Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 822/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 141/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Beurteilung des Unfalls des Klägers vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall und die Entschädigung der Folgen dieses Ereignisses mit Verletztengeld und einer Verletztenrente.
Der 1953 geborene Kläger hatte am 31. August 2004 das Arbeitsamt B aufgesucht, ohne einer besonderen, an ihn gerichteten Aufforderung nachgekommen zu sein. Nach der schriftlichen Auskunft der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit B vom 19. November 2004, hatte der Kläger dort am 31. August 2004 vorgesprochen, ohne dazu schriftlich eingeladen zu sein. Er habe sich grundsätzlich alle drei Monate melden müssen. Bei der Vorsprache am 31. August 2004 habe es sich um eine solche Meldung gehandelt.
Der vorliegenden Dokumentation der Agentur für Arbeit ist zu entnehmen, dass die letzten Meldungen des Klägers dort am 01. Juni 2004 und 31. August 2004 erfolgt waren.
Am 31. August 2004 war der Kläger beim Verlassen des Gebäudes gestolpert und mit dem rechten Fuß auf der Truppenstufe leicht abgerutscht, so dass er kurzzeitig mit dem rechten Fuß auf die nächst tiefere Stufe trat. Da er die Balance nicht halten konnte, sprang er die letzten beiden Treppenstufen bewusst hinab und kam mit dem linken Fuß zum Stehen. Der Durchgangsarzt erhob am 10. September 2004 als Befund: "Der Versicherte kommt mit einem leicht links hinkenden Gangbild zur Vorstellung. Am linken Hüftgelenk können endgradige Bewegungsschmerzen ausgelöst werden. Am linken Kniegelenk befindet sich eine starke Druckschmerzhaftigkeit am äußeren Kniegelenksspalt. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt mit Streckung/Beugung von 0-20-120 Grad. Es besteht kein infraartikulärer Erguss. Die Kreuz- und Seitenbänder sind stabil. Bei Prüfung des Valgus Stresses werden starke Schmerzen am äußeren Kniegelenksspalt angegeben. DMS des linken Beines intakt".
Mit Bescheid vom 29. März 2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 31. August 2004 ab: Der Kläger sei keine versicherte Person nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 Siebentes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), die nach den Vorschriften des SGB III der Meldepflicht unterliege, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit nachkomme, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Den dagegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2005 zurückgewiesen.
Mit der am 03. November 2005 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall und auf Zahlung von Verletztengeld und Verletztenrente weiterverfolgt. Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, der Kläger habe am 31. August 2004 das Arbeitsamt Berlin-Nord aufgesucht, um dort seiner Verpflichtung zur persönlichen Meldung nachzukommen. Der Termin sei beim Arbeitsamt auch dokumentiert in der Auflistung über die persönlichen Meldungen des Klägers. Ein Arbeitsunfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII liege vor. Tatbestandlich solle derjenige dem Unfallversicherungsschutz unterfallen, der aufgefordert werde, sich bei der Bundesagentur für Arbeit persönlich vorzustellen. Nicht erfasst werden solle hingegen derjenige, der die Arbeitsagentur ohne eine solche Aufforderung aufsuche. Dahinter stehe der Gedanke, dass der Unfallversicherungsschutz nicht allumfassend auf sämtliche Personen ausgedehnt werden solle, die aus "sonstigen Gründen" die Arbeitsagentur aufsuchten. Es solle nur derjenige Personenkreis dem Versicherungsschutz unterfallen, der entweder im Leistungsbezug der Arbeitsagentur stehe oder aber der sich zumindest zur Vermittlung zur Verfügung gestellt habe. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die so genannte "Drei-Monats-Meldung" dem Unfallversicherungsschutz nicht unterfallen solle. Sie diene allein der Verwaltungsvereinfachung. Auch die Verpflichtung des arbeitslos bzw. arbeitssuchend Gemeldeten, in regelmäßigen Abständen von drei Monaten vorzusprechen, beinhalte somit eine "besondere Aufforderung", zumal der Termin, an dem die Vorsprache zu erfolgen habe, taggenau vorbestimmt sei.
Der Unfall vom 31. August 2004 habe zumindest eine richtunggebende Verschlimmerung der anlässlich seines Unfalls aus dem Jahre 1991 bei seiner Tätigkeit als Vorarbeiter bei der ARGE KRzurückbehaltenen Beeinträchtigungen bewirkt. Bei diesem Unfall sei er von einem Bolzen am linken Knie getroffen worden. Er fügte ein Schreiben der Bau BG H vom 15. Juni 2005 bei, wonach dort ein Unfallereignis aus dem Jahr 1991 nicht angezeigt worden war.Die Bau BG H hatte mit Bescheid vom 16. Juli 1999 einen Arbeitsunfall des Klägers vom 11. November 1997 und Gesundheitsstörungen als dessen Folgen anerkannt und hatte ihm eine Rente als vorläufige Entschädigung vom 01. Mai 1999 bis auf weiteres bewilligt.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Bau BG H Bezirksverwaltung B für den vorliegenden Rechtsstreit beizuladen,
den Bescheid vom 29. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2005 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall gem. § 8 SGB VII anzuerkennen sowie dem Kläger aus Anlass dieses Unfalls Verletztengeld und eine anschließende Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 20 % zu gewähren
hilfsweise
dem Kläger eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt mindestens 20 % als Stützrente unter Einbeziehung der Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1991 zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, der Kläger habe zwar am Unfalltag der Meldepflicht unterlegen, aber er habe keine besondere, im Einzelfall an ihn gerichtete Aufforderung durch die Agentur für Arbeit erhalten. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII im Zusammenspiel mit § 309 Abs. 1 SGB III lasse keinen Zweifel daran, dass einerseits die (allgemeine) Meldepflicht sowie andererseits die besondere im Einzelfall an den Arbeitslosen gerichtete Aufforderung der Agentur für Arbeit zwingende Voraussetzung für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz sei. Fehle es nur an einer dieser Voraussetzungen, sei der gesetzliche Unfallversicherungsschutz zu verneinen. Der Gesetzgeber beabsichtige, mit diesem eindeutigen Wortlaut dem Versuch entgegenzuwirken, die Vorschrift so auszulegen, dass alle diejenigen, die während der Arbeitslosigkeit die Agentur für Arbeit oder andere Stellen aufsuchten, unfallversichert seien.
Mit Urteil vom 29. Januar 2007 hat das SG mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich der Hauptanträge zu Ziffer 1 und 3 zulässig und in Bezug auf den Hauptantrag zu Ziffer 2 unzulässig. Für eine entsprechende Elementenfeststellung bestehe insbesondere neben dem Antrag zu Ziffer 3 kein besonderes Feststellungsinteresse bzw. Rechtsschutzbedürfnis. Soweit die Klage in ihren Hauptanträgen zulässig sei, sei sie unbegründet. Der Kläger gehöre nicht zu dem unfallrechtlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII versicherten Personenkreis. Die dort genannten Voraussetzungen seien bei dem Kläger nicht erfüllt. Zwar habe er am Unfalltag der Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III unterlegen, er sei jedoch nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII aufgefordert worden, am 31. August 2004 die Agentur für Arbeit Berlin-Nord aufzusuchen. Eine solche Erklärung sei eine konkrete Willenserklärung, die im Zusammenhang mit den Aufgaben der Agentur für Arbeit stehe und erkennen lasse, dass ein bestimmtes Verhalten von dem Arbeitslosen erwartet werde. Dem Aufsuchen einer Dienststelle der Agentur für Arbeit im Rahmen einer so genannten "Drei-Monats-Meldung" liege keine besondere Aufforderung im Einzelfall zugrunde. Dies zeige auch die durch den Kläger vorgelegte Kopie seiner Meldebestätigung, die ausdrücklich die Spalte "nächste Meldung bis spätestens" enthalte. Dem Kläger habe es daher freigestanden, den genauen Zeitpunkt der Erfüllung seiner Obliegenheit selbst zu bestimmen. Im Interesse der Rechtssicherheit sei die Vorschrift bereits bewusst eng formuliert, in dem sie an das objektive Merkmal der Aufforderung im Einzelfall anknüpfe, das im Allgemeinen leicht feststellbar sei. Eine abweichende unfallversicherungsrechtliche Wertung würde bei Unfällen von Personen wie dem Kläger zu einer Beseitigung sämtlicher Abgrenzungskriterien und einer nicht gerechtfertigten Verlagerung allgemeiner Lebensrisiken in die gesetzliche Unfallversicherung führen.
