L 1 R 489/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 24 RJ 2303/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 489/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit.

Er ist 1964 geboren und absolvierte nach der Schulausbildung (10. Klasse der polytechnischen Oberschule) eine Ausbildung zum Elektronikfacharbeiter. Anschließend war er als Elektronikfacharbeiter und von 1985 bis Mitte 1999 als Farbbildröhrenprüfer und Anlagenfahrer tätig. Vom 15. Mai 2000 bis 31. Juli 2003 arbeitete der Kläger bei der M in B als Elektrogerätebauer für elektromedizinische Geräte und ist infolge betriebsbedingter Kündigung seither arbeitslos.

Der Kläger ist seit seiner Kindheit schwerhörig. Seit 1988 leidet er nach einer Operation unter ständigen Ohrgeräuschen (Tinnitus). Die Operation war während seiner Militärzeit bei der Nationalen Volksmarine aufgrund einer Knochenvereiterung erfolgt. Die Nationale Volksarmee erkannte einen Gesundheitsschaden als Dienstbeschädigung an. Er erhält als Folge eine Unfallrente in Höhe von 860,00 EUR monatlich. Seit 1989 trägt er ein Hörgerät, seit 1995 Hörgeräte beidseits. Das zuständige Landesversorgungsamt stellte mit (Widerspruchs-) Bescheid vom 03. Juni 1996 aufgrund der festgestellten Behinderungen praktische Taubheit beidseits bei chronischer Mittelohrentzündung, Tinnitus sowie Wirbelsäulenfunktionsstörung einen Grad der Behinderung von 80 fest. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "RF" seien erfüllt.

Der Kläger beantragte im April 2000 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte beauftragte die Ärztin für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. I W mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese untersuchte den Kläger am 12. Mai 2000 und gelangte zu den Diagnosen: an Taubheit grenzende kombinierte Schwerhörigkeit beidseits bei Zustand nach vielfachen Ohroperationen sowie dekompensierter Tinnitus mit psychosomatischen Begleiterscheinungen. In der zusammenfassenden Beurteilung heißt es u. a., die sprachliche Kommunikation sei nur unter konzentrierter Zuwendung mit deutlichstem und langsamem Sprechen möglich. Kommunikationsprobleme bei der Arbeit seien nachvollziehbar. Auch die raschere Ermüdbarkeit durch die erforderliche Konzentration und die Angabe, dass sich der Tinnitus unter Stress verstärke, seien nachvollziehbar. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Es sollten berufsfördernde Leistungen für Hörbehinderte durchgeführt sowie die Hörgeräteversorgung mit Noisern versucht werden. Die Ärztin für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin Dr. G des eigenen Ärztlichen Dienstes der Beklagten kam in ihrer Stellungnahme vom 20. Juli 2000 mit den weiteren Diagnosen leichte Skoliose der LWS, zurzeit beschwerdefrei, und Zustand nach Hepatitis A und B, zurzeit keine nachweisbare Enzymaktivität, zu dem Ergebnis, dass bis auf die eingeschränkte Hörfähigkeit in Kombination mit Tinnitus keine weiteren schwerwiegenden leistungsmindernden Leiden nachweisbar seien. Als qualitative Einschränkungen sei nur zu beachten, dass Tätigkeiten mit Lärmbelästigung bzw. mit besonderen Anforderungen an die Hörfähigkeit nicht zumutbar seien. Von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere Tätigkeiten sei hingegen auszugehen.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit daraufhin mit Bescheid vom 31. Juli 2000 ab. Es läge weder Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (SGB VI alte Fassung = SGB VI a. F.) noch eine Erwerbsunfähigkeit nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. vor.

Der Kläger erhob Widerspruch. Aufgrund seiner hochgradigen Schwerhörigkeit und der zusätzlich starken Ohrgeräusche bedeute es für ihn eine große Belastung bzw. Beeinträchtigung, eine normale Berufstätigkeit auszuüben. Ohne Hörgeräte könne er nicht auskommen. Durch den Tinnitus stehe er immer unter starker nervlicher Belastung und Anspannung.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 09. Oktober 2000 zurück. Nach ärztlicher Auffassung reiche das Leistungsvermögen aus, körperlich mittelschwere Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten, die nach dem bisherigen Arbeitsleben zumutbar seien, vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten. Eine Gefährdung der Leistungsfähigkeit ergäbe sich bei Arbeiten unter Einfluss von Lärm. Bei diesem Leistungsvermögen könne der Kläger weiter in seinem Beruf als Elektronikfacharbeiter tätig sein. Der festgestellte Grad der Behinderung durch das Versorgungsamt sei rentenversicherungsrechtlich ohne Bedeutung (Bezug auf Bundessozialgericht [BSG] BSGE 24, 181).

Hiergegen hat der Kläger am 07. November 2000 Klage erhoben. Er hat sein Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, seine Erwerbsfähigkeit sei infolge der Schwerhörigkeit und des Tinnitus auf weniger als die Hälfte eines gesunden Versicherten herabgesunken. Der Tinnitus habe massive Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche und führe zur Entwicklung von Angstzuständen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen.

Das Sozialgericht Berlin (SG) hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Es hat weiter ein Sachverständigengutachten durch Dr. M. J auf dem HNO Fachgebiet in Auftrag gegeben. Der Gutachter gelangte aufgrund einer Untersuchung am 06. Mai 2002 zu den Feststellungen des Bestehens einer beidseits an Taubheit grenzenden kombinierten Schwerhörigkeit, beidseitigem Tinnitus auris und zum Ergebnis, der Kläger könne, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, regelmäßig körperlich auch schwere Arbeiten verrichten. Wegen der Hörgeräteversorgung solle der Kläger weder unter dem Einfluss ungewöhnlicher Hitze noch unter dem ständigen Einfluss von Staub arbeiten. HNO ärztlicherseits bestünden keine Einschränkungen in Bezug auf bestimmte Haltungsarten. Aus Sicht des Gutachters sei denkbar, dass ein Tinnitus auris mit einer subjektiv empfundenen Lautstärke von 80 dB den Kläger in Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten beeinträchtige. Sein Leistungsvermögen reiche für die volle Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus.

Der Kläger hat vorgetragen, die Schlussfolgerung des Gutachters, der Kläger müsse in der Lage sein, mittelschwere geistige Arbeiten zu verrichten, sei falsch. Er könne sich vor der Lärmeinwirkung nicht schützen. Diese erfolge auch in der Freizeit und nachts. Er müsse sich für längere und komplexe Gespräche außerordentlich stark konzentrieren. Bei seiner Tätigkeit als Elektromontierer sei seine Kommunikationsfähigkeit sehr stark eingeschränkt. Arbeitsanweisungen müssten ihm mehrfach erteilt werden, bis er sie vollständig verstanden habe. Arbeitsbesprechungen mit mehr als drei Teilnehmern könne der Kläger kaum folgen. Die ständige Geräuschbelastung führe zu einer ständigen Übermüdung und nachlassender Konzentration, vor allem in der zweiten Hälfte des Arbeitstages. Die Hörschwelle sinke auf ca. 1/3 des Hörvermögens bei Ende des Arbeitstages ab. In der Freizeit sei der Kläger psychisch erschöpft und nicht mehr aufnahmefähig, was wiederum zur Belastung seiner persönlichen Bindungen führe. Der Sachverständige hat hierzu unter dem 24. Februar 2003 Stellung genommen und ein zusätzliches psychiatrisch-neurologisches Gutachten angeregt. Derzeit könne der Kläger offenbar eine vollschichtige, gleichwertige Arbeit verrichten. Die Leistungsfähigkeit sei unter Einschluss aller technischen Hilfen zu prüfen, also bei Schwerhörigkeit das Sprachverständnis mit Hörgerät. Das SG hat daraufhin ein psychiatrisches Fachgutachten in Auftrag gegeben. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse N T untersuchte den Kläger am 16. und 19. September 2003. In ihrem Gutachten vom 20. Oktober 2003 stellte sie keine neuen Leiden fest. Aus psychiatrischer Sicht sei der Kläger auch zu schwierigen geistigen Arbeiten imstande. Das Leistungsvermögen reiche für die volle Arbeitszeit aus. Der Kläger hat daraufhin ein selbst eingeholtes Gutachten des behandelnden Facharztes für HNO und Audiologie Dr. H. B eingereicht. Dieser hat den Kläger am 03. Dezember 2003 untersucht und ist zu dem Ergebnis einer Hörstörung bei einem Hörverlust von beidseits 100 % sowie einer psychischen Befindlichkeitsstörung aufgrund des Tinnitus gelangt. Der Sachverständige Dr. J ist zur Stellungnahme zum Gutachten Dr. B aufgefordert bei seiner Einschätzung geblieben. Dr. B hat seinerseits erwidert, der Umstand, dass der Kläger nicht an Schäden im psychischen Bereich leide, lasse die aus psychosomatischer Sicht bestehende dauernde psychische Belastung unberührt. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 13. Mai 2004 darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nicht in einer fachspezifischen psychotherapeutisch-nervenärztlichen Behandlung befinde. Er habe selbst angegeben, während der Arbeit den Tinnitus kaum wahrzunehmen. Der Kläger hat daraufhin ein Gutachten des Dr. K. S, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, eingereicht, der sich auf die Behandlung von Tinnitus-Patienten spezialisiert habe. Dieser kommt im Gutachten vom 19. Oktober 2004 zu dem Schluss, der Kläger sei an seinen Kompensationsgrenzen angelangt. Ein zunehmender Teil der psychischen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit werde allein durch die andauernde Kompensationsnotwendigkeit gebunden und stehe nicht mehr für Alltags- und Arbeitsbewältigung zur Verfügung. Er sei deshalb nur noch zwischen drei und unter sechs Stunden für leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten und leichte geistige Tätigkeiten mit einer auf das notwendige Mindestmaß beschränkten auditiven Kommunikationsanforderung belastbar.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. April 2005 abgewiesen. Beide vom Gericht beauftragten Sachverständigen hätten den Kläger für vollschichtig einsetzbar gehalten. Er habe vom Mai 2000 bis Juli 2003 in einer Tätigkeit gearbeitet, die zu seinem Arbeitsgebiet als Elektroniker gehöre, auf die er jedenfalls verweisbar sei. Berufsunfähigkeit liege deshalb nicht vor. Die Sachverständigen hätten auch verneint, dass der Kläger auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Die Belastung aufgrund des Tinnitus sei von den Gutachtern nicht adäquat berücksichtigt worden. Das psychiatrische Gutachten vom Oktober 2003 habe zudem keine eindeutige Aussage enthalten, dass der Kläger nicht auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet habe. Die Gutachterin T hat daraufhin in ihrer Stellungnahme vom 18. Januar 2006 mitgeteilt, das Gutachten des Dr. S vom 19. Oktober 2004 sei wohl geeignet, von der eigenen Beurteilung abzugehen. Mittlerweile sehe sie die Belastbarkeit des Klägers als eingeschränkt an. Es sei nachvollziehbar, dass der Kläger aus psychosomatischer Sicht in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei. Die durch ausgeprägte Dissimulationstendenzen gekennzeichneten Aussagen des Klägers während der Exploration hätten leider keinen Hinweis auf die wohl tatsächliche Schwere des Leidens ergeben. Berücksichtige man die wiederholten depressiven Verstimmungen, so müsse der Beurteilung durch den Kollegen S zugestimmt werden.

