L 22 U 124/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 96/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 124/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. August 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Gewährung von Verletztengeld aus Anlass der Folgen eines Arbeitsunfalls des Klägers.

Der 1982 geborene Kläger hat im Sommer 2002 die Schulzeit mit einem erweiterten Hauptschulabschluss beendet. Hieran anschließend folgte eine dreiwöchige Tätigkeit bei M. Im Anschluss an diese Tätigkeit war der Kläger als arbeitssuchend beim Arbeitsamt Berlin-Nord zur Kundennummer gemeldet.

Beginnend mit dem 30. April 2003 nahm der Kläger an einer (Weiter-)bildungsmaßnahme teil mit dem Ziel des Abschlusses zum Zweiradmechaniker mit einer vorgesehenen Dauer bis 29. August 2005, die von der T GmbH Niederlassung J durchgeführt wurde. Voraussetzung der Bildungsmaßnahme war ein Alter zwischen 20 und 24 Jahren und kein Berufsabschluss.

Die Bundesanstalt für Arbeit war Trägerin dieser Maßnahme, die Mittel kamen aus dem Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Sie bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Mai 2003 für den Weiterbildungszeitraum Lehrgangskosten (11.434,08 Euro) sowie Unterhaltsgeld (insgesamt 12.880 Euro) in monatlichen Raten zu 460 Euro gemäß den Richtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau von Jugendarbeitslosigkeit - Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung Jugendlicher (Sofortprogramm-Richtlinien-SPR (SPR)) vom 01. Dezember 1999 (BAnz S. 19801), geändert am 06. Juni 2003 (BAnz S. 12907), geändert am 14. November 2003, BAnz S. 24380).

Der Kläger war arbeitsunfähig zunächst vom 11. Mai bis 20. Mai 2005. Für diese Zeit war im von seinem behandelnden Arzt mit einer Folgebescheinigung Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden. Während dieser Zeit der Arbeitsunfähigkeit war der Kläger familienversichert. Als er am 20. Mai 2005 mit seinem Motorrad zur Bildungseinrichtung der T gefahren war, um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abzugeben, wurde der Kläger im Straßenverkehr verletzt und wurde infolgedessen arbeitsunfähig. Er wurde am 20. Mai 2005 stationär behandelt in der Charité (Aufnahmezeit 13.12 Uhr) u. a. wegen verschiedener Frakturen und Traumata. Er brach die Bildungsmaßnahme am 20. Mai 2005 unfallbedingt ab. Die Zahlung des SPR-Unterhaltsgeldes wurde bis 28. Juli 2005 erbracht.

Die Beklagte holte eine Auskunft der Bundesagentur ein, die mit Schreiben vom 04. Oktober 2005 mitteilte, das dem Kläger bewilligte Unterhaltsgeld sei nach den Richtlinien der Jugendarbeitslosigkeit (Sofortprogramm SPR) gezahlt worden und sei keine vergleichbare Leistung nach § 153 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Leistung werde aus EU-Mitteln finanziert.

Mit Bescheid vom 05. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Verletztengeld aufgrund seines Unfalls vom 20. Mai 2005 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe das SPR-Unterhaltsgeld für die Zeit des Unfalls bezogen. Diese Mittel stammten aus dem Europäischen Sozialfonds. Der unterstütze und ergänze u. a. auch die Tätigkeiten der europäischen Mitgliedsstaaten zur Entwicklung des Arbeitsmarktes. Das Unterhaltsgeld stelle kein Arbeitseinkommen dar, da es nicht im Rahmen einer Beschäftigung gezahlt worden sei (§ 14 i. V. m. § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)). Es handele sich bei dem SPR-Unterhaltsgeld auch nicht um das reguläre Unterhaltsgeld, welches durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 153 SGB III gezahlt werde. Nur derartiges Unterhalsgeld würde einen Anspruch auf Verletztengeld begründen. Das Unterhaltsgeld aus dem Europäischen Sozialfonds beruhe auf der Fürsorge der Europäischen Gemeinschaft und sei damit keine Lohnersatzleistung, die in § 45 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) genannt sei. Da es sich bei den in § 45 SGB VII genannten Leistungen um eine abschließende Aufzählung handele, begründe das SPR-Unterhaltsgeld keinen Anspruch auf Verletztengeld. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. Januar 2006 als unbegründet zurück.

