L 3 U 56/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 123/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 56/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente.

Die am 19. Juli 1943 geborene Klägerin arbeitete als Verwaltungsangestellte beim Landesamt für Gesundheit und Soziales B. Am 28. September 2000 erlitt sie einen Unfall, als sie auf dem Weg vom Parkplatz zum Dienstgebäude beim Überqueren loser Pflastersteine mit dem linken Fuß umknickte (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 04. Oktober 2000). Die erstbehandelnde Durchgangsärztin Dipl. med. K stellte eine massive Schwellung am linken lateralen Sprunggelenk fest und diagnostizierte in ihrem Durchgangsarztbericht vom 28. September 2000 eine Bandverletzung linkes Sprunggelenk. Eine Fraktur werde röntgenologisch ausgeschlossen. Die Behandlung erfolgte durch Anlegen einer elastischen Binde und einer Aircast-Schiene. Wegen anhaltender Beschwerden veranlasste die Ärztin am 18. Dezember 2000 eine MRT-Untersuchung, die folgenden Befund ergab: eine postakute, wahrscheinlich komplette Ruptur des Ligamentum talofibulare anterius und eine partielle Ruptur des Ligamentum calcaneofibu-lare mit bereits ausgeprägter, noch nicht stabil imponierender Regenerationsbildung, einen gleichartigen Befund mit partieller Läsion der tiefen Faseranteile des Ligamentum deltoideum, ebenfalls gut vereinbar mit dem Trauma 9/00, mäßiggradige arthrotische Veränderungen ta-lokrural und einen moderaten Gelenkerguss des oberen Sprunggelenks und der hinteren Kammer des unteren Sprunggelenks.

Am 25. Oktober 2000 erlitt die Klägerin einen weiteren Unfall, als sie auf dem Weg zur Physiotherapie erneut mit dem linken Fuß umknickte, auf Laub ausrutschte und auf das Gesäß fiel. Dabei zog sie sich eine Beckenprellung links zu (Durchgangsarztbericht von Dipl. med. K vom 02. November 2000). Als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen bezeichnete die Ärztin u.a. eine Dysplasie der linken Hüfte. In einem Zwischenbericht vom 01. Februar 2001 berichtete Dipl. med. K erstmals, die Klägerin habe starke Schmerzen in der LWS. Infolge der Belastung mit Gehstützen wegen der Beschwerden am linken Sprunggelenk sei es dort zu einer Verschlechterung eines vorbestehenden Leidens (Skoliose, Spondylosis deformans, Osteochondrose) gekommen, weshalb die Klägerin nunmehr ohne Stützen laufe. Ein Kontroll-MRT vom 09. März 2001 ergab ein ausreichend stabiles Regenerat der rupturierten Ligamenta talofibulare anterius und calcaneofibulare sowie eine Arthrose im Talokruralgelenk, eine ältere subchondrale Kontusion in der Hauptbelastungszone des lateralen Aspekts der Talusrolle und einen Erguss im Sinus Tarsi (Grube zwischen Sprungbeinhals und Fersenbein) und in der Sehnenscheide des Musculus flexor hallucis longus (Großzehenmuskel). Gleichwohl klagte die Klägerin über weitere starke Schmerzen im linken Sprunggelenk, die ihr das Arbei-ten unmöglich machten (so Zwischenbericht von Dipl. med. K vom 12. März 2001). Mit Zwischenbericht vom 06. April 2001 stellte Dipl. med. K fest, die Therapiemöglichkeiten seien ausgeschöpft. Die Arbeitsunfähigkeit ende am 30. April 2001, die Belastungserprobung für 4 Stunden beginne ab 02. Mai 2001.

Wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden begab sich die Klägerin am 26. April 2001 in die Be-handlung des Orthopäden Dr. L, der in seinem Bericht vom 26. April 2001 eine Blockierung der linken Iliosakralgelenke, Osteoporose, rechts-konvexe Rotationsskoliose, eine Spina bifida L4-L5 und Kissing spines L3-L5 diagnostizierte. Eine computertomographische Untersuchung der LWS am 23. Mai 2001 ergab u.a. eine rechts-konvexe Skoliose der LWS sowie Hyperlordose (rückwärts gekrümmt), Anomalien der Wir-belkörper L4, L5 und S1 mit unvollständigem Bogenschluss insbesondere bei L4 und L5. Außerdem wurden ausgeprägte arthrotische Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke, eine Bandscheibenprotrusion bei L4/5 ohne Impression des Duralsacks sowie eine rechts-paramediane Protrusion bei L5/S1 ohne Einengung des Spinalkanals festgestellt. Mit Zwi-schenbericht vom 14. Juni 2001 teilte Dipl. med. K, die die im CT festgestellten Gesundheitsstörungen nicht für unfallbedingt hielt, mit, sie habe die Wiedereingliederung auf unbestimmte Zeit abgebrochen, da die Klägerin über starke Schmerzen sowohl am linken Sprunggelenk als auch im Bereich des Beckens geklagte habe, so dass sie ihrer Arbeit nicht mehr habe nachgehen können. Die Klägerin sei weiterhin arbeitsunfähig.

Zur Ermittlung des Sachverhalts zog die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin bei der KKH seit Juli 1999 bei und beauftragte dann den Chirurgen Dr. H mit der Untersu-chung und Begutachtung der Klägerin. In seiner gutachterlichen fachchirurgischen Stellungnahme vom 13. Juli 2001 stellte Dr. H Folgendes fest: Bei der Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt ein deutlicher Vorschaden in Form einer Fußfehlbildung beidseits sowie einer Osteochondrose der Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenschäden der unteren Lendenwirbelsäule sowie einer seit frühester Kindheit bestehenden Poliomyelitis am betroffenen Bein bestanden. Deshalb habe das Unfallereignis eine richtunggebende Verschlimmerung eines erheblichen Vorschadens bewirkt. Durch die Kombination von frischer Unfallverletzung, hier Distorsion mit Bandruptur, mit dem beschriebenen Vorschaden habe man von Anfang an mit einer verlängerten Ausheilungszeit rechnen müssen. Die gesamte Behandlung wegen der Schäden am linken Sprunggelenk sei bis zum 31. Mai 2001 unfallbedingt erforderlich gewesen. Danach habe durch ein MRT nachgewiesen werden können, dass eine überwiegende Abheilung eingetreten sei, außerdem habe sich ein Rückgang der Schwellung und, wie man auch jetzt erkenne, eine nur noch geringe Muskelverschmächtigung am linken Bein sowie eine seitengleiche Kalksalzdichte gezeigt. Dies seien alles Zeichen dafür, dass die Klägerin auch ihren linken Fuß annähernd seitengleich einsetze. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde mit 10 v.H. für einen 3-Jahreszeitraum geschätzt. Danach könne von einer MdE unter 10. v.H. ausgegangen werden.

Am 01. August 2001 suchte die Klägerin die unfallchirurgische Sprechstunde des Ukrankenhauses B auf. Aus dem Arztbrief vom selben Tag ergab sich ein klinisch unauffälliger Befund am linken Sprunggelenk. Ein lokaler Druckschmerz bestehe noch im Bereich des fibularen Bandapparats. Insgesamt finde sich eine Deformität beider Füße bei bekannter Kinderlähmung. Nach eingehender Untersuchung und Beurteilung der zur Verfügung stehenden Unterlagen schließe man sich der Auffassung von Dr. H an. Die nach dem 31.05.2001 notwendig gewordenen Behandlungen wie auch die Arbeitsunfähigkeit sollten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Wesentliche Unfallfolgen seien im Bereich der linken Hüfte und der Lendenwirbelsäule nicht zurückgeblieben, so dass nunmehr die degenerativen Veränderungen überwögen. Am linken Sprunggelenk zeigten sich Restbeschwerden nach Bandruptur, die als Unfallfolgen angesehen werden müssten. Es werde daher empfohlen, die zeitweise notwendigen physikalischen Maßnahmen am linken Sprunggelenk weiterhin zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung durchzuführen.

Mit Bescheid vom 03. September 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da die Folgen des am 28. September 2000 erlittenen Arbeitsunfalls eine messbare MdE nicht hinterlassen hätten. Als Unfallfolgen erkannte die Beklagte eine teilweise geringfügige Verschlimmerung einer vorbestehenden Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenks, geringfügige zusätzliche Schwellneigung im Bereich des Sprunggelenks und geringfügige Überdehnbarkeit des Außenbands sowie die in den Röntgenbildern sichtbare geringfügig verschlimmerte vorbestehende Arthrose im linken Sprunggelenk nach Distorsion des linken Sprunggelenks an. Die Beckenprellung links als mittelbare Folge des Unfalls vom 25. Oktober 2000 sei folgenlos ausgeheilt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2002 zurück.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Unfallfolgen seien nicht mit Ablauf des 31. Mai 2001 ausgeheilt, so dass weiterhin Behandlungsbedürftigkeit bestehe.

Das Sozialgericht hat ein fachorthopädisches Gutachten veranlasst, das von Prof. Dr. N, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie des Wkrankenhauses S/Dr. L am 28. Februar 2003 erstellt worden ist. Die Gutachter stellten eine Dauerinstabilität des linken Sprunggelenks mit entsprechenden funktionellen Beschwerden als unfallbedingten Folgezustand fest. Bei der Klägerin bestünden außerdem erhebliche Veränderungen im Bereich des linken Fußes mit einer ausgeprägten Knick-, Hohl- und Spreizfußbildung sowie Krallenzehen nach Zustand nach spinaler Kinderlähmung. Diese starke Fußdeformität mit einer Varuskippung des Rückfußes habe zur unzureichenden Ausheilung der Bandverletzungen im Bereich des lateralen Sprunggelenkes geführt und so zur Entwicklung einer Dauerinstabilität mit funktionellen Beschwerden beigetragen. Insofern seien die genannten Gesundheitsstörungen im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens zu werten. Die MdE betrage 10 v.H. auf Dauer. Eine Verbesserung der funktionellen Beschwerden sowie der klinisch deutlich sichtbaren Instabilität könne durch entsprechend angepasstes Schuhwerk erzielt werden. Auch eine Arthrodese (Gelenkversteifung) des oberen Sprunggelenkes könne eine stabile Situation herstellen.

Durch Urteil vom 27. Mai 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, als Folgen des Unfalls vom 28. September 2000 seien lediglich eine Ver-schlimmerung einer vorbestehenden Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenks, eine geringfügige zusätzliche Schwellneigung im Bereich des Sprunggelenks sowie eine geringfügige Überdehnbarkeit des Außenbandes anzusehen. Weitere Unfallfolgen lägen nicht vor, insbesondere die Beschwerden von Seiten der Lendenwirbelsäule müssten als unfallfremd angesehen werden. Diese Einschätzung von Prof. Dr. N und Dr. H sei nachvollziehbar, denn bei der CT-Untersuchung der LWS am 23. Mai 2001 seien akut traumatische Veränderungen ausgeschlossen worden. Die Diagnosestellung des die Klägerin seit dem 26. April 2001 behandelnden Orthopäden Dr. L lege keine traumatische Ursache nahe. Die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule seien also als anlagebedingte und degenerative Veränderungen anzusehen. Die festgestellten Unfallfolgen sei nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen nicht geeignet gewesen, Arbeitsunfähigkeit über den 31. Mai 2001 hinaus zu begründen. Nach dem Ende der Zahlung von Verletztengeld am 31. Mai 2001 habe auch kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente bestanden, denn die Bandinstabilität im Bereich des linken Sprunggelenks begründe keine vergleichbaren Funktionsbehinderungen, wie sie mit der völligen Ver-steifung des oberen Sprunggelenks einhergingen, die nach den unfallmedizinischen Grundsätzen mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten sei.

