Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 3 R 73/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 B 927/07 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des verstorbenen Klägers für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beklagte, die dem angegriffenen Beschluss zufolge dem Kläger seine im sozialgerichtlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten hat, begehrt eine Entscheidung des Gerichts, wonach außergerichtliche Kosten des Klägers von ihr nicht zu erstatten seien.
Der 2005 verstorbene Kläger hatte mit seiner am 20. Januar 2005 erhobenen Klage die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, anstelle der ihm gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, begehrt. Die Beklagte hatte einen Antrag des Klägers auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 08. März 2004 in einen Rentenantrag umgedeutet. Im sich anschließenden Verwaltungsverfahren wurde der Beklagten von der Krankenkasse des Klägers eine an die behandelnde Ärztin gerichtete undatierte "Kurzinformation" des C Klinikums C bezüglich einer stationären Behandlung vom 30. Dezember 2003 bis 29. Januar 2004 bekannt gegeben. In dieser Kurzinformation wird als Diagnose u. a. "Verdacht auf HOPS" aufgeführt. In dem Schreiben heißt es weiter, eine suchtspezifische Gruppentherapie habe aufgrund massiver kognitiver Defizite und sichtlicher Überforderung abgebrochen werden müssen, ein ausführlicher Arztbrief folge. Ferner lagen der Beklagten zwei Arztbriefe des C Klinikums C vom 22. März 2004 über die stationäre Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 20. November 2003 bis 30. Dezember 2003 sowie eine ambulante Behandlung am 15. März 2004 und über die stationäre Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 30. Dezember 2003 bis 29. Januar 2004 vor. In diesen Schreiben werden zuletzt als Entlassendiagnosen angegeben: 1. prolongiertes, schweres Alkoholentzugsdelir, 2. Alkoholabhängigkeit, 3. Hypertonus, 4. NIDDM, 5. Nikotinabhängigkeit, 6. Zustand nach Operation eines infrarenalen Bauchaortenaneurysmas. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. K, die den Kläger nach Untersuchung am 02. April 2004 für in der Lage hielt, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden leichte körperliche Arbeiten mit weiteren Einschränkungen zu verrichten (Gutachten vom 08. April 2004).
Mit Bescheid vom 16. Juni 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, beginnend am 01. März 2004. Mit Bescheid vom 30. Juni 2004 gewährte sie dem Kläger im Hinblick auf die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes bei angenommenem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. Juni 2004 bis 31. Mai 2007. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, den dieser nach Akteneinsicht durch seine Bevollmächtigten nicht begründet und mit dem er keine neuen medizinischen Unterlagen eingereicht hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2004 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Januar 2005 Klage erhoben, mit der er die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen für die Zeit ab dem 01. Juni 2004 begehrt hat. Das Sozialgericht hat medizinische Unterlagen beigezogen, u. a. einen Bericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Berlin-Brandenburg e. V. vom 06. Juli 2004 über eine begonnene Begutachtung, in dem die Diagnose "Verdacht auf hirnorganisches Psychosyndrom alkoholtoxischer Genese" aufgestellt und ausgeführt wird, dass die sozialmedizinische Begutachtung des Klägers mangels aktueller ärztlicher Befundberichte abgebrochen worden sei. Die Beteiligten haben daraufhin übereinstimmend im Hinblick auf diese Verdachtsdiagnose eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung des Klägers angeregt. Am 16. November 2005 ist der Kläger verstorben. Sein Prozessbevollmächtigter hat den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die notwendigen Auslagen des Klägers aufzuerlegen.
