Fußwege von mindestens 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Die Wegefähigkeit sei damit eingeschränkt. Die Beklagte hat sich daher mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 bereit erklärt, die Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche bei einem künftigen Arbeitsgeber (§ 33 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch IX - SGB IX -) zu übernehmen. Zur Abrechnung eventueller Kosten benötige man eine Bestätigung des aufgesuchten Arbeitgebers über das stattgefundene Bewerbungsgespräch sowie einen Nachweis über die entstandenen Kosten. Ein Rentenanspruch bestehe somit nicht. Im Weiteren hat sich die Beklagte auf eine erneute Stellungnahme des leitenden Medizinaldirektors Dr. S vom 28. September 2005 bezogen.
Nach Beiziehung eines aktuellen Versicherungsverlaufs vom 09. Dezember 2005 hat das Sozialgericht die Beklagte durch Urteil vom 20. Dezember 2005 unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 01. Januar 2004 zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei zwar grundsätzlich in der Lage, körperlich leichte Arbeiten für mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, wie die gerichtlichen Sachverständigen Dr. G und Prof. Dr. B in Übereinstimmung mit der Einschätzung des im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Dr. S überzeugend ausgeführt hätten. Gleichwohl sei dem Kläger die begehrte Rente zuzusprechen gewesen, da er aufgrund einer erheblichen Einschränkung seines Gehvermögens nicht mehr in der Lage sei, Erwerbsvermögen zu erzielen, weil er wegeunfähig im rentenrechtlichen Sinne sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG könne Wegefähigkeit nur dann genommen werden, wenn der Versicherte noch in der Lage sei, mindestens viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. in maximal jeweils 20 Minuten, zu Fuß zurückzulegen und darüber hinaus zweimal täglich Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Diese Fähigkeit bestehe bei dem Kläger jedoch nachweisbar seit dem 01. Januar 2004 nicht mehr. Dies folge aus den schlüssigen und für das Gericht in vollem Umfang nachvollziehbaren Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen und der Beurteilung des Gehvermögens und der aus den Durchblutungsstörungen des rechten Beins resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. B in seinem für die Versorgungsverwaltung erstatteten Gutachten vom 02. April 2004. Die Durchblutungsverhältnisse des rechten Beins und das damit einhergehende Gehvermögen hätten sich seit Rentenantragstellung in einem derart gravierenden Maße verschlechtert, dass zumindest sei Beginn des Jahres 2004 Wegefähigkeit als nicht mehr gegeben festzustellen gewesen sei. Dr. B sei unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers sowie der von ihm erhobenen Befunde bei dessen körperlicher Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass die periphere arterielle Verschlusskrankheit des rechten Beins mit einem Einzel-GdB von 40 entsprechend den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX) 2004 Nr. 26.9. S. 73 zu beurteilen gewesen sei. Da Dr. B die einseitige Verschlusskrankheit mit einem GdB von 40 bewertet habe, sei er von einer schmerzfreien Gehstrecke in der Ebene von nur wenig mehr als 100 Metern ausgegangen. Dass durch die Operation im März 2005 möglicherweise eine zeitweise kurzfristige Besserung des Gehvermögens eingetreten sei, vermöge nichts daran zu ändern, dass eine nahezu durchgehende Wegeunfähigkeit des Klägers seit Beginn des Jahres 2004 zu verzeichnen sei.
Das Angebot der Beklagten, dem Kläger die Beförderungskosten für etwaige Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche bei potenziellen Arbeitgebern zu erstatten, vermöge die Wegeunfähigkeit nicht zu beseitigen. Die Situation wäre nur dann anders zu beurteilen gewesen, wenn der Kläger trotz der Behinderung einen für ihn zumutbaren Arbeitsplatz inne gehabt hätte oder - zumindest für die Zukunft - wenn die Beklagte sich mit Bescheid bindend verpflichtet hätte, die Kosten für die Erreichung eines Arbeitsplatzes zu übernehmen.
