L 17 RA 62/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 4 RA 4841/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RA 62/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 2004 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beru-fungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt eine höhere Altersrente. Strittig ist, ob die Beklagte eine im Ghetto L von Januar 1940 bis Dezember 1941 zurückgelegte Beitragszeit zu berücksichtigen hat.

Die Klägerin ist am 1930 in K geboren. Sie ist jüdischer Abstammung und wurde deswegen verfolgt. 1949 legte sie die Reifeprüfung ab und absolvierte danach ein Studium zur Zahnärz-tin, das sie 1953 abschloss. Sie wanderte nach Israel aus und ist seit 1966 israelische Staatsan-gehörige.

Mit Rentenbescheid vom 17. Januar 1995 erhält sie seit dem 1. November 1994 Altersrente für Frauen aus einem freiwilligen Beitrag für Januar 1986 sowie 84 Monaten an Ausbildungszeiten (0,0215 Entgeltpunkte). Die Rente wurde mit Rentenbescheid vom 19. Dezember 1996 wegen der Rentenanpassung zum 1. Juli 1995 neu berechnet.

In einem vorangegangenen Kontenklärungsverfahren waren die die Klägerin betreffenden Ent-schädigungsakten beigezogen worden, in denen sich u.a. ein Bescheid befand, mit dem Ent-schädigung wegen Ablaufs der Antragsfrist abgelehnt worden war. Außerdem hatte die Kläge-rin eine eigene Erklärung über ihr Verfolgungsschicksal vom 24. August 1988 abgegeben.

Im Juni 1998 beantragte die Klägerin die Anerkennung von Arbeitszeiten im Ghetto L von 1940 bis 1942. Sie habe in dieser Zeit Reinigungsarbeiten verrichtet. Sie sei mit ihrer Mutter zusammen gewesen, die in dieser Zeit im Schneiderressort gearbeitet habe.

Mit Bescheid vom 25. März 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten in der Zeit vom 1. Januar 1940 bis 31. Dezember 1941 ab. Diese Zeiten seien weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und reichte verschiedene Unterlagen ein, und zwar

ein Schriftstück (Memorandum) des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 31. März 1999,

einen Auszug aus der Veröffentlichung "Faschismus-Getto-Massenmord"; he-rausgegeben vom Jüdischen Historischen Institut Warschau,

ein Auszug aus dem Buch "Kinder mit dem gelben Stern, Europa 1933 – 1945" von Debórah Dwork,

ein Auszug aus dem Buch "Besondere Vorkommnisse nicht bekannt" von An-nette Wienecke.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, unter Berücksichtigung des damaligen Alters der Klägerin sowie ihrer Aussa-gen und der Tatsache, dass keine Zeugenerklärungen vorlägen, sei die Glaubhaftmachung der Beschäftigungszeiten nicht gelungen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben (eingegangen am 19. November 1999) und sich auf die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen bezogen.

Mit Urteil vom 4. Juni 2003 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, das geltend gemachte Beschäftigungsverhältnis sei weder nachgewiesen noch glaubhaft ge-macht.

Gegen das der Klägerin am 17. Juli 2003 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 5. August 2003 eingegangene Berufung. Sie hat sich auf ihr früheres Vorbringen bezogen. Der von ihr ange-kündigte Versuch, Zeugen beizubringen, hatte keinen Erfolg.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die Rente der Klägerin mit Rentenbescheid vom 28. Januar 2004 unter Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 24. Juli 2001 (– B 4 RA 45/99 R , SozR 3-2600 § 71 Nr. 2) auf der Basis von 6,3000 Entgelt-punkten seit dem 1. Januar 1999 neu berechnet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juni 2003 und den Bescheid der Be-klagten vom 25. März 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1999 aufzuheben und diese zu verurteilen, den Bescheid vom 17. Januar 1995 teilweise zurückzunehmen und bei der Rentenberechnung eine Beitragszeit vom 1. Januar 1940 bis 31. Dezember 1941 zu berücksichtigen so-wie den Bescheid vom 28. Januar 2004 entsprechend zu ändern.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 2004 abzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Akten des Sozialgerichts Berlin S 4 RA 4841/99 und die Akten der Beklag¬ten – haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewe¬sen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einver-ständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG ).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist für den Leistungszeitraum bis 31. Dezember 1998 der Bescheid vom 25. März 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1999. Diese Bescheide sind auch als Ablehnung einer teilweisen Rücknahme des Rentenbescheides vom 17. Januar 1995 auszulegen, denn sinngemäß war der Antrag der Klägerin auf Anerkennung weiterer Versicherungszeiten bei laufendem Rentenbezug ein Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 17. Januar 1995. Für den darauf ergangenen angefochtenen Bescheid über die Ablehnung einzelner Zeiten ist in dieser Lage kein Raum. Der auf den weiteren Über-prüfungsantrag ergangene Rentenbescheid vom 28. Januar 2004 ersetzt den vorangegangenen Rentenbescheid (der nicht angefochten ist) für den Leistungszeitraum seit dem 1. Januar 1999. Zugleich hat die Beklagte mit diesem Bescheid daran festgehalten, dass eine Änderung des Rentenbescheides im Sinne des Klageziels im vorliegenden Verfahren nicht vorzunehmen ist. Dieser Rentenbescheid ist deshalb Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung von Beitragszeiten in der Zeit vom 1. Januar 1940 bis 31. Dezember 1941. Eine Anerkennung nach § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift am 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten ist.

Die Klägerin hat allerdings im Formantrag auf Rente vom 6. Februar 1991 auch geltend ge-macht, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis anzugehören, was in Verbindung mit § 19 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung WGSVG – zur Anwendung des § 15 des Fremdrentengesetzes – FRG – führen könnte.

Es sind aber keine Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nachgewiesen. Auch die verminderten Beweisanforderungen des FRG sind nicht erfüllt. Nach § 4 Abs. 1 FRG genügt es für die Fest-stellung der nach dem FRG erheblichen Tatsachen, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tat-sache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.

Es ist aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1940 bis 31. Dezember 1941 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Dafür reicht die An-gabe der Klägerin, die ohne jede nähere Darlegung auf einem Vordruck gemacht worden ist, nicht aus. Sonstige Unterlagen sind nicht ersichtlich. Es ist der Klägerin auch nicht gelungen, Zeugen zu benennen, die das Gericht über die Ausgestaltung der Arbeit der Klägerin hätte be-fragen können.

Die Klägerin hat eine Anzahl von Unterlagen eingereicht, nach denen es im Ghetto L auch Kinderarbeit gegeben hat. Damit kann die Klägerin aber allenfalls belegen, dass ihr Vorbrin-gen, sie habe als Zehn- bzw. Elfjährige gearbeitet, nicht von Vornherein unglaubhaft ist. Diese Unterlagen sagen aber über ein konkretes Beschäftigungsverhältnis der Klägerin nichts aus.

Bei dieser Sachlage ist ein Beschäftigungsverhältnis nicht überwiegend glaubhaft. Deshalb kann auch die Entrichtung von Beiträgen nicht nach § 14 WGSVG fingiert werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
Rechtskraft
Aus
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