Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 RA 332/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 R 1886/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1950 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Seit Juni 1975 bis Ende des Jahres 2001 war sie als Telefonistin in einem Baustoffhandelsbetrieb beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung. Seitdem bezog sie zunächst Arbeitslosengeld, mittlerweile bezieht sie Leistungen nach dem SGB II. Aushilfsweise war sie gelegentlich weiterhin für ihren bisherigen Arbeitgeber tätig und verrichtete einfache Büroarbeiten, für die sie im Jahre 2005 ein Entgelt von 1.916 Euro erhielt.
Am 18. März 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies sie auf sieben Fisteloperationen, krampfartige Bauch- und Kreuzschmerzen, Beschwerden der Wechseljahre und fehlende Belastbarkeit. Seit 1986 sei sie erwerbsgemindert. Der behandelnde Gynäkologe Herr E erstattete einen Befundbericht, in welchem er die Diagnosen persistierende Diarrhoe, Bauchwandschwäche, klimakterisches Syndrom und psychovegetative Störungen stellte. Die Beklagte ließ die Klägerin von dem Arzt für Chirurgie Dr. E untersuchen, der in seinem Gutachten vom 12. Mai 2003 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin trotz einer funktionellen Darmstörung täglich sechs Stunden und mehr eine Tätigkeit ohne häufiges Bücken und ohne schweres Heben und Tragen ausüben könne. In dem weiterhin von der Beklagten eingeholten Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S vom 21. Mai 2003 werden die Diagnosen Neurasthenie sowie Funktionsstörungen des Darms und der Blase nach Unterleibsoperationen und Adhäsionen im Darm- und Bauchbereich gestellt. Aus neuropsychiatrischer Sicht sei die Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt.
Durch Bescheid vom 06. August 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne und deshalb weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte einen weiteren Befundbericht bei dem Hausarzt Dr. D ein, der Narbenstrukturen im Bauchbereich und schmerzhafte Verspannungen im Wirbelsäulenbereich beschrieb. Sie veranlasste noch eine weitere Begutachtung durch die praktische Ärztin Frau M, die in ihrem Gutachten vom 21. Januar 2004 einen Zustand nach mehrfacher Operation des Abdomens diagnostizierte und körperlich leichte Tätigkeiten für sechs Stunden und mehr zumutbar hielt. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. März 2004). Die Klägerin sei nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung noch in der Lage, als Telefonistin mindestens sechs Stunden erwerbstätig zu sein.
Dagegen hat die Klägerin am 13. April 2004 Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben und vortragen lassen, sie könne nicht sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Auch sei ihr eine entsprechende Tätigkeit bisher nicht angeboten worden.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten Dr. S (Ärztin für Orthopädie) vom 2. August 2004, Dr. D (Arzt für Allgemeinmedizin) vom 2. August 2004 und E (Arzt für Gynäkologie) vom 7. September 2004 sowie eine Auskunft des letzten Arbeitgebers vom 9. August 2004 eingeholt. Nach Ansicht von Dr. S kann die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausführen, Dr. D verweist auf seine Praxisaufzeichnungen, ohne sich zur verbliebenen Leistungsfähigkeit zu äußern. Die Klägerin hat einen (weiteren) Bericht ihres behandelnden Arztes E vorgelegt, in dem ausgeführt ist, dass sie wegen Wechseljahresbeschwerden wie Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, depressiver Stimmung und Abnahme der Belastbarkeit sowie wegen ständiger Bauchschmerzen und schmerzhafter Diarrhoe bis zur Inkontinenz nicht mehr in der Lage sei, über 4 Stunden täglich zu arbeiten. Ferner hat das Sozialgericht den Facharzt für Urologie Dr. E mit der Erstattung eines Gutachtens über die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen der Klägerin beauftragt. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 16. Februar 2005 als Gesundheitsstörung eine Harnmischinkontinenz festgestellt, welche durch eine Schwäche des die Harnröhre haltenden Bandapparates bedingt sei. Eine vollschichtige leichte Tätigkeit unter Vermeidung des Hebens schwerer und mittelschwerer Lasten sei zumutbar.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Oktober 2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bestehe. Auszugehen sei von der letzten Tätigkeit als Telefonistin. Diese Tätigkeit könne die Klägerin weiterhin sechs Stunden und mehr ausüben.
