L 9 B 584/07 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2378/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 584/07 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. August 2007 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2007 wird angeordnet, soweit hiermit Beitragrückstände in der sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 89,76 EUR geltend gemacht worden sind. Im Übrigen werden der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 1/9 seiner außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. August 2007 ist nach den §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Sie ist zwar am 2. Oktober 2007 um einen Tag verspätet erhoben worden, weil der Beschluss des Sozialgerichts dem Antragsteller ausweislich der in der Gerichtsakte befindlichen Zustellungsurkunde am 1. September 2007 zugestellt worden ist, so dass die Beschwerdefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Beschlusses bereits am Montag, dem 1. Oktober 2007, abgelaufen ist. Dem Antragsteller ist jedoch nach § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist zu gewähren, weil er ohne Verschulden daran gehindert gewesen ist, diese Frist einzuhalten. Denn er durfte hier darauf vertrauen, dass die von ihm mit der Beförderung der Beschwerdeschrift betraute Deutsche Post AG die von ihr bekannt gegebenen normalen Postlaufzeiten einhält. Soweit Postsendungen aus allen Tages- und Spätleerungen den Empfänger danach bundesweit in der Regel mit der nächsten Zustellung erreichen sollen, durfte der Antragsteller davon ausgehen, dass seine Beschwerde fristgerecht bei dem Sozialgericht Berlin eingehen würde, weil er sie bereits am Sonnabend, dem 29. September 2007, in H eine Stunde vor der auf 21:00 Uhr festgesetzten Leerung in einen Briefkasten der Deutschen Post AG eingeworfen hatte.

Unter Außerachtlassung der seit dem Erlass der Vollstreckungsanordnung des Hauptzollamts Berlin vom 5. März 2007 entstandenen weiteren Säumniszuschläge betrifft die zulässige Beschwerde bei sachgerechter Auslegung des Beschwerdevorbringens nur noch einen zu vollstreckenden Gesamtbetrag in Höhe von 1.132,77 EUR. Denn die Antragsgegnerin hat von der von ihr mit ihrem Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 geforderten Gesamtsumme von 1.182,77 EUR zwischenzeitlich den vom Antragsteller bereits im Juli 2007 gezahlten Betrag von 50,00 EUR abgesetzt und mit ihrem Schreiben vom 28. November 2007 gegenüber dem Hauptzollamt Berlin erklärt, dass der zu vollstreckende Betrag lediglich 1.132,77 EUR betrage.

Die den Betrag in Höhe von 1.132,77 EUR betreffende Beschwerde ist teilweise begründet. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat insoweit Erfolg, als die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2007 bezüglich der damit geltend gemachten Beitragsrückstände in der sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 89,76 EUR anzuordnen war.

Zu Recht hat das Sozialgericht im vorliegenden Fall die Antragsgegnerin in das Passivrubrum seines Beschlusses aufgenommen und nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht. Denn der Antragsteller hat zwar in seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen Antragsgegner genannt und mit diesem Antrag auf die ihm vom Hauptzollamt Berlin als zuständiger Vollstreckungsstelle übersandte Vollstreckungsankündigung vom 24. August 2007 Bezug genommen. Aus seinen weiteren Ausführungen ergibt sich jedoch, dass er sich mit diesem Antrag nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung hat wenden wollen, wofür richtige Antragsgegnerin die Bundesrepublik Deutschland gewesen wäre und nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung der Finanzrechtsweg hätte eingeschlagen werden müssen. Vielmehr betreffen seine Einwendungen ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2007, die er aus der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit der vorausgegangenen Beitragsbescheide der Antragsgegnerin und der bei ihr angesiedelten Pflegekasse vom 5. September 2006 ableitet. Insoweit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Ferner ist der Antrag gegen die Antragsgegnerin als Urheberin des Bescheides vom 23. Februar 2007 zu richten. Bei diesem Bescheid handelt es sich der Sache nach um den der Vollstreckung erst vorgelagerten Leistungsbescheid im Sinne des § 66 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes, weil die Antragsgegnerin mit diesem Bescheid den sich aus ihrem Bescheid vom 5. September 2006 und dem Bescheid der Pflegekasse vom selben Tag ergebenden Beitragsrückstand und die Säumniszuschläge der Höhe nach festgesetzt sowie den Antragsteller erstmalig zur Zahlung des festgesetzten Betrages aufgefordert hat.

