L 2 U 1061/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 3 U 88/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 1061/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Juli 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003 geändert. Es wird festgestellt, dass die beginnende Schultereckgelenk-Arthrose links, die in Fehlstellung knöchern konsolidierte Schlüsselbeinfraktur links und ein persistierendes Subacromialsyndrom links Folgen des Wegeunfalls vom 20. März 2001 sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenteilrente wegen der Folgen eines Wegeunfalls vom 20. März 2001.

Die 1952 geborene Klägerin rutschte am 20. März 2001 gegen 7:40 Uhr mit dem Fahrrad auf eisglatter Straße auf dem Weg in die Kindertagesstätte "", in der sie als Erzieherin beschäftigt ist, aus. Dabei schlug sie mit der linken Körperhälfte auf der Straße auf und rammte sich gleichzeitig den Fahrradlenker in die linke Brust. Anschließend lief sie zu ihrer Arbeitsstätte und nahm ihre Tätigkeit auf. Am Folgetag besorgte sie sich Salbe zur Behandlung der Hämatome. Der Arbeitgeber erstattete unter dem 18. April 2001 eine Unfallanzeige.

Am 17. April 2001 suchte die Klägerin erstmals den Durchgangsarzt Dr. G auf, der als "Klagen" "nach Rückgang der akuten Beschwerdesymptomatik und Abblassen des Haematoms weiterhin persistierende(n) Bewegungsschmerz im li(nken) Schultergelenk" aufführte und als Befund Druckschmerz im Bereich des Tuberculum majus (großer Höcker) sowie bei Abduktion und Anteversion über 90° und Außenrotation des Oberarmes angab. Röntgenaufnahmen der linken Schulter ergaben keinen Anhalt für knöcherne Traumafolgen und keine nennenswerten omarthrotischen (degenerativen) Veränderungen. Dr. G veranlasste ein MRT des linken Schultergelenks vom 24. April 2001, das den Nachweis einer Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzündung) oder Traumafolge an der Sehne des Musculus subscapularis (tiefer Schulterblattmuskel) und ein angedeutetes Impingement (Engpasssyndrom), aber keinen Anhalt für gröbere Traumafolgen erbrachte. Dem Befund zufolge bestand kein Anhalt für einen Gelenkerguss oder eine Knorpel-Knochen-Läsion. Die Signalstruktur der Schultergürtelmuskulatur erscheine unauffällig. Es bestehe kein Anhalt für eine Degeneration der Rotatorenmanschette.

Daraufhin stellte Dr. G die Diagnose "posttraumatisches Impingementsyndrom linke Schulter" und führte am 11. Mai 2001 eine arthroskopische subacromiale Dekompression der linken Bursa subacromialis (Schleimbeutel unterhalb des knöchernen Schulterdaches) durch. Bei der Operation wurden dem Operations-Bericht zufolge zugleich "diskrete Osteophyten im Bereich der Acromionunterseite" abgetragen und eine zusätzliche Erweiterung des subacromialen Raumes durch Abfräsen der Acromionunterseite vorgenommen. Tatsächlich wurde versehentlich Knochengewebe vom Schlüsselbein entfernt. Am 24. Mai 2001 erlitt die Klägerin eine Spontanfraktur des linken Schlüsselbeins als Folge der operationsbedingten Schwächung der Schlüsselbeinunterseite. Diese Fraktur wurde konservativ behandelt. Nach zwei stationären Behandlungen nahm die Klägerin am 3. November 2001 ihre berufliche Tätigkeit wieder auf. Mit Bescheid vom 6. Februar 2002 erkannte die Beklagte den Unfall vom 20. März 2001 als Arbeitsunfall an. Arbeitsunfallfolgen seien nach Prellung der linken Körperhälfte einschließlich der linken Schulter nicht mehr nachweisbar. Die Prellung habe einer Behandlung bis zum 25. April 2001 bedurft. Alle danach auftretenden Beschwerden und die daraus resultierende Behandlungsbedürftigkeit seien nicht auf den Unfall vom 20. März 2001 zurückzuführen. Die Gewährung einer Rente werde abgelehnt. Dem lag eine Stellungnahme von Prof. Dr. S vom 29. Oktober 2001 zugrunde, nach der ein Impingement-Syndrom zwar auch auf eine traumatische Ursache zurückzuführen sein könnte, dies sei aber im vorliegenden Fall mit Wahrscheinlichkeit nicht der Fall. Hierfür seien schwerere Knochenverletzungen oder massive Weichteilkontusionen mit anschließenden Vernarbungen der Band-Strukturen erforderlich.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren äußerte der die Klägerin behandelnde Facharzt für Innere Medizin Prof. Dr. R unter Bezugnahme auf ein von ihm veranlasstes MRT vom 19. Juli 2002 Unverständnis darüber, dass die noch verbliebenen Veränderungen am linken Schultergelenk und am Schlüsselbein nicht als Arbeitsunfallfolgen anerkannt würden. Es handele sich um die unbeabsichtigten Folgen ärztlicher Handlungen ausschließlich und in unmittelbarer Verbindung mit dem Unfallereignis.