Gegen das ihr am 9. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. Dezember 2005 erhobene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie leide seit 1986 an erheblichen Beschwerden in der Bauchgegend, die sich zunehmend verschlechtert hätten. Zusätzlich sei sie durch die schwere Erkrankung ihres Lebenspartners beeinträchtigt. Sie könne auch nicht drei Stunden am Tag erwerbstätig sein. In ihrem bisherigen Beruf als Telefonistin könne sie schon deswegen nicht mehr arbeiten, weil er im gesamten Land Brandenburg durch Call -Center ersetzt worden sei. Für eine solche Tätigkeit fehle ihr die Belastbarkeit.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2005 und den Bescheid vom 6. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2004 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. April 2003 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen stünden einer vollschichtigen leichten körperlichen Tätigkeit nicht entgegen.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D (vom 19. April 2006) und der Frauenärztin D (vom 5. Oktober 2006) eingeholt. Dr. D hat im Wesentlichen auf seinen für das Sozialgericht erstellten Befundbericht verwiesen, Frau D über eine einmalige Vorstellung der Klägerin wegen Hitze und Schlafstörungen berichtet. In einem Erörterungstermin vom 19. Dezember 2006 hat die Klägerin eine Verschlechterung ihrer Durchfallerkrankung und ihrer allgemeinen Befindlichkeit angegeben
Der Senat hat den Facharzt für innere Medizin Dr. G mit der Erstattung eines gastroenterologischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. G hat in seinem Gutachten vom 3. Juli 2007 folgende gesundheitliche Regelwidrigkeiten festgestellt:
1) Zustand nach mehreren Bauchoperationen mit Teilverlust des Dünndarms
2) Harnmischinkontinenz
3) schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk durch degenerative Veränderungen (Periathritis humero-scapularis)
4) leichte degenerative Wirbelsäulenerkrankung.
Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass ausgedehnte Verwachsungen im Unterbauch und Becken vorliegen würden, welche zu Beschwerden führten. Glaubhaft sei nur eine erhöhte Stuhlfrequenz, nicht aber eine Stuhlinkontinenz. Die Klägerin könne nur leichte Tätigkeiten ausüben und müsse die Möglichkeit haben, nach eigenem Bedürfnis eine Toilette aufzusuchen. Unter diesen Voraussetzungen reiche das verbliebene Leistungsvermögen für eine Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden täglich aus. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nicht erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Potsdam sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht verlangen, da sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist.
Gemäß § 43 Abs. 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 1 SGB VI unter denselben versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin ist nach den Feststellungen der von dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht als Sachverständige bestellten Ärzte sowie nach Einschätzung der Ärzte, die sie auf Veranlassung der Beklagten gutachterlich untersucht haben, noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich regelmäßig zu verrichten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere der vom Senat bestellte Sachverständige Dr. G seine Feststellungen nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst getroffen oder das Leistungsvermögen der Klägerin nicht zutreffend eingeschätzt oder bei der Klägerin vorliegende Krankheiten übersehen haben könnte, liegen nicht vor und sind auch den Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen. Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf die Einschätzung ihres ehemals behandelnden Arztes E. Die von diesem Arzt, der kein Urologe ist, angeführten Erkrankungen sind aber sämtlich den fachzuständigen Gutachtern bekannt gewesen, die bei ihrer Einschätzung der verbliebenen Restleistungsfähigkeit indes übereinstimmend zu einer anderen Auffassung gekommen sind. Auch die anderen behandelnden Ärzte bestätigen die Einschätzung von Herrn E so nicht. Gegen die Annahme der Klägerin, dass sie bereits seit 1986 (nach ihren Bauchoperationen) erwerbsgemindert gewesen sein könnte, spricht im Übrigen schon, dass sie noch bis Ende 2001 in einem Beschäftigungsverhältnis stand, welches nicht krankheitsbedingt nach längeren Fehlzeiten, sondern aus betrieblichen Gründen sein Ende gefunden hat, da die Kündigung vom Arbeitgeber mit Umsatzrückgängen begründet worden ist. Auch die Tatsache, dass die Klägerin jedenfalls bis in das Jahr 2006 noch stundenweise für ihren alten Arbeitgeber weiter tätig gewesen ist, spricht dagegen, dass ihre berufliche Leistungsfähigkeit gänzlich aufgehoben sein könnte. Der Senat hat danach keine Bedenken, in Bezug auf das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen der Einschätzung der Sachverständigen Dr. E und Dr. G zu folgen, die mit der der anderen Gutachter übereinstimmt.
Die von dem Sachverständigen Dr. G und dem vom Sozialgericht bestellten Sachverständigen Dr. E beschriebenen qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit sind nicht so erheblich, dass Zweifel veranlasst sind, ob die Klägerin überhaupt noch in einem Betrieb eingesetzt werden könnte. Sie kann auch nicht nur unter betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen noch beschäftigt werden. Allerdings haben die beiden Sachverständigen ausgeführt, dass wegen notwendiger Toilettengänge zusätzliche Pausen (4-5 mal pro Schicht) mit einer Dauer von 10 Minuten erforderlich wären. Der Senat hat indessen schon Zweifel daran, ob der Klägerin bei der bestehenden Harninkontinenz nicht die Benutzung geeigneter besonders saugfähiger Vorlagen zugemutet werden könnte, so dass sich die Anzahl der notwendigen Arbeitspausen gegenüber dem von den Gutachtern für erforderlich gehaltenen Maß weiter reduzieren ließe. Das kann aber letztlich dahinstehen. In der Realität des Arbeitslebens gibt es sogenannte persönliche Verteilzeiten, die im Bürobereich mit etwa 7 Minuten je Arbeitsstunde angesetzt werden (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15. August 2003 – L 14 RJ 137/01 -). Danach könnte die Klägerin den Vorlagenwechsel auch in dem von den Sachverständigen für notwendig gehalten Ausmaß außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit erledigen, ohne auffällig zu werden. Darauf ist die Klägerin bereits durch den Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2005 hingewiesen worden.
Auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kann die Klägerin nicht beanspruchen, denn sie ist nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 SGB VI). Da die Klägerin ohne Ausbildung ist und als Telefonistin zuletzt eine ungelernte Tätigkeit verrichtet hat, muss sie sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen. Denn sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sind ihr nach Ausbildung und bisheriger Berufstätigkeit zumutbar. Dass ihre Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, beispielsweise leichte Büroarbeiten ausreicht, ist oben schon festgestellt. Unerheblich ist demgegenüber, ob der Beruf der Telefonistin, so wie die Klägerin ihn jahrelang in der ehemaligen DDR ausgeübt hat, heute noch nachgefragt wird.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1950 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Seit Juni 1975 bis Ende des Jahres 2001 war sie als Telefonistin in einem Baustoffhandelsbetrieb beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung. Seitdem bezog sie zunächst Arbeitslosengeld, mittlerweile bezieht sie Leistungen nach dem SGB II. Aushilfsweise war sie gelegentlich weiterhin für ihren bisherigen Arbeitgeber tätig und verrichtete einfache Büroarbeiten, für die sie im Jahre 2005 ein Entgelt von 1.916 Euro erhielt.
Am 18. März 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies sie auf sieben Fisteloperationen, krampfartige Bauch- und Kreuzschmerzen, Beschwerden der Wechseljahre und fehlende Belastbarkeit. Seit 1986 sei sie erwerbsgemindert. Der behandelnde Gynäkologe Herr E erstattete einen Befundbericht, in welchem er die Diagnosen persistierende Diarrhoe, Bauchwandschwäche, klimakterisches Syndrom und psychovegetative Störungen stellte. Die Beklagte ließ die Klägerin von dem Arzt für Chirurgie Dr. E untersuchen, der in seinem Gutachten vom 12. Mai 2003 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin trotz einer funktionellen Darmstörung täglich sechs Stunden und mehr eine Tätigkeit ohne häufiges Bücken und ohne schweres Heben und Tragen ausüben könne. In dem weiterhin von der Beklagten eingeholten Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S vom 21. Mai 2003 werden die Diagnosen Neurasthenie sowie Funktionsstörungen des Darms und der Blase nach Unterleibsoperationen und Adhäsionen im Darm- und Bauchbereich gestellt. Aus neuropsychiatrischer Sicht sei die Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt.
Durch Bescheid vom 06. August 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne und deshalb weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte einen weiteren Befundbericht bei dem Hausarzt Dr. D ein, der Narbenstrukturen im Bauchbereich und schmerzhafte Verspannungen im Wirbelsäulenbereich beschrieb. Sie veranlasste noch eine weitere Begutachtung durch die praktische Ärztin Frau M, die in ihrem Gutachten vom 21. Januar 2004 einen Zustand nach mehrfacher Operation des Abdomens diagnostizierte und körperlich leichte Tätigkeiten für sechs Stunden und mehr zumutbar hielt. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. März 2004). Die Klägerin sei nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung noch in der Lage, als Telefonistin mindestens sechs Stunden erwerbstätig zu sein.