Gegen das am 13. August 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 09. September 2003 eingelegte Berufung der Klägerin, die sich auf eine Bescheinigung des Facharztes für Chirurgie Dr. J vom 07. September 2004 stützt, den sie erstmals am 16. Juli 2004 aufgesucht hat. Darin hat der Arzt ausgeführt, bei der klinischen Untersuchung habe ein Schulterschiefstand, ein deutlicher Beckenschiefstand und eine erhebliche Beinlängendifferenz festgestellt werden können. Dies sei Ausdruck der Verschiebung der Körperachse, bedingt durch das mit Sicherheit traumatisch ausgelöste Muskeltriggersyndrom und die damit verbundenen erheblichen muskulären Verspannungszustände im gesamten LWS-, Becken- und Beinbereich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2002 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. September 2000 Verletztengeld über den 31. Mai 2001 hinaus zu gewähren und ab 01. Februar 2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin D N am 12. November 2004 ein Gutachten erstattet, in dem er zu dem Ergebnis gekommen ist, durch den Arbeitsunfall vom 28. September 2000 sei eine links mehr als rechts ausgeprägte Instabilität der Sprunggelenke verursacht worden. Mittelbar durch den Unfall auf dem Weg zur Physiotherapie seien wahrscheinlich eine erheblich schmerzhafte Funktionsstörung des linken Kreuzbein-Darmbeingelenks, eine schmerzhafte Funktionsstörung der Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur links sowie eine erhebliche Ein-schränkung der Geh- und Stehfähigkeit mit erhöhter Sturzgefahr herbeigeführt worden, wobei der Vorschaden in Form einer fixierten Fußdeformität beiderseits und Teillähmung beider Beine mit Betonung der Fuß- und Zehenbewegung als Folge einer Kinderlähmung, eine beginnende Arthrose beider Hüftgelenke, eine ausgeprägte Seitausbiegungsdeformität der Lendenwirbelsäule, eine alle Segmente erfassende Bandscheibendegeneration der Lendenwirbelsäule und eine schmerzhafte funktionelle segmentale Instabilität der Lendenwirbelsäule das Krankheits-bild im Sinne einer konkurrierenden Kausalität mitbedingten. Arbeitsunfähigkeit habe bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Februar 2002 bestanden. Die erneute Arbeitsunfähigkeit ab August 2002 sei nicht mehr als wahrscheinlich überwiegend unfallbedingt zu werten. Bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Februar 2002 habe die MdE 100 v.H. betragen, ab diesem Zeitpunkt bis auf unbestimmte Zeit 25 v.H. Die Gesamt-MdE setze sich zusammen aus einer MdE von 10 v.H. durch den Unfallschaden am linken oberen Sprunggelenk und eine MdE von 15 v.H. durch den Unfallschaden der Lenden-Becken-Bein-Region links. Beide Schäden bedingten zusammen eine Einschränkung der Gang- und Standsicherheit, die er im Vergleich zu einer Koordinations- und Gleichgewichtsstörung bei Hirnschädigung (MdE 30 bis 100 v.H.) und eine unvollständig kompensierten Knieinstabilität mit Gangunsicherheit (20 v.H.) mit der genannten Gesamt-MdE von 25 v.H. als angemessen einschätze. Der Sachverständige berücksichtigte bei der Gutachtenerstellung einen Bericht des Neurologen Dr. J vom 18. November 2002 und einen Bericht über die ambulante Untersuchung und Beratung der Klägerin vom 19. Juli 2002 durch den Neurochirurgen F vom Zentrum für Wirbelsäu-lenerkrankungen der Klinik "H M" GmbH.

Die Beklagte, die sich dem Ergebnis der Begutachtung nicht anzuschließen vermocht hat, hat eine orthopädische Stellungnahme von Prof. Dr. N/Dr. A vom 14. Dezember 2005 veranlasst, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Daraufhin hat die Klägerin eine rehabilitationsmedizinische Stellungnahme des Sachverständigen N vom 30. April 2006 eingeholt, auf die ebenfalls verwiesen wird.

Der Senat hat ein Vorerkrankungsverzeichnis der KKH über Arbeitsunfähigkeitszeiten seit 1992 eingeholt, wonach Arbeitsunfähigkeit wegen der Folgen des am 28. September 2000 erlittenen Unfalls bis 09. November 2001 bescheinigt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Weitergewährung von Verletztengeld über den 31. Mai 2001 hinaus und auf Gewährung einer Verletztenrente ab Februar 2002.

Die Gewährung von Entschädigungsleistungen in Form von Verletztengeld, §§ 45 ff SGB VII, und Verletztenrente, §§ 56 ff SGB VII, setzt einen Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII voraus. Dabei handelt es sich um den Unfall eines Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 4 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Ein Unfall ist nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Nach § 11 SGB VII sind auch die mittelbaren Folgen eines Versicherungsfalls zu entschädigen. Danach sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge u.a. der Durchführung von Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege (Abs. 1 Nr. 1 1. Alt.).

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigsten 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Dabei richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist damit in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass die Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und letzteres einen Gesundheits-erst-schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits-erst-schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (so BSG vom 12.4.2005, Az.: B 2 U 27/04 R). Die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung müssen i.S. des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung der für den Zusammenhang sprechenden Faktoren diese so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Gerichtsgegründet werden kann.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hält es der Senat nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass bei der Klägerin noch Gesundheitsstörungen vorliegen, die auf dem Unfall vom 28. September 2000 oder dem weiteren Unfall vom 25. Oktober 2000 beruhen und Arbeitsunfähigkeit über den 31. Mai 2001 hinaus verursachen sowie eine MdE von mindestens 20 v.H. ab dem Ende der Arbeitsunfähigkeit bedingen.

Der Unfall vom 28. September 2000 ist als Wegeunfall gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und der Unfall am 25. Oktober 2000, der sich auf dem Weg zur Physiotherapie zur Behandlung der Sprunggelenksverletzung ereignet hat, nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII von der Beklagten anerkannt und entschädigt worden.

Nach den gutachterlichen Feststellungen, insbesondere der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N/Dr. L in dem Gutachten vom 28. Februar 2003, steht fest, dass sich die Klägerin bei dem ersten Unfall eine Bänderverletzung des linken oberen Sprunggelenks zugezogen hat. Als Folgen des Unfalls bestehen noch eine teilweise geringfügige Verschlimmerung einer vorbestehenden Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenks, eine geringfügige zusätzliche Schwellneigung im Bereich des Sprunggelenks und eine geringfügige Überdehnbarkeit des Außenbands sowie die in den Röntgenbildern sichtbare geringfügig verschlimmerte vorbestehende Arthrose im linken Sprunggelenk nach Distorsion des linken Sprunggelenks. Diese von der Beklagten im Bereich des verletzten linken Sprunggelenks anerkannten Arbeitsunfallfolgen stimmen mit den Feststellungen in dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. H vom 13. Juli 2001 sowie dem Bericht vom 01. August 2001 des Ukrankenhauses Büberein. Danach bestand ein im Wesentlichen klinisch unauffälliger Befund am linken Sprunggelenk und ein lokaler Druckschmerz im Bereich des fibularen Bandapparats, der Arbeitsunfä-higkeit über den 31. Mai 2001 hinaus nicht bedingt, aber wegen der dauerhaften Instabilität, die Prof. Dr. N zusätzlich festgestellt hat, eine MdE von 10 v.H. nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 7. A. 2003, S. 746 f.) rechtfertigt. Das Bewegungsausmaß im linken oberen Sprunggelenk beträgt zwar nur 10/0/10 rechts wie links (normal: 20/0/50) und die gesamte Beweglichkeit der Füße ist um 1/6 rechts wie links gemindert, allerdings haben die Gutachter insoweit nachvollziehbar dargestellt, in welch hohem Ausmaß die Beweglichkeit beider Füße, nicht nur des verletzten linken Fußes, bereits durch die Poliomyelitis eingeschränkt ist. Der unfallbedingte Teil ist daher zu vernachlässigen, keinesfalls entspricht er z.B. der Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90-110° zum Unterschenkel, was nach der unfallmedizinischen Literatur eine MdE von 20 v.H. rechtfertigen würde. Diese Auffassung teilt auch der Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin N in seinem nach § 109 SGG erstellten Gutachten vom 12. November 2004.

