L 3 U 1098/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 10 U 162/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 1098/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. April 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, den Antrag der Klägerin auf berufsfördernde Leistungen der Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die 1970 geborene Klägerin schloss 1995 das Studium der Veterinärmedizin ab und erhielt im August 1995 die Approbation als Tierärztin. Im September 1999 promovierte sie. Nach der Geburt ihrer Tochter am 16. November 1996 war sie bis Oktober 1998 im Erziehungsurlaub. Von November 1998 bis Oktober 1999 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im M-D-Centrum und wurde nach der Vergütungsgruppe II a des BAT/Ost bezahlt. Es handelte sich um eine befristete Tätigkeit in der Tumorimmunologie ohne Tierkontakt. Im Anschluss daran war sie bis zur betriebbedingten Kündigung zum 31. Dezember 2000 bei der T Labor GbR beschäftigt. Ihre Tätigkeit umfasste die fachliche Leitung des Labors, die Befunderstellung und Interpretation von bakteriologischen und klinisch-chemischen Laborbefunden sowie den Kon-takt mit den einsendenden Tierärzten. Sie arbeitete mit Organmaterial von Tieren (insbesondere Blut, Kot oder Abstrichmaterial jeglicher Art), ohne Kontakt mit Tierhaaren zu haben. Von Januar bis März 2001 war die Klägerin arbeitslos. Im April 2001 nahm sie ein 4-jähriges Studium der Pharmazie an der F Universität B auf mit dem Ziel, nach Abschluss der Ausbildung in einer Apotheke zu arbeiten.

Mit Bescheid vom 03. Dezember 2001 erkannte die Beklagte bei der Klägerin die Berufskrankheit (BK) Nr. 4301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) an und gewährte ihr eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. Bei der Klägerin bestehe eine durch beruflichen Kontakt mit Tieren wesentlich mitverur-sachte allergische obstruktive Atemwegserkrankung. Der Versicherungsfall sei am 01. Oktober 1996 eingetreten. Grundlage der Entscheidung war ein Gutachten von Prof. Dr. L, Chefarzt der Pneumologischen Klinik am Fachkrankenhaus für Lungenheilkunde und Thoraxchirurgie B-B/Dr. D vom 18. April 2001. Diese stellten bei der Klägerin eine mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung ohne Lungenüberblähung mit Teilreversibilität auf Bronchospasmolytika fest. Die Lungenerkrankung sei durch verschiedenste Tiere, insbesondere Hund, Katze, Schwein oder Pferd verursacht oder verschlimmert worden. Als Zeitpunkt des Beginns der beruflich verursachten Erkrankung könne der Beginn des Studiums der Veterinärmedizin mit Präparationen von Hund, Katze, Ziege, Schaf, Rind, Pferd und Huhn im Rahmen des Anatomiekurses angesehen werden. Seit 1996 vermeide die Klägerin jeden potentiellen Allergenkontakt.