Das Sozialgericht Cottbus hat der Beklagten mit Beschluss vom 12. Januar 2007 aufgegeben, die dem verstorbenen Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Zur Begründung heißt es, die Beklagte habe Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, weil der Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung in medizinischer Hinsicht noch nicht ausreichend ermittelt gewesen sei.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 12. Februar 2007 zugestellten Beschluss am 06. März 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 24. Mai 2007). Zur Begründung gibt die Beklagte an, dass ihr das MDK Gutachten vom 06. Juli 2004 erstmals im Juni 2005 zur Kenntnis gegeben worden sei. Durch die Gegenseite sei im Widerspruchsverfahren nach erfolgter Akteneinsicht kein Hinweis gegeben worden, dass dieses Gutachten erstellt worden sei. Veranlassung zur Klageerhebung sei daher durch die Gegenseite gegeben worden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Januar 2007 aufzuheben und zu beschließen, dass außergerichtliche Kosten von ihr nicht zu erstatten sind.
Der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Klägers beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass es auf die Kenntniserlangung von dem MDK Bericht nicht ankomme. Es sei davon auszugehen, dass die im MDK Gutachten vom 06. Juli 2006 gestellte Verdachtsdiagnose auch schon von der Beklagten in ihrer Begutachtung im April 2004 hätte erhoben werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
Der Senat ist durch den im Verlaufe des Verfahrens eingetretenen Tod des Klägers an der Entscheidung über die Beschwerde der Beklagten nicht gehindert. Denn gemäß § 246 Abs. 1 1. Teilsatz Zivilprozessordnung - ZPO - i. V. m. § 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG - tritt im Falle des Todes eines Beteiligten keine Unterbrechung des Verfahrens ein, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfindet. Das ist hier der Fall. Der Kläger ist aufgrund der in den Gerichtsakten befindlichen Vollmacht vom 28. Juni 2004 durch seine Prozessbevollmächtigten vertreten. Diese Vollmacht ist gemäß § 86 ZPO i. V. m. § 73 Abs. 4 SGG durch den Tod des Klägers nicht erloschen. Einer Verfahrensunterbrechung bedarf es deshalb nicht. Eine Verfahrensaussetzung gemäß § 246 Abs. 1 2. Teilsatz ZPO i. V. m. § 202 SGG ist weder von den Prozessbevollmächtigten des Klägers, noch von der Beklagten beantragt worden.
Die gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht i. S. d. § 173 SGG erhoben worden, sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Beklagten die dem verstorbenen Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen zu Recht auferlegt.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kosten, wenn das Verfahren - wie hier – anders als durch Urteil beendet wird. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Hauptsache für erledigt erklärt hat, kann dahinstehen, ob eine einseitige Erledigungserklärung durch einen der Beteiligten im Sozialgerichtsverfahren die Hauptsache erledigt. In der Prozesserklärung ist zumindest auch eine den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigende Rücknahme der Klage (§ 102 Satz 2 SGG) zu sehen.
Die Entscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG ist nach sachgemäßen Ermessen zu treffen, wobei der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung maßgebend ist. Diese Rechtsauffassung stützt sich auf die Prinzipien, nach denen in der Zivilprozessordnung - ZPO - Kostenentscheidungen zu treffen sind. Danach ist in erster Linie die Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt der Erledigung entscheidend (Rechtsgedanke des § 91 a ZPO).
Zum Zeitpunkt der Erledigung der Klage war die Ermittlung des medizinischen Sachverhalts zum Leistungsvermögen des Klägers bezogen auf den geltend gemachten Anspruch einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen und auf Dauer nicht abgeschlossen. Im Hinblick auf die in dem MDK Bericht geäußerte Verdachtsdiagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms (HOPS) alkoholtoxischer Genese war eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung des Klägers erforderlich. Deren Ergebnis war offen. Bei offenen Erfolgsaussichten entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Klägers den Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuerlegen (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08. November 2005 L 13 B 9/05 SB , juris Rdnr. 24).
Allerdings ist der Erfolgsgesichtspunkt nicht der allein entscheidende und es sind im Einzelfall als Korrektiv auch Veranlassungsgesichtspunkte (also Gründe für die Führung und die Erledigung des Rechtsstreits) zu berücksichtigen. Nach diesen Grundsätzen entspricht es der Billigkeit, wenn die Beklagte aus Veranlassungsgesichtspunkten die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang trägt.
