Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 11713/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 522/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Eingliederungsverwaltungsakt, mit dem einem erwerbsfähigem Hilfebedürftigem aufgegeben wird, pauschal Bewerbungsbemühungen im Umfange von 10 Bewerbungen pro Monat nachzuweisen, ist grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden.
Eine seit langem bestehende Arbeitslosigkeit rechtfertigt auch die Regelung einer Verpflichtung zur Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten in einem Eingliederungsverwaltungsakt.
Die Regelung über die Residenzpflicht im Sinne einer Verpflichtung zum grundsätzlichen Aufenthalt im "zeit- und ortsnahen Bereich" in einem Eingliederungsverwaltungsakt genügt rechtlichen Bestimmtheitserfordernissen und begegnet auch sonst keinen rechtlichen Bedenken.
Eine seit langem bestehende Arbeitslosigkeit rechtfertigt auch die Regelung einer Verpflichtung zur Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten in einem Eingliederungsverwaltungsakt.
Die Regelung über die Residenzpflicht im Sinne einer Verpflichtung zum grundsätzlichen Aufenthalt im "zeit- und ortsnahen Bereich" in einem Eingliederungsverwaltungsakt genügt rechtlichen Bestimmtheitserfordernissen und begegnet auch sonst keinen rechtlichen Bedenken.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten war die Rechtmäßigkeit eines von dem Beklagten erlassenen Eingliederungsverwaltungsaktes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig gewesen.
Der 1957 geborene Kläger steht seit Januar 2005 im ständigen Leistungsbezug des Beklagten. Am 22. Juli 2005 händigte der Beklagte dem Kläger den vorgefertigten Vertragstext einer für seine Eingliederung in Arbeit erforderlichen Leistungen (Eingliederungshilfevereinbarung) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II aus mit der Bitte, diesen bis zum 3. August 2005 unterzeichnet zurückzureichen. In einem mit seinem Fallmanager bei dem Beklagten am 1. September 2005 geführten Gespräch legte der Kläger schriftliche Änderungsvorschläge vor. Mit Schreiben vom 6. September 2005 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Fassung einer überarbeiteten Eingliederungshilfevereinbarung mit der Bitte um Unterzeichnung und Übersendung binnen zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 14. September 2005 weitere Änderungswünsche geltend gemacht hatte, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 26. September 2005 einen auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützten Eingliederungsverwaltungsakt. Darin gab er dem Kläger für den Zeitraum vom 30. September 2005 bis zum 29. September 2006 auf, mindestens 10 Bewerbungen pro Monat an jedem 10. des Folgemonats nachzuweisen, sich nur nach Absprache und mit Zustimmung des zuständigen Fallmanagers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufzuhalten, was für 21 Kalendertage zugestanden werde. Unter Zielsetzung ist in dem Bescheid ausgeführt: "Um eine Eingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt erreichen zu können, ist der Kunde vorab auch zur Aufnahme einer Arbeit mit Mehraufwandsentschädigung verpflichtet."
Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2005 zurück.
Der Kläger hat am 14. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er die Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsaktes begehrte.
Mit Urteil vom 12. Mai 2006 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 26. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes bereits vor Erlass eines möglichen Sanktionsbescheides einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen zu dürfen. Der Eingliederungsverwaltungsakt sei mit Blick auf die starre Festlegung einer Mindestzahl von Bewerbungen, die rigide Residenzpflicht sowie die Verpflichtung zur Teilnahme an lediglich abstrakt bezeichneten Arbeitsgelegenheiten rechtswidrig. Der Bescheid sei daher insgesamt aufzuheben, da es ihm angesichts dessen an den unabdingbaren (Mindest-)Bestimmungen fehle.
Gegen das ihm am 31. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28. Juni 2006 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor: Das Sozialgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger fehle für eine inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Bescheides das Rechtsschutzbedürfnis. Dieser enthalte keine Beschwer, sondern nur den Kläger treffende Obliegenheiten. Eine Beschwer trete erst in dem Fall ein, dass ein Sanktionsbescheid erlassen werde. Allein das Ob des Erlasses des Eingliederungsverwaltungsaktes sei gerichtlich überprüfbar. Hiermit befasse sich die angefochtene Entscheidung jedoch nicht. Im Übrigen seien die in dem Eingliederungsverwaltungsakt getroffenen Regelungen aber auch der Sache nach nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat schriftsätzlich ursprünglich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass er seine Mitwirkungspflichten bei dem geplanten Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nicht verletzt habe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, dass aufgrund eingetretenen Zeitablaufs der Bescheid vom 26. September 2005 erledigt sein dürfte und keine Beschwer mehr entfalte, das Urteil des Sozialgerichts daher im Ergebnis ins Leere gehe.
Daraufhin hat der Beklagte die Berufung zurückgenommen und beantragt,
eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Beklagten zu treffen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
II.
Nachdem der Beklagte die Berufung gemäß § 156 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückgenommen hatte, war auf seinen Antrag hin über die Kosten des Berufungsverfahrens – die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens ist infolge der Rücknahme der Berufung rechtskräftig geworden - nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
Hiernach waren die Kosten des Berufungsverfahrens nicht für erstattungsfähig zu erklären. Denn es spricht nach Auffassung des Senats alles dafür, dass die Berufung für den Fall, das keine Erledigung des Bescheides vom 26. September 2005 infolge Zeitablaufes eingetreten wäre, Erfolg gehabt hätte; unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts wäre die Klage abzuweisen gewesen.
Der Bescheid des Beklagten vom 26. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005, dem entgegen der Auffassung des Beklagten angesichts seiner dem Kläger auferlegten Pflichten Verwaltungsaktqualität im Sinne des § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zukommt und des daher sowohl hinsichtlich des Ob als auch des Wie seines regelnden Charakters zulässigerweise im Anfechtungsprozess einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden kann, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Beklagte war zum Erlass des Eingliederungsbescheides nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGG berechtigt. Danach soll die Behörde, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGG mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen über die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen nicht zustande kommt, die in Satz 2 der Vorschrift diesbezüglich genannten Regelungen durch Verwaltungsakt bestimmen. Eine Eingliederungsvereinbarung ist nach der vorliegend als angemessen zu bezeichnenden Verhandlungsphase zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Der Beklagte war mit Blick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, des zügigen Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung, nicht gehalten, mit dem Erlass des Verwaltungsaktes (weiter) zuzuwarten, weil der Kläger mit Schreiben vom 14. September 2005 weitere Änderungsvorschläge unterbreitet hatte. Denn zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits ab, dass eine alsbaldige Einigung zwischen den Beteiligten nicht zu erwarten war, nachdem eine bereits erfolgte Überarbeitung des Textes der Vereinbarung nicht zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II geführt hatte. Fehlt es mithin am Zustandekommen einer Vereinbarung im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, kommt es auf die Umstände des Scheiterns einer einvernehmlichen Regelung nicht an (vgl. Berlit in LPK-SGB II, Kommentar, 2. Auflage, § 15 Rn. 40).
Die in dem Eingliederungsbescheid getroffenen Regelungen sind entgegen der Auffassung des Sozialgerichts rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Senat hält ein auf – auch pauschal - 10 Bewerbungen pro Monat bestimmtes Bewerbungsbemühen des Klägers für zulässig und auch angemessen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. September 2006 - Az: L 9 AS 179/06 ER -, zit. nach juris). Der Kläger selbst erachtet nach seinem Vortrag im Erörterungstermin vom 15. Dezember 2006 eine solche Anzahl für zumutbar. Durch die in dem Bescheid skizzierte Auswahl (schriftlich, telefonisch, persönlich, unter Nutzung des Internets, der Gelben Seiten, der aktuellen Presse/Stellenanzeigen) wurde dem Kläger auch keinesfalls auferlegt, sein Pensum mit aussichtslosen Blindbewerbungen erfüllen zu müssen. Vielmehr wird damit dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, sich umfangreich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, und bleibt es ihm überlassen, die Art und Form der Bewerbung zu wählen. Die vom Sozialgericht für wünschenswert erachtete Vereinbarung einer individuelleren Bewerbungsregelung ist zwar begrüßenswert, jedoch nicht zwingend, zumal auch sie wiederum die Möglichkeit in sich birgt, unerfüllbar zu sein bzw. zu konkrete Anforderungen an das Bewerbungsbemühen zu stellen. Sie ist insoweit wenig praktikabel. Überdies besteht die Möglichkeit, im Rahmen künftiger Vereinbarungen gewonnene Erfahrungen aus früheren Regelungen einzubeziehen, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 5 SGB II, mithin etwa sich als nicht durchführbar erwiesene Regelungen entsprechend abzuändern. Zudem zieht ein Verstoß gegen eine Regelung des Verwaltungsaktes nicht zwingend einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II nach sich, sofern rechtfertigende Gründe vorgelegen haben, der auferlegten Pflicht nicht nachkommen zu können (vgl. zur Problematik der Anwendbarkeit des § 31 SGB II auf Verstöße gegen Eingliederungsverwaltungsakte: Bayrisches Landessozialgericht, Beschluss vom 1. August 2007 - Az: L 7 B 366/07 AS ER -, zit. nach juris).
Nicht zu beanstanden ist zudem, die Verpflichtung des Klägers zur Aufnahme einer (ihm angebotenen) Arbeit mit Mehraufwandsentschädigung. Zwar trifft es zu, dass, wie das Sozialgericht ausführt, derartige Arbeitsgelegenheiten im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB II nur dann zu übernehmen sind, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Hiervon ist indes vorliegend mit Blick auf die seit langem bestehende Arbeitslosigkeit - seit 25. März 2004 ist der Kläger jedenfalls ohne Beschäftigung - und die bisher erfolglosen Eigenbemühungen des Klägers um Arbeit auszugehen mit der Folge, dass eine diesbezügliche Verpflichtung des Klägers zur Annahme von Arbeitsgelegenheiten bereits Regelungsgegenstand des hier erlassenen Bescheides zulässigerweise sein konnte. Den Interessen des Klägers wird die Regelung überdies auch insoweit gerecht, als mit dieser Regelung gleichwohl die Zielsetzung verfolgt wird, den Kläger in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern, und der Kläger zur Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten nur verpflichtet ist, die dieser Vorgabe entsprechen. Angesichts vorstehender Ausführungen begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass der Kläger sich um befristete Stellen, solche bei Zeitarbeitsfirmen oder auf Minijobbasis bewerben solle.
Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung hält auch die in dem Bescheid geregelte Residenzpflicht in ihrer konkreten Ausprägung der Verpflichtung zum Aufenthalt "im zeit- und ortsnahen Bereich", den zu verlassen in Absprache und Zustimmung mit dem zuständigen Fallmanager bis zu 21 Kalendertagen zugestanden wird, einer gerichtlichen Überprüfung stand. Sie deckt sich, wie der Beklagte zu Recht ausführt, mit der für Bezieher von Arbeitslosengeld I getroffenen Regelung in § 119 Abs. 5 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit §§ 1 ff der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) über die Verfügbarkeit des Arbeitslosen, um Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung Folge leisten zu können. Auf diese Regelung kann zur Auslegung in Zweifelsfällen zurückgegriffen werden. Die von dem Beklagten geregelte Residenzpflicht genügt insoweit den Bestimmtheitserfordernissen des § 33 Abs. 1 SGB X; Anlass, sie zu beanstanden, besteht im Übrigen nicht.
Der Rechtmäßigkeit des Bescheides steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hätte. Durch die Wendung "soll" in § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II verdeutlicht der Gesetzgeber, dass für den Fall, dass eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, der Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes den Regelfall darstellt (vgl. Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 15 Rn. 14). Des bestehenden Ermessens ist sich der Beklagte auch bewusst gewesen, in dem er jedenfalls in dem Widerspruchsbescheid durch Unterstreichung des Wortes "soll" das Vorliegen dieses Regelfalles aus seiner Sicht im vorliegenden Fall verdeutlicht. Gründe, von dem Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes ausnahmsweise abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten war die Rechtmäßigkeit eines von dem Beklagten erlassenen Eingliederungsverwaltungsaktes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig gewesen.
Der 1957 geborene Kläger steht seit Januar 2005 im ständigen Leistungsbezug des Beklagten. Am 22. Juli 2005 händigte der Beklagte dem Kläger den vorgefertigten Vertragstext einer für seine Eingliederung in Arbeit erforderlichen Leistungen (Eingliederungshilfevereinbarung) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II aus mit der Bitte, diesen bis zum 3. August 2005 unterzeichnet zurückzureichen. In einem mit seinem Fallmanager bei dem Beklagten am 1. September 2005 geführten Gespräch legte der Kläger schriftliche Änderungsvorschläge vor. Mit Schreiben vom 6. September 2005 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Fassung einer überarbeiteten Eingliederungshilfevereinbarung mit der Bitte um Unterzeichnung und Übersendung binnen zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 14. September 2005 weitere Änderungswünsche geltend gemacht hatte, erließ der Beklagte mit Bescheid vom 26. September 2005 einen auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützten Eingliederungsverwaltungsakt. Darin gab er dem Kläger für den Zeitraum vom 30. September 2005 bis zum 29. September 2006 auf, mindestens 10 Bewerbungen pro Monat an jedem 10. des Folgemonats nachzuweisen, sich nur nach Absprache und mit Zustimmung des zuständigen Fallmanagers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufzuhalten, was für 21 Kalendertage zugestanden werde. Unter Zielsetzung ist in dem Bescheid ausgeführt: "Um eine Eingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt erreichen zu können, ist der Kunde vorab auch zur Aufnahme einer Arbeit mit Mehraufwandsentschädigung verpflichtet."
Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2005 zurück.
Der Kläger hat am 14. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er die Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsaktes begehrte.
Mit Urteil vom 12. Mai 2006 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 26. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes bereits vor Erlass eines möglichen Sanktionsbescheides einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen zu dürfen. Der Eingliederungsverwaltungsakt sei mit Blick auf die starre Festlegung einer Mindestzahl von Bewerbungen, die rigide Residenzpflicht sowie die Verpflichtung zur Teilnahme an lediglich abstrakt bezeichneten Arbeitsgelegenheiten rechtswidrig. Der Bescheid sei daher insgesamt aufzuheben, da es ihm angesichts dessen an den unabdingbaren (Mindest-)Bestimmungen fehle.
Gegen das ihm am 31. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28. Juni 2006 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor: Das Sozialgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger fehle für eine inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Bescheides das Rechtsschutzbedürfnis. Dieser enthalte keine Beschwer, sondern nur den Kläger treffende Obliegenheiten. Eine Beschwer trete erst in dem Fall ein, dass ein Sanktionsbescheid erlassen werde. Allein das Ob des Erlasses des Eingliederungsverwaltungsaktes sei gerichtlich überprüfbar. Hiermit befasse sich die angefochtene Entscheidung jedoch nicht. Im Übrigen seien die in dem Eingliederungsverwaltungsakt getroffenen Regelungen aber auch der Sache nach nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat schriftsätzlich ursprünglich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass er seine Mitwirkungspflichten bei dem geplanten Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nicht verletzt habe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, dass aufgrund eingetretenen Zeitablaufs der Bescheid vom 26. September 2005 erledigt sein dürfte und keine Beschwer mehr entfalte, das Urteil des Sozialgerichts daher im Ergebnis ins Leere gehe.
Daraufhin hat der Beklagte die Berufung zurückgenommen und beantragt,
eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Beklagten zu treffen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
II.
Nachdem der Beklagte die Berufung gemäß § 156 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückgenommen hatte, war auf seinen Antrag hin über die Kosten des Berufungsverfahrens – die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens ist infolge der Rücknahme der Berufung rechtskräftig geworden - nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
Hiernach waren die Kosten des Berufungsverfahrens nicht für erstattungsfähig zu erklären. Denn es spricht nach Auffassung des Senats alles dafür, dass die Berufung für den Fall, das keine Erledigung des Bescheides vom 26. September 2005 infolge Zeitablaufes eingetreten wäre, Erfolg gehabt hätte; unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts wäre die Klage abzuweisen gewesen.
Der Bescheid des Beklagten vom 26. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005, dem entgegen der Auffassung des Beklagten angesichts seiner dem Kläger auferlegten Pflichten Verwaltungsaktqualität im Sinne des § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zukommt und des daher sowohl hinsichtlich des Ob als auch des Wie seines regelnden Charakters zulässigerweise im Anfechtungsprozess einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden kann, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Beklagte war zum Erlass des Eingliederungsbescheides nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGG berechtigt. Danach soll die Behörde, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGG mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen über die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen nicht zustande kommt, die in Satz 2 der Vorschrift diesbezüglich genannten Regelungen durch Verwaltungsakt bestimmen. Eine Eingliederungsvereinbarung ist nach der vorliegend als angemessen zu bezeichnenden Verhandlungsphase zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Der Beklagte war mit Blick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, des zügigen Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung, nicht gehalten, mit dem Erlass des Verwaltungsaktes (weiter) zuzuwarten, weil der Kläger mit Schreiben vom 14. September 2005 weitere Änderungsvorschläge unterbreitet hatte. Denn zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits ab, dass eine alsbaldige Einigung zwischen den Beteiligten nicht zu erwarten war, nachdem eine bereits erfolgte Überarbeitung des Textes der Vereinbarung nicht zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II geführt hatte. Fehlt es mithin am Zustandekommen einer Vereinbarung im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, kommt es auf die Umstände des Scheiterns einer einvernehmlichen Regelung nicht an (vgl. Berlit in LPK-SGB II, Kommentar, 2. Auflage, § 15 Rn. 40).