Am 27. März 2001 stellte die Klägerin einen Antrag auf Zahlung von Übergangsgeld nach § 51 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab dem 01. April 2001, da sie zu diesem Zeitpunkt ein Zweitstudium mit dem Abschlussziel Pharmazie beginne. Mit Bescheid vom 04. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab. Ein Versicherter, der zunächst keiner Leistung auf Teilhabe bedürfe, weil er nach dem Versi-cherungsfall in dem erlernten Beruf weiterhin arbeiten könne, habe diesen Anspruch nur dann, wenn die Folgen des Versicherungsfalls im weiteren Verlauf des Berufslebens die Ausübung der beruflichen Beschäftigung unmöglich machten. Die Klägerin habe am 01. November 1998 eine Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Tumorgenetik des M-D-Centrums aufgenommen und vom 01. November 1999 bis zum 31. Dezember 2000 sei sie bei der T Labor GbR beschäftigt gewesen. In beiden Arbeitsverhältnissen sei sie mit reinen Labortätigkeiten betraut gewesen, bei denen kein bzw. kein direkter Tierkontakt bestanden habe, so dass es sich in Bezug auf ihre BK nicht um gefährdende Tätigkeiten gehandelt habe. Diese seien bereits mit Beginn des Erziehungsurlaubs bzw. mit Arbeitsaufnahme im M-D-Centrum unterlassen worden. Die Aufgabe der Berufstätigkeiten sei nicht aufgrund allergischer Sym-ptome erfolgt, sondern ausschließlich aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, ohne die die Klägerin diese Tätigkeit hätte weiter ausüben können. Ein Unterlassungszwang habe also nicht bestanden. Um aber die beantragte Leistung erhalten zu können, müsse sich die Notwendigkeit für eine berufliche Wiedereingliederung unmittelbar ursächlich aus dem Unterlassungszwang ergeben. Allein die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit müsse kausal dafür sein, dass es im konkreten Fall einer beruflichen Wiedereingliederung bedürfe. Ein Anspruch auf optimale, d.h. den Neigungen und Wünschen eines Versicherten voll entsprechende Förderung, bestehe ohnehin nicht.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage, die an das örtlich zuständige Sozialgericht Frankfurt (Oder) verwiesen worden ist, hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe weder während ihrer Tätigkeit im M-D-Centrum noch während ihrer Tätigkeit im T Labor direkten Kontakt mit Tieren gehabt. Sie sei durch die Geburt ihrer Tochter gezwungen gewesen, die genannten Tätigkeiten aufzunehmen, um deren Unterhalt zu sichern. Durch die festgestellte BK sei nun eine berufliche Neuorientierung erforderlich geworden, da ihr mit dem Studium der Veterinärmedizin verfolgtes Berufsziel nicht mehr erreichbar sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei es nicht ausreichend, den Kontakt mit den Tierallergenen ledig-lich zu unterbinden und so den ursprünglich erlernten Beruf weiter auszuüben. Denn der Beruf der Tierärztin setze zwingend die Berührung mit den unterschiedlichsten Tierhaaren voraus. Die zwischenzeitlich ausgeübten Labortätigkeiten setzten weder ein Veterinärmedizinstudium voraus, noch handele sich dabei um eine besondere Unterart des Tierarztberufs. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, ein Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben setze voraus, dass ohne die Leistung eine zumutbare Wiedereingliederung nicht erreichbar und die Leistung damit notwendig sei. Des Weiteren müsse die Notwendigkeit der Leistung zur Arbeitsförderung rechtlich wesentlich auf die BK zurückzuführen sein. Nur wenn keine gleichwertige Tätigkeit gefunden werden könne, bestehe die Notwendigkeit von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, denn Leistungen zur erneuten beruflichen Ausbildung seien das letzte Mittel und erst einzusetzen, wenn andere Maßnahmen der beruflichen Eingliederung nicht möglich seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn es bestünden adäquate Tätigkeitsfelder für Veterinärmediziner in der Forschung und im Laborbereich, ohne dass ein Tierkontakt dort notwendig sei. Im Weiteren hat sich die Beklagte auf Auszüge aus dem Stelleninformationsservice (SIS) der Bundesagentur für Arbeit bezogen.

Im Erörterungstermin am 10. März 2004 hat das Sozialgericht den Beteiligten eine Kopie des Berichts "Statistische Untersuchungen über die Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 31. Dezember 1999)" des Planungs- und Informationszentrums der Tierärztlichen Hochschule Hannover, abgedruckt in Deutsches Tierärzteblatt 6/2000, überreicht. Wegen der Einzelheiten der Untersuchungsergebnisse wird auf den in den Akten befindlichen Bericht Bezug genommen.