Mit Bescheid vom 08. Februar 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger "wegen der Folgen Ihres Versicherungsfalls vom 20. Mai 2005" eine Rente als vorläufige Entschädigung. Mit Bescheid vom 11. April 2007 wurde der Bescheid wegen Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes nach § 48 SGB X geändert.

Mit der am 06. Februar 2006 beim Sozialgericht (SG) eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld weiter verfolgt. Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, schon § 47 Abs. 2 SGB VII zeige, dass auch Versicherte, die Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld erhalten haben, Verletztengeld erhielten. Darüber hinaus unterfalle das vom Kläger bezogene SPR-Unterhaltsgeld dem Anwendungsbereich des § 45 SGB VII. Ein Ausschluss dieses Geldes sei der Norm nicht zu entnehmen. Auch eine systematische Auslegung der Norm spreche gegen die Rechtsansicht der Beklagten. Denn die §§ 153 f. SGB III seien zum 01. Januar 2005 wie der gesamte dritte Abschnitt des SGB III außer Kraft getreten. Gleichzeitig habe der Gesetzgeber zum 01. Januar 2005 aber in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht den Begriff Unterhaltsgeld gestrichen. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Tatsache, dass es verschieden Formen von Unterhaltsgeld gebe, bewusst das Unterhaltsgeld in der Norm belassen habe. Richtlinien zur Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit gebe es bereits seit 01. Dezember 1999. Der Gesetzgeber habe seit diesem Tag Kenntnis von den Leistungen dieses Programms, zu welchem auch Unterhaltsgeld zähle. Er habe diese Unterhaltsgeldleistungen jedoch nicht aus der Vorschrift des § 45 Abs. 1 SGB VII herausgenommen. Auch sei das gezahlte SPR-Unterhaltsgeld mit dem Unterhaltsgeld nach § 153 SGB III a. F. vergleichbar. Nach Art. 7, § 2 Abs. 2 der Richtlinien zur Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit vom 01. Dezember 1999 erhielten Jugendliche während der Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme anstelle des Unterhaltsgeldes nach den §§ 153, 154 SGB III ein Unterhaltsgeld nach diesen Richtlinien. Das vom Kläger bezogene Unterhaltsgeld stelle eine an das ALG angelehnte Lohnersatzleistung zur Bestreitung des Lebensunterhalts dar.

Das SG hat als Antrag des Klägers zugrunde gelegt,

den Bescheid der Beklagten vom 05. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Januar 2006 aufzuheben und ihm antragsgemäß Verletztengeld zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, Leistungen, die auf der Fürsorge der Europäischen Union beruhten, würden von § 45 SGB VII nicht erfasst. Auf die bloße Bezeichnung dieser Leistung als Unterhaltsgeld könne es nicht ankommen. Maßgeblich sei deren rechtliche Einordnung. Bis zum 31. Dezember 2004 sei mit Unterhaltsgeld im Sinne des § 45 SGB VII das Unterhaltsgeld nach 153 f. SGB III gewesen. Sie verweist auf Lauterbach (Kommentar zum SGB VII). Die hier in Rede stehende Leistung beruhe auf Art. 7 § 2 Abs. 2 SPR. Es wäre vom Gesetzgeber eindeutiger gewesen, zum 01. Januar 2005 auch das Unterhaltsgeld aus der Aufzählung des § 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII zu streichen. Die Beklagte verwies auf ein Urteil des Landessozialgerichts Sachsen vom 18. März 2004 (L 2 U 62/02), in dem der Katalog des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII als abschließend bestätigt worden sei. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sei darin verneint worden, da keine Gesetzeslücke vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 09. August 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, das vom Kläger bezogene Unterhaltsgeld sei kein Unterhaltsgeld im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII. Das dort definierte Unterhaltsgeld beziehe sich auf das Unterhaltsgeld nach § 153 ff. SGB III a. F. Dies folge aus der Entstehungsgeschichte, der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Norm. So habe die SPR im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des § 45 SGB VII (im Januar 1997) noch nicht existiert.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. August 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. September 2006 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung der Berufung wird der erstinstanzliche Vortrag im Wesentlichen wiederholt. Auch bezog sich der Kläger zur Begründung der Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Juni 2007 (B 2 U 23/06 R). Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2008 widersprach er dem Bescheid vom 11. April 2007.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. August 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 20. Mai 2005 für die Dauer von 78 Wochen Verletztengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen.

