L 3 R 884/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 506/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 884/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 05. August 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit hat.

Der 1952 geborene Kläger verließ die Schule ohne Abschluss nach acht Schuljahren und durchlief eine Ausbildung zum Schlosser, die er mit Erwerb des Facharbeiterabschlusses am 15. Februar 1972 erfolgreich abschloss. Anschließend übte der Kläger verschiedene berufliche Tätigkeiten aus. Er war von Februar 1972 bis März 1979 als Bauschlosser und Schweißer in verschiedenen Arbeitsverhältnissen tätig. Von April 1979 bis Februar 1987 arbeitete er als Schlosser im K P Außenstelle O dort machte er eine Umschulung zum Kesselwärter und arbeitete als Springer an Hochdruckkesseln mit Zuständigkeit für die Wasseraufbereitung für den ganzen Betrieb. Nach Schließung des K im Jahr 1989 arbeitete der Kläger für den Betrieb bis November 1991 weiter im Wachschutz. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit fand er ab dem 11. März 1992 bis 31. Mai 1999 Arbeit als Wachmann bei der C-D GmbH PU in B. Seit der Übernahme der C-D GmbH durch ein anderes Unternehmen war der Kläger arbeitslos. Er war vom 31. Mai 1999 bis zum 09. April 2000 arbeitunfähig erkrankt, unterzog sich von Januar 2000 einer Reha-Maßnahme zur Diabeteseinstellung und Schulung, bezog ab dem 10. April 2000 Arbeitslosengeld und absolvierte nach mehreren erfolglosen Bewerbungen vom 05. November 2001 bis 25. Januar 2002 eine Trainingsmaßnahme beim Arbeitsamt.

Am 18. Dezember 2000 stellte der Kläger, für den mit Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung C vom 25. Juni 2001 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt worden war, einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bzw. Berufsunfähigkeit (BU). Er machte geltend, er leide seit ca. 1999 an Arthritis urika linke Großzehe, Asthma bronchiale, Diabetes mellitus sowie weiteren Gelenkproblemen durch Diabetes.

Die Beklagte lehnte den Antrag nach Beiziehung dreier sozialmedizinischer Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Land Brandenburg (MdK) vom 12. Juli 1999 und vom 03. Mai 2001 (erstattet von Dr. F) und vom 04. April 2000 (erstattet von Dr. G), ferner des Reha-Entlassungsberichts der F-Klinik, Bad S vom 14. Februar 2000, einer Begutachtung des Klägers durch die Fachärztin für Innere Medizin und Lungenkrankheiten S (Gutachten und sozialmedizinische Leistungsbeurteilung vom 21. und 25. Juni 2001) sowie einer daraufhin veranlassten prüfärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie R vom 28. Juni 2001 mit Bescheid vom 25. Juli 2001 ab, da der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit gewissen Einschränkungen noch vollschichtig leistungsfähig sei.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens für die gesetzliche Rentenversicherung durch die Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B und Dr. H, Landesklinik T, vom 06. Februar 2002 und einer prüfärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie R vom 11. März 2002 mit Bescheid vom 16. Mai 2002 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 29. Mai 2002 Klage vor dem SG Cottbus erhoben, mit der er sein Begehren auf Rente weiter verfolgt und zur Begründung im wesentlichen vorgetragen hat, die Beklagte habe seinen Gesundheitszustand nicht ausreichend gewürdigt. Er leide unter ständigen Atembeschwerden, zunehmender Steifheit der Hände, Auftreten von Koliken im Magen- und Bauchbereich, Rücken- und Schulterschmerzen, Taubheit an beiden Füßen, besonderes den Zehen, des öfteren an starken Kopfschmerzen, einer depressiven Verstimmung und Komplikationen der Zuckerkrankheit (schlechter Abheilung kleiner Verletzungen, Tendenz zur Furunkelbildung). Im Übrigen unterlägen seine Blutzuckerwerte starken individuellen Schwankungen unabhängig von den Insulingaben.