Denn die Beklagte hat den Sachverhalt unzureichend ermittelt und somit den Kläger zur Erhebung der Klage veranlasst. Nach den Befundunterlagen und Arztbriefen, die der Beklagten im Verwaltungsverfahren vorlagen, bestand bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung Anlass zur Veranlassung einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung des Klägers. Zwar wurde die in der ersten Kurzinformation des C Klinikums C aus Februar 2004 geäußerte Verdachtsdiagnose HOPS in den ausführlicheren Arztbriefen vom 22. März 2004 bei der Darstellung der Entlassungsdiagnosen nicht mehr wiederholt. Jedoch ist auch in dem zuletzt von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie unterzeichneten Arztbrief vom 22. März 2004 auf massive kognitive Defizite und eine sichtliche Überforderung des Klägers in der suchtspezifischen Gruppentherapie hingewiesen worden, aufgrund derer die Gruppentherapie habe abgebrochen werden müssen. Im Hinblick auf diese Feststellungen und die Entlassungsdiagnosen "prolongiertes, schweres Alkoholentzugsdelir und Alkoholabhängigkeit" bestand bereits zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses Veranlassung, weitere Ermittlungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet einzuleiten; zumal auch die Gutachterin der Beklagten in der Epikrise des – internistischen - Gutachtens vom 8. April 2004 darauf hingewiesen hatte, dass sich die stationäre Behandlung des Klägers durch alkoholbedingte hirnorganische Störungen verzögert habe. Auf die Kenntnis des MDK-Berichts vom 06. Juli 2004, in dem erneut die Verdachtsdiagnose HOPS aufgestellt worden war, kam es daneben nicht an.
Die Kostenerstattung durch die Beklagte war nicht im Hinblick auf das vorprozessuale Verhalten des Klägers zu reduzieren. Denn wie sich aus dem Schreiben des MDK vom 06. Juli 2004 an die Krankenkasse ergibt, war eine Begutachtung des Klägers einvernehmlich abgebrochen worden, weil keine aktuellen medizinischen Befundberichte vorlagen und daher eine abschließende sozialmedizinische Bewertung nicht verbindlich habe getroffen werden können. Dem Kläger kann aber nicht vorgeworfen werden, mit der unterlassenen Mitteilung einer ergebnislos abgebrochenen Begutachtung nur ihm zugängliche relevante Informationen zurückgehalten und dadurch eine zutreffende Sachaufklärung verhindert zu haben (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1. November 2005 – L 13 B 5/05 SB – Juris Rdnr. 18). Dass der Arzt des MDK bei dem Kläger eine fortschreitende deutliche Hirnleistungsminderung vermutete und insoweit zu einer weiteren Befunderhebung riet, hatte dieser lediglich der Krankenkasse, nicht aber dem Kläger mitgeteilt. Diesem wurde ausweislich des MDK-Berichts vom 6. Juli 2004 – lediglich - das "Begutachtungsergebnis", dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht sicher beurteilbar sei, mitgeteilt.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war erforderlich, da hier mit der Beschwerde eine Entscheidung in dem Antragsverfahren nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG bei Erledigung der Hauptsache angefochten war. In diesen Fällen hat eine Kostenentscheidung zu ergehen (Meyer-Ladewig: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005 § 176 Rn. 5; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, X Rn. 58; Mählicke in: HK-SGG, § 176 Rn. 5; Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 2. Auflage 2005, § 176 Rn. 9; LSG Niedersachsen-Bremen v. 27.03.2007, L5 B 3/06 VG, juris, Rn.: 18; LSG Rheinland-Pfalz vom 06.08.2007, L 3 B 307/06 AS, juris; a.A. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz v. 12. 02.2007, L 4 B 246/06 R, juris).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Die Beklagte, die dem angegriffenen Beschluss zufolge dem Kläger seine im sozialgerichtlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten hat, begehrt eine Entscheidung des Gerichts, wonach außergerichtliche Kosten des Klägers von ihr nicht zu erstatten seien.
Der 2005 verstorbene Kläger hatte mit seiner am 20. Januar 2005 erhobenen Klage die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, anstelle der ihm gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, begehrt. Die Beklagte hatte einen Antrag des Klägers auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 08. März 2004 in einen Rentenantrag umgedeutet. Im sich anschließenden Verwaltungsverfahren wurde der Beklagten von der Krankenkasse des Klägers eine an die behandelnde Ärztin gerichtete undatierte "Kurzinformation" des C Klinikums C bezüglich einer stationären Behandlung vom 30. Dezember 2003 bis 29. Januar 2004 bekannt gegeben. In dieser Kurzinformation wird als Diagnose u. a. "Verdacht auf HOPS" aufgeführt. In dem Schreiben heißt es weiter, eine suchtspezifische Gruppentherapie habe aufgrund massiver kognitiver Defizite und sichtlicher Überforderung abgebrochen werden müssen, ein ausführlicher Arztbrief folge. Ferner lagen der Beklagten zwei Arztbriefe des C Klinikums C vom 22. März 2004 über die stationäre Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 20. November 2003 bis 30. Dezember 2003 sowie eine ambulante Behandlung am 15. März 2004 und über die stationäre Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 30. Dezember 2003 bis 29. Januar 2004 vor. In diesen Schreiben werden zuletzt als Entlassendiagnosen angegeben: 1. prolongiertes, schweres Alkoholentzugsdelir, 2. Alkoholabhängigkeit, 3. Hypertonus, 4. NIDDM, 5. Nikotinabhängigkeit, 6. Zustand nach Operation eines infrarenalen Bauchaortenaneurysmas. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. K, die den Kläger nach Untersuchung am 02. April 2004 für in der Lage hielt, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden leichte körperliche Arbeiten mit weiteren Einschränkungen zu verrichten (Gutachten vom 08. April 2004).
Mit Bescheid vom 16. Juni 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, beginnend am 01. März 2004. Mit Bescheid vom 30. Juni 2004 gewährte sie dem Kläger im Hinblick auf die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes bei angenommenem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. Juni 2004 bis 31. Mai 2007. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, den dieser nach Akteneinsicht durch seine Bevollmächtigten nicht begründet und mit dem er keine neuen medizinischen Unterlagen eingereicht hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2004 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Januar 2005 Klage erhoben, mit der er die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen für die Zeit ab dem 01. Juni 2004 begehrt hat. Das Sozialgericht hat medizinische Unterlagen beigezogen, u. a. einen Bericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Berlin-Brandenburg e. V. vom 06. Juli 2004 über eine begonnene Begutachtung, in dem die Diagnose "Verdacht auf hirnorganisches Psychosyndrom alkoholtoxischer Genese" aufgestellt und ausgeführt wird, dass die sozialmedizinische Begutachtung des Klägers mangels aktueller ärztlicher Befundberichte abgebrochen worden sei. Die Beteiligten haben daraufhin übereinstimmend im Hinblick auf diese Verdachtsdiagnose eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung des Klägers angeregt. Am 16. November 2005 ist der Kläger verstorben. Sein Prozessbevollmächtigter hat den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die notwendigen Auslagen des Klägers aufzuerlegen.
Das Sozialgericht Cottbus hat der Beklagten mit Beschluss vom 12. Januar 2007 aufgegeben, die dem verstorbenen Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Zur Begründung heißt es, die Beklagte habe Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, weil der Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung in medizinischer Hinsicht noch nicht ausreichend ermittelt gewesen sei.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 12. Februar 2007 zugestellten Beschluss am 06. März 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 24. Mai 2007). Zur Begründung gibt die Beklagte an, dass ihr das MDK Gutachten vom 06. Juli 2004 erstmals im Juni 2005 zur Kenntnis gegeben worden sei. Durch die Gegenseite sei im Widerspruchsverfahren nach erfolgter Akteneinsicht kein Hinweis gegeben worden, dass dieses Gutachten erstellt worden sei. Veranlassung zur Klageerhebung sei daher durch die Gegenseite gegeben worden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Januar 2007 aufzuheben und zu beschließen, dass außergerichtliche Kosten von ihr nicht zu erstatten sind.
Der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Klägers beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass es auf die Kenntniserlangung von dem MDK Bericht nicht ankomme. Es sei davon auszugehen, dass die im MDK Gutachten vom 06. Juli 2006 gestellte Verdachtsdiagnose auch schon von der Beklagten in ihrer Begutachtung im April 2004 hätte erhoben werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
Der Senat ist durch den im Verlaufe des Verfahrens eingetretenen Tod des Klägers an der Entscheidung über die Beschwerde der Beklagten nicht gehindert. Denn gemäß § 246 Abs. 1 1. Teilsatz Zivilprozessordnung - ZPO - i. V. m. § 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG - tritt im Falle des Todes eines Beteiligten keine Unterbrechung des Verfahrens ein, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfindet. Das ist hier der Fall. Der Kläger ist aufgrund der in den Gerichtsakten befindlichen Vollmacht vom 28. Juni 2004 durch seine Prozessbevollmächtigten vertreten. Diese Vollmacht ist gemäß § 86 ZPO i. V. m. § 73 Abs. 4 SGG durch den Tod des Klägers nicht erloschen. Einer Verfahrensunterbrechung bedarf es deshalb nicht. Eine Verfahrensaussetzung gemäß § 246 Abs. 1 2. Teilsatz ZPO i. V. m. § 202 SGG ist weder von den Prozessbevollmächtigten des Klägers, noch von der Beklagten beantragt worden.
Die gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht i. S. d. § 173 SGG erhoben worden, sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Beklagten die dem verstorbenen Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen zu Recht auferlegt.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kosten, wenn das Verfahren - wie hier – anders als durch Urteil beendet wird. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Hauptsache für erledigt erklärt hat, kann dahinstehen, ob eine einseitige Erledigungserklärung durch einen der Beteiligten im Sozialgerichtsverfahren die Hauptsache erledigt. In der Prozesserklärung ist zumindest auch eine den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigende Rücknahme der Klage (§ 102 Satz 2 SGG) zu sehen.
Die Entscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG ist nach sachgemäßen Ermessen zu treffen, wobei der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung maßgebend ist. Diese Rechtsauffassung stützt sich auf die Prinzipien, nach denen in der Zivilprozessordnung - ZPO - Kostenentscheidungen zu treffen sind. Danach ist in erster Linie die Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt der Erledigung entscheidend (Rechtsgedanke des § 91 a ZPO).
Zum Zeitpunkt der Erledigung der Klage war die Ermittlung des medizinischen Sachverhalts zum Leistungsvermögen des Klägers bezogen auf den geltend gemachten Anspruch einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen und auf Dauer nicht abgeschlossen. Im Hinblick auf die in dem MDK Bericht geäußerte Verdachtsdiagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms (HOPS) alkoholtoxischer Genese war eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung des Klägers erforderlich. Deren Ergebnis war offen. Bei offenen Erfolgsaussichten entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Klägers den Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuerlegen (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08. November 2005 L 13 B 9/05 SB , juris Rdnr. 24).
Allerdings ist der Erfolgsgesichtspunkt nicht der allein entscheidende und es sind im Einzelfall als Korrektiv auch Veranlassungsgesichtspunkte (also Gründe für die Führung und die Erledigung des Rechtsstreits) zu berücksichtigen. Nach diesen Grundsätzen entspricht es der Billigkeit, wenn die Beklagte aus Veranlassungsgesichtspunkten die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang trägt.