Durch Urteil vom 27. April 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Leistungen zur beruflichen Rehabilitation kämen in Betracht, wenn Art oder Schwere der Verletzung oder die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit i.S. von § 3 BKV den Versicherten auf Dauer seinen bisherigen Beruf/seine bisherige Tätigkeit nicht mehr wett-bewerbsfähig ausüben ließe. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin jedoch nicht vor, denn die Beklagte weise zu Recht darauf hin, dass sie die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten beim M-D-Centrum und im T Labor unter gesundheitlichen Gesichtspunkten weiterhin hätte ausüben können, wenn nicht in einem Fall das Beschäftigungsverhältnis befristet gewesen und in dem anderen Fall aus betriebsbedingten Gründen die arbeitgeberseitige Lösung des Arbeitsverhältnisses erforderlich gewesen wäre. In beiden Fällen habe der Grund für die Aufgabe der Beschäftigung nicht in der anerkannten BK gelegen. Zwar sei es richtig, dass die Klägerin wegen des Zwangs zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit ein weites Feld des Berufsbilds eines Veterinärmediziners nicht mehr ausüben könne, es blieben dennoch eine Reihe von Arbeitsmöglichkeiten in diesem Beruf. Einige konkrete Arbeitsangebote des Arbeitsamts habe die Beklagte beispielhaft vorgelegt. Darüber hinaus gebe es sowohl unter den praktizierenden Tierärzten als auch unter den beamteten und angestellten Tierärzten vielfache Einsatzmöglichkeiten insbesondere in den Veterinärverwaltungen des Bundes, der Länder, der Kreise und Gemeinden, an Hochschulen, in der Forschung, in der Fleischuntersuchung, in der Laboratori-umsdiagnostik und sonstigen Instituten. Für in der Industrie tätige Tierärzte fänden sich Einsatzmöglichkeiten in der pharmazeutischen Industrie, in der Fleischwaren- und Lebensmittelindustrie, in der Futtermittelindustrie und dergleichen. Einen Anspruch auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation könne die Klägerin nicht allein deshalb geltend machen, weil sie in ihrem ursprünglichen Wunschberuf als Tierärztin im engeren Sinne (mit Tierkontakt) aufgrund ihrer obstruktiven Atemswegserkrankung nicht arbeiten könne. Ein Ermessen habe die Beklag-te bei ihrer Entscheidung nicht auszuüben, da auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation ein Rechtsanspruch bestehe und es sich nicht um eine Ermessensleistung handele. Erst bei der Bestimmung der Art, des Umfangs und der Durchführung der Rehabilitation habe die Beklagte pflichtgemäßes Ermessen auszuüben (§ 26 Abs. 5 SGB VII).

Dagegen richtet sich die am 19. Oktober 2005 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie geltend macht, ein Versicherungsnehmer habe bei Eintritt eines Versicherungsfalls einen Rechtsanspruch auf Maßnahmen der Rehabilitation. Der Versicherungsfall sei bei ihr unstreitig eingetreten. Hierbei spiele es nach dem Gesetzeswortlaut keine Rolle, ob sie theoretisch in der Lage wäre, den Beruf des Tierarztes ohne unmittelbaren Tierkontakt auszuüben. Allein das unstreitige Vorliegen der BK sei gesetzliche Voraussetzung für den diesseits begehrten Anspruch. Sie bestreite nicht, dass es auch Tätigkeiten für Veterinärmediziner gebe, die ohne Tierhaarkontakt verrichtet werden könnten. Es sei in der Praxis jedoch so, dass die Möglichkeit, Tierhaarkontakt zu haben, zwingende Einstellungsvoraussetzung bei sämtlichen Tätigkeiten sei, die Veterinärmediziner verrichteten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. April 2005 und den Bescheid vom 04. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Sie hat eine Auflistung von 6 freien Arbeitsplätzen aus dem Stellenpool der Arbeitsvermittlung der Berufsgenossenschaften vorgelegt, bei denen nach Meinung der Arbeitsvermittlung kein direkter Tierkontakt bestehe bzw. erforderlich sei. Anlässlich einer stichprobenartigen Überprüfung mittels Telefonabfrage vom 01. September 2006 bei den potentiellen Arbeitgebern für die Fälle 1 (Labortätigkeit) und 4 (Manager Zulassung) sei durch die Ansprechpartner ein möglicher Tierhaarkontakt strikt verneint und die Einstellung einer promovierten Tierärztin mit Tierhaarallergie bei entsprechender Eignung als unproblematisch angesehen worden. Im Fall 3 habe ein seltener Tierhaarkontakt nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Außerdem hat die Beklagte aus der zentralen Tierärztedatei den Bericht "Statistische Untersuchungen über die Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 31. Dezember 2004)", abgedruckt in Deutsches Tierärzteblatt 6/2005, übersandt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht verwiesen. Die Unterlagen bestätigten, so der weitere Vortrag der Beklagten, dass entgegen der Behauptung der Klägerin auch in der Praxis Gelegenheit bestehe, als Tierärztin mit Tierhaarallergie eingestellt und ohne Tierhaarkontakt tätig zu werden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden kann, ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Gewährung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation.

