L 1 KR 235/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1540/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 235/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 wird aufgehoben. Unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 2. November 2006 wird der Bescheid vom 19. Dezember 1996 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 16. April 1998 insgesamt aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht noch die Rechtmäßigkeit eines Prüf- und Nachforderungsbescheides der Beklagten mit welchem, 47.492,45 EUR Sozialversicherungsbeiträge für namentlich nicht benannte Arbeitnehmer im Dezember 1991 festgesetzt und gefordert werden.

Die Klägerin (übersetzt: "S GmbH") ist ein Sbetrieb. Sie hatte in Beine Niederlassung. Nach den Recherchen der Beklagten vor Ort wickelte sie in ganz Deutschland Aufträge mit insgesamt 500 aus Polen entsandten polnischen Arbeitnehmern und einer Bürokraft in B ab. Die polnischen Arbeitnehmer hatten jeweils eine Arbeitserlaubnis und besaßen vom zuständigen polnischen Sozialversicherungsträger ZUS (=Zak³ad Ubezpieczeñ Spo³ecznych = Sozialversicherungsanstalt) in K ausgestellten Bescheinigungen D/Pl 101. Die Beklagte ging und geht davon aus, dass ungeachtet der Bescheinigungen die Arbeitnehmer Beschäftigte der Niederlassung in Deutschland gewesen seien, weil die Lohnunterlagen sich in Deutschland befunden hätten und bei einem deutschen Steuerbüro abgerechnet worden und auch die Lohnsteuer in Deutschland gezahlt worden sei.

Sie führte vom 11. November bis 14. November 1996 bei der Niederlassung der Klägerin in Bamberg eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV. Buch (SGB IV) hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Dezember 1991 bis 31. Dezember 1995 durch.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 1996 forderte sie 5.099.178,88 DM nach. Bei den Arbeitnehmern habe es sich nicht um entsandte Arbeitnehmer im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des deutsch-polnisches Entsendeabkommens (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden vom 31. Januar 1990 = EA) gehandelt. Sie seien nicht vorübergehend entsandt und vom (Heimat-) Arbeitgeber entlohnt worden im Sinne des Art. 1 Abs. 3 EA, weil die Lohnabrechnung in Deutschland beim Steuerbüro S erfolgt sei. Die Bescheinigungen D/PL101 der ZUS seien unzutreffend.

Hinsichtlich der Löhne für Dezember 1991 handele es sich um einen Summenbeitragsbescheid. Die Aufzeichnungspflicht sei nicht ordnungsgemäß erfüllt worden. Die Beiträge seien deshalb nach § 28 f Abs. 2 SGB IV anhand der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte ermittelt worden.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch (VV Blatt 282 und 283). Bei der Zweigniederlassung Bamberg der Klägerin handele es sich nicht um ein selbständiges Tochterunternehmen. Ein Unternehmen in Deutschland gebe es also nicht. Die Arbeitnehmer seien ausnahmslos aufgrund des EA und im Rahmen der entsprechenden Kontingente beziehungsweise Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse entsandt worden.

Die Beklagte setzte den Sofortvollzug des Bescheides aus.

Die ZUS teilte der Beklagten auf deren Anfrage mit, die Bescheinigungen D/PL101 seien korrekt ausgestellt worden, da nach der ihr erteilten Information die Klägerin für die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsverträge für die Dauer der Beschäftigung abgeschlossen habe. In dieser Zeit seien sie vom Unternehmen entlohnt und die Beträge zur Sozialversicherung seien an die ZUS in K abgeführt worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21. April 1998 zurück. Es handele sich um inländische Beschäftigungsverhältnisse. Arbeitgeber sei die deutsche Zweigniederlassung gewesen, die Klägerin selbst habe kein Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitsstellen der entsandten Arbeitnehmer gehabt. So sei auch bei den Entsendebescheinigungen als Arbeitsstelle in Deutschland "K, Sstraße, B" eingetragen gewesen. Diese habe auch die Werkverträge mit den deutschen Unternehmen abgeschlossen. Diese Verfahrensweise entspreche nicht dem Inhalt des EA. Im Übrigen wiederholt der Bescheid die Begründung des Ausgangsbescheides.