Die Rente sei auch auf Dauer zuzusprechen gewesen, da es unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Dies ergebe sich aus den Ausführungen von Prof. Dr. B zu der Operation, mit der die Durchblutungsstörungen möglicherweise beseitigt werden könnten, die aber im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken nicht duldungspflichtig sei.
Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da bei dem Kläger noch ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten für 6 Stunden ab Antragstellung bestehe. Die Notwendigkeit besonderer Pausenerfordernisse bestehe, wie Prof. Dr. B ausgeführt habe, nicht. Der Kläger habe selbst angegeben, täglich lediglich 3 bis 5 Mahlzeiten einzunehmen.
Gegen das am 15. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 06. März 2006 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie geltend macht, die derzeitige Wegefähigkeit des Klägers sei unbestritten eingeschränkt, wobei eine Besserung durch eine allerdings nicht duldungspflichtige Gefäßoperation möglich erscheine. Die Einschränkung der Wegefähigkeit von unter 500 Metern sei jedoch erst ab dem Tag der Begutachtung durch Prof. Dr. B am 31. August 2005 anzuerkennen. Da der Kläger zwar einen Führerschein, aber derzeit kein Kraftfahrzeug besitze, habe sie, die Beklagte, sich zur Abwendung eines Rentenanspruchs mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 zur Gewährung berufsfördernder Leistungen (Übernahme von Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs- und Bewerbungsgespräche) verpflichtet. Dabei handele es sich um eine verbindliche Bewilligung von Leistungen. Das Angebot umfasse auch die Zusage, dass im Falle einer Arbeitsaufnahme Leistungen nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) dem Grunde nach bewilligt seien und nur über die konkrete Hilfe je nach Einzelfall noch zu entscheiden sei. Zur Klarstellung und Verdeutlichung werde die Zusage wiederholt:
"Die Beklagte bewilligt aufgrund des Vorrangs von Leistungen zur Rehabilitation vor Rentenleistungen die Übernahme der Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs-/Bewerbungsgespräche bei einem künftigen Arbeitgeber. Hierfür muss ein konkretes Bemühen zur Erlangung eines Arbeitsverhältnisses erkennbar sein. Zur Abrechnung evtl. Kosten benötigt die Beklagte eine Bescheinigung des (aufgesuchten) Arbeitgebers über das stattgefundene Bewerbungsgespräch sowie einen Nachweis über die entstandenen Kosten. Die Beklagte bewilligt wegen der eingeschränkten Wegefähigkeit für den Fall der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses notwendige Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes im Rahmen der Voraussetzungen der Kfz HV (z.B. Zuschüsse zur Beschaffung eines Kfz oder zur Erlangung einer Fahrerlaubnis, Übernahme der Kosten für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung) unter Berücksichtigung der ggf. bei einzelnen Leistungen zu beachtenden Einkommensgrenzen.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen ist, dass - die zu Fuß zurückzulegende direkte Wegstrecke zwischen der Wohnung oder wenn ein Teil des Weges mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus und Bahn) zurückgelegt werden kann, die zu Fuß zurückzulegende Wegstrecke zwischen Wohnung und Haltestelle bzw. Haltestelle und Arbeitsort nicht zumutbar ist und der Kläger infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist, um den Arbeitsort zu erreichen.
Es kann auch ein Zuschuss für Ihre Beförderung, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn ein Kfz nicht selbst geführt werden kann und auch nicht gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kfz führt, oder die Übernahme der Beförderungskosten an Stelle von Kfz-Hilfe wirtschaftlicher und für den Kläger zumutbar ist.
Die Beklagte behält sich den Widerruf für den Fall vor, dass in den tatsächlichen Verhältnissen der Wegefähigkeit eine Änderung in der Form eintritt, dass der Kläger wieder in der Lage ist, seinen Arbeitsplatz mit den ihm zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln zumutbar täglich zu erreichen."
Ergänzend führt die Beklagte aus, der Rentenbeginn zum 01. Januar 2004 sei unzutreffend. Bei einem Eintritt der Wegeunfähigkeit im Januar 2004, wie vom Gericht angenommen, wäre der Rentenbeginn der 01. Februar 2004.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2005 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2006 hat der Senat die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagte verwiesen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die form- und fristgerecht eingelegte Berufung durch Beschluss zurückweisen, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass dem Kläger ab dem 1. Januar 2004 eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer zusteht.
Gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor. Er verfügt zwar, wie sich aus den eingeholten Gutachten, insbesondere der gerichtlichen Sachverständigen Dr. G vom 19. April 2005 und Prof. Dr. B vom 01. September 2005 ergibt, über ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen, das es ihm, was auch der Kläger nicht mehr in Frage stellt, erlaubt, ohne zusätzliche Pausen – wenn auch mit sonstigen qualitativen Einschränkungen - zu arbeiten.
Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit aber auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufsuchen zu können. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Meter in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, stellt bei dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen als verschlossen anzusehen ist (ständige Rechtsprechung, s. BSG SozR 3- 2600 § 44 Nr. 8). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz innehat, der in zumutbarer Entfernung liegt oder mit einem vorhandenen Kfz erreichbar ist, oder wenn ein entsprechender Arbeitsplatz angeboten wird. Ist der Arbeitsmarkt für den Versicherten in diesem Sinne verschlossen, muss er infolgedessen so lange als erwerbsgemindert angesehen werden, wie seine Wegeunfähigkeit nicht behoben wird.
Danach ist der Kläger, der zwar einen Führerschein hat, aber nicht im Besitz eines Kfz ist, wegeunfähig. Er leidet an einer peripheren arteriellen Durchblutungsstörung, insbesondere der rechten Extremität, im Stadium II b nach Ratschow & Fontaine und ist deswegen, wie Prof. Dr. B in Übereinstimmung mit Dr. G ausführt und was die Beklagte auch nicht mehr in Abrede stellt, nicht mehr ansatzweise wegefähig. Das Sozialgericht hat die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen umfänglich ausgewertet und nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen der Annahme der Sachverständigen, die Wegefähigkeit des Klägers sei aufgehoben, zu folgen ist. Dem hat der Senat, der zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), nichts hinzuzufügen.
Allerdings wäre das Sozialgericht auch berechtigt gewesen, von fehlender Wegefähigkeit vor dem 1. Januar 2004 auszugehen, denn auch dazu hat Prof. Dr. B im Hinblick auf das Krankheitsbild ausführlich dargelegt, dass die Wegefähigkeit bereits seit Antragstellung aufgehoben ist. Der Rentenbeginn ab 01. Januar 2004 entspricht damit § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI.
Dem Sozialgericht ist auch darin zu folgen, dass der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer hat. Nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB VI ist zwar die Rente wegen voller Erwerbsminderung grundsätzlich auf Zeit zu leisten. Sie wird jedoch unbefristet gewährt, wenn der Anspruch unabhängig von der Arbeitsmarktlage besteht und unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI). In den Fällen der Wegeunfähigkeit bei ansonsten vollschichtigem Leistungsvermögen beruht die Erwerbsminderung nicht auf der Arbeitsmarktlage, sondern ausschließlich auf dem Gesundheitszustand (vgl. Kasseler Kommentar- Niesel § 102 SGB VI RN 12 unter Hinweis auf Bürck in DAngVers 1984, S. 191). Hängt – wie hier – die Besserung der Erwerbsfähigkeit von einem nicht duldungspflichtigen medizinischen Eingriff ab, kann grundsätzlich keine günstige Prognose gestellt werden, so dass die Rente gemäß § 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI auf Dauer zu gewähren ist.