Denn die Beklagte hat den Sachverhalt unzureichend ermittelt und somit den Kläger zur Erhebung der Klage veranlasst. Nach den Befundunterlagen und Arztbriefen, die der Beklagten im Verwaltungsverfahren vorlagen, bestand bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung Anlass zur Veranlassung einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung des Klägers. Zwar wurde die in der ersten Kurzinformation des C Klinikums C aus Februar 2004 geäußerte Verdachtsdiagnose HOPS in den ausführlicheren Arztbriefen vom 22. März 2004 bei der Darstellung der Entlassungsdiagnosen nicht mehr wiederholt. Jedoch ist auch in dem zuletzt von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie unterzeichneten Arztbrief vom 22. März 2004 auf massive kognitive Defizite und eine sichtliche Überforderung des Klägers in der suchtspezifischen Gruppentherapie hingewiesen worden, aufgrund derer die Gruppentherapie habe abgebrochen werden müssen. Im Hinblick auf diese Feststellungen und die Entlassungsdiagnosen "prolongiertes, schweres Alkoholentzugsdelir und Alkoholabhängigkeit" bestand bereits zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses Veranlassung, weitere Ermittlungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet einzuleiten; zumal auch die Gutachterin der Beklagten in der Epikrise des – internistischen - Gutachtens vom 8. April 2004 darauf hingewiesen hatte, dass sich die stationäre Behandlung des Klägers durch alkoholbedingte hirnorganische Störungen verzögert habe. Auf die Kenntnis des MDK-Berichts vom 06. Juli 2004, in dem erneut die Verdachtsdiagnose HOPS aufgestellt worden war, kam es daneben nicht an.
Die Kostenerstattung durch die Beklagte war nicht im Hinblick auf das vorprozessuale Verhalten des Klägers zu reduzieren. Denn wie sich aus dem Schreiben des MDK vom 06. Juli 2004 an die Krankenkasse ergibt, war eine Begutachtung des Klägers einvernehmlich abgebrochen worden, weil keine aktuellen medizinischen Befundberichte vorlagen und daher eine abschließende sozialmedizinische Bewertung nicht verbindlich habe getroffen werden können. Dem Kläger kann aber nicht vorgeworfen werden, mit der unterlassenen Mitteilung einer ergebnislos abgebrochenen Begutachtung nur ihm zugängliche relevante Informationen zurückgehalten und dadurch eine zutreffende Sachaufklärung verhindert zu haben (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1. November 2005 – L 13 B 5/05 SB – Juris Rdnr. 18). Dass der Arzt des MDK bei dem Kläger eine fortschreitende deutliche Hirnleistungsminderung vermutete und insoweit zu einer weiteren Befunderhebung riet, hatte dieser lediglich der Krankenkasse, nicht aber dem Kläger mitgeteilt. Diesem wurde ausweislich des MDK-Berichts vom 6. Juli 2004 – lediglich - das "Begutachtungsergebnis", dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht sicher beurteilbar sei, mitgeteilt.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war erforderlich, da hier mit der Beschwerde eine Entscheidung in dem Antragsverfahren nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG bei Erledigung der Hauptsache angefochten war. In diesen Fällen hat eine Kostenentscheidung zu ergehen (Meyer-Ladewig: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005 § 176 Rn. 5; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, X Rn. 58; Mählicke in: HK-SGG, § 176 Rn. 5; Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 2. Auflage 2005, § 176 Rn. 9; LSG Niedersachsen-Bremen v. 27.03.2007, L5 B 3/06 VG, juris, Rn.: 18; LSG Rheinland-Pfalz vom 06.08.2007, L 3 B 307/06 AS, juris; a.A. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz v. 12. 02.2007, L 4 B 246/06 R, juris).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
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