L 25 B 1229/05 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 489/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1229/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. September 2005 geändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Euro 253,68 zu zahlen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller außergerichtliche Kosten des Verfahrens zu einem Zehntel dem Grunde nach zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1981 geborene Antragsteller (Ast.) ist ledig, alleinstehend und Besitzer - nicht Eigentümer - des in der A Straße , W belegenen Grundstückes mit einer Größe von 4674 m2. Auf dem Grundstück befinden sich ein Wohnhaus, Rinder- und Schweinestall, ein weiterer Stall sowie eine Scheune im Sinne eines so genannten Vierseithofes. Unter Nutzung des o. g. bäuerlichen Grundstückes betreibt der Ast. eine Landwirtschaft mit 50 Schweinen und 15 Rindern (Angaben des Ast. im ER-Verfahren S 23 AS 100/05 ER vor dem SG Cottbus, zitiert nach dem Beschluss dieses Gerichtes in dem vorgenannten Verfahren, aufzufinden in der hier beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin).

Mit Bescheid vom 09. Februar 2005 bewilligte die Agg. dem Ast. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 1.129,85 Euro. Dieser Betrag setzte sich aus der Regelleistung in Höhe von 331,00 Euro, Heizkosten in Höhe von 96,01 Euro sowie Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 702,84 Euro zusammen.

Mit einem "Änderungs-Bescheid" vom 15. April 2005 wollte die Agg. für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. April 2005 noch 1.142,92 Euro und für die Zeit vom 01. Mai 2005 bis 30. Juni 2005 nur noch 122,35 Euro "bewilligen". Den Erfolg des Ast. in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zum Aktenzeichen S 23 AS 100/05 ER vor dem SG Cottbus (Beschluss vom 04. Mai 2005) führte die Agg. mit Bescheid vom 21. Mai 2005 aus: Sie erkannte für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2005 monatlich 1.142,92 Euro und für die Zeit vom 01. März 2005 bis 30. Juni 2005 monatlich 1.155,32 Euro zu.

In ihrem Ausgangsbescheid vom 31. Mai 2005 für die Zeit vom 01. Juli bis 31. Dezember 2005 gewährte die Agg. dem Ast. monatlich 1.059,31 Euro. Darin ging sie von einer Regelleistung von 331,00 DM sowie einem Bedarf für KdU von 728,31 Euro aus. Heizkosten berücksichtigte sie nicht. Im Hinblick auf die vom Ast. betriebene Ölheizungsanlage führte sie aus, Heizkosten, die nicht monatlich anfielen, würden ab dem Fortsetzungsantrag (für die Zeit ab 01. Juli 2005) nur noch als einmalige Beihilfe gewährt. Der Ast. werde gebeten, vor Kauf der Heizmittel einen Antrag auf einmalige Beihilfe zu stellen.

Mit "Änderungsbescheid" vom 02. Juni 2005 teilte die Agg. mit, sie wolle für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 dem Ast. nunmehr nur noch monatlich 400,06 Euro "bewilligen". Erneut erging ein Hinweis dahin, vor dem Kauf von Brennstoffen einen Antrag auf Übernahme der Kosten zu stellen. Der Ast. widersprach dieser Entscheidung unter dem 04. Juni 2005, Widerspruchsbescheid wurde am 13. Juli 2005 erlassen, Hauptsacheklage zum Aktenzeichen S 23 AS 387/05 erhoben. Das diesbezügliche einstweilige Rechtsschutzverfahren wurde erstinstanzlich zum Aktenzeichen S 23 AS 209/05 ER geführt, zweitinstanzlich hat das LSG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 30. Dezember 2005 die aufschiebende Wirkung der Klage zum Aktenzeichen S 23 AS 387/05 angeordnet. Auf den den Beteiligten bekannten Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen (L 29 B 129/05 AS ER).

Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2005 begehrte der Ast. bei der Agg. als Gewährung einmaliger Leistungen die Übernahme der Heizkosten für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005.

Mit Bescheid vom 02. August 2005 lehnte die Agg. die Übernahme für diesen Zeitraum ab. Als alleinstehende Person stehe dem Ast. ein Wohnraum von maximal 130 m2 bei Nutzung eines Eigenheimes zu. Die Heizkosten würden indes mit Bezug auf die zulässigen Quadratmeter pro Person gewährt. Für eine alleinstehende Person seien dies maximal 50 m2.

Die Höhe der bereits gezahlten Heizkosten überschritten den Gesamtjahresheizbedarf. Für den Zeitraum 1/05 bis 06/05 seien 576,06 Euro (6 x 96,01 Euro) geleistet worden. Der zulässige Jahresbedarf betrage lediglich 507,37 Euro.

In seinem Widerspruch vom 06. August 2005 erklärte der Ast., ihm sei im Februar 2005 gesagt worden, im ersten Halbjahr würde nicht die Angemessenheit des Wohnraumes berücksichtigt werden. Somit könne in seinem Falle eine Überzahlung der Heizkosten in der Zeit von 01/05 bis 06/05 nicht gegeben sein. Daraus folge, dass die Agg. keinen Anspruch auf "Verrechnung" der angeblich überzahlten Heizkosten habe.

Mit Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 06. September 2005 beim SG Cottbus trug der Ast. vor, leider habe er schon Heizöl bestellt gehabt. Es seien ihm Kosten in Höhe von 2.205,50 Euro entstanden. Beigefügt war eine Kopie einer Zahlungserinnerung der TOTAL Mineralöl GmbH vom 05. September 2005. Aus ihr war der Bezug auf eine Rechnung vom 16. August 2005 zur Nr. 43717659 zu entnehmen.

Das Sozialgericht ist davon ausgegangen, der Ast. beantrage erstinstanzlich,

die Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Heizölkosten in Höhe von 2.205,50 Euro zu übernehmen.

Die Agg. hat sinngemäß beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Im vorliegenden Falle betrage die angemessene Wohnfläche für eine Person 50 m2, der Energiebedarf pro Jahr je m2 betrage 27,5 l und die aktuellen Kosten je Einheit seien mit 0,45 Euro je Liter anzusetzen. Hieraus folge ein angemessener Jahresheizbedarf von 618,75 Euro (50 m2 x 27,5 l x 0,45 Euro je l). Nach Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung (18 v. H. von 618,75) betrage die jährliche Heizkostenbeihilfe grundsätzlich 507,37 Euro (618,75 Euro - 111,38 Euro).

Da aber - für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 - 576,06 Euro bereits an Heizkosten (96,01 Euro x 6) ausgezahlt worden seien, sei diese Summe vom jährlichen Heizbedarf abzuziehen. Da die für den Zeitraum 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 ausgezahlte Leistung von 576,06 Euro schon höher sei, als der (gesamte) angemessene Jahresheizbedarf, sei der Antrag auf Übernahme der einmaligen Heizkostenbeihilfe abzulehnen gewesen.

Mit Beschluss vom 28. September 2005 hat das Sozialgericht Cottbus den Antrag sinngemäß abgelehnt. Dabei hat es sich der Auffassung der Antragsgegnerin angeschlossen.

Gegen den ihm am 01. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat der Ast. am 02. Oktober 2005 Beschwerde beim LSG Berlin-Brandenburg eingelegt. Seiner Auffassung nach sei der - maßgebliche - Leistungszeitraum nur das zweite Halbjahr 2005. Demzufolge könnten die Heizkosten, welche für das erste halbe Jahr bewilligt worden seien, nicht mit denen für das zweite Halbjahr zustehenden in Verbindung gebracht werden. Des Weiteren stünden die festgelegten "Verrechnungspreise" für Heizöl in keiner Relation zum aktuellen Marktwert (0,45 Euro je Liter "Verrechnungssatz" gegenüber einem aktuellen Wert von ca. 0,60 Euro). Ferner solle die "Beklagte verurteilt" werden, die Kosten der Mahnung und der daraus resultierenden weiteren Kosten zu übernehmen. Er überreichte eine weitere "2. Mahnung" vom 12. September 2005 (Mahngebühr 5 Euro) sowie eine "3. Mahnung" vom 19. September 2005 (Mahngebühr 5,00 Euro und Verzugszinsen 12,13 Euro). Ferner überreichte der Ast. Schriftverkehr vom 17. November 2005, 12. Dezember 2005, 15. Dezember 2005 wegen des Forderungseinzugs seitens der Dr. Finsterer und Königs Inkasso GmbH, welche für die TOTAL Mineralöl GmbH die Forderung einziehe.

Der Senat geht davon aus, der Ast. wolle beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. September 2005 aufzuheben und dem Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, an ihn, den Ast., vorläufig Euro 2.205,50 zu zahlen.

Den weiteren Antrag, der Agg. des Weiteren aufzugeben, ihm aus der Heizöllieferung der TOTAL Mineralöl GmbH entstehende weitere Kosten für Mahnung, Verzug usw. zu ersetzen, hat der Ast. auf richterlichen Hinweis zurückgenommen (Schriftsatz vom 11. Januar 2006).

Die Agg. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Agg. (03504BG0002572) sowie die Verfahrenakten, ferner auf die Verfahrensakten des Verfahrens L 29 B 129/05 AS ER Bezug genommen. Die genannten Unterlagen haben dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im ausgesprochenen Umfange wie aus dem Tenor ersichtlich, begründet, im Übrigen unbegründet.