Im Berufungsverfahren wurde eine Auskunft der TR GmbH eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten, den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und den der Leistungsakten der Bundesanstalt für Arbeit die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist indes unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11. April 2007 hat der Senat nicht zu entscheiden. Der Bescheid ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Voraussetzung des § 96 SGG ist, dass der Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird. Dies ist hier nicht der Fall. Der Regelungsgegenstand des Bescheides vom 11. April 2007 unterscheidet sich wesentlich von dem der hier streitgegenständlichen Bescheide.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verletztengeld ist nicht begründet. Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte 1. infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und 2. unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten, § 45 Abs. 1 SGB VII.

Die Anspruchs begründenden Voraussetzungen liegen insoweit vor, als der Kläger Versicherter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII war (Lernender während der beruflichen Ausbildung an einer Einrichtung i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII).

Zudem war der Kläger am 20. Mai 2005 ab 12 Uhr 15 wesentlich auch infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig. Auch konnte er ab 13. Uhr 12 des 20. Mai 2005 auch wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben, denn ab diesem Zeitpunkt wurde er stationär behandelt in der Charite. Die nicht unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit endete nach der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. E mit Ablauf des 20. Mai 2005.

Auch ein Versicherungsfall liegt vor. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 08. Februar 2006 "wegen der Folgen seines Versicherungsfalls vom 20. Mai 2005" eine Rente als vorläufige Entschädigung bewilligt. Damit ist die Anerkennung des Vorliegens eines Versicherungsfalls für die Beteiligten in der Sache bindend (§ 77 SGG). Denn die Anerkennung eines Arbeitsunfalls kann auch in einem anderen Bescheid - so auch in einem Bescheid, mit dem Unfallentschädigung abgelehnt wird -, bindend festgestellt werden (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage § 77 Rz. 5 h unter Hinweis auf BSG SozR 1500 § 77 Nr. 18).

Der Anspruch scheitert allerdings daran, dass der Kläger unmittelbar vor Beginn der durch den Arbeitsunfall verursachten Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf eine der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII genannten Leistungen hatte.

Dazu im Einzelnen:

Der Kläger hatte unmittelbar vor dem Arbeitsunfall keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Arbeitsentgelt sind Einnahmen aus einer Beschäftigung (§ 14 Abs. 1 SGB IV). Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, § 7 SGB IV. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Der zwischen dem Kläger und der TÜV-Akademie GmbH geschlossene Ausbildungsvertrag vom 28. April 2003 (Original in AA-Akte) begründete Rechte und Pflichten hinsichtlich der Ausbildung des Klägers und kein Arbeitsverhältnis. Eine Arbeitsleistung des Klägers war außerhalb eines 3-wöchentlichen Praktikums nicht vorgesehen.

Auch hatte er unmittelbar vor dem Arbeitsunfall keinen Anspruch auf Arbeitseinkommen. Arbeitseinkommen ist Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 SGB IV). Auch für diese Voraussetzungen lassen sich keine Feststellungen treffen.

Des Weiteren hatte der Kläger unmittelbar vor dem Arbeitsunfall keinen Anspruch auf Krankengeld. Während der Zeit seiner von Dr. E bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vom 11. bis 20. Mai 2005 hatte er kein Krankengeld bezogen. Denn er hatte keinen Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 S. 2 SGB V, da er familienversichert war nach § 10 Abs. 1 und 2 SGB V. Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 SGB V greift nicht ein. Insbesondere liegen die Voraussetzungen der Nr. 2 nicht vor: Der Kläger war nicht versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 SGB V.

Auch hatte der Kläger unmittelbar vor dem Arbeitsunfall keinen Anspruch auf Unterhaltsgeld im Sinne des § 45 SGB VII. Der Kläger hatte vor dem Arbeitsunfall zwar Unterhaltsgeld bezogen gemäß dem Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 14. Mai 2005. Soweit der Kläger meint, das dem Kläger bewilligte SPR-Unterhaltsgeld sei "ausreichend im Sinne der Anspruchsnorm", vermag der Senat dieser Rechtsansicht nicht zu folgen.

Es ist allgemein anerkannt, dass bei der Auslegung von Rechtsnormen nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der Sinn einer Norm zu erforschen ist. Schon die Frage, ob der Wortlaut einer Vorschrift tatsächlich eindeutig ist, lässt sich ohne Auslegung nicht beantworten. Maßgeblich für das Verständnis einer Rechtsvorschrift ist der in ihrem Wortlaut zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers, d. h. die ratio legis oder der Sinn und Zweck der Vorschrift, so dass der teleologischen, am Normzweck ausgerichteten Auslegung wesentliches Gewicht zukommt. Um den Sinn und Zweck einer Norm zu ermitteln, sind wiederum ihr Bedeutungszusammenhang und ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 3-4100 § 134 Nr. 9 m.w.N.). Grundsätzlich zulässig ist in den danach zu ziehenden Grenzen eine so genannte teleologische Reduktion, d. h. eine Auslegung, die zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm gegenüber ihrem Wortlaut führt (vgl. BSG SozR 3-5671 Anlage 1 Nr. 4104 Nr. 1 m.w.N.; BVerwG DVBl 1995, 1309; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, 391 ff.; Brandenburg, Die teleologische Reduktion, 1983). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gehört die teleologische Reduktion zu den anerkannten Auslegungsregeln und ist von Verfassungswegen nicht zu beanstanden (vgl. u. a. BVerfGE 88, 145, 166/167 und BVerfGE 97, 186, 196/197).

Nach diesen Grundsätzen lassen Sinn und Zweck des § 45 SGB VII die Beurteilung des SPR-Unterhaltsgeldes als Unterhaltsgeld im Sinne dieser Vorschrift nicht zu. Es steht auch nicht den in § 45 SGB VII genannten Leistungen gleich.

Das Verletztengeld entspricht seinem Leistungszweck nach dem Krankengeld der Gesetzlichen Krankenversicherung (§ 44 ff. SGB V). Es ist dazu bestimmt, die durch den Versicherungsfall bedingte Beeinträchtigung im Erwerb eines Verletzten auszugleichen. Ihm kommt ebenso wie dem Krankengeld, Übergangsgeld und anderen Leistungen Entgeltersatzfunktion zu (Kater a.a.O., vor § 45 Rz. 6 S. 496 unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG, Schmitt, SGB VI, Gesetzliche Unfallversicherung, 2. Auflage § 41 Rdnr. 9). Das Verletztengeld diente nach der Vorstellung des Gesetzgebers zur Vorgängervorschrift in der RVO zur Überbrückung kurzfristiger Lohn- und Gehaltausfälle (BSGE 30, 44 unter Hinweis auf die Begründung zum Gesetzentwurf zu § 565 BT-Drucks. IV/120 S. 6). Entsprechend entstand nach der Rechtsprechung des BSG zu der Vorgängervorschrift der RVO kein Anspruch auf Verletztengeld, wenn ein Rentner vor Eintritt des Unfalls keiner entgeltlichen Tätigkeit nachgegangen war. Eine bezogene Rente stellte nach der Beurteilung des BSG kein Arbeitsentgelt im Sinne der Vorschrift dar; dem Anspruch stand entgegen, dass kein Einkommensverlust eingetreten war (BSGE 39, 63, 67).