Die Beklagte holte ein unfallchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. E/ Dr. C ein, die am 5. Februar 2003 zu dem Ergebnis gelangten, als Unfallfolgen bestünden eine in achsengerechter Stellung konsolidierte laterale Schlüsselbeinfraktur links, eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes und eine geringe Minderung des Muskelumfangs im Bereich des linken Armes mit daraus resultierender geringer Kraftminderung links. Ausdruck für die Schwere des Traumas sei, dass bei der Klägerin über den Zeitraum von vier Wochen hinaus ein Hämatom im Bereich der linken Schulter bestanden habe. Außerdem träten Flüssigkeitseinlagerungen im Sinne eines Ödems bzw. Blutungen im Bereich der Sub- scapularissehne nahezu ausschließlich nach Schultergelenkstraumen auf. Auch seien im MRT keinerlei degenerative Veränderungen beschrieben. Im Rahmen der Arthroskopie sei iatrogen (ärztlich verursacht) ein Defekt im Bereich des Schlüsselbeins gesetzt worden, der die Spontanfraktur zur Folge gehabt habe. Dies sei als Behandlungsfolge zu werten und gehe zu Lasten der Beklagten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde vom 21. März 2001 bis zum 2. November 2001 mit 20 v.H., anschließend mit 10 v.H. eingeschätzt. Auf Rückfrage der Beklagten teilte Dr. G mit, dass er bei der erstmaligen Vorstellung der Klägerin am 17. April 2001 kein Hämatom habe nachweisen können. Die Klägerin selbst schilderte, dass sie am 21. März 2001 kaum Schmerzen gehabt habe. Erst in den folgenden Tagen seien zunehmend Schmerzen im Bereich des linken Armes und beider Knie aufgetreten. Da sie nicht habe krankgeschrieben werden wollen, habe sie an ihrem ersten Urlaubstag, dem 17. April 2001, erstmalig einen Arzt, nämlich Dr. G, aufgesucht.

Durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dem Gutachten von Prof. Dr. E/ Dr. C könne nicht gefolgt werden, weil diese von einem am 17. April 2001 abblassenden Hämatom ausgegangen seien. Diesen Befund habe Dr. G aber nicht erhoben. Wegen eines fehlenden ausreichenden Primärschadens seien auch die weiteren Folgen nicht auf den Unfall zurückzuführen.

Mit der hiergegen vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. R vom 29. Juni 2003 geltend gemacht, es gebe keine Alternative zu dem von Dr. G angenommenen traumatischen Impingement-Syndrom, weil degenerative oder entzündliche Gelenkveränderungen durch die Operationsbefunde, durch MRT und Röntgenuntersuchungen zweifelsfrei ausgeschlossen seien. Da die Entlastungsoperation vom 11. Mai 2001 ausschließlich zum Zweck der Beseitigung des Impingement-Syndroms durchgeführt worden sei, seien auch alle darauf basierenden Folgen als Arbeitsunfallfolgen anzuerkennen.

Das Sozialgericht hat Kopien der Sozialversicherungsausweise der Klägerin zur Akte genommen und zwei Vorerkrankungsverzeichnisse eingeholt. Anschließend hat es ein unfallchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. B/Dr. Re vom 13. Juli 2004 eingeholt. Diese haben ausgeführt, dass zwar eine traumatische Genese eines Impingement-Syndroms möglich sei. Hierfür fehle es aber an einem geeigneten Unfallmechanismus, da die Klägerin ein Anpralltrauma erlitten habe, wobei die Haupt-Energie durch den Sturz des Oberkörpers auf das Fahrrad und den Fahrradlenker abgefangen worden sei. Im MRT werde eine Traumafolge lediglich im Bereich des Musculus subscapularis beschrieben, der für eine Impingementsymptomatik nicht verantwortlich sein könne. Das zugleich angegebene angedeutete Impingement habe hierzu keinen Bezug. Unter Annahme einer Arbeitsunfallfolge sei der Klägerin zu einer Operation geraten worden. Bei dieser hätten sich eine (vermutlich chronische) Entzündung der Gelenkinnenhaut und degenerative Veränderungen am Gelenkknorpel des Humeruskopfes sowie osteophytäre Anbauten gefunden, die eindeutig keine Unfallfolgen gewesen seien, sondern für vorbestehende degenerative Veränderungen sprächen. Das Unfallereignis sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit am Eintritt der noch bestehenden Gesundheitsschäden ursächlich mitbeteiligt gewesen. Es sei von einer Gelegenheitsursache auszugehen, die zu einer zeitweiligen, aber nicht richtungsändernden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens geführt habe. Die Schlüsselbeinfraktur sei als Behandlungskomplikation zu sehen. Die festgestellte Acromiosklerose und der initiale Oberarmkopfhochstand müssten als Krankheitsanlage bewertet werden. Diese überwögen in ihrer Bedeutung für den Eintritt des Gesundheitsschadens eindeutig.