Vorläufiger Rechtsschutz gegen den belastenden Verwaltungsakt vom 23. Februar 2007 ist nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG nachzusuchen, weil Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den vorgenannten Bescheid nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung haben. Hierbei ist der Antrag des Antragstellers als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 zu bewerten, den er bei sachgerechter Auslegung seines Vorbringens mit seinem Schreiben vom 20. März 2007 gegenüber der Antragsgegnerin eingelegt hat. Dieser Antrag erweist sich unter Zugrundelegung des in § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG geregelten Prüfungsmaßstabs als begründet, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung des Bescheides für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragbescheides vom 23. Februar 2007 bestehen hier insoweit, als die Antragsgegnerin mit diesem Bescheid nicht nur den Beitragsrückstand und die hierauf entfallenden Säumniszuschläge für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung festgesetzt hat, sondern der Bescheid auch den Beitragsrückstand (Säumniszuschläge sind nach der im Beschwerdeverfahren überreichten Aufstellung insoweit nicht festgesetzt worden) für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung betrifft. Für diese Festsetzung ist die Antragsgegnerin nicht zuständig gewesen, weil sie über Pflegeversicherungsbeiträge nur in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle bei gegen Entgelt Beschäftigten nach § 28 h Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches entscheiden darf, es hier jedoch um einen Beitragsrückstand geht, der gegenüber einem aus ihrer Sicht in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten gefordert worden ist. Über diesen Rückstand hätte nach § 46 in Verbindung mit §§ 54 ff. des Elften Buches des Sozialgesetzbuches die zuständige Pflegekasse entscheiden müssen, die für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung auch den vorausgegangenen Bescheid vom 5. September 2006 erlassen hat. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 war somit hinsichtlich des auf die soziale Pflegeversicherung entfallenden Betrags anzuordnen. Dieser Betrag beläuft sich ausweislich der von der Antragsgegnerin überreichten Aufstellung auf 89,76 EUR, weil Säumniszuschläge insoweit nicht festgesetzt worden sind und die vom Antragsteller im Juli 2007 gezahlten 50,00 EUR mit dem Beitragsrückstand in der sozialen Pflegeversicherung verrechnet worden sind.

Im Übrigen lassen sich ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 23. Februar 2007 nicht feststellen. Denn die auf den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung entfallende Festsetzung des Beitragsrückstandes und der Säumniszuschläge erweist sich bei summarischer Prüfung als zutreffend. Sie basiert auf dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006, der bestandskräftig geworden ist, weil der Antragsteller das insoweit ergangene Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 – S 112 KR 388/07 – hat rechtskräftig werden lassen. Rechnerische Fehler sind der Antragsgegnerin bei der Umsetzung dieses Bescheides nicht unterlaufen.

Dass die Vollziehung des Beitragsbescheides vom 23. Februar 2007, soweit er den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung betrifft, für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte, ist nicht ersichtlich. Denn abgesehen davon, dass sich die Antragsgegnerin bereits vor Erlass des Bescheides mit einer Ratenzahlung einverstanden erklärt hat, hat der Antragsteller nachvollziehbare Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht gemacht. Im Übrigen wird er sich im nachgehenden Vollstreckungsverfahren nochmals auf Vollstreckungsschutz berufen können.

Soweit der Antragsteller geltend gemacht hat, dass der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 5. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 rechtswidrig sei, weil ihm die Deutsche Rentenversicherung Bund mit ihrem Bescheid vom 25. Mai 2007 rückwirkend ab dem 1. Juni 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt habe und er deshalb während der in dem Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 genannten Zeiträume in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert gewesen sei, vermag dies an den vorstehenden Ausführungen nichts zu ändern. Seinem Vorbringen lässt sich insoweit zwar der sinngemäße Antrag entnehmen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG zu verpflichten, die Vollziehung aus dem Bescheid vom 5. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 vorläufig auszusetzen bzw. den vorgenannten Bescheid vorläufig zurückzunehmen. Diesem Antrag muss jedoch der Erfolg versagt bleiben, weil der Antragsteller insoweit jedenfalls einen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen zur unbilligen Härte verwiesen werden. Denn bei einem Erfolg seines Antrags dürfte die Antragsgegnerin zwar die mit dem Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 geltend gemachte Forderung (einstweilig) nicht weiter verfolgen. Welche schwerwiegenden Nachteile der Antragsteller durch eine Weiterverfolgung zu gegenwärtigen haben könnte, hat er jedoch nicht dargelegt. Vor diesem Hintergrund kann hier dahinstehen, ob sich der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 5. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2006 als rechtswidrig erweist und deshalb von der Antragsgegnerin in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen werden müsste. Da hierfür allerdings spricht, dass der Antragsteller ausweislich des insoweit vorgelegten Einkommensteuerbescheides im Jahr 2006 aus seinem Gewerbebetrieb als Erbenermittler nur Negativeinkünfte erzielt hat, regt der Senat an, die Vollstreckung aus dem Beitragsbescheid vom 23. Februar 2007 solange zurückzustellen, bis der Versichertenstatus des Antragstellers im Rahmen eines nach Lage der Akten von der Antragsgegnerin bislang noch nicht förmlich eingeleiteten Überprüfungsverfahrens geklärt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Antragsgegnerin den mit dem Bescheid vom 23. Februar 2007 festgesetzten Betrag im Laufe des Beschwerdeverfahrens um die vom Antragsteller im Juli 2007 gezahlten 50,00 EUR vermindert hat und der Antragsteller mit seinem Antrag durchgedrungen ist, soweit dieser die Beitragsrückstände in der sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 89,76 EUR betrifft.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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