L 28 B 2119/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 115 AS 27137/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 2119/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist nicht begründet.

Die Antragstellerin hat sich mit ihrer Beschwerde ausdrücklich und ausschließlich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2007 und damit gegen die Absenkung der Leistungen für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Januar 2008 (Sanktionsbescheide vom 19. Oktober 2007 und Bewilligungsbescheid vom 19. Oktober 2007 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008) um 70,00 Euro monatlich gewandt. Nur hierüber hatte der Senat zu entscheiden. Zu dem am 24. Oktober 2007 gestellten Antrag hatte sie zwar ursprünglich mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2007 ausdrücklich zum vorliegenden Aktenzeichen dahin weiter vorgetragen, dass auch die mit Bescheid vom 29. Oktober 2007 festgestellte Sanktion nicht zu einer (weitergehenden) Absenkung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II führen dürfe; sie verlange daher weiterhin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 29. Februar 2008 die vollen Leistungen. Das SG hat diesen Antrag aber als selbständigen Streitgegenstand angesehen und ihn (der Sache nach, ohne dass ein an sich hierfür erforderlicher Beschluss ergangen ist) nach §§ 113, 202 SGG iVm § 145 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) abgetrennt und hierüber mit Beschluss vom 15. November 2007 gesondert entschieden. So ist offenbar – ohne dass insoweit Einblick in die Akten genommen worden ist – auch bezüglich des Vortrages vom 7. November 2007 wegen einer weiteren Absenkung der Höhe der Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 29. Februar 2008 verfahren worden. Es bestehen zwar Zweifel, ob diese Vorgehensweise zulässig war. Ungeachtet der unterschiedlichen Rechtswirkungen eines Sanktionsbescheides nach § 31 Abs. 5 SGB II, der Voraussetzung für den Eintritt der Absenkung ist, und eines sog. Sperrzeitbescheides nach § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), dem eine solche konstitutive Wirkung nicht zukommt (vgl. nur Valgolio in Hauck/Noftz § 144 SGB III RdNr. 311 ff mit weiteren Nachweisen), handelt es sich nach erster Prüfung durch den Senat bei einem Rechtsstreit um die Absenkung von Leistungen wegen des Eintritts einer Sanktion um einen sog. Höhenstreit, bei dem nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sind (BSG Urteil vom 23. November 2006, RdNr. 16). Der Senat geht deshalb – wie auch das SG – davon aus, dass die Sanktionsbescheide vom 19. Oktober 2007 und der Bewilligungsbescheid vom 19. Oktober 2007 prozessrechtlich eine Einheit bilden und Gegenstand des Verfahrens die Zahlung von Alg II in ungekürzter Höhe vom 1. November 2007 bis zum 31. Januar 2008 ist (zur Situation beim Eintritt einer Sperrzeit nur BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 12). Ist die Höhe der Leistungen damit bereits Gegenstand eines Widerspruchs- und Antragsverfahrens, werden Folgebescheide, die eine Verfügung über die Höhe dieser Leistungen im streitigen Bewilligungsabschnitt treffen (hier der Sanktionsbescheid vom 29. Oktober 2007 betreffend die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 29. Februar 2008 sowie der Sanktionsbescheid vom 6. November 2007 betreffend den selben Zeitraum) grundsätzlich Gegenstand des Verfahrens nach § 86 SGG und § 96 SGG, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren analog heranzuziehen ist. Anderes könnte nur gelten, wenn die Feststellung einer weiteren Sanktion nicht nur Begründung der getroffenen Entscheidung über eine (weitergehende) Absenkung der Höhe der Leistungen ist, sondern einen eigenständigen, von der Bestimmung der maßgeblichen Höhe der Leistungen abweichenden Verfügungssatz enthält. Nur in diesem Fall wäre eine Abtrennung zulässig. Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedurfte es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht. Die Rechte der Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Schutz vor Rechtsnachteilen, die durch ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachen sind, sind vorliegend durch die zeitnahe und ebenfalls mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung des SG mit Beschluss vom 15. November 2007 ausreichend geschützt. Die Entscheidung über den maßgeblichen Streitgegenstand und die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Trennung ist allerdings (vor allem im Hinblick auf die Statthaftigkeit einer Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) für ein sich ggf. anschließendes Klageverfahren von erheblicher Bedeutung.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, denn mit dem (mit)angefochtenen Bescheid vom 19. Oktober 2007 ist erstmals eine Regelung über die Höhe für Zeiträume ab dem 1. November 2007 getroffen worden, die nach Auffassung der Antragstellerin für die Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Januar 2008 rechtswidrig zu niedrig ist. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Anordnungsvoraussetzungen sind mithin sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch, gemessen an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass sich die Anforderungen je nach dem zu erwartendem Maß des Erfolgs in der Hauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung oder der Schwere des drohenden Nachteils vermindern können. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufene Zeiträume begehrt werden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss des Senats vom 11. Juli 2007 - L 28 B 1097/07 AS ER -, Juris RdNr. 3).

Der Senat teilt nach erster Prüfung die Auffassung des SG nicht, die Klage in der Hauptsache habe keine nennenswerte Aussicht auf Erfolg und deshalb bestehe kein Anordnungsanspruch. Die streitigen Aufforderungen vom 9. August 2007 zum 3. September 2007 und vom 31. August 2007 zum 9. September 2007 befinden sich weder in dem vorliegenden Teil der Verwaltungsakte noch in den Gerichtsakten, so dass schon unklar ist, ob die Aufforderungen den Meldezweck, den Meldezeitpunkt und den Meldeort benennen, wie § 309 SGB III, der über § 59 SGB II Anwendung findet, dies erfordert. Bei den Akten befindet sich lediglich die Durchschrift einer Aufforderung vom 3. September 2007 zu einem Gespräch über die berufliche Situation am 3. September 2007. Hierbei dürfte es sich schwerlich um ein Original handeln, sondern um ein zu Vergleichszwecken eingeheftetes Schreiben, dem kein eigenständiger Beweiswert zukommt. Ein konkretes Bewerberangebot lag beim Antragsgegner offenbar nicht vor, so dass Meldezweck nur ein Gespräch über die allgemeine berufliche Situation der Antragstellerin sein kann (Fall des § 309 Abs. 2 Nr. 2 SGB III). Sollte auch die Aufforderung vom 31. August 2007 zum 9. September 2007 als Meldezweck ein Gespräch über die allgemeine berufliche Situation benennen, kann nicht nachvollzogen werden, weshalb die Berechtigung bestanden haben sollte, die Antragstellerin noch bevor der erste Termin verstrichen war, zu einem wenige Tage später liegenden zweiten Termin zu laden. Aus Sicht des Empfängers wäre nur schwer nachvollziehbar, wegen desselben Grundes zu zwei zeitlich unmittelbar aufeinander folgenden Terminen geladen zu werden, so dass – sofern nicht konkretere Hinweise für diese Art der Vorgehensweise genannt werden, für die bislang nichts ersichtlich ist – aus Sicht des Empfängers entweder davon ausgegangen werden muss, dass sich der erste Termin mit der Einladung zu einem kurz danach liegenden zweiten Termin erledigt hat, oder die zweite Einladung versehentlich erfolgt ist. Ob beide Meldeaufforderungen rechtmäßig sind, wie das SG meint, muss daher bezweifelt werden. Auch wegen der von der Antragstellerin vorgetragenen gesundheitlichen Gründe ist bislang nicht weiter ermittelt worden. Das Verhalten der Antragstellerin legt eine Überprüfung durch das Gericht nahe. Die Verpflichtung, sich ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen zu unterziehen, die der Antragsgegner zum Gegenstand der (nicht abgeschlossenen) Eingliederungsvereinbarung gemacht hat, zeigt, dass auch seitens des Antragsgegners Zweifel an der Gesundheit der Antragstellerin bestehen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das SG bei der Aufklärung des Sachverhalts für den Fall einer Weigerung der Teilnahme an einer Untersuchung auch eine Begutachtung nach Aktenlage in Betracht ziehen muss, bevor die Antragstellerin und Klägerin die Folgen der Nichterweislichkeit einer (schwerwiegenden) Erkrankung treffen.

Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg, weil es bei offenen Erfolgsaussichten in der Sache jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehlt. Die Antragstellerin hat keine Gründe vorgetragen, weshalb sie für den noch verbleibenden Zeitraum ab Entscheidung des Senats auf die Auszahlung weiterer 70,00 Euro zwingend angewiesen wäre. Ein schwerer, nicht durch ein Obsiegen in der Hauptsache wieder auszugleichender Nachteil ist bei dieser noch in Streit stehenden Summe nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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