Dem Antrag auf Beiladung der Bau Berufsgenossenschaft sei nicht zu entsprechen. Die Bau BG sei nicht nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beizuladen, da im hiesigen Verfahren nicht über den ursächlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ereignissen und den Gesundheitsstörungen des Klägers zu entscheiden sei. Berechtigte Interessen der Bau-BG könnten daher nicht berührt werden. Auch eine Sachdienlichkeit im Sinne einer einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG scheide vor diesem Hintergrund aus. Der Hilfsantrag des Klägers sei bereits unzulässig. Die Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1991 seien nicht Gegenstand des Vorverfahrens gewesen und unterfielen auch nicht der Entscheidungskompetenz der Beklagten, da es sich nicht um einen von ihr zu entschädigenden Unfall handelte.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03. Februar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Februar 2007 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers: Die Ausführungen des SG überzeugten nicht. Die "Drei-Monats-Meldung" beinhalte eine dem Kläger obliegende rechtliche Verpflichtung, deren Versäumung zu Sanktions- bzw. zu Rechtsverlusten führen könne. Insofern unterscheide sich diese Meldung nicht von einem konkreten, durch Aufforderung der Sachbearbeitung der Arbeitsagentur bestimmten Termin zur Vorsprache. Der einzige Unterschied sei tatsächlich der, dass die betreffende Person, für die nur die "Drei-Monats-Meldung" gelte, diesen Termin frei bestimmen könne und in aller Regel (etwas anderes sei jedenfalls dort aus langjähriger Praxis nicht bekannt), verbleibe es dann auch bei diesem einen Termin innerhalb von drei Monaten. Dadurch, dass es dem Kläger freigestanden habe, diesen Termin innerhalb der Drei-Monats-Frist frei zu bestimmen, sei sein Unfallrisiko jedoch nicht vermindert. Diese Meldung beinhalte jedenfalls dem Grunde nach eine "Aufforderung im Einzelfall", wenn auch versehen mit der freien Bestimmbarkeit dieses Termins. Dies sei vom Gesetzgeber auch so gewollt, da konkrete Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht mehr durchzuführen seien und also die Sachbearbeitung der Bundesagentur für Arbeit entlastet werden solle; dies insofern, als nicht kontrolliert werden müsse, ob die betreffende Person nun tatsächlich an einem konkret vereinbarten Termin erschienen sei oder nicht. Stattdessen müsse nur noch "dreimonatlich" geprüft werden. Irgendwelcher "Abgrenzungskriterien" bedürfe es insoweit nicht, zumal der Kläger den Nachweis seines Erscheinens am 31. August 2004 durch Vorlage seiner "Anmeldung" belegt habe. Er sei also nicht wahllos oder sonst ohne nachvollziehbaren Grund bei der Arbeitsagentur erschienen. Sein Erscheinen könne somit nicht dem "allgemeinen Lebensrisiko" zugerechnet werden. Die so genannte Drei-Monats-Meldung bzw. deren Einhaltung sei beispielsweise auch entscheidend für die Berücksichtigung so genannter Anrechnungszeiten der Arbeitslosigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2007 den Bescheid vom 29. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2005 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, 1. das Ereignis vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall gemäß § 8 SGB VII anzuerkennen und 2. dem Kläger aus Anlass dieses Unfalls Verletztengeld und 3. eine anschließende Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um zumindest 20 % zu gewähren
hilfsweise
dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt zumindest 20 % als Stützrente unter Einbeziehung der Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1991 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Im Berufungsverfahren wurde die Akte der Bundesagentur für Arbeit zur Kunden-Nr. bei gezogen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt (Schriftsatz vom 20. August 2007, Schriftsatz vom 28. August 2007).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten und der Akten der Bundesagentur für Arbeit, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die Klage ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag vom SG zutreffender weise abgewiesen worden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Antrag zu 1. ist unzulässig. Insoweit fehlt es dem Kläger an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die Anträge zu 2. und 3. die Beurteilung des Unfalls als Arbeitsunfall mit umfassen, ohne dass dem Antrag zu 1) eine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Mai 1988 - 2 RU 33/87 in USK 14/1988). Die Klage wäre zudem unbegründet, denn der Kläger verletzte sich nicht bei versicherter Tätigkeit, als er sich am 31. August 2004 auf der Treppe der Agentur für Arbeit Berlin-Nord verletzte.
Der Kläger kann Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen des streitgegenständlichen Ereignisses nicht beanspruchen, da das Ereignis vom 31. August 2004 auf der Treppe des Arbeitsamtes Berlin-Nord nicht als Versicherungsfall zu bewerten ist.