Im Einzelnen:

Nur soweit im Tenor zu 1 ausgesprochen, ist es dem Ast. gelungen, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im Verfahren wegen Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 1, Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand dieses - hier zu entscheidenden - summarischen Verfahrens dürfte dem Ast. kein weitergehender Anspruch auf einmalige Heizkostenbeihilfe für die Zeit vom 01. Juli bis 31. Dezember 2005 zustehen.

Als Geldleistungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Alg II als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Leistungen für Heizbedarf werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Im Falle des Ast. beträgt die angemessene Wohnfläche für eine alleinstehende Person 50 m2, hier betrachtet unter dem Gesichtspunkt seines Heizungsbedarfs. Wie die Agg. und das SG geht auch der Senat davon aus, dass ein Jahresenergiebedarf für Heizung je Quadratmeter mit 27,5 l Heizöl zugrunde zu legen ist. Hiergegen hat auch der Ast. nichts vorgebracht. Soweit der Ast. vorträgt, der "Verrechnungspreis" von 0,45 Euro je l sei zu niedrig angesetzt, hat er hierfür nichts Substantiiertes vorgetragen: Es ist weder eine Urkunde über eine Bestellung (Vertragsurkunde), noch eine Rechnungsunterlage von seiner Seite zur Gerichtsakte gelangt. Es kann nur vermutet werden, dass der Ast., nachdem er sein Begehren bei der Agg. vorgebracht hatte (28. Juni 2005), das Heizmittel bestellt hat, denn die Rechnung datiert - wie sich nur aus der Zahlungserinnerung ergibt - offenbar vom 16. August 2005.

Zu welchem Literpreis er seinerzeit seinen Vorrat an Heizmittel eingekauft hat (Deckungsgeschäft), ohne einen positiven Bescheid des Agg. abzuwarten, ist nicht vorgetragen. Das zivilrechtliche Risiko aus diesem Geschäft fällt vorderhand in den Einstandsbereich des Ast.

Vorliegend ist lediglich darüber zu befinden, inwieweit er sich bei dem Agg. unter dem Gesichtspunkt fürsorgerechtlicher existenzsichernder Sozialleistungen "erholen" kann, weil der Senat jedenfalls davon ausgeht, dass der Ast. den Leistungsantrag vor dem Zeitpunkt, zu dem er das Öl bestellte, bei dem Agg. angebracht hat und insoweit die Bescheidhinweise der Agg. beachtet hatte. Zudem hat der Ast. den Leistungsantrag damit auch vor dem Beginn des Bedarfszeitraumes (01. Juli 2005) gestellt.

Als Jahresheizbedarf ist danach im Ausgangspunkt ein Betrag von 618,75 Euro (50 m2 x 27,5 l x 0,45 Euro) anzusetzen. Vom Ast. unangegriffen und vom Senat als plausibel nachvollziehbar angesehen, sind davon gemäß den Richtlinien zur Anerkennung von Unterkunftskosten für den Landkreis Elbe-Elster als Kosten der Warmwasserbereitung 18 v. H. abzusetzen.

Folglich beträgt die jährliche Heizkostenbeihilfe 507,37 Euro (618,75 Euro - 111,38 Euro) für den dem Kläger angemessenen Heizungsbedarf.

Indes hat der Agg. diesen Bedarf mit Bezug auf den Zeitraum, für den er anfällt, gegenwärtig und für die absehbare Zukunft - also für den angenommenen Bedarfszeitraum - zu bewilligen und im voraus zu erbringen (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II für den Regelfall monatlich laufender Leistungen). Dies ist bei existenzsichernden Leistungen, mit denen ein hier vom Ast. auch rechtzeitig geltend gemachter künftiger Heizbedarf von Juli bis Dezember 2005 zu befriedigen sein sollte, evident.

Eine Übernahme der Heizölkosten für die Monate des geltend gemachten Bedarfszeitraumes 07 bis 12/05 ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil dem Ast. bereits im Rahmen der Leistungsgewährung für die Monate 01 bis 06/05 mehr als der für das gesamte Jahr zustehende Heizbedarf bewilligt worden war.

Wenn der Agg. der Überzeugung ist, er habe dem Ast. für die Zeit des ersten Halbjahres zuviel bewilligt, hat er - nach Anhörung gemäß § 24 SGB X - und nach Maßgabe der Rücknahmevorschriften, welche auch eine Vertrauensschutzprüfung vorsehen, vorzugehen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 und 4 SGB III, § 45 ff. SGB X). Dies hat der Agg. verabsäumt.

Der Senat sah es daher als gerechtfertigt an, den hälftigen Jahresheizbedarf nach Bereinigung um die Kosten der Warmwasserversorgung (507,37 Euro: 2) dem Ast. als vorläufige Leistung zuzusprechen.

Wegen der insoweit existenzsichernden Bedeutung des Heizungsbedarfs sah der Senat insoweit auch einen Anordnungsgrund. Für einen weitergehenden Anspruch ist nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog. Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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