L 10 B 752/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 1845/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 752/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 23. August 2006 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren zu tragen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat der Antragsgegnerin zu Recht die (außergerichtlichen) Kosten des Vollstreckungsverfahrens auferlegt.

Das gerichtliche Vollstreckungsverfahren, das mit dem Eingang des Vollstreckungsantrages bei Gericht am 18. April 2006 begonnen hatte, ist nach dem Erlass des den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 umsetzenden Bescheides vom 19. April 2006 für erledigt erklärt worden. Auf Antrag ist nur noch über die Kosten in Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Die Entscheidung ist ausgehend vom bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen, wobei neben dem Prozesserfolg insbesondere Veranlassungsgesichtspunkte von Belang sind.

Der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006, mit dem die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, dem Antragsteller zu 1 für den Zeitraum vom 28. Februar 2006 bis 30. April 2006 Sozialgeld nach § 28 SGB II und Leistungen für die Unterkunft und Heizung vorläufig zu bewilligen, wird im Verfahren nach § 201 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), der auch für Vollstreckungstitel nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG gilt, vollstreckt. Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn der zu vollstreckenden Titel ein so genanntes Grundurteil (BSG SozR 3 – 1500 § 199 Nr. 1) oder - wie hier - einen einem Grundurteil entsprechenden Beschlusstenor enthält.

Das Vollstreckungsverfahren ist ein außergerichtliche Kosten auslösendes Verfahren. Anlass, dies ausdrücklich festzustellen, gibt der Umstand, dass ein Sozialrechtsstreit in der Regel außergerichtliche Kosten nach Maßgabe des § 3 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG), d.h. eine Betragsrahmengebühr auslöst, mithin in Frage steht, ob weitere Kosten (hier die Vollstreckungskosten) im Gebührenansatz enthalten sind und gegebenenfalls "nur" als erhöhter Aufwand (Bestimmungselement nach § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 RVG) zu berücksichtigen sind. Hier schließen die Rahmengebühren einen eigenständigen (streitwertabhängigen (vgl. Hk-RVG/Dinkat RVG § 3 Rn 23)) Gebührenansatz für das Vollstreckungsverfahren nicht aus, da Vollstreckungs- bzw. Vollziehungsvorgänge (zur begrifflichen Differenzierung Gerold/Schmidt-Müller-Rabe VV 33309 Rn 2), die auf nach dem SGG erlangten Titeln beruhen, nicht von der allgemeinen Kostenregelung, die nach § 18 Nr. 3 und 4, Vergütungsverzeichnis (Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) Nr. 3309 für Vollziehungs- und Vollstreckungsmaßnahmen gilt, ausgenommen sind, d.h. sie als "besondere" und damit selbständig Gebühren begründende Angelegenheit im Sinne der §§ 15, 18 RVG einzuordnen sind.

Die außergerichtlichen Kosten sind von der Antragsgegnerin zu tragen, da die Voraussetzungen der Vollstreckung vorlagen und die Antragsteller Anlass hatten, die Vollstreckung zu betreiben.

Entscheidungen im einstweiligen Rechtschutzverfahren sind nach § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 929 ZPO ohne Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach Zustellung ohne weitere Zwischenschritte sofort vollstreckbar. Diese besondere Eilbedürftigkeit der Umsetzung von Entscheidungen im einstweiligen Rechtschutzverfahren ist auch im Rahmen des § 201 SGG zu beachten. Zu vergleichen sind insoweit die Vorschriften der Vollstreckung von Geldforderungen gegen die öffentliche Hand, die zwar grundsätzlich eine Benachrichtigung mit Abwendungsfrist (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 882a ZPO oder § 170 der Verwaltungsgerichtsordnung) vorsehen, hiervon aber ausdrücklich die Vollstreckung von Entscheidungen im einstweiligen Rechtschutzverfahren ausnehmen (§ 882a Abs. 5 ZPO, § 170 Abs. 5 ZPO).

Der Antragsteller zu 1 hat nach Zustellung des Beschlusses bei seiner Prozessbevollmächtigten am 30. März 2006 die Antragsgegnerin mit Fax vom 30. März 2006 und Fax vom 5. April 2006 zur Zahlung aufgefordert und nach Fristablauf am 7. April 2006 weitere zehn Tage mit der Stellung eines Vollstreckungsantrag zugewartet. Auch wenn der Antragsgegnerin bei "Grundbeschlüssen" eine Frist zur Umsetzung der Entscheidung zugebilligt werden muss, so war eine solche Frist, die wegen der besonderen Eilbedürftigkeit bei existenzsichernden Leistungen nur wenige Tage betragen kann, jedenfalls im Zeitpunkt des Eingangs des Vollstreckungsantrages bei Gericht abgelaufen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin auf die Schreiben des Antragstellers nicht reagiert hat und den Antragsteller im Unklaren gelassen hat, ob zeitnah eine Umsetzung des Beschlusses erwartet werden kann.

Demgegenüber ist unbeachtlich, dass in dem Vollstreckungsantrag Bezug genommen wird auf §§ 202 SGG, 888 ZPO. Entscheidend ist allein, dass der Antragsteller hinreichend deutlich gemacht hat, dass bis zur Stellung des Vollstreckungsantrages eine Umsetzung der Entscheidung des Sozialgerichts Berlin nicht erfolgt ist und dass nunmehr die Einleitung der Vollstreckung begehrt wird (Rechtsgedanke des § 123 SGG).

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG (vgl. § 18 Nr. 5 RVG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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