Der Senat hat neuere Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie U L mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 26. Oktober 2006 hat der Sachverständige keine neuen Befunde gegenüber den bisherigen ärztlichen Unterlagen festgestellt. Der Kläger könne, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten. Er dürfe dabei nicht Hitze, Staub oder Feuchtigkeit ausgesetzt sein (wegen der Hörgeräte). Arbeiten unter Zeitdruck (z. B. Akkord- oder Fließbandarbeit) seien als zusätzliche Stressoren neben der Beeinträchtigung aufgrund des Ohrgeräusches nicht möglich. Ein Arbeiten in Wechselschicht oder Nachtschicht sei nicht möglich, da bei ungeregeltem Tag-Nacht-Rhythmus eine Verstärkung der Ohrgeräusche zu erwarten sei. Der Kläger sei nicht in der Ausübung geistiger Arbeiten entsprechend seinem Bildungsniveau bzw. entsprechend dem bisherigen intellektuellen Anforderungsniveau beschränkt. Die Konzentrationsfähigkeit sei leicht eingeschränkt. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus.

Der Kläger ist der Auffassung, der Sachverständige sei von den Diagnosen bzw. Bewertungen der bisherigen Gutachten und behandelnden Ärzte ohne Begründung abgewichen. Ihm fehle es an der Kompetenz zur Einschätzung der psychosomatischen Komponente und er habe sich nur zu dem nervenärztlichen Fachgebiet im engeren Sinne zuzuordnenden Erkrankungen geäußert. Er habe bereits darauf hingewiesen, dass er ohne seine beiden Hörgeräte nicht leben könne bzw. dass dann sein Tinnitus unerträglich sei. Die Balance beider Hörgeräte müsse immer gleich sein. Wenn die Leistung des Hörgerätes auf einem Ohr abnehme, nehme im gleichen Umfang der Tinnitus zu, und das Hören auf dem anderen Ohr werde dann noch mehr beeinträchtigt. Die Beschreibung "Ohrgeräusch der Qualität eines weißen Rauschens" des Sachverständigen L sei befremdlich.

Der Senat hat einen weiteren Befundbericht des behandelnden Facharztes für HNO Audiologie Dr. H B eingeholt, der den Zustand im April 2007 für unverändert erachtet. Dieser hat einen Arztbrief der C, beigefügt über eine Intensivbehandlung vom 18. April bis 26. April 2006. Ärztlicherseits werde mittlerweile eine so genannte CI Versorgung (= Cochlearimplantat) empfohlen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 2005 und den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Oktober 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, hilfsweise, weiteren Beweis zu erheben durch Einholung eines nervenärztlichen psychosomatischen Gutachtens.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Auf den hier primär geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente findet hier über §§ 300 Abs. 1, 302 b Abs. 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 1827) (= SGB VI neue Fassung = SGB VI n. F.) § 43 SGB VI a. F. Anwendung. Der Rentenantrag ist hier vor In Kraft Treten des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt worden. Der Anspruch soll nach dem Begehren des Klägers auch schon bis 31. Dezember 2000 entstanden sein (§§ 300 Abs. 2, 302 b Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGB VI n. F.). Die ab 01. Januar 2001 geltende Neuregelung mit der Umstellung auf die neuen Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung wäre für den Fall maßgeblich, dass der begehrte Rentenanspruch am 31. Dezember 2000 nicht bestand, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht kommt (vgl. § 300 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 SGB VI n. F.). Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann. Die jeweilige Arbeitmarktlage ist dabei nicht zu berücksichtigen. Erwerbsunfähig sind darüber hinaus nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abs. 2 SGB VI a. F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in einer gewissen Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt (Satz 1 Halbsatz 1). Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 2 Nr. 2). Von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ist bei einem täglichen (genauer: werktäglichen) Leistungsvermögen von 8 Stunden auszugehen.

Unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Kläger sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung im April 2000 als auch bis heute über ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit den vom Sachverständigen Dr. L beschriebenen Einschränkungen verfügt. Er kann damit z. B. den ihm zumutbaren Beruf des Elektrogerätebauers wie an seiner letzten Arbeitsstelle ausüben.

Für den Senat bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte, dass der Sachverständige seine Einschätzung bestehender Leistungsfähigkeit unzutreffend getroffen haben könnte. Es bestand deshalb keine Veranlassung, ein weiteres Sachverständigengutachten aus nervenärztlich psychosomatischer Sicht war nach § 98 SGG i. V. m. § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung einzuholen. Es ist nicht ersichtlich, dass er die psychischen Belastungen, welche die Beeinträchtigung durch den Tinnitus und die Kompensationsbemühungen mit sich bringen, missachtet und unzureichend gewürdigt haben könnte. Die psychische Belastung im Form von rascher Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, schnellerer Erschöpfung und der Notwendigkeit längerer Regenerationszeiten sind in der Beurteilung aufgeführt (Seite 8 f.). Eine psychische Erkrankung und Symptome einer reaktiv-depressiven Erkrankung hat der Sachverständige verneint, ebenso Hinweise auf eine Dissimulation der seelischen Beschwerden. Insoweit hat sich der Gutachter Dr. L mit den anders lautenden Einschätzungen auseinandergesetzt. Es fehlen Gesichtspunkte, die in sachlicher Hinsicht die Erkenntnisse des Gutachers L als auf sachlicher falscher, unzureichend ermittelter oder mittlerweile geänderter Tatsachenbasis erscheinen lassen.So gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass der Kläger während seiner letzten Beschäftigung bei der M auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet hätte. Ihm ist (nur) betriebsbedingt gekündigt worden. Die gutachterlichen Bewertungen des Sachverständigen sind insbesondere vor dem Hintergrund der Angaben des Klägers zu seinen aktuellen Lebensverhältnissen, welche der Kläger dem Gutachter geschildert hat, stimmig. Es fehlen auch Anzeichen, dass sich sein Gesundheitszustand seither verschlechtert hat. So befindet sich der Kläger nicht in psychosomatischer Behandlung. Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte, dass der Gutachter nicht hinreichend sachverständig gewesen sein könnte, die psychosomatische Situation des Klägers und die Beeinträchtigungen durch den Tinnitus sachgerecht einzuschätzen.

Im Ergebnis scheidet damit die von dem Kläger alleine noch begehrte Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs. 1 SGB VI a. F. aus, weil der Kläger nicht berufsunfähig ist (§ 43 Abs. 2 SGB VI a. F). Denn der kann seinen bisherigen Beruf noch vollschichtig ausüben.

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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