Hiergegen hat die Klägerin im Mai 1998 Klage vor dem Sozialgericht Bayreuth erhoben. Die Arbeitnehmer hätten alle über unbefristete Arbeitsverträge bei der Klägerin in Polen verfügt. Lediglich für die Dauer des Auslandeinsatzes hätten aufgrund der polnischen arbeitsrechtlichen Bestimmungen abgeänderte Verträge abgeschlossen werden müssen, während die unbefristeten Arbeitsverträge als Rahmenverträge weiter gültig geblieben seien. Die Entsendung sei durch die Klägerin selbst erfolgt, wie sich auch aus den Arbeitserlaubnissen des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen ergebe. Das Weisungsrecht sei nur von der Klägerin selbst ausgeübt worden. Bereits vor der Entsendung habe diese die Einsätze nach Zeit, Dauer, Ort und Art festlegen müssen, da andernfalls keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden seien. Im Einzelnen sei vor Abschluss eines einzelnen Werkvertrages durch das polnische Wirtschaftsministerium überprüft worden, ob die Kontingente eingehalten worden seine. Ein polnischer Betrieb habe nur einen gewissen Anteil seiner polnischen Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden dürfen. Danach habe der Werkvertrag unterschrieben werden dürfen, der dann dem Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen zur Genehmigung vorgelegt worden sei. Diesem sei durch das polnische Wirtschaftsministerium – zentral und für ein Kalenderjahr – das Kontingent mitgeteilt worden, nämlich die Anzahl der Arbeitnehmer, die insgesamt aus Polen nach Deutschland hätten entsandt werden dürfen. Nach Genehmigung des Werkvertrages habe die Arbeitsverwaltung eine Zusicherung abgegeben, dass die Arbeitserlaubnisse erteilt würden. Aufgrund dieser Zusage hätten dann die einzelnen Arbeitnehmer eine Aufenthaltserlaubnis durch die deutsche Botschaft in Warschau beziehungsweise das Konsulat in Krakau erhalten. Aufgrund dieser Visa habe dann schließlich das Arbeitsamt Duisburg Arbeitserlaubnisse für genau bestimmte Vorhaben erteilt. Die Eintragung einer Zweigstelle für ein polnisches Unternehmen in ein deutsches Handelsregister habe zur damaligen Zeit den steuerlichen Vorteil gehabt, dass die Vorsteuer unmittelbar in Abzug hätte gebracht werden dürfen. Ein Unternehmen ohne Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland habe hingegen das Erstattungsverfahren wählen müssen. Die Erstattung habe bis zu vier Jahren gedauert. Eine Aufzeichnungspflicht, deren Verletzung Grundlage eines Bescheides nach § 28 f Abs. 2 SGB IV sein könne, bestehe wegen des Vorrangs des Völkerrechtes (nämlich Artikel 4 Abs. 1 EA) nicht. Das Sozialgericht Bayreuth hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. Juni 2002 an das Sozialgericht Berlin verweisen. Dieses sei örtlich zuständig, da die Klägerin ihren Sitz im Ausland habe. In B unterhalte sie nur eine Zweigniederlassung.

Die Beklagte hat vorgebracht, auch bei einem rechtlich unselbständigen Unternehmensteil - wie hier einer Zweigniederlassung gemäß § 13 Handelsgesetzbuch (HGB) -könnten inländische Beschäftigungsverhältnisse bestehen. Die polnischen Arbeitnehmer hätten erst von der deutschen Niederlassung Weisung erhalten, auf welchen Baustellen sie tatsächlich zum Einsatz gekommen seien. Die Hauptniederlassung in K habe also lediglich das Personal angeworben, das dann in Deutschland durch die Zweigniederlassung beschäftigt worden sei. Neben ihren Werkvertragsarbeitnehmern habe die Klägerin auch so genannte Saisonkräfte beschäftigt. Nur diese hätten regelmäßig den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates unterlegen. Ein Strafverfahren gegen die Geschäftsführer der Klägerin, die laut Anklageschrift beide in B wohnhaft seien, wegen des Verdachtes der illegalen Arbeitnehmerüberlassung sei gemäß § 153 a Strafprozessordnung gegen Auflage einer Geldbuße eingestellt worden (Staatsanwaltschaft B, Aktenzeichen 108 Js /95).