Nach § 56 Abs.1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf Rente.
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen zumindest die Zahl 20, besteht für jeden, auch für den früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern, § 56 Abs.1 S 2 SGB VII.
Anspruch auf Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig sind oder andere Voraussetzungen erfüllen, § 47 Abs.1 Nr.1 SGB VII. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten § 7 Abs.1 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII sind Personen versichert, die nach den Vorschriften des Zweiten oder Dritten Buches ( SGB II und III) der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit, eines nach § 6 a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers oder des nach § 6 Abs.1 S 1 Nr.2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen.
Der Kläger war zwar meldepflichtig im Sinne des § 309 SGB III, allerdings war eine Aufforderung im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.14 SGB VII an ihn nicht ergangen.
Entsprechend war der Kläger keiner besonderen, an ihn im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer der in § 2 Abs.1 Nr. 14 SGB VII genannten Stellen - insbesondere nicht der Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit - nachgekommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, als er am streitgegenständlichen Tag dort erschienen war.
Das Bundessozialgericht hat bereits in Entscheidungen zur Auslegung des Begriffs der Aufforderung der Vorgängervorschrift (§ 539 Abs. 1 Nr. 4 b Reichsversicherungsordnung (RVO)) darauf hingewiesen, dass unter einer "Aufforderung" mehr als ein stillschweigendes Einverständnis oder eine Anregung zu verstehen ist. Eine mit einer Bitte oder Empfehlung umschriebene Äußerung des Arbeitsamtes könne eine Aufforderung darstellen, sofern der Eindruck vermittelt werde, dass das persönliche Erscheinen notwendig sei und erwartet werde (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 22). Diese Rechtsgrundsätze hat das Bundessozialgericht auch unter der Geltung des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII beibehalten (BSG Urteil vom 24. Juni 2003- B 2 U 45/02 R - zitiert nach juris).
Nach diesen Maßstäben war der Kläger nicht aufgefordert worden und war daher nicht Versicherter im Sinne dieser Vorschrift, als er sich am 31. August 2004 auf der Treppe des Arbeitsamtes Berlin-Nord verletzte. Er war in keiner Weise weder schriftlich noch mündlich aufgefordert werden, an diesem Tag persönlich dort zu erscheinen. Der Kläger selbst trägt vor, dass es ihm freistand, den Termin im Rahmen der "Drei-Monats-Meldung" frei zu bestimmen. Er trägt nicht vor, eine Aufforderung erhalten zu haben. Allgemeine Hinweise, Empfehlungen und die Aushändigung von Merkblättern begründen den Versicherungsschutz nicht (BT-Drucks. 13/2204).
Die Auffassung des Klägers, auch die Verpflichtung zur "Drei-Monats-Meldung" beinhalte jedenfalls dem Grunde nach eine "Aufforderung im Einzelfall", wenn auch versehen mit der freien Bestimmbarkeit dieses Termins, lässt sich mit dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII nicht vereinbaren. Dort sind ausdrücklich die Anspruchsvoraussetzungen der Meldepflicht und der im Einzelfall erfolgten Aufforderung aufgeführt. Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Die vom Kläger gewünschte Ausweitung des § 2 Abs.1 Nr. 14 SGB VII würde einen zusätzlichen Tatbestand schaffen.
Der Vergleich des § 2 Abs.1 Nr. 14 SGB VII mit dem Wortlaut der Vorgängervorschrift der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergibt, dass die zur Meldepflicht zusätzlich geforderte Aufforderung im Einzelfall eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers war.
Die Tatbestandvoraussetzungen, die an die für den Unfallversicherungsschutz für Arbeitslose beim Aufsuchen des Arbeitsamtes erforderliche Aufforderung zu stellen sind, wurden vom Gesetzgeber des SGB VII gerade gegenüber dem weiteren Wortlaut der Vorgängervorschrift der RVO "präzisiert" (BT-Drucks 13/2204 S.75 zu Nr.14).
§ 539 Nr.4 RVO besagte: Personen, die nach den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung oder im Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes der Meldepflicht unterliegen, wenn sie a) zur Erfüllung ihrer Meldepflicht die hierfür bestimmte Stelle aufsuchen oder b) auf Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit oder einer seemännischen Heuerstelle diese oder andere Stellen aufsuchen.
Damit entsprechen die angefochtenen Bescheide der aktuellen Gesetzeslage.
Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Beurteilung des Unfalls des Klägers vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall und die Entschädigung der Folgen dieses Ereignisses mit Verletztengeld und einer Verletztenrente.
Der 1953 geborene Kläger hatte am 31. August 2004 das Arbeitsamt B aufgesucht, ohne einer besonderen, an ihn gerichteten Aufforderung nachgekommen zu sein. Nach der schriftlichen Auskunft der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit B vom 19. November 2004, hatte der Kläger dort am 31. August 2004 vorgesprochen, ohne dazu schriftlich eingeladen zu sein. Er habe sich grundsätzlich alle drei Monate melden müssen. Bei der Vorsprache am 31. August 2004 habe es sich um eine solche Meldung gehandelt.
Der vorliegenden Dokumentation der Agentur für Arbeit ist zu entnehmen, dass die letzten Meldungen des Klägers dort am 01. Juni 2004 und 31. August 2004 erfolgt waren.
Am 31. August 2004 war der Kläger beim Verlassen des Gebäudes gestolpert und mit dem rechten Fuß auf der Truppenstufe leicht abgerutscht, so dass er kurzzeitig mit dem rechten Fuß auf die nächst tiefere Stufe trat. Da er die Balance nicht halten konnte, sprang er die letzten beiden Treppenstufen bewusst hinab und kam mit dem linken Fuß zum Stehen. Der Durchgangsarzt erhob am 10. September 2004 als Befund: "Der Versicherte kommt mit einem leicht links hinkenden Gangbild zur Vorstellung. Am linken Hüftgelenk können endgradige Bewegungsschmerzen ausgelöst werden. Am linken Kniegelenk befindet sich eine starke Druckschmerzhaftigkeit am äußeren Kniegelenksspalt. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt mit Streckung/Beugung von 0-20-120 Grad. Es besteht kein infraartikulärer Erguss. Die Kreuz- und Seitenbänder sind stabil. Bei Prüfung des Valgus Stresses werden starke Schmerzen am äußeren Kniegelenksspalt angegeben. DMS des linken Beines intakt".
Mit Bescheid vom 29. März 2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 31. August 2004 ab: Der Kläger sei keine versicherte Person nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 Siebentes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), die nach den Vorschriften des SGB III der Meldepflicht unterliege, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit nachkomme, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Den dagegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2005 zurückgewiesen.
Mit der am 03. November 2005 beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall und auf Zahlung von Verletztengeld und Verletztenrente weiterverfolgt. Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, der Kläger habe am 31. August 2004 das Arbeitsamt Berlin-Nord aufgesucht, um dort seiner Verpflichtung zur persönlichen Meldung nachzukommen. Der Termin sei beim Arbeitsamt auch dokumentiert in der Auflistung über die persönlichen Meldungen des Klägers. Ein Arbeitsunfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII liege vor. Tatbestandlich solle derjenige dem Unfallversicherungsschutz unterfallen, der aufgefordert werde, sich bei der Bundesagentur für Arbeit persönlich vorzustellen. Nicht erfasst werden solle hingegen derjenige, der die Arbeitsagentur ohne eine solche Aufforderung aufsuche. Dahinter stehe der Gedanke, dass der Unfallversicherungsschutz nicht allumfassend auf sämtliche Personen ausgedehnt werden solle, die aus "sonstigen Gründen" die Arbeitsagentur aufsuchten. Es solle nur derjenige Personenkreis dem Versicherungsschutz unterfallen, der entweder im Leistungsbezug der Arbeitsagentur stehe oder aber der sich zumindest zur Vermittlung zur Verfügung gestellt habe. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die so genannte "Drei-Monats-Meldung" dem Unfallversicherungsschutz nicht unterfallen solle. Sie diene allein der Verwaltungsvereinfachung. Auch die Verpflichtung des arbeitslos bzw. arbeitssuchend Gemeldeten, in regelmäßigen Abständen von drei Monaten vorzusprechen, beinhalte somit eine "besondere Aufforderung", zumal der Termin, an dem die Vorsprache zu erfolgen habe, taggenau vorbestimmt sei.
Der Unfall vom 31. August 2004 habe zumindest eine richtunggebende Verschlimmerung der anlässlich seines Unfalls aus dem Jahre 1991 bei seiner Tätigkeit als Vorarbeiter bei der ARGE KRzurückbehaltenen Beeinträchtigungen bewirkt. Bei diesem Unfall sei er von einem Bolzen am linken Knie getroffen worden. Er fügte ein Schreiben der Bau BG H vom 15. Juni 2005 bei, wonach dort ein Unfallereignis aus dem Jahr 1991 nicht angezeigt worden war.Die Bau BG H hatte mit Bescheid vom 16. Juli 1999 einen Arbeitsunfall des Klägers vom 11. November 1997 und Gesundheitsstörungen als dessen Folgen anerkannt und hatte ihm eine Rente als vorläufige Entschädigung vom 01. Mai 1999 bis auf weiteres bewilligt.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Bau BG H Bezirksverwaltung B für den vorliegenden Rechtsstreit beizuladen,
den Bescheid vom 29. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2005 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall gem. § 8 SGB VII anzuerkennen sowie dem Kläger aus Anlass dieses Unfalls Verletztengeld und eine anschließende Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 20 % zu gewähren
hilfsweise
dem Kläger eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt mindestens 20 % als Stützrente unter Einbeziehung der Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1991 zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, der Kläger habe zwar am Unfalltag der Meldepflicht unterlegen, aber er habe keine besondere, im Einzelfall an ihn gerichtete Aufforderung durch die Agentur für Arbeit erhalten. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII im Zusammenspiel mit § 309 Abs. 1 SGB III lasse keinen Zweifel daran, dass einerseits die (allgemeine) Meldepflicht sowie andererseits die besondere im Einzelfall an den Arbeitslosen gerichtete Aufforderung der Agentur für Arbeit zwingende Voraussetzung für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz sei. Fehle es nur an einer dieser Voraussetzungen, sei der gesetzliche Unfallversicherungsschutz zu verneinen. Der Gesetzgeber beabsichtige, mit diesem eindeutigen Wortlaut dem Versuch entgegenzuwirken, die Vorschrift so auszulegen, dass alle diejenigen, die während der Arbeitslosigkeit die Agentur für Arbeit oder andere Stellen aufsuchten, unfallversichert seien.
Mit Urteil vom 29. Januar 2007 hat das SG mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich der Hauptanträge zu Ziffer 1 und 3 zulässig und in Bezug auf den Hauptantrag zu Ziffer 2 unzulässig. Für eine entsprechende Elementenfeststellung bestehe insbesondere neben dem Antrag zu Ziffer 3 kein besonderes Feststellungsinteresse bzw. Rechtsschutzbedürfnis. Soweit die Klage in ihren Hauptanträgen zulässig sei, sei sie unbegründet. Der Kläger gehöre nicht zu dem unfallrechtlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII versicherten Personenkreis. Die dort genannten Voraussetzungen seien bei dem Kläger nicht erfüllt. Zwar habe er am Unfalltag der Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III unterlegen, er sei jedoch nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII aufgefordert worden, am 31. August 2004 die Agentur für Arbeit Berlin-Nord aufzusuchen. Eine solche Erklärung sei eine konkrete Willenserklärung, die im Zusammenhang mit den Aufgaben der Agentur für Arbeit stehe und erkennen lasse, dass ein bestimmtes Verhalten von dem Arbeitslosen erwartet werde. Dem Aufsuchen einer Dienststelle der Agentur für Arbeit im Rahmen einer so genannten "Drei-Monats-Meldung" liege keine besondere Aufforderung im Einzelfall zugrunde. Dies zeige auch die durch den Kläger vorgelegte Kopie seiner Meldebestätigung, die ausdrücklich die Spalte "nächste Meldung bis spätestens" enthalte. Dem Kläger habe es daher freigestanden, den genauen Zeitpunkt der Erfüllung seiner Obliegenheit selbst zu bestimmen. Im Interesse der Rechtssicherheit sei die Vorschrift bereits bewusst eng formuliert, in dem sie an das objektive Merkmal der Aufforderung im Einzelfall anknüpfe, das im Allgemeinen leicht feststellbar sei. Eine abweichende unfallversicherungsrechtliche Wertung würde bei Unfällen von Personen wie dem Kläger zu einer Beseitigung sämtlicher Abgrenzungskriterien und einer nicht gerechtfertigten Verlagerung allgemeiner Lebensrisiken in die gesetzliche Unfallversicherung führen.
Dem Antrag auf Beiladung der Bau Berufsgenossenschaft sei nicht zu entsprechen. Die Bau BG sei nicht nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beizuladen, da im hiesigen Verfahren nicht über den ursächlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ereignissen und den Gesundheitsstörungen des Klägers zu entscheiden sei. Berechtigte Interessen der Bau-BG könnten daher nicht berührt werden. Auch eine Sachdienlichkeit im Sinne einer einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG scheide vor diesem Hintergrund aus. Der Hilfsantrag des Klägers sei bereits unzulässig. Die Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1991 seien nicht Gegenstand des Vorverfahrens gewesen und unterfielen auch nicht der Entscheidungskompetenz der Beklagten, da es sich nicht um einen von ihr zu entschädigenden Unfall handelte.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03. Februar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Februar 2007 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers: Die Ausführungen des SG überzeugten nicht. Die "Drei-Monats-Meldung" beinhalte eine dem Kläger obliegende rechtliche Verpflichtung, deren Versäumung zu Sanktions- bzw. zu Rechtsverlusten führen könne. Insofern unterscheide sich diese Meldung nicht von einem konkreten, durch Aufforderung der Sachbearbeitung der Arbeitsagentur bestimmten Termin zur Vorsprache. Der einzige Unterschied sei tatsächlich der, dass die betreffende Person, für die nur die "Drei-Monats-Meldung" gelte, diesen Termin frei bestimmen könne und in aller Regel (etwas anderes sei jedenfalls dort aus langjähriger Praxis nicht bekannt), verbleibe es dann auch bei diesem einen Termin innerhalb von drei Monaten. Dadurch, dass es dem Kläger freigestanden habe, diesen Termin innerhalb der Drei-Monats-Frist frei zu bestimmen, sei sein Unfallrisiko jedoch nicht vermindert. Diese Meldung beinhalte jedenfalls dem Grunde nach eine "Aufforderung im Einzelfall", wenn auch versehen mit der freien Bestimmbarkeit dieses Termins. Dies sei vom Gesetzgeber auch so gewollt, da konkrete Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht mehr durchzuführen seien und also die Sachbearbeitung der Bundesagentur für Arbeit entlastet werden solle; dies insofern, als nicht kontrolliert werden müsse, ob die betreffende Person nun tatsächlich an einem konkret vereinbarten Termin erschienen sei oder nicht. Stattdessen müsse nur noch "dreimonatlich" geprüft werden. Irgendwelcher "Abgrenzungskriterien" bedürfe es insoweit nicht, zumal der Kläger den Nachweis seines Erscheinens am 31. August 2004 durch Vorlage seiner "Anmeldung" belegt habe. Er sei also nicht wahllos oder sonst ohne nachvollziehbaren Grund bei der Arbeitsagentur erschienen. Sein Erscheinen könne somit nicht dem "allgemeinen Lebensrisiko" zugerechnet werden. Die so genannte Drei-Monats-Meldung bzw. deren Einhaltung sei beispielsweise auch entscheidend für die Berücksichtigung so genannter Anrechnungszeiten der Arbeitslosigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2007 den Bescheid vom 29. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2005 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, 1. das Ereignis vom 31. August 2004 als Arbeitsunfall gemäß § 8 SGB VII anzuerkennen und 2. dem Kläger aus Anlass dieses Unfalls Verletztengeld und 3. eine anschließende Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um zumindest 20 % zu gewähren
hilfsweise
dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt zumindest 20 % als Stützrente unter Einbeziehung der Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1991 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Im Berufungsverfahren wurde die Akte der Bundesagentur für Arbeit zur Kunden-Nr. bei gezogen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt (Schriftsatz vom 20. August 2007, Schriftsatz vom 28. August 2007).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten und der Akten der Bundesagentur für Arbeit, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die Klage ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag vom SG zutreffender weise abgewiesen worden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Antrag zu 1. ist unzulässig. Insoweit fehlt es dem Kläger an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die Anträge zu 2. und 3. die Beurteilung des Unfalls als Arbeitsunfall mit umfassen, ohne dass dem Antrag zu 1) eine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Mai 1988 - 2 RU 33/87 in USK 14/1988). Die Klage wäre zudem unbegründet, denn der Kläger verletzte sich nicht bei versicherter Tätigkeit, als er sich am 31. August 2004 auf der Treppe der Agentur für Arbeit Berlin-Nord verletzte.
Der Kläger kann Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen des streitgegenständlichen Ereignisses nicht beanspruchen, da das Ereignis vom 31. August 2004 auf der Treppe des Arbeitsamtes Berlin-Nord nicht als Versicherungsfall zu bewerten ist.