Nach § 26 Abs. 1 SGB VII in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung (a.F.), die gemäß Artikel 67 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) vom 19. Juni 2001 auf den geltend gemachten Anspruch noch anwendbar ist, da ein gegebenenfalls vor dem 01. Juli 2001 entstandener Anspruch geltend gemacht wird, haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vor-schriften Anspruch auf Heilbehandlung, einschließlich Leistungen der medizinischen Rehabilitation, auf berufsfördernde, soziale und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Nach Abs. 2 Nr. 2 der genannten Vorschrift haben die Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig die Versicherten nach ihrer Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung ihrer Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Im Einzelfall bestimmen die Unfallversicherungsträger Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und Rehabilitation sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 26 Abs. 5 SGB VII a.F.). Aus Abs. 5 der Vorschrift ergibt sich somit, dass allein die Entscheidung über Art, Umfang und Durchführung der Rehabilitati-on als Ermessensentscheidung ausgestaltet ist (Kater/Leube, Kommentar zur gesetzlichen Unfallversicherung, § 26 RN 16). Bezüglich der Eingangsvoraussetzungen, also das "Ob" der Rehabilitation, ist der Beklagten dagegen kein Ermessen eingeräumt. Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt (vgl. dazu auch Kater/Leube, a. a. O. vor § 26 RN 16). Den vorgenannten Bestimmungen ist jedoch zu entnehmen, dass dem Versicherten Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu gewähren sind, wenn er wegen der Folgen eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) oder deshalb, weil die Gefahr besteht, dass eine BK entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert, seinen Arbeitsplatz verliert bzw. zu verlieren droht oder er seine bisherige Tätigkeit auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig ausüben kann. Diese Voraussetzungen müssen durch die Folgen des (drohenden) Versicherungs-falls rechtlich wesentlich verursacht worden sein. Nicht ausreichend für Leistungen der beruflichen Rehabilitation ist, wie die Klägerin meint, allein das Vorliegen einer BK.

Der dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegende Versicherungsfall einer BK nach Nr. 4301 der Anlage zur BKV ist mit der Aufgabe der belastenden Tätigkeit durch die Klägerin am 01. Oktober 1996, wie die Beklagte mit bindendem Bescheid vom 03. Dezember 2001 festgestellt hat, eingetreten. Die Klägerin hat jedoch ihren bisherigen Arbeitsplatz nicht wegen der Folgen der BK verloren. Sie arbeitete von November 1998 bis Oktober 1999 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im M-D-Centrum und war im Anschluss daran bis zum 31. Dezember 2000 bei der TLabor GbR be-schäftigt. Bei beiden Beschäftigungsverhältnissen handelte es sich um leidensgerechte Tätigkeiten ohne direkten Kontakt mit Tieren. Die Tätigkeit im M-D-Centrum war eine befristete Forschungstätigkeit in der Tumorimmunologie. Ihre Arbeit bei der T Labor GbR bestand in der fachlichen Leitung des Labors, der Befunderstellung und Interpretation von bakteriologischen und klinisch-chemischen Laborbefunden sowie dem Kontakt mit den einsendenden Tierärzten. Sie arbeitete zwar mit Organmaterial von Tieren (insbesondere Blut, Kot oder Abstrichmaterial jeglicher Art), jedoch ohne Kontakt mit Tierhaaren zu haben. Wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. L /Dr. D vom 18. April 2001 ergibt, handelte es sich dabei nicht um im Sinne der BK Nr. 4301 belastende Tätigkeiten, denn die Gutachter führten aus, die Klägerin meide seit 1996 jeden Allergenkontakt. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 03. Dezember 2001 den Versicherungsfall, der bei der BK Nr. 4301 erst dann eintritt, wenn die belastende Tätigkeit auch aufgegeben wird, mit dem 01. Oktober 1996, also dem Zeitpunkt nach Erlangung der Approbation und vor der Geburt ihrer Tochter, festgestellt. Letztlich hat die Klägerin diese Arbeitsstellen verloren, weil sie im ersten Fall von vorneherein befristet war und im zweiten Fall eine betriebsbedingte Kündigung erfolgte.