Sie hat mit Schriftsatz vom 15. August 2005 (GA Blatt 292) "nach Überprüfung der nunmehr vorgelegten Entsendebescheinigungen D/PL101" die Beitragsforderung teilweise zurückgenommen. Es verbleibe bei einer Nachforderung von 128.003,40 DM = 65.447,10 Euro. Die verbleibende Forderung betreffe Arbeitnehmer, für die eine Entsendebescheinigung nicht vorhanden gewesen sei sowie für das Jahr 1991, für das Lohnunterlagen nicht hätten vorgelegt werden können. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und weitere Entsendebescheinigungen eingereicht.

Die Beklagte hat daraufhin erklärt, es verbleibe nunmehr noch beim Beitragsummenbescheid für Dezember 1991 über 92.887,16 DM = 47.492,45 EUR. Sie hat unter dem 2. November 2006 einen neuen Bescheid erlassen.

Das SG Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2007 abgewiesen. Ob ein Fall der Entsendung vorliege könne jeweils nur im Einzelfall geprüft werden, wenn die Einzelheiten jedes einzelnen Beschäftigungsverhältnisses bekannt seien. Sei dies wie hier im Dezember 1991 nicht der Fall, könne nicht geprüft und festgestellt werden, ob ein ausländisches Beschäftigungsverhältnis bestanden habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit der sie ihre Rechtsauffassung erneut vorträgt und auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Dezember 1999 -B 14 KG 1/99 R- verweist.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 aufzuheben sowie unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 2. November 2006 den Bescheid vom 19. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16. März 1998 insgesamt aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Bescheinigung D/PL101 sei keine ausreichende Lohnunterlage im Sinne der Beitragsüberwachungsverordnung.

Der Senat hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass bereits ausweislich des Ausgangsbescheides Bescheinigungen D/PL101 für die polnischen Arbeitnehmer vorgelegen hätten, welche lediglich für unbeachtlich gehalten worden seien.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Beigeladenen zu 3) sowie zwei Kartons mit Kopien von Bescheinigungen D/Pl 101 haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Der Prüfbescheid in Form eines Beitragssummenbescheides der Klägerin, der jetzt noch alleiniger Streitgegenstand ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Bescheid hätte so nicht erlassen werden dürfen, weil das SGB IV -insbesondere §§ 28f und 28 p einschließlich der darauf beruhenden Beitragsüberwachungsverordnung- gemäß § 6 SGB IV durch die spezielleren Vorschriften des EA verdrängt ist.

Dass Artikel 4 EA einschlägig ist und damit die polnischen Arbeitnehmer der Klägerin im Dezember 1991 nur den Rechtsvorschriften des Entsendestaates Polen unterlegen haben, folgt bereits aus den für sie vorgelegten Bescheinigungen D/PL101:

Es ist hier zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Klägerin für alle ihre hier betroffenen Arbeitnehmer im streitgegenständlichen Zeitraum die Entsendebescheinigungen D/PL101 vorgelegt hatte. Dieser Sachverhalt liegt bereits dem angegriffenen Bescheid zugrunde. Die Beklagte ist ausdrücklich hierzu nochmals um Stellungnahme gebeten worden, ohne dass das Vorliegen der Bescheinigungen von ihr jetzt bezweifelt worden ist. Anhaltspunkte für Gegenteiliges sind auch ansonsten nicht ersichtlich. So hat offenbar die von der Beklagten angestrebte Überprüfung der Bescheinigungen nichts ergeben. Weitere Aufklärungsmöglichkeiten gibt es nicht mehr.

Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Trägers über die nach dessen Recht maßgebenden Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen. Überprüft werden darf zwar die Auslegung und Anwendung des EA selbst, allerdings geht das Völkervertragsrecht bei der Vertragsauslegung vom Gebot der Rücksichtnahme auf möglicherweise unterschiedliche Interessenlagen und divergierende Rechtsauffassungen aus. Maßgeblich sind deshalb zunächst die von den Vertragsparteien vereinbarten Regelungen und Verfahren (So zutreffend BSG, U. v. 16.12.1999 – B 14 KG 1/99 RBSGE 85, 240). Das BSG führt in diesem Urteil für einen Fall mit Anwendung des entsprechenden Abkommens mit Jugoslawien aus:

"Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Trägers über die nach dessen Recht – d.h. den in Art 2 Abs. 1 Nr. 2 des deutsch-jugoslawischen Abkommens genannten Rechtsvorschriften - maßgebenden Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen. Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind allerdings berechtigt zu überprüfen, ob die im anderen Vertragsstaat zuständige Stelle die Vorschriften des Abkommens richtig angewandt hat. Nur insoweit besteht keine Bindung an die Auslegung oder Anwendung des Abkommens durch den im anderen Vertragsstaat zuständigen Träger (vgl. für das EG-Recht insoweit BSG SozR 3-6050 Art 45 Nr. 2 und EuGH in SozR 6047 Art 16 Nr. 1). Wenn die mazedonische Verbindungsstelle die nach deutschem Recht maßgebenden Grundsätze über die Entsendung von Arbeitnehmern nicht beachtet haben sollte, ist dies noch keine unrichtige Vertragsanwendung; dies gilt insbesondere für den vom Kläger vorgebrachten Einwand, eine Entsendung auf Rechnung des entsendenden Unternehmens setze voraus, dass dieses weiterhin die Lohnkosten trage, was bei ihm, dem Kläger, nicht der Fall gewesen sei.

Die Transformation zwischenstaatlicher Abkommen durch nationale Zustimmungsgesetze (Art 59 Abs. 2 Grundgesetz (GG)) hat zwar zur Folge, dass die transformierten Vorschriften ausschließlich und getrennt den jeweiligen nationalen Gerichtsbarkeiten unterliegen. Das bedeutet aber nicht, dass für die Anwendung und Auslegung einzelner Vereinbarungen in einem Abkommen das jeweilige innerstaatliche Recht allein maßgebend ist. Das Völkervertragsrecht geht vielmehr vom Gebot der Rücksichtnahme auf möglicherweise unterschiedliche Interessenlagen und divergierende Rechtsauffassungen der jeweils an einem Abkommen beteiligten Staaten aus. Maßgebend ist in erster Linie der zum Ausdruck gekommene subjektive Parteiwillen der beteiligten Staaten (vgl. Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 1962, S 547; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre 1995, S 474 f; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 9. Aufl., RdNr 332 ff). Dies schließt eine Übertragung der Rechtsgrundsätze eines Vertragspartners auf die Auslegung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragspartners grundsätzlich ebenso aus wie Rückgriffe auf andere Abkommen zum Zwecke der Vertragsauslegung (vgl. BSG SozR 2200 § 1303 Nr. 3). Um einer unterschiedlichen Auslegung vorzubeugen, geben die Abkommen in der Regel am Anfang eingehende Definitionen der wichtigsten Begriffe, so auch Art 1 des Abk. Jugoslawien SozSich. Damit lassen sich Auslegungsschwierigkeiten aber nur zum Teil beheben. Um bei unterschiedlichen Rechtsordnungen, in denen das jeweilige nationale Recht des einen Vertragspartners dem anderen Vertragspartner und seinen durchführenden Behörden weitgehend unbekannt ist, eine praktische Durchführung überhaupt zu ermöglichen ist, bedarf es einer Verfahrensweise, die die Behörden von aufwendigen Ermittlungen über die jeweilige Rechtslage im anderen Vertragsstaat entlastet und ihnen eine sichere Grundlage für die nach ihrer Zuständigkeit zu treffenden Entscheidungen bietet. Deshalb sieht Art 34 vor, dass jeder Vertragsstaat zur Durchführung des Abkommens Verbindungsstellen einrichtet, die die notwendigen Verwaltungsmaßnahmen veranlassen. Nach Art 38 Abs. 1 des Abk. Jugoslawien SozSich sollen Streitigkeiten zwischen den beiden Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens soweit möglich durch die zuständigen Behörden im Einvernehmen beigelegt werden. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage haben die Verbindungsstellen vereinbart, dass die Prüfung, ob die Voraussetzungen des Art 6 des Abkommens erfüllt sind, in erster Linie dem Träger des Entsendestaates obliegt (Nr. 6 des Rdschr Nr. 56/1975 der deutschen Verbindungsstelle - KV - vom 16.7.1975).