Nach § 56 Abs.1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf Rente.
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen zumindest die Zahl 20, besteht für jeden, auch für den früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern, § 56 Abs.1 S 2 SGB VII.
Anspruch auf Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig sind oder andere Voraussetzungen erfüllen, § 47 Abs.1 Nr.1 SGB VII. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten § 7 Abs.1 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII sind Personen versichert, die nach den Vorschriften des Zweiten oder Dritten Buches ( SGB II und III) der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit, eines nach § 6 a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers oder des nach § 6 Abs.1 S 1 Nr.2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen.
Der Kläger war zwar meldepflichtig im Sinne des § 309 SGB III, allerdings war eine Aufforderung im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.14 SGB VII an ihn nicht ergangen.
Entsprechend war der Kläger keiner besonderen, an ihn im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer der in § 2 Abs.1 Nr. 14 SGB VII genannten Stellen - insbesondere nicht der Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit - nachgekommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, als er am streitgegenständlichen Tag dort erschienen war.
Das Bundessozialgericht hat bereits in Entscheidungen zur Auslegung des Begriffs der Aufforderung der Vorgängervorschrift (§ 539 Abs. 1 Nr. 4 b Reichsversicherungsordnung (RVO)) darauf hingewiesen, dass unter einer "Aufforderung" mehr als ein stillschweigendes Einverständnis oder eine Anregung zu verstehen ist. Eine mit einer Bitte oder Empfehlung umschriebene Äußerung des Arbeitsamtes könne eine Aufforderung darstellen, sofern der Eindruck vermittelt werde, dass das persönliche Erscheinen notwendig sei und erwartet werde (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 22). Diese Rechtsgrundsätze hat das Bundessozialgericht auch unter der Geltung des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII beibehalten (BSG Urteil vom 24. Juni 2003- B 2 U 45/02 R - zitiert nach juris).
Nach diesen Maßstäben war der Kläger nicht aufgefordert worden und war daher nicht Versicherter im Sinne dieser Vorschrift, als er sich am 31. August 2004 auf der Treppe des Arbeitsamtes Berlin-Nord verletzte. Er war in keiner Weise weder schriftlich noch mündlich aufgefordert werden, an diesem Tag persönlich dort zu erscheinen. Der Kläger selbst trägt vor, dass es ihm freistand, den Termin im Rahmen der "Drei-Monats-Meldung" frei zu bestimmen. Er trägt nicht vor, eine Aufforderung erhalten zu haben. Allgemeine Hinweise, Empfehlungen und die Aushändigung von Merkblättern begründen den Versicherungsschutz nicht (BT-Drucks. 13/2204).
Die Auffassung des Klägers, auch die Verpflichtung zur "Drei-Monats-Meldung" beinhalte jedenfalls dem Grunde nach eine "Aufforderung im Einzelfall", wenn auch versehen mit der freien Bestimmbarkeit dieses Termins, lässt sich mit dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII nicht vereinbaren. Dort sind ausdrücklich die Anspruchsvoraussetzungen der Meldepflicht und der im Einzelfall erfolgten Aufforderung aufgeführt. Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Die vom Kläger gewünschte Ausweitung des § 2 Abs.1 Nr. 14 SGB VII würde einen zusätzlichen Tatbestand schaffen.
Der Vergleich des § 2 Abs.1 Nr. 14 SGB VII mit dem Wortlaut der Vorgängervorschrift der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergibt, dass die zur Meldepflicht zusätzlich geforderte Aufforderung im Einzelfall eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers war.
Die Tatbestandvoraussetzungen, die an die für den Unfallversicherungsschutz für Arbeitslose beim Aufsuchen des Arbeitsamtes erforderliche Aufforderung zu stellen sind, wurden vom Gesetzgeber des SGB VII gerade gegenüber dem weiteren Wortlaut der Vorgängervorschrift der RVO "präzisiert" (BT-Drucks 13/2204 S.75 zu Nr.14).
§ 539 Nr.4 RVO besagte: Personen, die nach den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung oder im Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes der Meldepflicht unterliegen, wenn sie a) zur Erfüllung ihrer Meldepflicht die hierfür bestimmte Stelle aufsuchen oder b) auf Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit oder einer seemännischen Heuerstelle diese oder andere Stellen aufsuchen.
Damit entsprechen die angefochtenen Bescheide der aktuellen Gesetzeslage.
Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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