Dagegen hat die Klägerin am 13. April 2004 Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben und vortragen lassen, sie könne nicht sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Auch sei ihr eine entsprechende Tätigkeit bisher nicht angeboten worden.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten Dr. S (Ärztin für Orthopädie) vom 2. August 2004, Dr. D (Arzt für Allgemeinmedizin) vom 2. August 2004 und E (Arzt für Gynäkologie) vom 7. September 2004 sowie eine Auskunft des letzten Arbeitgebers vom 9. August 2004 eingeholt. Nach Ansicht von Dr. S kann die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausführen, Dr. D verweist auf seine Praxisaufzeichnungen, ohne sich zur verbliebenen Leistungsfähigkeit zu äußern. Die Klägerin hat einen (weiteren) Bericht ihres behandelnden Arztes E vorgelegt, in dem ausgeführt ist, dass sie wegen Wechseljahresbeschwerden wie Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, depressiver Stimmung und Abnahme der Belastbarkeit sowie wegen ständiger Bauchschmerzen und schmerzhafter Diarrhoe bis zur Inkontinenz nicht mehr in der Lage sei, über 4 Stunden täglich zu arbeiten. Ferner hat das Sozialgericht den Facharzt für Urologie Dr. E mit der Erstattung eines Gutachtens über die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen der Klägerin beauftragt. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 16. Februar 2005 als Gesundheitsstörung eine Harnmischinkontinenz festgestellt, welche durch eine Schwäche des die Harnröhre haltenden Bandapparates bedingt sei. Eine vollschichtige leichte Tätigkeit unter Vermeidung des Hebens schwerer und mittelschwerer Lasten sei zumutbar.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Oktober 2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bestehe. Auszugehen sei von der letzten Tätigkeit als Telefonistin. Diese Tätigkeit könne die Klägerin weiterhin sechs Stunden und mehr ausüben.
Gegen das ihr am 9. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. Dezember 2005 erhobene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie leide seit 1986 an erheblichen Beschwerden in der Bauchgegend, die sich zunehmend verschlechtert hätten. Zusätzlich sei sie durch die schwere Erkrankung ihres Lebenspartners beeinträchtigt. Sie könne auch nicht drei Stunden am Tag erwerbstätig sein. In ihrem bisherigen Beruf als Telefonistin könne sie schon deswegen nicht mehr arbeiten, weil er im gesamten Land Brandenburg durch Call -Center ersetzt worden sei. Für eine solche Tätigkeit fehle ihr die Belastbarkeit.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2005 und den Bescheid vom 6. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2004 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. April 2003 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen stünden einer vollschichtigen leichten körperlichen Tätigkeit nicht entgegen.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D (vom 19. April 2006) und der Frauenärztin D (vom 5. Oktober 2006) eingeholt. Dr. D hat im Wesentlichen auf seinen für das Sozialgericht erstellten Befundbericht verwiesen, Frau D über eine einmalige Vorstellung der Klägerin wegen Hitze und Schlafstörungen berichtet. In einem Erörterungstermin vom 19. Dezember 2006 hat die Klägerin eine Verschlechterung ihrer Durchfallerkrankung und ihrer allgemeinen Befindlichkeit angegeben
Der Senat hat den Facharzt für innere Medizin Dr. G mit der Erstattung eines gastroenterologischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. G hat in seinem Gutachten vom 3. Juli 2007 folgende gesundheitliche Regelwidrigkeiten festgestellt:
1) Zustand nach mehreren Bauchoperationen mit Teilverlust des Dünndarms
2) Harnmischinkontinenz
3) schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk durch degenerative Veränderungen (Periathritis humero-scapularis)
4) leichte degenerative Wirbelsäulenerkrankung.
Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass ausgedehnte Verwachsungen im Unterbauch und Becken vorliegen würden, welche zu Beschwerden führten. Glaubhaft sei nur eine erhöhte Stuhlfrequenz, nicht aber eine Stuhlinkontinenz. Die Klägerin könne nur leichte Tätigkeiten ausüben und müsse die Möglichkeit haben, nach eigenem Bedürfnis eine Toilette aufzusuchen. Unter diesen Voraussetzungen reiche das verbliebene Leistungsvermögen für eine Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden täglich aus. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nicht erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Potsdam sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht verlangen, da sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist.