Die in dem Eingliederungsbescheid getroffenen Regelungen sind entgegen der Auffassung des Sozialgerichts rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Senat hält ein auf – auch pauschal - 10 Bewerbungen pro Monat bestimmtes Bewerbungsbemühen des Klägers für zulässig und auch angemessen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. September 2006 - Az: L 9 AS 179/06 ER -, zit. nach juris). Der Kläger selbst erachtet nach seinem Vortrag im Erörterungstermin vom 15. Dezember 2006 eine solche Anzahl für zumutbar. Durch die in dem Bescheid skizzierte Auswahl (schriftlich, telefonisch, persönlich, unter Nutzung des Internets, der Gelben Seiten, der aktuellen Presse/Stellenanzeigen) wurde dem Kläger auch keinesfalls auferlegt, sein Pensum mit aussichtslosen Blindbewerbungen erfüllen zu müssen. Vielmehr wird damit dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, sich umfangreich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, und bleibt es ihm überlassen, die Art und Form der Bewerbung zu wählen. Die vom Sozialgericht für wünschenswert erachtete Vereinbarung einer individuelleren Bewerbungsregelung ist zwar begrüßenswert, jedoch nicht zwingend, zumal auch sie wiederum die Möglichkeit in sich birgt, unerfüllbar zu sein bzw. zu konkrete Anforderungen an das Bewerbungsbemühen zu stellen. Sie ist insoweit wenig praktikabel. Überdies besteht die Möglichkeit, im Rahmen künftiger Vereinbarungen gewonnene Erfahrungen aus früheren Regelungen einzubeziehen, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 5 SGB II, mithin etwa sich als nicht durchführbar erwiesene Regelungen entsprechend abzuändern. Zudem zieht ein Verstoß gegen eine Regelung des Verwaltungsaktes nicht zwingend einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II nach sich, sofern rechtfertigende Gründe vorgelegen haben, der auferlegten Pflicht nicht nachkommen zu können (vgl. zur Problematik der Anwendbarkeit des § 31 SGB II auf Verstöße gegen Eingliederungsverwaltungsakte: Bayrisches Landessozialgericht, Beschluss vom 1. August 2007 - Az: L 7 B 366/07 AS ER -, zit. nach juris).
Nicht zu beanstanden ist zudem, die Verpflichtung des Klägers zur Aufnahme einer (ihm angebotenen) Arbeit mit Mehraufwandsentschädigung. Zwar trifft es zu, dass, wie das Sozialgericht ausführt, derartige Arbeitsgelegenheiten im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB II nur dann zu übernehmen sind, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Hiervon ist indes vorliegend mit Blick auf die seit langem bestehende Arbeitslosigkeit - seit 25. März 2004 ist der Kläger jedenfalls ohne Beschäftigung - und die bisher erfolglosen Eigenbemühungen des Klägers um Arbeit auszugehen mit der Folge, dass eine diesbezügliche Verpflichtung des Klägers zur Annahme von Arbeitsgelegenheiten bereits Regelungsgegenstand des hier erlassenen Bescheides zulässigerweise sein konnte. Den Interessen des Klägers wird die Regelung überdies auch insoweit gerecht, als mit dieser Regelung gleichwohl die Zielsetzung verfolgt wird, den Kläger in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern, und der Kläger zur Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten nur verpflichtet ist, die dieser Vorgabe entsprechen. Angesichts vorstehender Ausführungen begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass der Kläger sich um befristete Stellen, solche bei Zeitarbeitsfirmen oder auf Minijobbasis bewerben solle.
Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung hält auch die in dem Bescheid geregelte Residenzpflicht in ihrer konkreten Ausprägung der Verpflichtung zum Aufenthalt "im zeit- und ortsnahen Bereich", den zu verlassen in Absprache und Zustimmung mit dem zuständigen Fallmanager bis zu 21 Kalendertagen zugestanden wird, einer gerichtlichen Überprüfung stand. Sie deckt sich, wie der Beklagte zu Recht ausführt, mit der für Bezieher von Arbeitslosengeld I getroffenen Regelung in § 119 Abs. 5 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit §§ 1 ff der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) über die Verfügbarkeit des Arbeitslosen, um Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung Folge leisten zu können. Auf diese Regelung kann zur Auslegung in Zweifelsfällen zurückgegriffen werden. Die von dem Beklagten geregelte Residenzpflicht genügt insoweit den Bestimmtheitserfordernissen des § 33 Abs. 1 SGB X; Anlass, sie zu beanstanden, besteht im Übrigen nicht.
Der Rechtmäßigkeit des Bescheides steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hätte. Durch die Wendung "soll" in § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II verdeutlicht der Gesetzgeber, dass für den Fall, dass eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, der Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes den Regelfall darstellt (vgl. Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 15 Rn. 14). Des bestehenden Ermessens ist sich der Beklagte auch bewusst gewesen, in dem er jedenfalls in dem Widerspruchsbescheid durch Unterstreichung des Wortes "soll" das Vorliegen dieses Regelfalles aus seiner Sicht im vorliegenden Fall verdeutlicht. Gründe, von dem Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes ausnahmsweise abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved