Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 3344/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 71/08 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2008 geändert.
Ihr wird zur Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren Rechtsanwalt S S-F beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1912 geborene Klägerin lebt seit Jahren in einem Altenpflegeheim, zu deren Kosten sie mit ihrer Rente beiträgt. Im Übrigen kommt für den ungedeckten Teil der vollstationären Maßnahme der Beklagte als Träger der Sozialhilfe nach Maßgabe der §§ 61 ff des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf. In der Hauptsache ist streitig, ob der Beklagte jährlich einen Betrag von 15,70 Euro für eine Haftpflichtversicherung der Klägerin einkommensmindernd zu berücksichtigen hat.
Das Sozialgericht hat der Klägerin mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe gewährt, weil die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die beantragte Beiordnung von Rechtsanwalt S-F hat es jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass anwaltliche Vertretung im vorliegenden Fall nicht im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten geboten. Danach könne die bedürftige Klägerin nicht besser gestellt werden als ein vermögender 95jähriger Kläger, der angesichts des Streitgegenstandes (der Absetzung von 15 Euro/Jahr) einerseits und der durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes andererseits ausgelösten Rahmengebühren ( die vorliegend einen Betrag erreichen würden, der die begehrte Absetzung selbst für die nächsten 20 Jahre weit überstiege) wegen des Kostenrisikos von der Beauftragung eines Anwaltes Abstand nehmen würde.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht durfte das Gesuch, ihr Rechtsanwalt S-F beizuordnen, nicht ablehnen (zur Unterscheidung zwischen der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der über die Beiordnung eines Anwalts s. beispielsweise Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. November 2007 – 3 AZB 26/07 –, in NJW 2008, 604).
Ist – wie vor dem Sozialgericht – eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzung für die erste Alternative ist erfüllt. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, dass der Hilfebedürftige nicht im Stande sein wird, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. statt vieler etwa Zöller/Philippi, ZPO 25. Auflage 2005 § 121 Rz. 4). Zu berücksichtigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten ebenso wie deren Bildungshorizont und Ausdrucksfähigkeit. Maßstab ist auch, ob ein Beteiligter, der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde (s. den Beschluss des Senats vom 29. März 2006 – L 15 B 51/06 SO PKH, veröffentlicht in "Juris").
Bereits diese gängigen Umschreibungen des Begriffs "erforderlich" indizieren, dass der "Streitwert" für die Auslegung nicht ohne Weiteres Bedeutung hat. Ob für die Beiordnung der bloße Wert des Streitgegenstandes ausschlaggebend sein kann, der nichts über die Bedeutung der Sache an sich aussagen muss, und bei welchem Betrag gegebenenfalls eine Grenze zu ziehen wäre, muss hier aber nicht abschließend entschieden werden. Zwar stellt die Prozesskostenhilfe eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes dar, was zur Folge hat, dass Hilfesuchende wegen des für Soziahilfe und Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzip verpflichtet sind, die dem Justizfiskus entstehenden Kosten gering zu halten (vgl. BSG, Beschluss vom 12. März 1996 – 9 RV 24/94 – in SozR 3-1500 § 73 a Nr. 4 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass bedürftige Rechtsschutzsuchende bei geringen Streitwerten generell nicht berechtigt sein können, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu verlangen. Dies würde sie ihn ihrem Anspruch auf Rechtsschutzes verletzen (hierzu allgemein Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2001 – 1 BvR 391/01 –, Breithaupt 2002, 486).
Die Annahme des Sozialgerichts, dass ein vermögender Kläger mit Rücksicht auf das (im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin geringe) Kostenrisiko im vorliegenden Fall von der Beauftragung eines Anwalts Abstand nehmen würde, ist jedenfalls nicht zwingend und spricht deshalb nicht gegen die Erforderlichkeit: Denn wenn eine Klage wenigstens eine hinreichende Erfolgsaussicht hat – was das Sozialgericht bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ja angenommen hat –, könnte der Umstand, dass ein vermögender Kläger das Kostenrisiko nicht scheuen muss, ihn ebenso gut veranlassen, einen Anwalt auch dann hinzuziehen, wenn im die Sache selbst bei kleinem Streitwert wichtig erscheint.
Im vorliegenden Fall ist eine Vertretung der Klägerin durch einen Anwalt bereits deshalb erforderlich, weil sie gar nicht in der Lage ist, den Rechtsstreit allein zu führen. Sie ist 95 Jahre al, in erheblichem Umfang pflegebedürftig und kann ihre Angelegenheiten im wesentlichen nicht mehr selbst regeln. Aus diesem Grund ist Rechtsanwalt S-F bereits zu ihrem Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden bestellt worden.
Soweit der Senat früher die Auffassung vertreten hat, dass die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 121 ZPO nicht in Betracht kommt, der für einen Antragsteller als Berufsbetreuer mit einem Aufgabenkreis bestellt ist, zu dem der Streitgegenstand des Sozialgerichtsverfahrens gehört, hält er daran mit Rücksicht auf den Beschluss des 12. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 20. Dezember 2006 – XII ZB 118/03 – (zitiert nach Juris) nicht mehr fest. Nach dieser Entscheidung ist der Anwaltsbetreuer gerade aus dem Gesichtspunkt einer kostensparenden Amtsführung verpflichtet, für die gerichtliche Vertretung des Betroffenen Prozesskostenhilfe zu beantragen, so dass er im Falle der Bewilligung (nur) die Gebühren eines beigeordneten Rechtsanwaltes nach § 49 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erhält.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Ihr wird zur Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren Rechtsanwalt S S-F beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1912 geborene Klägerin lebt seit Jahren in einem Altenpflegeheim, zu deren Kosten sie mit ihrer Rente beiträgt. Im Übrigen kommt für den ungedeckten Teil der vollstationären Maßnahme der Beklagte als Träger der Sozialhilfe nach Maßgabe der §§ 61 ff des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf. In der Hauptsache ist streitig, ob der Beklagte jährlich einen Betrag von 15,70 Euro für eine Haftpflichtversicherung der Klägerin einkommensmindernd zu berücksichtigen hat.
Das Sozialgericht hat der Klägerin mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe gewährt, weil die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die beantragte Beiordnung von Rechtsanwalt S-F hat es jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass anwaltliche Vertretung im vorliegenden Fall nicht im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten geboten. Danach könne die bedürftige Klägerin nicht besser gestellt werden als ein vermögender 95jähriger Kläger, der angesichts des Streitgegenstandes (der Absetzung von 15 Euro/Jahr) einerseits und der durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes andererseits ausgelösten Rahmengebühren ( die vorliegend einen Betrag erreichen würden, der die begehrte Absetzung selbst für die nächsten 20 Jahre weit überstiege) wegen des Kostenrisikos von der Beauftragung eines Anwaltes Abstand nehmen würde.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht durfte das Gesuch, ihr Rechtsanwalt S-F beizuordnen, nicht ablehnen (zur Unterscheidung zwischen der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der über die Beiordnung eines Anwalts s. beispielsweise Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. November 2007 – 3 AZB 26/07 –, in NJW 2008, 604).
Ist – wie vor dem Sozialgericht – eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzung für die erste Alternative ist erfüllt. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, dass der Hilfebedürftige nicht im Stande sein wird, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. statt vieler etwa Zöller/Philippi, ZPO 25. Auflage 2005 § 121 Rz. 4). Zu berücksichtigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten ebenso wie deren Bildungshorizont und Ausdrucksfähigkeit. Maßstab ist auch, ob ein Beteiligter, der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde (s. den Beschluss des Senats vom 29. März 2006 – L 15 B 51/06 SO PKH, veröffentlicht in "Juris").
Bereits diese gängigen Umschreibungen des Begriffs "erforderlich" indizieren, dass der "Streitwert" für die Auslegung nicht ohne Weiteres Bedeutung hat. Ob für die Beiordnung der bloße Wert des Streitgegenstandes ausschlaggebend sein kann, der nichts über die Bedeutung der Sache an sich aussagen muss, und bei welchem Betrag gegebenenfalls eine Grenze zu ziehen wäre, muss hier aber nicht abschließend entschieden werden. Zwar stellt die Prozesskostenhilfe eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes dar, was zur Folge hat, dass Hilfesuchende wegen des für Soziahilfe und Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzip verpflichtet sind, die dem Justizfiskus entstehenden Kosten gering zu halten (vgl. BSG, Beschluss vom 12. März 1996 – 9 RV 24/94 – in SozR 3-1500 § 73 a Nr. 4 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass bedürftige Rechtsschutzsuchende bei geringen Streitwerten generell nicht berechtigt sein können, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu verlangen. Dies würde sie ihn ihrem Anspruch auf Rechtsschutzes verletzen (hierzu allgemein Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2001 – 1 BvR 391/01 –, Breithaupt 2002, 486).
Die Annahme des Sozialgerichts, dass ein vermögender Kläger mit Rücksicht auf das (im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin geringe) Kostenrisiko im vorliegenden Fall von der Beauftragung eines Anwalts Abstand nehmen würde, ist jedenfalls nicht zwingend und spricht deshalb nicht gegen die Erforderlichkeit: Denn wenn eine Klage wenigstens eine hinreichende Erfolgsaussicht hat – was das Sozialgericht bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ja angenommen hat –, könnte der Umstand, dass ein vermögender Kläger das Kostenrisiko nicht scheuen muss, ihn ebenso gut veranlassen, einen Anwalt auch dann hinzuziehen, wenn im die Sache selbst bei kleinem Streitwert wichtig erscheint.
Im vorliegenden Fall ist eine Vertretung der Klägerin durch einen Anwalt bereits deshalb erforderlich, weil sie gar nicht in der Lage ist, den Rechtsstreit allein zu führen. Sie ist 95 Jahre al, in erheblichem Umfang pflegebedürftig und kann ihre Angelegenheiten im wesentlichen nicht mehr selbst regeln. Aus diesem Grund ist Rechtsanwalt S-F bereits zu ihrem Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden bestellt worden.
Soweit der Senat früher die Auffassung vertreten hat, dass die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 121 ZPO nicht in Betracht kommt, der für einen Antragsteller als Berufsbetreuer mit einem Aufgabenkreis bestellt ist, zu dem der Streitgegenstand des Sozialgerichtsverfahrens gehört, hält er daran mit Rücksicht auf den Beschluss des 12. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 20. Dezember 2006 – XII ZB 118/03 – (zitiert nach Juris) nicht mehr fest. Nach dieser Entscheidung ist der Anwaltsbetreuer gerade aus dem Gesichtspunkt einer kostensparenden Amtsführung verpflichtet, für die gerichtliche Vertretung des Betroffenen Prozesskostenhilfe zu beantragen, so dass er im Falle der Bewilligung (nur) die Gebühren eines beigeordneten Rechtsanwaltes nach § 49 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erhält.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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