Auf den Einwand der Klägerin, Dr. G habe nicht daran gezweifelt, dass die von ihm behandelte Symptomatik posttraumatischer Natur sei, sind die Sachverständigen in einer Stellungnahme vom 25. November 2004 bei ihrer Einschätzung geblieben.

Durch Urteil vom 26. Juli 2005 hat das Sozialgericht die Klage, mit der die Klägerin neben einer Verletztenrente hilfsweise die Feststellung begehrt hat, dass die Erkrankung des linken Schultergelenks in Gestalt eines Schulterengpasssyndroms sowie einer postoperativ aufgetretenen Schlüsselbeinfraktur links Folgen des Unfalls vom 20. März 2001 sind, abgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Impingement-Syndrom und dem angeschuldigten Unfall sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Kammer folge den Ausführungen und Beurteilungen des gerichtlichen Sachverständigen. Sei das Engpasssyndrom nicht auf den Unfall zurückzuführen, könnten auch die nach der Operation eingetretenen Gesundheitsstörungen, insbesondere die infolge der Schlüsselbeinfraktur eingetretenen Gesundheitsstörungen, nicht als Unfallfolgen anerkannt werden.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie geltend macht, das Sozialgericht habe sich zu Unrecht auf das Gutachten von Prof. Dr. B/Dr. Re gestützt. Die Gutachter hätten einen von mehreren möglichen Geschehensabläufen als gegeben unterstellt. Abgesehen davon sei die Annahme unfallfremder degenerativer Veränderungen unzutreffend. Sie hat auf den gegen Dr. G vor dem Landgericht Frankfurt geführten Prozess wegen fehlerhafter Behandlung sowie ein dort von Dr. H erstattetes Sachverständigen-Gutachten vom 11. Juli 2005 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Juli 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. März 2001 eine Verletztenteilrente zu gewähren,

hilfsweise,

als Folgen des Arbeitsunfalls ein Schulterengpass-Syndrom und eine in geringer Fehlstellung und deutlicher Verkürzung knöchern konsolidierte laterale Claviculaschaftfraktur links mit beginnender Schultereckgelenksarthrose links und ein persistierendes Subacromialsyndrom links anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein chirurgisches Gutachten von Dr. H vom 6. Juni 2007 eingeholt. Der Gutachter hat dargelegt, dass beim Wegrutschen des Fahrrades bei Glatteis eine reflektorische Gegensteuerung durch Anspannung der Rotatorenmanschette, die die Translationsbewegung des Oberarmkopfes gegenüber der Schulterpfanne stabilisiere, um damit durch Krafteinwirkung über die oberen Extremitäten auf den Fahrradlenker den Sturz verhindern zu wollen, "gegeben erscheine". Der Verletzungsmechanismus sei geeignet, eine Zerrung des Musculus subscapularis herbeizuführen. Bei einem Anpralltrauma könne es zu einer Quetschung oder Stauchung der Sehnenansätze kommen. Zerrungen im Bereich der Rotatorenmanschette könnten sehr wohl über einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen Beschwerden nach sich ziehen. Degenerative Veränderungen an der Rotatorenmanschette seien weder im Röntgenbild noch im MRT feststellbar. Lediglich der Operationsbericht spreche von Osteophyten. Deren Abtragung habe zu der deutlichen Schwächung der Claviculaunterseite und nachfolgend zur Spontanfraktur als mittelbarer Behandlungsfolge geführt. Es habe daher entweder eine Fehldeutung der Osteophyten oder generell eine Fehlorientierung im subacromialen Raum vorgelegen. Somit müsse der Nachweis der Osteophyten als äußerst zweifelhaft angesehen werden. Bis auf chondropathische Veränderungen 1. Grades im Bereich der humeralen Gelenkfläche ergebe der Operationsbefund keinen Anhalt für das Vorliegen degenerativer Veränderungen in der Umgebung des linken Schultergelenkes. Der Unfall sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet, eine Zerrung im Bereich des Musculus subscapularis mit nachfolgender Tendovaginitis und Ausbildung eines Schmerzsyndroms im Sinne eines einfachen Subacromialsyndroms hervorzurufen. Die nachfolgende Spontanfraktur der Clavicula sei Behandlungsfolge der Operation und damit mittelbare Unfallfolge. Die bei der Untersuchung vom 12.Februar 2007 festgestellten Beschwerden der Klägerin entsprächen einem fortbestehenden Subacromialsyndrom. Dies zähle neben der in Verkürzung und geringer Fehlstellung verheilten körperfernen Schlüsselbeinfraktur und den geringgradigen degenerativen Veränderungen im Sinne einer beginnenden posttraumatischen AC-Gelenk-Arthrose zu den mittelbaren Unfallfolgen. Die MdE betrage ab 12. Februar 2007 20 v.H. Diese ergebe sich aus dem zusätzlichen Nachweis einer beginnenden AC-Gelenkarthrose sowie der mit deutlicher Verkürzung in geringer Fehlstellung konsolidierten linksseitigen Schlüsselbeinfraktur.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Sozialgerichts und des den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet, soweit die Klägerin die Feststellung der im Tenor aufgeführten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen begehrt, im übrigen aber unbegründet.