Bei dem zweiten Unfall am 25. Oktober 2000 hat sich die Klägerin eine Beckenprellung, wie von Dipl. med. K in dem Durchgangsarztbericht vom 02. November 2000 diagnostiziert, zugezogen. Darüber hinaus bestehen bei der Klägerin massive Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüfte und der unteren Extremitäten, die als Vorschaden bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs und der Höhe der MdE zu berücksichtigen sind. Nach den übereinstimmenden Feststellungen aller Sachverständigen leidet die Klägerin an einer ausgeprägten Fehlstellung beider Füße im Sinne von Knick-Hohl-Spreizfüßen beidseits mit Krallenzehen beidseits bei Zustand nach spinaler Kinderlähmung, einer rechtskonvexen Skoliose der Lendenwir-belsäule mit begleitender Hyperlordose sowie einer Osteochondrose der Lendenwirbelsäule mit Spondylosis deformans und einer Bandscheibenprotrusion L4/5 und L5/S1 rechts, einer Spina bifida L4 bis S1 mit einem angedeuteten Kissing spine Phänomen bei L3 bis L5, einem Wur-zelreizsyndrom bei L5/S1 links mit einer deutlichen Quadricepsathrophie links sowie einer Quadricepsparese links L4/5. Der Sachverständige N hat außerdem die Diagnose einer unfallunabhängigen Teillähmung beider Beine mit Betonung der Fuß- und Zehenbewegung, eine leichte Teillähmung der Kniestreckmuskulatur links sowie eine beginnende Arthrose beider Hüftgelenke gestellt.

Dr. H und Prof. Dr. E in dem Bericht vom 01. August 2001 haben übereinstimmend ausgeführt, die Beckenprellung sei folgenlos ausgeheilt. Auch die Durchgangsärztin Dipl. med. K hat von keinen fortbestehenden Beschwerden im Bereich der Hüfte berichtet. Die Beckenprellung kann deshalb weder weitere Arbeitsunfähigkeit noch eine MdE bedingen.

Im Gegensatz dazu hat der Sachverständige N bei der Klägerin als weitere Unfallfolgen eine erheblich schmerzhafte Funktionsstörung des linken Kreuzbein-Darmbeingelenks, eine schmerzhafte Funktionsstörung der Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur links sowie eine durch vorbestehende und unfallbedingte Gesundheitsstörungen gemischt verursachte erhebli-che Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit mit erhöhter Sturzgefahr festgestellt und diese nach unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bis Februar 2002 mit einer MdE von 15 v.H. bewertet.

Diese Auffassung des Sachverständigen überzeugt aber nicht. Herr N begründet seine Ansicht damit, dass vor dem Unfall keine behandlungsbedürftigen Funktionseinschränkungen oder Beschwerden von Seiten der LWS-Becken-Bein-Region bestanden hätten. Außerdem sei der Unfall geeignet gewesen, bei den vorbestehenden funktionell kompensierten Schäden der Wirbelsäule und des Nervensystems eine Dekompensation mit erheblicher Verschlechterung des funktionellen Status zu verursachen. Bei der Beantwortung der Beweisfragen hat der Sachverständige die Frage 2 nach dem Kausalzusammenhang u.a. dahingehend beantwortet, dass der Vorschaden in Form einer fixierten Fußdeformität beiderseits und Teillähmung beider Beine mit Betonung der Fuß- und Zehenbewegung als Folge einer Kinderlähmung, eine beginnende Arthrose beider Hüftgelenke, eine ausgeprägte Seitausbiegungsdeformität der Lendenwirbelsäule, eine alle Segmente erfassende Bandscheibendegeneration der Lendenwirbelsäule und eine schmerzhafte funktionelle segmentale Instabilität der Lendenwirbelsäule das Krankheitsbild im Sinne einer konkurrierenden Kausalität mitbedingten. Welches Gewicht den konkurrierenden Ursachen bei der Kausalitätsprüfung zukommt, hat er aber nicht weiter ausgeführt.

Die von ihm getroffene Aussage über die Geeignetheit des Unfallhergangs ist außerdem rein spekulativ. Der Sachverständige hat die Klägerin dazu auch nicht mehr befragt. Es gibt zu dem Unfall am 25. Oktober 2000 nur die Angaben in dem Durchgangsarztbericht vom 02. November 2000. Röntgenologisch wurde eine Fraktur von Becken und Steißbein ausgeschlossen, es wurde eine Beckenprellung links diagnostiziert. Über den eigentlichen Unfallhergang ist nichts bekannt, ein großer Bluterguss im Gesäß- und Oberschenkelbereich, wie ihn die Klägerin gegenüber dem Arzt N angegeben hat, ist nirgendwo dokumentiert. Es ist, wie das von der Be-klagten eingeholte Vorerkrankungsverzeichnis zeigt, auch nicht richtig, dass die Klägerin vor dem Unfall niemals wegen Rückenbeschwerden in Behandlung gewesen sei. Traumatische Veränderungen in dem Hüft-Lenden-Becken- und Beinbereich sind durch die zahlreichen bildgebende Befunde nicht festgestellt worden. Prof. Dr. N/Dr. A haben deshalb in ihrer Stellungnahme vom 14. Dezember 2005 zutreffend ausgeführt, eine richtunggebende Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung sei nicht ausreichend dokumentiert und somit nicht zu objektivieren. Eine solche Annahme eines Kausalzusammenhangs sei rein spekulativ. Somit habe die Klägerin eine Beckenprellung ohne strukturelle Schäden erlitten.

Der Grundsatz, auf den der Sachverständige Netzer in seiner von der Klägerin selbst veranlassten Stellungnahme vom 30. April 2006 verweist, wonach keine strukturelle Schädigung dauerhaft ohne Auswirkungen auf die Funktion und keine funktionelle Schädigung dauerhaft ohne Auswirkung auf die Struktur bleibe, mag für die Rehabilitation maßgebend sein, für die Frage des Kausalzusammenhangs bietet er kein ausreichendes Erklärungsmuster. Der Sachverständige hat zwar den Befund deutlich schmerzhafter Funktionseinschränkungen in der linken Kreuzdarmbeinfuge und der Lendenwirbelsäule erhoben, dies allein rechtfertigt aber nicht ohne weiteres die Annahme des Ursachenzusammenhangs. Der Sachverständige hätte sich vielmehr mit dem Ursachenbeitrag durch den feststehenden, nicht unerheblichen Vorschaden sowie der Frage der Gelegenheitsursache auseinandersetzen müssen. Daran fehlt es hier. Er hat auch nicht deutlich gemacht, inwieweit bei der MdE-Bewertung allein der verschlimmerungsbedingte Anteil berücksichtigt worden ist. Dazu hätte aber Veranlassung bestanden, denn nur der der Verschlimmerungsanteil ist unfallversicherungsrechtlich relevant und wird unter Berücksichtigung des Vorschadens als solcher entschädigt (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 85).

Zusammenfassend sind die Feststellungen des Sachverständigen Netzer nicht geeignet, den von ihm angenommenen Kausalzusammenhang nachvollziehbar zu begründen. Dies gilt auch für die Berichte und Bescheinigungen von Dr. J, Dr. J und des Neurochirurgen F von der Klinik "H M" GmbH. Dort wird ohne nähere Begründung der Kausalzusammenhang zwischen den erheblichen Beschwerden der Klägerin im Stütz- und Bewegungsapparat mit dem Sturz am 25. Oktober 2000 bejaht. Gerade im Hinblick auf die massiven vorbestehenden Gesundheitsstö-rungen hätte es aber sorgfältiger und detaillierter Darlegungen bedurft, um den Ursachenzusammenhang festzustellen. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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