Der Gesetzgeber hat bei der Kodifikation des SGB VII nicht erkennbar hieran etwas geändert. Der Gesetzgeber konnte das SPR-Unterhaltsgeld auch nicht in seine Vorstellungen aufgenommen und der Kodifikation zugrunde gelegt haben, denn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 45 SGB VII im Januar 1997 gab es die SPR vom 01. Januar 1999 noch nicht. Die Begründung des Gesetzentwurfs bezieht sich ausdrücklich auf den damals geltenden § 560 RVO (Bundestagsdrucksache 13/2204 S. 87). Dies bestätigt auch die Entscheidung des BSG im Urteil vom 26. Juni 2007 (B 2 U 23/06 R), auf die sich der Kläger ausdrücklich mit Schriftsatz vom 25. Februar 2008 bezieht.

Das BSG hat in diesem Urteil ausgeführt:

"Verletztengeld soll den Entgelt- und Einkommensverlust ausgleichen, den ein in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherter infolge einer durch einen Versicherungsfall nach § 7 SGB VII bedingten Arbeitsunfähigkeit erleidet. Diese Funktion hatte die Leistung schon unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum früheren § 560 Abs. 1 RVO stand einem Unfallverletzten, der vor Eintritt des Arbeitsunfalls keiner entgeltlichen Tätigkeit nachgegangen war und der daher durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit keinen Einkommensverlust erlitten hatte, ein Anspruch auf Verletztengeld nicht zu (Urteil vom 26. Juni 1973 - 8/2 RU 162/71 - USK 7393; Urteil vom 19. Dezember 1974 - 8 RU 18/74 - BSGE 39, 63, 67 = SozR 2200 § 560 Nr. 3 S. 13 m.w.N.) Umgekehrt wurde auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung einem Arbeitslosen Verletztengeld zugesprochen, weil durch die Arbeitsunfähigkeit zwar kein Arbeitsentgelt, wohl aber das Arbeitslosengeld als Lohnersatzleistung weggefallen und somit wegen der Unfallfolgen ein Einkommensverlust im weiteren Sinne eingetreten war (Urteil vom 29. November 1972 - 8/2 RU 123/71 - BSGE 35, 65, 68 f. = SozR Nr. 3 zu § 560 RVO Bl. Aa 6).

Im Gesetz selbst kam der Entgeltersatzcharakter des Verletztengeldes zunächst nur in den Bestimmungen über die Berechnung der Leistung zum Ausdruck. Aus § 561 Abs. 1 und Abs. 3 RVO i. d. F. des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes vom 07. August 1974 (BGBl I 1881) ergab sich, dass Verletztengeld nur ein Arbeitnehmer oder ein "übriger" Verletzter erhalten konnte, der bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen hatte. Durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I 1532) wurde sodann § 560 Abs. 1 RVO neu gefasst und der Entgeltersatzcharakter dadurch unterstrichen, dass der Anspruch auf Verletztengeld ruhte, soweit der Verletzte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhielt oder Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld, Mutterschaftsgeld, Konkursausfallgeld oder Winterausfallgeld bezog. Maßgeblich war danach der durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit tatsächlich eintretende Einkommensverlust. Trat ein solcher nicht ein, führte dies zum Ruhen des Anspruchs auf Verletztengeld.

Anlässlich der Überführung des Unfallversicherungsrechts in das SGB VII durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) vom 07. August 1996 (BGBl. I 1254) hat der Gesetzgeber die Vorschriften über das Verletztengeld systematisch neu gegliedert und das Erfordernis einer durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit verursachten Lohn- oder Einkommenseinbuße bzw. des dadurch bedingten Wegfalls einer einkommensersetzenden Sozialleistung in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nunmehr ausdrücklich als Voraussetzung des Anspruchs auf Verletztengeld normiert. Eine Änderung der bisherigen Rechtslage sollte damit nach der Begründung zum Regierungsentwurf des UVEG nicht verbunden sein (BT-Drucks 13/2204 S. 87 zu § 45).