Voraussetzung für die Anerkennung von Gesundheitsschäden als Folgen des Arbeitsunfalls und die Gewährung einer Verletztenrente als eine der möglichen Entschädigungsleistungen ist nach § 56 Sozialgesetzbuch (SGB) VII, dass zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen ein ursächlicher Zusammenhang besteht, wobei hierfür eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht. Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte ein Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der beginnenden Schultereckgelenk-Arthrose links, der in Fehlstellung knöchern konsolidierten Schlüsselbeinfraktur links und einem persistierenden Subacromialsyndrom links mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Ein derartiger Zusammenhang besteht jedoch nicht hinsichtlich des darüber hinaus geltend gemachten posttraumatischen Impingement-Syndroms.

Die Klägerin ist bei dem Unfall auf die linke Körperhälfte gestützt und hat dabei ein Anpralltrauma erlitten. Ein derartiger Bewegungsablauf war geeignet, eine Schulterkontusion mit Distorionskomponente herbeizuführen, während eine direkte Verursachung eines Schulterengpasssyndroms von keinem der im Verfahren gehörten Gutachter angenommen wird. Prof. Dr. B/ Dr.Re schließen ein Engpasssyndrom als Unfallfolge aus, indem sie argumentieren, dass das Anpralltrauma ungeeignet sei, eine Verletzung der Rotatorenmanschette herbeizuführen. Demgegenüber verweist Dr. H darauf, dass es zunächst zu einer Zerrung im Bereich des Musculus subscapularis mit nachfolgender schmerzbedingte Dysbalance im Bereich des linken Schultergelenkes gekommen sei, die ein einfaches Subacromialsyndrom bedingt habe und als posttraumatisches Engpasssyndrom gedeutet worden sei. Von einer derartigen Schulterkontusion mit Distorsionskomponente gehen auch Prof. Dr. E/Dr. C aus. Die Anerkennung eines Schulterengpasssyndroms als Unfallfolge scheitert jedoch daran, dass in dem maßgeblichen MRT-Befund vom 24. April 2001 gerade kein ausgeprägtes Engpasssyndrom beschrieben, sondern lediglich ein angedeutetes Impingement angegeben wird. Eine lediglich angedeutete Gesundheitsstörung kann nicht uneingeschränkt als Verletzungsfolge anerkannt werden.

Unabhängig davon, dass ein Impingement-Syndrom als eigenständige Unfallfolge nicht festgestellt werden kann, sind die jetzt vorliegende beginnende Arthrose, die in Fehlstellung knöchern konsolidierte Schlüsselbeinfraktur und ein persistierendes Subacromialsyndrom als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen. Es handelt sich insoweit zwar um Folgen der fehlerhaften Operation durch Dr. G, weil die in Fehlstellung konsolidierte Schlüsselbeinfraktur und die durch sie bedingten weiteren Funktionseinschränkungen des linken Schultergelenks Folgen eines bei einer Operation unterlaufenen Kunstfehlers sind. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2200 § 548 Nr.13) sind aber auch Folgen ärztlicher Kunstfehler als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen, wenn eine wesentliche sachliche Verbindung zwischen dem Arbeitsunfall und dem zur geltend gemachten Gesundheitsstörung führenden ärztlichen Eingriff besteht. Eine mittelbare Unfallfolge ist nach dieser Rechtsprechung dann gegeben, wenn den Ärzten "bei" der unfallrechtlich gebotenen Behandlung ein Kunstfehler unterlaufen ist, nicht aber dann, wenn anlässlich einer unfallbedingten Operation ein zusätzlicher Eingriff zur Behebung eines nicht unfallbedingten Leidens gemacht wird.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist der Kunstfehler, der in der Abtragung von Knochenmaterial des Schlüsselbeines lag, noch als mittelbare Unfallfolge zu werten. Die Operation als solche war unfallbedingt, weil Dr. G den Eingriff wegen des von ihm angenommenen posttraumatischen Impingement-Syndroms vornahm, also die Voraussetzungen einer unfallbedingten Operation als gegeben ansah. Dass schon die Operation jedenfalls vor der Durchführung einer intensiven konservativen Behandlung eventuell nicht erforderlich war, ändert an der Tatsache, dass es sich um eine unfallbedingte Operation handelte, nichts, da Dr. G ein von ihm als posttraumatisch angesehenes Impingement-Syndrom behandeln wollte und behandelt hat. Unerheblich ist des weiteren, dass die Schädigung des Schlüsselbeins aufgrund einer beabsichtigten Behandlung unfallfremder degenerativer Veränderungen erfolgte. Zwar war beabsichtigt, zugleich (degenerativ entstandene) Osteophyten zu beseitigen. Hierdurch ist jedoch tatsächlich der Kausalzusammenhang zum Unfall nicht unterbrochen worden, weil es sich hierbei um eine Fehleinschätzung handelte. Denn bei diesem Operationsvorgang wurde, wie Dr. H festgestellt hat, entweder die Lokalisation der Osteophyten fehlgedeutet oder es lag eine Fehlorientierung im subacromialen Raum vor.

Die Berufung ist unbegründet, soweit die Klägerin die Gewährung einer Verletztenrente begehrt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 mwN). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Burchardt in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Juni 2006, § 56 RdNr 67 ff). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG aaO; zuletzt BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Senat keine MdE von 20 v.H. feststellen können. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 604, ist Voraussetzung für eine MdE von 20 v.H. eine Begrenzung der aktiven Vorwärtshebung des Arms auf 90°. Eine derartige Bewegungseinschränkung hat Dr. H nicht festgestellt. Denn er gibt eine aktive Vorwärtshebung des linken Arms auf 150° an. Auch rechtfertigen die übrigen von ihm erhobenen Bewegungsausmaße im Vergleich zu den von Prof. Dr. Ep/Dr. C erhobenen Befunden keine Erhöhung der von diesen angenommenen MdE von 10 v.H. Abgesehen davon überzeugt die Begründung von Dr. H nicht. Er begründet die Abweichung von Prof. Dr. E/Dr. C damit (Bl. 30 des Gutachtens), dass er die Ausheilung der Claviculafraktur abweichend beurteile und die beginnende Schultereckgelenksarthrose neu bewerte. Der abweichenden Beurteilung der Ausheilung der Claviculafraktur vermochte der Senat jedoch nicht zu folgen, da diese auch im Widerspruch zu den von Prof. Dr. Br/Dr. Re erhobenen Befunden stehen, die sich mit denen von Prof. Dr. E decken.

Des weiteren konnte der Senat der höheren MdE-Bewertung wegen der nunmehr aufgetretenen Schultereckgelenksarthrose durch den Sachverständigen nicht folgen. Eine hierdurch bislang bedingte Funktionseinschränkung hat der Gutachter nicht angegeben, insbesondere keine denkbare schmerzbedingte dauerhafte Schonhaltung festgestellt. Denn die beschriebenen, nur zwischen 0,5 und 1,5 cm geringeren Umfangmaße des linken Arms, die auf eine Schonhaltung hindeuten könnten, bewegen sich nach Auffassung des Sachverständigen bei einer Rechtshänderin noch im Normalbereich. Dass die beginnende Schulerteckgelenksarthrose in Zukunft zu einer zunehmenden Funktionseinschränkung führen kann, rechtfertigt nicht ihre gegenwärtige Bewertung mit einer MdE von 20 v.H.

Die nach § 193 Abs. 1 S.1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klägerin ihr Hauptziel, die Gewährung einer Rente, nicht erreicht hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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