Das SG hat zur weiten Sachaufklärung Befundberichte (BB) des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde SR W vom 02. August 2002, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P vom 06. August 2002, der Fachärztin für Innere Medizin Dipl. Med. A vom 05. August 2002, des Facharztes für Orthopädie Dr. D vom 02. September 2002 sowie ein sozial-medizinisches Gutachten des MdK Berlin-Brandenburg vom 11. April 2002 (erstattet von Dr. P) beigezogen sowie Auskünfte des letzten Arbeitgebers, der Firma C-Dienst GmbH, vom 23. August und 15. November 2002 eingeholt. Das SG hat des weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen und neurologischen Gutachtens von Dr. L In seinem nach Untersuchung des Klägers am 01. April 2003 erstatteten Gutachten vom 10. April 2003 und der ergänzenden Stellungnahme vom 03. Juli 2003 ist der Sachverständige zur Feststellung folgender Gesundheitsstörungen gelangt: - insulinpflichtiger Diabetes mellitus, - degenerative Erkrankung des Bewegungsapparates - Asthma bronchiale, - symmetrische Polyneuropathie, wahrscheinlich Diabetes bedingt, mit beginnenden Sensibilitätsstörungen, aber ohne trophische Störungen der Extremitäten und ohne motorische Ausfälle im muskulären Bereich, - neurotische Depression (chronische depressive Verstimmung, jedoch nicht schwer genug, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen).

Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten, aber nur mit gelegentlichen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, Knien, Hocken, Bücken und ohne Gerüst- und Leiterarbeiten unter Vermeidung von extremen Witterungs- und Umwelteinflüssen (Hitze, Kälte, Luftverschmutzung) und ohne Nachtschicht oder besonderen Zeitdruck acht Stunden täglich regelmäßig verrichten. Geistig schwierige Arbeiten und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein entsprechend dem Bildungsgang seien möglich, ebenso Arbeiten in Wechselschichten und mit häufigem Publikumsverkehr. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger sei in der Lage, Vollzeittätigkeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - auch als Wachmann - unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen zu verrichten.

Mit Urteil vom 05. August 2003 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nicht erwerbs- oder berufsunfähig sei. Er habe zwar einen Facharbeiterabschluss als Schlosser erworben, von diesem Beruf habe er sich jedoch gelöst, so dass ihm Berufsschutz nicht zustehe. Als bisheriger Beruf sei seine bei der CD GmbH nicht nur vorübergehend ausgeübte Tätigkeit als Wachmann anzusehen. Den Beruf des Wachmanns könne der Kläger aus gesundheitlichen Gründen jedoch nicht mehr ausüben, da dieser nach Auskunft des Arbeitgebers in Wechselschichten, insbesondere auch in Nachtschichten zu verrichten sei; dies sei ihm wegen eines gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus nicht mehr möglich. Gleichwohl sei der Kläger nicht berufsunfähig. Er sei nach Qualität und Art seines letzten Berufes, des Wächters, in die Stufe des unausgebildeten Angestellten einzuordnen. Die C-D GmbH habe in ihrer schriftlichen Auskunft vom 15. November 2002 angegeben, dass die Anlernzeit für eine völlig ungelernte und brachenfremde Kraft ca. sieben Tage betrage. Für unausgebildete und ungelernte Angestellte sei eine Verweisungstätigkeit nicht zu benennen, vielmehr sei der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Hierfür reiche sein Leistungsvermögen auch aus. Unter Berücksichtigung der gutachterlichen Feststellungen des Dr. L sei der Kläger unter gewissen Einschränkungen in der Lage, täglich in voller Schicht, das heißt acht Stunden, unter betriebsüblichen Bedingungen ohne zusätzliche Pausen regelmäßig tätig zu sein. Da dem Kläger mithin keine Rente wegen BU zustehe, könne er erst recht keine Rente wegen EU beanspruchen, denn diese setze noch weitergehende Leistungseinschränkungen als eine BU voraus. Der Kläger habe auch nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden neuen Rentenrecht keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, denn ein derartiger Anspruch würde voraussetzen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr sechs Stunden regelmäßig erwerbstätig sein könne.

Der Kläger hat gegen das ihm am 18. August 2003 zugestellte Urteil am 08. September 2003 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) für das Land Brandenburg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, er sei gesundheitlich nicht in der Lage, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden. Dies belege auch die Neueinstufung als Schwerbehinderter auf einen GdB von nunmehr 60. Der Kräfteverfall habe im Jahr 2003 einen weiteren Schub erfahren, so habe er als Folgeschaden des Diabetes seinen Geruchssinn verloren, auch sei es zu schwerwiegenden Nervenschädigungen und Durchblutungsstörungen, insbesondere in den Extremitäten, gekommen. Im Erörterungstermin vom 19. April 2007 hat der Kläger ergänzend angegeben, er habe im Januar 2007 einen Bandscheibenvorfall erlitten und sei bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R in Behandlung.

Das LSG hat BB des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde SR W vom 28. Oktober 2003, der Fachärztin für Innere Medizin Dipl. Med. A vom 29. Oktober 2003, des Facharztes für Orthopädie Dr. D vom 04. November 2003 und 22. März 2006, der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dipl. Med. D vom 08. Januar 2004, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P vom 18. Januar 2004 und 09. März 2006, der Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie Dr. K vom 16. September 2004, 23. August und 19. Oktober 2005 und 09. März 2006, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl. Med. H vom 05. September 2005 und 13. März 2006 beigezogen und des weiteren ein Sachverständigengutachten auf dem Fachgebiet der Inneren Medizin und Lungenheilkunde von dem Arzt für Innere Medizin Prof. Dr. H eingeholt. In seinem Gutachten vom 16. Dezember 2006 hat der Sachverständige nach Untersuchung des Klägers am 03. November 2006 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - Asthma bronchiale, allerdings unter konstanter Therapie in milder Verlaufsform, - Diabetes mellitus mit dezenter diabetischer Neuropathie im Bereich des Fußes (Zehen), nunmehr in Folge von Schulungsbehandlungen gut eingestellt, - Lumbalgien bei degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen und Zerviko-Brachialgie und Periarthropathia humeroscapolaris rechts, rezidivierende Sprunggelenksdistorsion.

Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger unter Beachtung gewisser Einschränkungen immer noch vollschichtig erwerbsfähig sei. So könne der Kläger noch vollschichtig Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen und leichte Transporttätigkeiten übernehmen, die Bedienung elektronisch gesteuerter Maschinen sei erlaubt, der Kläger sei nicht in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, auch reichten übliche Arbeitspausen aus. Bei Vermeidung von Nachtschichten könne er sogar als Wachmann tätig sein. Reinigungsarbeiten und Kleben sei zur Vermeidung eines Kontakts mit allergisierenden und irritativ/toxisch wirkenden Substanzen wegen des Asthma bronchiale nicht anzuraten. Das eingeschränkte Leistungsvermögen bestehe seit der Insulinpflicht im Jahre 2000.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 05. August 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit seit dem 01. Dezember 2000, hilfsweise Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung seit dem 01. Januar 2001 oder einem späteren Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist bei ihrer Auffassung geblieben, dass der Kläger mit gewissen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig leistungsfähig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten (Versicherungsnummer: 04 1006 52 G 013) sowie der Akte der Bundesanstalt für Arbeit verwiesen, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen BU bzw. EU. Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach dem ab dem 01. Januar 2001 geltenden Recht besteht ebenfalls nicht.

Der ab dem 01. Dezember 2000 geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich nach den §§ 43, 44, 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.). Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung oder gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI a. F.). Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a. F. sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach Auswertung der im verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten (Gutachten und sozialmedizinische Leistungsbeurteilung der Fachärztin für Innere Medizin und Lungenkrankheiten S vom 21. und 25. Juni 2001, Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Neurologie Dr. L vom 01. April 2003, Gutachten des Arztes für Innere Medizin Prof. Dr. H vom 16. Dezember 2006) und des Reha-Entlassungsberichts der F-Klinik, Bad S vom 14. Februar 2000 steht zwar fest, dass der Kläger an insulinpflichtigem Diabetes mellitus, degenerativer Erkrankung des Bewegungsapparates, Asthma bronchiale, dezenter diabetischer Polyneuropathie und Dysthymie (neurotische Depression) mit anteiliger somatischer Symptomatik (Schmerzsyndrom) leidet. Die beschriebenen Gesundheitsstörungen schränken das Leistungsvermögen des Klägers zwar qualitativ ein, jedoch bedingen sie keine quantitative Einschränkung. Die Sachverständigen haben überzeugend und nachvollziehbar das Restleistungsvermögen des Klägers abgeleitet und ausgeführt, er sei nach wie vor in der Lage, vollschichtig zumindest körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten und unter Vermeidung einseitiger körperlicher Belastungen bzw. Zwangshaltungen sowie Kälte, Nässe, Zugluft und einer Exposition von Atemreizstoffen und Staub zu leisten. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien möglich, ebenso Arbeiten in Tages-Wechsel-Schicht. Einschränkungen beim Zurücklegen eines Weges seien nicht gegeben. So hat Dr. L trotz der diagnostizierten Erkrankung des Bewegungsapparates und der diabetischen Polyneuropathie bei dem Kläger keine Beeinträchtigungen der Muskelkraft, keine Einschränkungen der motorischen muskulären Funktionen oder Ernährungsstörungen an den Extremitäten mit Ausnahme einer an den Spitzen der kleinen Zehen bestehenden Minderung der Berührungssensibilität festgestellt. Der Kläger belastet seine Extremitäten auch, wie sich an dem Vorhandensein deutlicher Arbeitsspuren an den Handinnenflächen und Fingern ergibt.