An dieser Rechtsentwicklung wird deutlich, dass mit der Voraussetzung eines unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestehenden Anspruchs auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII genannten Geldleistungen die Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes betont und sichergestellt werden soll, dass nur solche Versicherte die Leistung erhalten, die zum Kreis der Erwerbstätigen gehören und ihren Lebensunterhalt vor Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit aus einer Erwerbstätigkeit oder einer daran anknüpfenden Sozialleistung bestritten haben. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB II sind dagegen nicht erfüllt, wenn er seinen Lebensunterhalt zu diesem Zeitpunkt aus anderen Quellen, etwa aus Vermögen, Kapitaleinkünften, Rente oder Sozialhilfe, finanziert hat "

Nach diesen Maßstäben kann das vom Kläger bezogene SPR- Unterhaltsgeld nicht dem Sinn und Zweck des § 45 SGB VII entsprechen:

SPR-Unterhaltsgeld knüpft nicht an eine Erwerbstätigkeit oder an eine daran anknüpfende Sozialleistung an, wie in der genannten Entscheidung des BSG vorausgesetzt, an. Das SPR-Unterhaltsgeld ist frei von Voraussetzungen hinsichtlich der Bewilligung erfolgter Beschäftigungen auf dem Arbeitsmarkt und dabei erzielter Arbeitsentgelte.

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinien zur Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit - Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung Jugendlicher (Sofortprogramm-Richtlinien - SPR) vom 01. Dezember 1999, zuletzt geändert durch die 5. Änderung vom 29. Mai 2002 besagt zu Zielen und Leistungen:

"Die Leistungen dieses Sofortprogramms dienen dem Ziel - im Einklang auch mit den beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union und mitgefördert aus dem Europäischen Sozialfonds - , Bewerberinnen und Bewerbern um einen Ausbildungsplatz, die nach dem 30. September noch einen Ausbildungsplatz für das laufende Ausbildungsjahr suchen, und arbeitslosen Jugendlichen eine Ausbildung, eine Qualifizierung oder eine Beschäftigung zu vermitteln. Das Sofortprogramm ist zum effektiven Abbau der Jugendarbeitslosigkeit unabdingbar notwendig. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen besteht nicht."

Entsprechend hat der Kläger nach Art. 7 § 2 Abs. 3 SPR Leistungen erhalten. Nach dieser Vorschrift erhalten Jugendliche während der Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme anstelle des Unterhaltsgeldes nach den §§ 153 und 154 SGB III ein Unterhaltsgeld nach diesen Richtlinien. Als Zielsetzung wird in Art. 7 § 1 benannt: "Maßnahmen nach diesem Artikel sollen die Vermittlungsfähigkeit Arbeitsloser oder von Arbeitslosigkeit bedrohter Jugendlicher in Arbeit durch eine berufliche Nach- oder Zusatzqualifizierung verbessern. Für Jugendliche ohne Berufsschulabschluss hat die Vermittlung in eine Ausbildungsstelle Vorrang. Gefördert werden soll vorrangig die Teilnahme an Medikamenten, die Zeiten betrieblicher Praktika enthalten und die insbesondere der Vermittlung berufspraktischer Fähigkeiten dienen ". Abs. 2 besagt: "Arbeitslose Jugendliche ohne Berufsschulabschluss, für die eine Berufsvorbereitung oder Berufsausbildung nach den Art. 4 bis 6 nicht in Betracht kommt, sollen Maßnahmen der Nachqualifizierung einen anerkannten Berufsabschluss oder einen auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Teil einer anerkannten Berufsausbildung erwerben. Die Maßnahmen sollen Qualifikationsbestandteile aus anerkannten Ausbildungsberufen enthalten und Qualifikationen vermitteln, die am Arbeitsmarkt verwertbar sind. "

Die Leistungen stehen im Einklang mit den beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union und werden gefördert aus dem Europäischen Sozialfonds. Die Bundesagentur für Arbeit war lediglich der Träger der Maßnahme und hat dem Kläger Unterhaltsgeld bewilligt und gezahlt. Die Mittel waren den Arbeitsämtern zur Bewirtschaftung zugewiesen (Art. 15 a der SPR).

Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass § 2 der SPR besagt: Jugendliche erhalten während der Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme anstelle des Unterhaltsgeldes nach den §§ 153 und 154 SGB III ein Unterhaltsgeld nach diesen Richtlinien. Denn die SPR können auf den § 45 SGB VII und dessen Zweck mit der sich daran anschließende Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Unterhaltsgeld" nicht dadurch Einfluss nehmen oder ihn gar ändern, dass sie die Leistungen nach den SPR als "Unterhaltsgeld" bezeichnen und anstelle des Unterhaltsgeldes nach § 153 SGB II a.F. setzten. Die SPR sind kein bundesdeutsches Gesetz, sind keine Rechtsnormen. Die Richtlinien sind nicht einmal eine solche der Bundesregierung sondern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Eine Mitwirkung der Bundesregierung ist nicht ersichtlich.

Auch lässt sich hier nicht feststellen, dass der Kläger Anspruch auf Unterhaltsgeld nach § 153 SGB III gehabt hätte, und dass die Bewilligung des SPR-Unterhaltsgeldes im vorliegenden Fall an die Stelle einer Bewilligung von Unterhaltsgeld nach § 153 SGB II getreten ist.

Im Fall des Klägers lässt sich bereits die Anspruchsvoraussetzung der Vorbeschäftigungszeit als eine der allgemeinen Fördervoraussetzungen nach §§ 77 ff. SGB III a. F. nicht feststellen. Nach § 78 Abs. 1 SGB III ist die Vorbeschäftigungszeit erfüllt, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor der Teilnahme 1. mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder 2. die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erfüllt und Leistungen beantragt hat. Der Kläger hat nach seinem Vortrag lediglich 3 Wochen nach Abschluss der Schule gearbeitet. Zudem lässt sich nicht feststellen, dass die Bundesanstalt ihr Ermessen entsprechend ausgeübt hätte und sie dem Kläger Unterhaltsgeld gezahlt hätte. Das Unterhaltsgeld war eine zum In-Kraft-Treten des Ersten SKWPG mit Wirkung vom 01. Januar 1994 eine ermessensabhängige Pflichtleistung und stand als Kann-Leistung in der hier zitierten Fassung im pflichtgemäßen Ermessen der Bundesanstalt.

Rechtlich unerheblich ist für die Beurteilung des vorliegenden Verfahrens, dass es Unterhaltsgeld i. S. des § 153 SGB III a.F. nicht mehr gibt und dass gleichwohl der § 45 SGB VII in seiner jetzigen Fassung beibehalten worden ist. Zwar ist seit dem 01. Januar 2005 diese Vorschrift entfallen, ohne dass § 45 SGB VII entsprechend geändert wurde. Allerdings macht dies dadurch Sinn, dass auch Versicherte, die als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Entwicklungshelfergesetzes bezogen haben, Anspruch auf Verletztengeld haben. Nach § 47 Abs. 5 SGB VII erhalten Versicherte, die als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes (EhfG) bezogen haben, Verletztengeld in Höhe dieses Betrages. Und § 4 Abs. 1 Nr. 1 EhfG definiert als Unterhaltsleistungen Unterhaltsgeld und Sachleistungen. Von daher muss die unterbliebene Streichung des Unterhaltsgeldes in § 45 SGB VII nicht einmal ein redaktionelles Versehen sein.

Überlegungen zu einer ergänzenden Auslegung des § 45 SGB VII kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil das SPR-Unterhaltsgeld nicht vom Sinn und Zweck der Vorschrift erfasst ist.

Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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