Die Klägerin kann ihren bisherigen Beruf auch weiterhin wettbewerbsfähig ausüben. Als promovierter Veterinärmedizinerin steht ihr zwar wegen der obstruktiven Atemwegserkrankung nicht mehr der ganze Bereich ihres Berufsfelds offen. Allerdings ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus Sinn und Zweck der beruflichen Rehabilitation, dass eine durch die Beklagte zu fördernde berufliche Neuorientierung allein deshalb zu erfolgen hat, weil dem Versicherten ein Teilbereich seines erlernten Berufs wegen der BK verschlossen ist. Die berufliche Rehabilitierung dient der möglichst dauerhaften Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Wie die etwa 2jährige Berufsausübung der Klägerin von November 1998 bis Dezember 2000 zeigt, war sie beruflich integriert, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin seit Januar 2001 ohne Aufnahme eines weiteren Studiums bzw. Durchführung anderer Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht mehr dauerhaft beruflich eingegliedert werden kann. Denn wie die "Statistischen Untersuchungen über die Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Stand 31. Dezember 1999 und 31. Dezember 2004)" zeigen, gibt es eine Reihe von Arbeitsmöglichkeiten als Tierärztin, die nicht zwingend mit Tierkontakt verbunden sind. Dies sind insbesondere Tätigkeiten in der Veterinärverwaltung, in Instituten, Hochschulen und in der Fleischuntersuchung sowie in der Industrie. Nach dem Bericht von Dezember 1999 waren von 29.673 der Tierärztekammer gemeldeten Tierärzten 10.022 praktizierende Tierärzte in einer Tierarztpraxis und 1.803 Tierärzte in der Veterinärverwaltung, 1.232 in Instituten, 1.197 an Hochschulen, 394 in der Fleischuntersuchung sowie 1.147 in der Industrie tätig (insgesamt 5773). Dies entspricht etwa einem Fünftel der Gesamtzahl. Dieses Zahlenverhältnis hat sich im Dezember 2004 bei insgesamt 32.680 gemeldeten Tierärzten nur geringfügig geändert. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass es keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten in ausreichender Zahl gibt. Auch die von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegen Stellenangebote aus dem SIS sowie die im Berufungsverfahren eingereichten Arbeitsangebote aus dem Stellenpool der Arbeitsvermittlung der Berufsgenossenschaften zeigen das Vorliegen von Beschäftigungsmöglichkeiten auf. So werden z.B. Arbeitsstellen für Tierärzte in einem Lebensmittelinstitut im Bereich der proteindiagnostischen Verfahren, in dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Me-dizinprodukte, in einem Landkreis für Untersuchungen nach § 22 a Fleischhygienegesetz und in Firmen, die Arzneimittel für die Pharmaindustrie vertreiben oder im Projektmanagement tätig sind, angeboten. Die Behauptung der Klägerin, die Möglichkeit, Tierhaarkontakt zu ha-ben, sei zwingende Einstellungsvoraussetzung bei sämtlichen Tätigkeiten, die Veterinärmediziner verrichteten, hat, wie sich aus den Arbeitsplatzbeschreibungen ergibt, keine Bestätigung gefunden. Sie ist im Hinblick auf den Einsatzbereich von Tiermedizinern in der Verwaltung sowie in der Industrie, z.B. als Produktmanagerin, Prüferin in der Lebensmittelüberwachung, Managerin in der Arzneimittelzulassung, Beraterin etc., auch nicht im Ansatz nachvollziehbar.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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