Auf psychiatrischem Gebiet diagnostizierte der Gutachter eine psychische Störung im Sinne einer neurotischen Entwicklung bei Vorliegen von zwanghaften, narzistisch aggressiv gehemmten Persönlichkeitszügen, die mit gestörter Erlebnisverarbeitung, depressiven Wahrnehmungen und Überzeugungen, Interessenverarmung, Verringerung sozialer Aktivitäten und subjektiv überhöht wahr genommenen Schmerzen am Bewegungsapparat einhergingen. Psychische Funktionen waren nicht beeinträchtigt; insbesondere gab es keinen Anhalt für Denkstörungen, Trugwahrnehmungen oder Wahnideen. Die psychischen Gesundheitsstörungen sind jedoch – wie Dr. L betont hat – grundsätzlich bei entsprechender Bereitschaft einer Therapie zugänglich. Hierfür spricht auch, dass im Vordergrund der psychischen Beschwerden des Klägers die Trennungssituation von seiner Ehefrau und die ihn kränkende Ablehnung einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme gestanden hat und dass die depressive Verstimmung nicht durchgängig besteht, sondern von der Situation abhängig ist und den Kläger nicht grundsätzlich in sozialen Aktivitäten einschränkt. So hat er selbst angegeben, Kontakte im Verwandtschafts- und Freundeskreis zu haben, Arbeiten im Haushalt und im großen Garten zu verrichten und jahrelang ehrenamtlich tätig gewesen zu sein (u. a. Hundezüchterverein). Die Einschätzung Dr. L wird durch das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung durch die Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B und Dr. H vom 06. Februar 2002 bestätigt. In dem Gutachten wird ausgeführt, dass es im neurologischen Befund keine Auffälligkeiten bis auf das vom Kläger angegebene Taubheitsgefühl an der ersten und zweiten Zehe rechts gebe, sich insbesondere Störungen der Sensibilität für Schmerzempfindung, Temperaturen, Vibrationen nicht gefunden hätten. Im psychischen Befund hätte sich ebenfalls kein Anhalt für inhaltliche Denkstörungen oder Wahrnehmungsstörungen gefunden, es lägen keine Ängste oder Phobien vor, sondern lediglich eine resignierte Haltung und Durchschlafstörungen mit Grübelneigung. Aus psychiatrischer Sicht bestünden keine Anhaltspunkte für eine Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit, im Gegenteil sei es für den Kläger wichtig, eine Beschäftigung zu haben. Der Kläger sei mit gewissen Einschränkungen bei der Arbeitshaltung, der Schwere der Arbeiten und der geistig/psychischen Belastbarkeit vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar.

Auch nach dem Gutachten des Arztes für Innere Medizin Prof. Dr. H vom 16. Dezember 2006 ergeben sich keine Gesundheitsbeeinträchtigungen, die das Leistungsvermögen des Klägers quantitativ aufheben oder einschränken würden. In seinem Gutachten kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Untersuchung der Lungen und des Herzens keine krankhaften Befunde ergeben hätten. Der Kläger leide an einer milden Verlaufsform eines Asthma bronchiale. Die Durchsicht der mitgeteilten Funktionsdaten lasse bis auf wenige Ausnahmen einer geringen Obstruktion nur normale Weite erkennen. Das Asthma schränke den Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit nur insoweit ein, als dieser nicht in Kontakt mit allergiesierenden und irritativ/toxisch wirkenden Substanzen kommen solle. Der Diabetes mellitus sei – anders als zuvor ärztlicherseits hervorgehoben – mittlerweile gut eingestellt und damit gut behandelbar; auch insoweit bestehe vollschichtige Arbeitsfähigkeit.

Eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers lässt sich auch nicht aus den im Berufungsverfahren eingeholten BB der behandelnden Ärzte entnehmen. Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde SR W hat bei gleich bleibender Befundsituation keinen pathologischen Befund und keine Einschränkung des Lungenfunktion festgestellt (BB vom 28. Oktober 2003), die Fachärztin für Innere Medizin Dipl. Med. A berichtet zwar über eine instabile diabetische Stoffwechsellage bei gehäuften Hypoglykämien (Unterzuckerungen), ohne jedoch genauere Befundtatsachen anzuführen (BB vom 29. Oktober 2003), wogegen der Sachverständige Prof. Dr. H im Gutachten vom 16. Dezember 2006 von einem mittlerweile gut eingestellten Diabetes mellitus spricht. Der Facharzt für Orthopädie Dr. D hat im Behandlungszeitraum vom 23. März 1996 bis 01. September 2003 keine Veränderungen konstatiert (BB vom 04. November 2003), die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dipl. Med. D hat eine progrediente chronische Entzündung der Nase und der Nasennebenhöhlen mit avisierter operativer Sanierung bescheinigt, (BB vom 08. Januar 2004), ohne dass sich daraus eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens ergäbe. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P(BB vom 18. Januar 2004) hat zwar eine durch berufliche und familiäre Konfliktsituation bedingte deutliche psychosomatische Destabilisierung bescheinigt und den Kläger "bis zur Aussteuerung" arbeitsunfähig geschrieben. Jedoch hat sich der Kläger ausweislich der dem Gericht eingereichten Liste der ihn behandelnden Ärzte nicht in psychiatrische Behandlung begeben und hat auch keine Anti-Depressiva bekommen; auch über die im Gutachten von Dr. L erwähnte ambulante Psychotherapie liegen keine Behandlungsunterlagen vor. Die Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie Dr. K hat wechselndes Befinden, Verschlechterung nach Infekten, aber auch zwischenzeitliches Wohlbefinden, und eine Anpassung der Therapie beschrieben, ohne dass sich daraus eine Änderung in der Beurteilung des Leistungsvermögens ergeben würde (BB vom 16. September 2004, 23. August und 19. Oktober 2005 und 09. März 2006). Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl. Med. H hat die bekannten Diagnosen benannt und angegeben, dass sie mit Ausnahme von "Problemen bei Konzentration" keine Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers, der erst seit März 2005 bei ihr in Behandlung sei, benennen könne (BB vom 05. September 2005 und 13. März 2006). Soweit der Kläger angegeben hat, er habe im Januar 2007 einen Bandscheibenvorfall erlitten und sei bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R in Behandlung, liegen trotz diesbezüglicher Aufklärungsbemühungen des Gerichts keine Unterlagen vor.

Der Kläger ist hiernach nicht erwerbsunfähig (§ 44 Abs. 2 SGB VI a. F.) und auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB VI).

Er ist auch nicht berufsunfähig (§ 43 Abs. 2 SGB VI a. F.) und auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 2 SGB VI). Es kann dahin stehen, ob der Kläger – wie die Gutachter Dr. L und Prof. Dr. H ausgeführt haben - mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen eine Tätigkeit als Wachmann, ohne Nachtschichten, noch vollschichtig ausüben könnte. Selbst wenn diese Leistungseinschätzung nicht zutreffen sollte, wäre der Kläger nicht berufsunfähig. Ein Anspruch auf Rente wegen BU steht dem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Hinzukommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. bzw. § 240 Abs. 2 SGB VI mehr vorhanden ist, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich dabei nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Der Kläger hat sein höchstes berufliches Qualifikationsniveau zwar im Rahmen seiner Tätigkeit als Schlosser erreicht. Diesen Beruf hat er jedoch längstens bis November 1991 ausgeübt und sich von ihm nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern infolge Kündigung und Umzugs gelöst und sich der nicht nur vorübergehend ausgeübten Tätigkeit als Wachmann zugewandt. Bei der Tätigkeit des Wachmanns handelt es sich lediglich um eine Anlerntätigkeit, für deren vollwertige Ausübung – wie die Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers vom 15. November 2002 ergeben hat - eine völlig ungelernte und branchenfremde Kraft eine Anlernzeit von ca. sieben Tagen benötigen würde. Mit dieser Tätigkeit ist der Kläger mithin der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen. Er ist auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, eine Verweisungstätigkeit braucht nicht benannt zu werden. Der Kläger wäre nach der vorliegenden medizinischen Leistungseinschätzung aber auch in der Lage, die Tätigkeit eines einfachen Pförtners oder eines Versandfertigmachers auszuüben, denn er kann leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Wechsel der Körperhaltung in geschlossenen Räumen, auch im Schichtdienst und mit Publikumsverkehr bei Vermeidung von Kälte, Nässe, Hitze, starken Temperaturschwankungen und Zwangshaltungen ausführen.

Der Kläger ist also nicht berufsunfähig, so dass ihm eine Rente wegen BU nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. bzw. mangels Berufsschutzes eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei BU nach § 240 SGB VI nicht zu gewähren ist.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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