L 29 B 1575/07 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 8306/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 1575/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2007 aufgehoben. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für das Klage- und das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten für ein unter dem Az. S 65 AS 8306/05 registriertes Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin.

Der Kläger bezog bis zum 16. März 2004 Arbeitslosengeld. Nach Ablauf einer ABM beantragte er bei dem Beklagten ab dem 1. Juni 2005 Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 28. Juni 2005 bewilligte der Beklagte ihm für den Monat Juni 2005 Leistungen in Höhe von 323,29 EUR und für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 30. September 2005 Leistungen in Höhe von 292,53 EUR monatlich, wobei ein Zuschlag nach § 24 SGB II nicht berücksichtigt wurde. Hiergegen erhob der Kläger am 18. Juli 2005 Widerspruch. Auch in dem darauf ergangenen Änderungsbescheid vom 3. August 2005, mit dem der Beklagte nunmehr für den Monat Juni 2005 Leistungen in Höhe von 353,29 EUR und für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 30. September 2005 Leistungen in Höhe von 322,53 EUR monatlich bewilligte, wurde dieser Zuschlag nicht berücksichtigt.

Am 29. August 2005 hat der Kläger gegen diese Bescheide Klage vor dem Sozialgericht Berlin mit dem Antrag erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II für den Monat Juni 2005 in Höhe von 461,36 EUR und ab dem 1. Juli 2005 monatlich in Höhe von 430,60 EUR zu zahlen.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid vom 4. Oktober 2005 erlassen, mit dem er dem Kläger für den Monat Juni 2005 Leistungen in Höhe von 381,36 EUR und für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 30. September 2005 Leistungen in Höhe von 350,60 EUR monatlich bewilligt hat, und sodann mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 4. Oktober 2005 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Juni 2005 in Gestalt des Bescheides vom 4. Oktober 2005 zurückgewiesen hat. Ein Zuschlag nach § 24 SGB II stehe dem Kläger nicht zu.

Auf Hinweis des Sozialgerichts vom 12. Februar 2007 hat der Beklagte schließlich mit Änderungsbescheid vom 21. März 2007 dem Kläger Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung des Zuschlages nach § 24 SGB II in der beantragten Höhe von 461,36 EUR für Juni 2005 und ab Juli 2005 430,60 EUR in Höhe von monatlich bewilligt.

Mit Schriftsatz vom 11. April 2007 hat daraufhin der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,

dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 11. Juli 2007 eine Kostenerstattung durch den Beklagten abgelehnt. Gegen den den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 20. August 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten (verwiesen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht Berlin hat mit dem Beschluss vom 11. Juli 2007 den Antrag des Klägers auf Kostenerstattung zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin.

Nach § 193 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird (§ 193 Abs. 1 Satz 3 SGG). Die Kostenentscheidung ist hierbei unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten der Klage zu treffen (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 193 Rz. 13 m.w.N.), wobei die Rechtsgedanken der §§ 91 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ergänzend herangezogen werden können.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles hat der Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin zu erstatten.

Zwar ist dem Sozialgericht insoweit zuzustimmen, dass die Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung (29. August 2005) unzulässig war. Es fehlte an einem abgeschlossenen Vorverfahren im Sinne von § 78 SGG. Der Kläger hatte gegen die angegriffenen Bescheide zwar Widerspruch erhoben, dieser war jedoch noch nicht abschließend beschieden worden. Der Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2005 erging erst während des laufenden Klageverfahrens.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts handelte es sich jedoch bei der Klage nicht um eine Untätigkeitsklage, sondern um eine so genannte kombinierte Anfechtungs-/Leistungsklage im Sinne von § 54 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 Rn. 37). Entsprechend dem Antrag aus der Klageschrift begehrte der Kläger von vornherein die Änderung der Bewilligungsbescheide und die Zahlung eines bestimmten Leistungsbetrages unter Berücksichtigung eines Zuschlages nach § 24 SGB II. Als Leistungsbetrag beantragte der Kläger 461,36 EUR für den Monat Juni 2005 und ab Juli 2005 monatliche Leistungen in Höhe von 430,60 EUR. Exakt diese Beträge bewilligte der Beklagte schließlich während des Klageverfahrens für den streitbefangenen Zeitraum mit dem Änderungsbescheid vom 21. März 2007.

Durch die Nichtberücksichtigung des Zuschlages nach § 24 SGB II hat der Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben. Erst im gerichtlichen Verfahren und nach Hinweis des Sozialgerichts berücksichtigte er den Zuschlag. Zudem führte die vom Kläger erhobene Klage für ihn auch zum Erfolg; seinem Begehren wurde in vollem Umfang durch den Änderungsbescheid vom 21. März 2007 entsprochen. Führt jedoch der Beklagte durch Erfüllung des Klagebegehrens letztlich die Erledigung herbei, so spricht auch dies grundsätzlich dafür, ihm die Kosten aufzuerlegen (vgl. auch Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rn. 13).

Dass die Klage mangels abgeschlossenen Vorverfahrens zunächst unzulässig war, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Dieser Mangel wurde im Klageverfahren durch Erteilung des Widerspruchsbescheides geheilt. Die Heilung einer Prozessvoraussetzung kann in der Tatsacheninstanz bis zur letzten mündlichen Verhandlung (im schriftlichen Verfahren bis zur Herausgabe des Urteils durch die Geschäftsstelle) erfolgen (Leitherer in Meyer - Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 78 Rn. 3 m.w.N.). Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes bis zur Erledigung des Rechtsstreites ist die ehemals fehlende Prozessvoraussetzung daher nicht mehr maßgeblich.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved