Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 78 SO 3430/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 84/08 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2008 geändert. Dem Kläger wird Rechtsanwältin A E-L für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin beigeordnet. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht durfte das Gesuch des Klägers, ihm Rechtsanwältin E-L beizuordnen, nicht ablehnen (zur Unterscheidung zwischen der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der über die Beiordnung eines Anwalts s. beispielsweise Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. November 2007 – 3 AZB 26/07 –, in NJW 2008, 604). Ist – wie vor dem Sozialgericht – eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzung für die erste Alternative ist erfüllt. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, dass der Hilfebedürftige nicht im Stande sein wird, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. statt vieler etwa Zöller/Philippi, ZPO 25. Auflage 2005 § 121 Rz. 4). Zu berücksichtigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten ebenso wie deren Bildungshorizont und Ausdrucksfähigkeit. Maßstab ist auch, ob ein Beteiligter, der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde (s. den Beschluss des Senats vom 29. März 2006 – L 15 B 51/06 SO PKH; ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2006 – L 23 B 190/05 PKH, beide veröffentlicht in "Juris"). Bereits diese gängigen Umschreibungen des Begriffs "erforderlich" indizieren, dass der "Streitwert" für die Auslegung nicht ohne Weiteres Bedeutung hat. Ob für die Beiordnung der bloße Wert des Streitgegenstandes ausschlaggebend sein kann, der nichts über die Bedeutung der Sache an sich aussagen muss, und bei welchem Betrag gegebenenfalls eine Grenze zu ziehen wäre, muss hier aber nicht abschließend entschieden werden. Zwar stellt die Prozesskostenhilfe eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes dar, was zur Folge hat, dass Hilfesuchende wegen des für Soziahilfe und Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzip verpflichtet sind, die dem Justizfiskus entstehenden Kosten gering zu halten (vgl. BSG, Beschluss vom 12. März 1996 – 9 RV 24/94 – in SozR 3-1500 § 73 a Nr. 4 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass bedürftige Rechtsschutzsuchende bei geringen Streitwerten generell nicht berechtigt sein können, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu verlangen. Dies würde sie in ihrem Anspruch auf Rechtsschutzes verletzen (hierzu allgemein Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2001 – 1 BvR 391/01 –, Breithaupt 2002, 486). Die Annahme des Sozialgerichts, dass ein vermögender Kläger mit Rücksicht auf das (im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin geringe) Kostenrisiko im vorliegenden Fall von der Beauftragung eines Anwalts Abstand nehmen würde, ist jedenfalls nicht zwingend und spricht deshalb nicht gegen die Erforderlichkeit: Denn wenn eine Klage wenigstens eine hinreichende Erfolgsaussicht hat – was das Sozialgericht bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ja angenommen hat –, könnte der Umstand, dass ein vermögender Kläger das Kostenrisiko nicht scheuen muss, ihn ebenso gut veranlassen, sich auch dann anwaltlich vertreten zu lassen, wenn ihm die Sache selbst bei kleinem Streitwert wichtig erscheint. Im vorliegenden Fall ist die anwaltliche Vertretung des Klägers jedenfalls deshalb erforderlich, weil er nach Lage der Akten – anders als die Vorinstanz offenbar annimmt – nicht in der Lage ist, seine Interessen vor Gericht sachgerecht wahrzunehmen oder rechtliche Zusammenhänge zu erkennen: Der Kläger hatte eine unter dem Aktenzeichen SG Berlin S 50 SO 2815/07 erhobene Untätigkeitsklage nicht zurückgenommen, obwohl der begehrte Widerspruchsbescheid ergangen und er gegen diesen neuerlich Klagen, nämlich die unter dem Aktenzeichen S 78 SO 3430/07 registrierte und dann die unter dem Aktenzeichen S 47 SO 3542/07 registrierte, erhoben hatte. Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt und verfolgt sein ursprüngliches Begehren weiter (Bescheidung des Widerspruchs; Az. L 15 SO 73/08). Der Vorsitzende der 47. Kammer des Sozialgerichts Berlin hatte den Kläger dann in dem Verfahren S 47 SO 3542/07 darauf hingewiesen, dass die dort anhängige Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig ist, weil der Streitgegenstand bereits im Verfahren S 78 SO 3430/07 anhängig gemacht war. Den in diesem Verfahren gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hatte das Sozialgericht durch Beschluss vom 14. Dezember 2007, bestätigt durch den Beschluss des Senats vom 4. Februar 2008 – L 15 B 5/08 SO PKH, abgelehnt. Ungeachtet der Empfehlung des Vorsitzenden der 47. Kammer, die Rücknahme der Klage zu erwägen, hat sie der Kläger aufrecht erhalten, nochmals erfolglos einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt und, nachdem die Klage auch in der Sache abgewiesen worden war, Berufung eingelegt, mit der er unverändert sein Begehren in der Sache weiter verfolgt (Az. L 15 SO 52/08). Es ist nicht zu erkennen, dass er auch nur im Ansatz verstanden hätte, dass die Klagen bei der 47. und 50. Kammer an rein prozessrechtlichen Umständen gescheitert waren.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht durfte das Gesuch des Klägers, ihm Rechtsanwältin E-L beizuordnen, nicht ablehnen (zur Unterscheidung zwischen der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der über die Beiordnung eines Anwalts s. beispielsweise Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. November 2007 – 3 AZB 26/07 –, in NJW 2008, 604). Ist – wie vor dem Sozialgericht – eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzung für die erste Alternative ist erfüllt. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, dass der Hilfebedürftige nicht im Stande sein wird, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. statt vieler etwa Zöller/Philippi, ZPO 25. Auflage 2005 § 121 Rz. 4). Zu berücksichtigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten ebenso wie deren Bildungshorizont und Ausdrucksfähigkeit. Maßstab ist auch, ob ein Beteiligter, der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde (s. den Beschluss des Senats vom 29. März 2006 – L 15 B 51/06 SO PKH; ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2006 – L 23 B 190/05 PKH, beide veröffentlicht in "Juris"). Bereits diese gängigen Umschreibungen des Begriffs "erforderlich" indizieren, dass der "Streitwert" für die Auslegung nicht ohne Weiteres Bedeutung hat. Ob für die Beiordnung der bloße Wert des Streitgegenstandes ausschlaggebend sein kann, der nichts über die Bedeutung der Sache an sich aussagen muss, und bei welchem Betrag gegebenenfalls eine Grenze zu ziehen wäre, muss hier aber nicht abschließend entschieden werden. Zwar stellt die Prozesskostenhilfe eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes dar, was zur Folge hat, dass Hilfesuchende wegen des für Soziahilfe und Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzip verpflichtet sind, die dem Justizfiskus entstehenden Kosten gering zu halten (vgl. BSG, Beschluss vom 12. März 1996 – 9 RV 24/94 – in SozR 3-1500 § 73 a Nr. 4 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass bedürftige Rechtsschutzsuchende bei geringen Streitwerten generell nicht berechtigt sein können, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu verlangen. Dies würde sie in ihrem Anspruch auf Rechtsschutzes verletzen (hierzu allgemein Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2001 – 1 BvR 391/01 –, Breithaupt 2002, 486). Die Annahme des Sozialgerichts, dass ein vermögender Kläger mit Rücksicht auf das (im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin geringe) Kostenrisiko im vorliegenden Fall von der Beauftragung eines Anwalts Abstand nehmen würde, ist jedenfalls nicht zwingend und spricht deshalb nicht gegen die Erforderlichkeit: Denn wenn eine Klage wenigstens eine hinreichende Erfolgsaussicht hat – was das Sozialgericht bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ja angenommen hat –, könnte der Umstand, dass ein vermögender Kläger das Kostenrisiko nicht scheuen muss, ihn ebenso gut veranlassen, sich auch dann anwaltlich vertreten zu lassen, wenn ihm die Sache selbst bei kleinem Streitwert wichtig erscheint. Im vorliegenden Fall ist die anwaltliche Vertretung des Klägers jedenfalls deshalb erforderlich, weil er nach Lage der Akten – anders als die Vorinstanz offenbar annimmt – nicht in der Lage ist, seine Interessen vor Gericht sachgerecht wahrzunehmen oder rechtliche Zusammenhänge zu erkennen: Der Kläger hatte eine unter dem Aktenzeichen SG Berlin S 50 SO 2815/07 erhobene Untätigkeitsklage nicht zurückgenommen, obwohl der begehrte Widerspruchsbescheid ergangen und er gegen diesen neuerlich Klagen, nämlich die unter dem Aktenzeichen S 78 SO 3430/07 registrierte und dann die unter dem Aktenzeichen S 47 SO 3542/07 registrierte, erhoben hatte. Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt und verfolgt sein ursprüngliches Begehren weiter (Bescheidung des Widerspruchs; Az. L 15 SO 73/08). Der Vorsitzende der 47. Kammer des Sozialgerichts Berlin hatte den Kläger dann in dem Verfahren S 47 SO 3542/07 darauf hingewiesen, dass die dort anhängige Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig ist, weil der Streitgegenstand bereits im Verfahren S 78 SO 3430/07 anhängig gemacht war. Den in diesem Verfahren gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hatte das Sozialgericht durch Beschluss vom 14. Dezember 2007, bestätigt durch den Beschluss des Senats vom 4. Februar 2008 – L 15 B 5/08 SO PKH, abgelehnt. Ungeachtet der Empfehlung des Vorsitzenden der 47. Kammer, die Rücknahme der Klage zu erwägen, hat sie der Kläger aufrecht erhalten, nochmals erfolglos einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt und, nachdem die Klage auch in der Sache abgewiesen worden war, Berufung eingelegt, mit der er unverändert sein Begehren in der Sache weiter verfolgt (Az. L 15 SO 52/08). Es ist nicht zu erkennen, dass er auch nur im Ansatz verstanden hätte, dass die Klagen bei der 47. und 50. Kammer an rein prozessrechtlichen Umständen gescheitert waren.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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BRB
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