Gemäß § 43 Abs. 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 1 SGB VI unter denselben versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin ist nach den Feststellungen der von dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht als Sachverständige bestellten Ärzte sowie nach Einschätzung der Ärzte, die sie auf Veranlassung der Beklagten gutachterlich untersucht haben, noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich regelmäßig zu verrichten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere der vom Senat bestellte Sachverständige Dr. G seine Feststellungen nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst getroffen oder das Leistungsvermögen der Klägerin nicht zutreffend eingeschätzt oder bei der Klägerin vorliegende Krankheiten übersehen haben könnte, liegen nicht vor und sind auch den Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen. Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf die Einschätzung ihres ehemals behandelnden Arztes E. Die von diesem Arzt, der kein Urologe ist, angeführten Erkrankungen sind aber sämtlich den fachzuständigen Gutachtern bekannt gewesen, die bei ihrer Einschätzung der verbliebenen Restleistungsfähigkeit indes übereinstimmend zu einer anderen Auffassung gekommen sind. Auch die anderen behandelnden Ärzte bestätigen die Einschätzung von Herrn E so nicht. Gegen die Annahme der Klägerin, dass sie bereits seit 1986 (nach ihren Bauchoperationen) erwerbsgemindert gewesen sein könnte, spricht im Übrigen schon, dass sie noch bis Ende 2001 in einem Beschäftigungsverhältnis stand, welches nicht krankheitsbedingt nach längeren Fehlzeiten, sondern aus betrieblichen Gründen sein Ende gefunden hat, da die Kündigung vom Arbeitgeber mit Umsatzrückgängen begründet worden ist. Auch die Tatsache, dass die Klägerin jedenfalls bis in das Jahr 2006 noch stundenweise für ihren alten Arbeitgeber weiter tätig gewesen ist, spricht dagegen, dass ihre berufliche Leistungsfähigkeit gänzlich aufgehoben sein könnte. Der Senat hat danach keine Bedenken, in Bezug auf das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen der Einschätzung der Sachverständigen Dr. E und Dr. G zu folgen, die mit der der anderen Gutachter übereinstimmt.
Die von dem Sachverständigen Dr. G und dem vom Sozialgericht bestellten Sachverständigen Dr. E beschriebenen qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit sind nicht so erheblich, dass Zweifel veranlasst sind, ob die Klägerin überhaupt noch in einem Betrieb eingesetzt werden könnte. Sie kann auch nicht nur unter betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen noch beschäftigt werden. Allerdings haben die beiden Sachverständigen ausgeführt, dass wegen notwendiger Toilettengänge zusätzliche Pausen (4-5 mal pro Schicht) mit einer Dauer von 10 Minuten erforderlich wären. Der Senat hat indessen schon Zweifel daran, ob der Klägerin bei der bestehenden Harninkontinenz nicht die Benutzung geeigneter besonders saugfähiger Vorlagen zugemutet werden könnte, so dass sich die Anzahl der notwendigen Arbeitspausen gegenüber dem von den Gutachtern für erforderlich gehaltenen Maß weiter reduzieren ließe. Das kann aber letztlich dahinstehen. In der Realität des Arbeitslebens gibt es sogenannte persönliche Verteilzeiten, die im Bürobereich mit etwa 7 Minuten je Arbeitsstunde angesetzt werden (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15. August 2003 – L 14 RJ 137/01 -). Danach könnte die Klägerin den Vorlagenwechsel auch in dem von den Sachverständigen für notwendig gehalten Ausmaß außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit erledigen, ohne auffällig zu werden. Darauf ist die Klägerin bereits durch den Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2005 hingewiesen worden.
Auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kann die Klägerin nicht beanspruchen, denn sie ist nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 SGB VI). Da die Klägerin ohne Ausbildung ist und als Telefonistin zuletzt eine ungelernte Tätigkeit verrichtet hat, muss sie sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen. Denn sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sind ihr nach Ausbildung und bisheriger Berufstätigkeit zumutbar. Dass ihre Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, beispielsweise leichte Büroarbeiten ausreicht, ist oben schon festgestellt. Unerheblich ist demgegenüber, ob der Beruf der Telefonistin, so wie die Klägerin ihn jahrelang in der ehemaligen DDR ausgeübt hat, heute noch nachgefragt wird.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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