Im Hinblick auf die hier streitigen Voraussetzungen einer Entsendung bedeutet dies, dass die Frage, ob der Kläger im Sinne des Abk. Jugoslawien SozSich als entsandt anzusehen war, nicht vorrangig nach den Rechtsgrundsätzen des deutschen Sozialrechts zu beurteilen ist. Vielmehr ist hier in erster Linie die von der zuständigen mazedonischen Verbindungsstelle ausgestellte Entsendebescheinigung zu Grunde zu legen. Mit der Ausstellung des Vordrucks JU-1 hat die Verbindungsstelle in Mazedonien zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger nach mazedonischem Rechtsverständnis zur Ausübung einer Beschäftigung beim deutschen Tochterunternehmen des früheren mazedonischen Staatsunternehmens I S entsandt werde. Für die Beklagte als deutsche Verbindungsstelle für das Kindergeldrecht bestand keine Veranlassung, diese Erklärung - weil plausibel - in Zweifel zu ziehen. Nur wenn diese Bescheinigung auch auf der Grundlage des mazedonischen Rechtsverständnisses offensichtlich nicht richtig sein konnte, könnte von einer unrichtigen Anwendung des Abkommens durch die mazedonische Verbindungsstelle und damit von einer fehlenden Verbindlichkeit der Bescheinigung ausgegangen werden. Hierfür besteht vorliegend jedoch kein Anhalt. Der Kläger hat selbst vorgebracht, dass Staaten mit einem sozialistischen Wirtschaftssystem und Arbeitsmarkt, wie es bei Mazedonien zur Zeit der Entsendung des Klägers der Fall war, die Frage, auf wessen Rechnung eine Beschäftigung erfolgt, anders beurteilen als Staaten, deren Rechtssystem auf einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung beruht. Bei weitem Verständnis kann das Betriebsergebnis auch eines selbständigen Tochterunternehmens der Muttergesellschaft zugerechnet werden, zu deren Lasten es letztlich geht. Hieraus folgt, dass der Kläger als entsandter Beschäftigter zu behandeln und Art 6 des deutsch-jugoslawischen Abkommens auf ihn anzuwenden war. Dies schloss eine Anwendung der vom Abkommen erfassten deutschen Bestimmungen über die soziale Sicherheit einschließlich des Kindergelds für Arbeitnehmer aus."

Auch das hier einschlägige EA sieht Verbindungsstellen und von diesen getroffene Vereinbarungen vor (vgl. Art. 1 Abs. 6, Art. 12 EA sowie Art. 1 Schlussprotokoll). Nach dem Rundschreiben Nummer 71/1983 der deutschen Verbindungsstelle vom 3. November 1983 war vereinbart, dass der Nachweis über die Weitergeltung der polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit nach Art. 4 EA mit Vordruck RFN/P1 zu führen sei. Dieser Vordruck ist später durch das Formular D/PL101 ersetzt worden (Vergleiche auch Rundschreiben Nummer VB 14/94 der deutschen Verbindungsstelle vom 03.03.1994 und schließlich die Vereinbarung der Verbindungsstellen für die Krankenversicherung -Anlage zum Rundschreiben Nummer 94/1996 der deutschen Verbindungsstelle – KV – vom 30.12.1996 - , wonach in den Fällen des Artikel 4 oder 6 der Träger des Staates, dessen Rechtsvorschriften gelten, darüber eine Bescheinigung ausstelle, konkret die Bescheinigung D/PL101 durch die zuständige Zweigstelle der ZUS).

Die so skizzierte Rechtslage entspricht auch der innerhalb der EU. Es ist für die Europäische Union seit längerem geklärt, dass die entsprechende Bescheinigungen (=E101) die zuständigen Träger und die Gerichte der Staaten, in welche die Arbeitnehmer entsandt werden, solange binden , solange die Bescheinigungen nicht von den Behörden des Ausstellungsstaates zurückgezogen oder für ungültig erklärt werden (vgl. zuletzt Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.01.2006 -Rs C-2/05- ).

Die hier eingereichten Bescheinigungen D/PL101 sind nie zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden. Vom Vorliegen der Vorraussetzungen der Artikel 4 oder 6 EA ist deshalb auszugehen (ebenso bereits für die genau umgekehrte Variante, bei welcher die ZUS die Entsendebescheinigungen annulliert hat: Beschluss des Senats vom 24.04.2007 – L 1 B 1030/05 KR ER – veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; wie hier bereits SG Berlin, B. v. 05.04.2000 – S 89 KR 182/00 ER -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung (Artikel 17 Abs. 1 Satz 2 des VI. SGG - Änderungsgesetz analog, ständige Rechtssprechung des BSG). Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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