Die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Leistungen nach der Kfz HV zu gewähren, wie sie mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 erstmals abgegeben und mit Schriftsatz vom 06. April 2006 wiederholt und ergänzt worden ist, reicht nicht aus, um die Wegeunfähigkeit des Klägers zu beheben.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 21. März 2006, Aktenzeichen B 5 RJ 51/04 R), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, wird die den Versicherungsfall begründende fehlende Mobilität des Versicherten regelmäßig nicht schon durch das Angebot von Rehabilitationsmaßnahmen, sondern erst mit deren erfolgreicher Durchführung effektiv wiederhergestellt. Ebenso wenig wie die Aussicht auf eine Maßnahme, die den Versicherten gesundheitlich in die Lage versetzen soll, wieder vollschichtig arbeiten zu können, eine Erwerbsminderung beseitigt, wird die Wegeunfähigkeit des Versicherten bereits dadurch überwunden, dass er beispielsweise eine finanzielle Unterstützung für die Beschaffung eines Kfz zugesagt bekommt. Es mögen ausnahmsweise Fälle denkbar sein, in denen nicht erst die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern bereits eine geeignete Leistungsbewilligung die Wegeunfähigkeit auch des arbeitslosen Versicherten beseitigt. Voraussetzung ist jedenfalls, dass die bewilligte Leistung den Versicherten in eine Lage versetzt, die derjenigen eines Versicherten gleicht, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitzt und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 Meter entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten ist, weil er mit einigermaßen verlässlich einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen kann.
Die von der Beklagte erklärte Bereitschaft, die Beförderungskosten für erforderliche Vorstellungs-/Bewerbungsgespräche bei einem künftigen Arbeitgeber zu übernehmen, wenn ein konkretes Bemühen zur Erlangung eines Arbeitsverhältnisses erkennbar ist, genügt den Anforderungen schon deshalb nicht, weil sie von verschiedenen nicht geklärten Fragen abhängt, insbesondere der Erforderlichkeit der Vorstellungs- bzw. Bewerbungsgespräche und dem erkennbaren konkreten Bemühen des Versicherten. Es ist auch nicht klar, welche Beförderungskosten die Beklagte konkret zu übernehmen bereit wäre. Darüber hinaus sollen die Kosten erst im Nachhinein erstattet werden. Auch das Versprechen, dem Kläger im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit die notwendigen Kosten zu Erlangung eines Arbeitsplatzes im Rahmen der Voraussetzungen der KfzHV zu gewähren, erleichtert es dem Kläger in keiner Weise, tatsächlich zu einem mehr als 500 Meter von seiner Wohnung entfernten Arbeitsplatz zu gelangen. Denn selbst wenn er ein Arbeitsverhältnis eingehen und damit die Bedingung für die angekündigte Bewilligung erfüllen würde, müsste er zunächst ein geeignetes Kraftfahrzeug erwerben. Außerdem ergibt sich aus der Zusage nicht, in welcher Höhe die Beklagte Kosten übernehmen will und ob der Kläger dadurch in die Lage versetzt würde, sich ein Kraftfahrzeug zu beschaffen. Zusammengefasst ist die vage Aussicht auf Zuschüsse unter unklaren Bedingungen, in unbekannter Höhe und auf unbekannte konkrete Einzelleistungen nicht im gleichen Maße geeignet, die Wegeunfähigkeit des Klägers zu beheben, wie bei einem Versicherten mit einem eigenen Kraftfahrzeug. So lange also die angebotene Maßnahme nicht erfolgreich durchgeführt worden ist und der Kläger infolgedessen weiterhin außer Stande ist, einen Arbeitsplatz zu erreichen und eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist die Erwerbsminderung nicht beseitigt worden.
Der Kläger erfüllt auch die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren gemäß §§ 43 Abs. 2 Nr. 3, 50 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI sind, was auch von der Beklagte nicht bestritten wird, unabhängig von der Frage, ob der Versicherungsfall bereits bei Antragstellung oder spätestens im Dezember 2003 eingetreten ist, ebenfalls erfüllt, denn der Versicherungsverlauf des Klägers vom 09. Dezember 2005 weist zumindest seit 1990 keinerlei Lücken auf. Dementsprechend liegen sämtliche Anspruchvoraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vor.
Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe die für Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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