L 26 AS 421/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 7118/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 AS 421/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Entscheidung des Beklagten, mit der sie es abgelehnt hat, ihm die Übernahme der Aufwendungen für eine neue Unterkunft zuzusichern, rechtswidrig ist.

Der 1953 geborene Kläger wohnte zunächst mit seinen beiden Söhnen, F M, geboren 1986, und FT, geboren 1988, in einer 105,55 m² großen 3,5-Zimmer-Wohnung in der F Straße in B. Die monatliche Bruttowarmmiete betrug 851,00 Euro (635,00 Euro Miete, 77,00 Euro Heizkostenvorschuss und 139,00 Euro Betriebskostenvorschuss). Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seinem zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährigen Sohn F mit Bescheid vom 1. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2005 Arbeitslosengeld II vom 17. Februar 2005 an. Dem damals bereits volljährigen Sohn F gewährte er nach Aktenlage gesondert Leistungen. Den Antrag des Klägers vom 1. März 2005 auf Übernahme von Mietschulden, resultierend aus der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 in Höhe von insgesamt 5.106,00 Euro lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2005 ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Wohnung unangemessen groß und zu teuer sei. Die Sicherung einer nicht angemessenen Unterkunft sei grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Mietschulden könnten deshalb nicht als Darlehen übernommen werden. Bereits am 27. Mai 2005 hatte die zuständige Gerichtsvollzieherin dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mitgeteilt, dass die Wohnung des Klägers am 11. Juli 2005 geräumt werde.

Am 29. Juli 2005 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er in eine Wohnung am TDamm in B umziehen wolle. Ihm lägen zwei Wohnungsangebote vor. Bei der einen Wohnung handele es sich um eine 92 m² große 3-Zimmer-Wohnung mit einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 555,00 Euro (Miete 415,00 Euro und Betriebskostenvorauszahlung 140,00 Euro). Die andere Wohnung sei eine 94m² große 3,5-Zimmer-Wohnung mit einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 630,00 Euro (Miete 480,00 Euro und Betriebskostenvorauszahlung 150,00 Euro). Mit Bescheid vom 1. Juli 2005 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für eine dieser Wohnungen ab.

Mit weiterem Bescheid vom 6. Juli 2005 erteilte der Beklagte eine entsprechende Zusicherung für eine 74,60 m² große 2,5 Zimmer-Wohnung in der Dstraße in B mit einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 515,01 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 1. Juli 2005 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2005 mit der Begründung zurück, dass die Erteilung einer Zusicherung für eine Wohnung am T Damm nicht mehr notwendig sei, da dem Kläger bereits eine Zusicherung für die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten für die neue Wohnung in der Dstraße erteilt worden sei.

Die von dem Kläger und seinem Sohn F hiergegen am 5. August 2005 erhobene Klage, mit der sie das Ziel verfolgten den Beklagten zu verpflichten, die begehrte Zusicherung zu erteilen, hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 7. März 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage bereits unzulässig sei. Es sei nicht ersichtlich, dass eine der Wohnungen am Tdamm überhaupt noch verfügbar sei. Überdies seien die Kläger zwischenzeitlich mit Zustimmung des Beklagten in eine andere von ihnen selbst gesuchte Wohnung in der Dstraße in B umgezogen. Es lasse sich deshalb ein Rechtschutzbedürfnis für diese Klage nicht mehr feststellen.

Gegen den ihm am 15. März 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am selben Tag eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt vor, dass er die Feststellung begehre, dass die angefochtene Entscheidung des Beklagten rechtswidrig sei. Seine jetzige Wohnung sei jedenfalls unzumutbar. Sie sei zu klein und zu dunkel, die Umgebung sei gefährlich. Deshalb bestehe nach wie vor ein Umzugsinteresse. Es könne auch nicht sein, dass seine Klage eineinhalb Jahre unbearbeitet bleibe und diese dann wegen des fehlenden Rechtschutzbedürfnisses abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2005 rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die er für unbegründet hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ungeachtet des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil dieser in der Terminsladung auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden ist (§ 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2007 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klage ist bereits unzulässig.

Streitgegenständlich ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten, dem Kläger keine Zusicherung zu den Aufwendungen für eine der Wohnungen am T Damm zu erteilen. Der entsprechende Bescheid vom 1. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2005 hat sich durch Umzug des Klägers in die neue Wohnung in der Dstraße in B erledigt ("auf andere Weise" gemäß § 39 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch). Mit dem Umzug in die neue Wohnung ist einer Entscheidung über die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die begehrte Wohnung die Grundlage entzogen. Denn der Grundsicherungsträger ist zur Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nur verpflichtet, wenn der Umzug (aus der bisherigen Wohnung) in die neue Wohnung erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Wohnung angemessen sind. Die Zusicherung setzt also voraus, dass der Hilfebedürftige noch in der Wohnung wohnt, von der heraus der Wohnungswechsel beabsichtigt und auch beantragt worden ist. Dies ist im vorliegenden Fall wegen des Umzugs in die Wohnung in der Dstraße aber nicht mehr der Fall.

Soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, nunmehr aus der neuen Wohnung in der Dstraße in eine der Wohnungen am T Damm umziehen zu wollen, vermag dieser Vortrag nicht die Zulässigkeit der vorliegenden Klage zu begründen. Insoweit bedarf es zunächst einer Verwaltungsentscheidung des nunmehr für den Kläger zuständigen Grundsicherungsträgers, des JobCenters Neukölln, die nicht vorliegt. Selbst wenn sie vorliegen sollte, ist diese Entscheidung jedenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, weil der entsprechende Bescheid die vorliegende Entscheidung des Beklagten weder abgeändert noch ersetzt hat (§ 96 SGG). Der Kläger muss gegebenenfalls um gesonderten Rechtschutz nachsuchen.

Die vor diesem Hintergrund ausschließlich in Betracht kommende Fortsetzungsfeststellungsklage ist indes unzulässig. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht - wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat - auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Der Zulässigkeit dieser Fortsetzungsfeststellungsklage steht zunächst nicht entgegen, dass sich der Verwaltungsakt, mit Umzug des Klägers am 29. Juni 2005, also bereits vor Klageerhebung, am 5. August 2005, erledigt hat. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vorprozessual erledigten Verwaltungsaktes ist wie das berechtigte Interesse bei einer allgemeinen Festsstellungsklage zu behandeln (Urteil des Bundessozialgericht [BSG] vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R - zitiert nach Juris und Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 131 RdNr. 9 a, m. w. Nachw.).

Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass sich das ursprüngliche Begehren des Klägers nicht in der Aufhebung der seines Erachtens rechtswidrigen Entscheidung des Beklagten erschöpft hat, sondern darauf gerichtet war, den Beklagten zu verpflichten, eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen. Nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Auffassung in der Literatur findet § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG auch auf erledigte Verpflichtungsbegehren entsprechende Anwendung (vgl. Schenke, JuS 2007, S. 697 ff. und Meyer-Ladewig, a. a. O., § 131 RdNr. 9) zu.

Das schließlich für die Feststellung vorausgesetzte schutzwürdige Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch individueller Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei

- Präjudizialität, dass heißt wenn in die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis, wie beispielsweise für Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüche bedeutsam sein kann, - Wiederholungsgefahr sowie - Rehabilitationsinteresse.

Im Hinblick auf das Vorliegen von Präjudizialität besteht ein Feststellungsinteresse dann, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 Grundgesetz, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch oder von sonstigen Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist, ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2007, § 113 RdNr. 136). Hat sich der Verwaltungsakt aber schon vor Erhebung der Klage erledigt, begründet die Absicht, einen Amtshaftungsprozess zu führen, kein Feststellungsinteresse im vorgenannten Sinne. Nur wenn sich der Verwaltungsakt nach Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erledigt hat, rechtfertigt der bereits entfaltete prozessuale Auffand die Fortsetzung der Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage (Kopp/Schenke, a. a. O.). Andernfalls muss der Betroffene direkt bei dem für den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch zuständigen Zivilgericht um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen. Der Betroffene soll und darf in einem solchen Fall nicht zwei Gerichte für sein Rechtsschutzbegehren in Anspruch nehmen. Für eine sozialgerichtliche Klage fehlt das Rechtschutzbedürfnis (Meyer-Ladewig, a. a. O., § 131 RdNr. 10 f.).

Ein solcher Sachverhalt ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 5. August 2005 hat sich bereits am 29. Juni 2005, mit Umzug des Klägers in die Wohnung in der Dstraße, also vor Klageerhebung, am 5. August 2005, erledigt. Der Kläger muss, sofern er Amtshaftungs- bzw. Schadenersatzansprüche verfolgt, den hierfür gegebenen Rechtsweg bestreiten.

Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend konkret Gefahr voraus, dass in naher Zukunft oder doch in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (Beschluss des BSG vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06 R -, info also 2007, S. 220 ff. und Meyer-Ladewig, a. a. O., § 131 RdNr. 10 b). Vorliegend ist eine solche Wiederholungsgefahr nicht gegeben, weil durch den Umzug des Klägers nunmehr keine im Wesentlichen gleichen Umstände mehr vorliegen, die zu der beanstandeten Entscheidung geführt haben und die nunmehr den Erlass einer gleichartigen Entscheidung erwarten lassen. Denn nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II setzt die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft nicht nur voraus, dass diese angemessen sind, sondern dass der Umzug auch notwendig ist. Die Notwendigkeit des Umzugs ist aber aufgrund der konkreten aktuellen Wohnsituation des Bedürftigen zu prüfen, hier also hinsichtlich der Wohnverhältnisse des Klägers in seiner derzeitigen Wohnung in der Dstraße in B. Hierfür ist im Übrigen, wie bereits ausgeführt, nicht der Beklagte zuständig, sondern der nunmehr für den Kläger zuständige Grundsicherungsträger.

Ein Rehabilitationsinteresse ist schließlich zu bejahen, wenn die begehrte Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, als Genugtuung und/oder zur Rehabilitation erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergibt (Kopp/Schenke, a. a. O.). Um einen derartigen diskriminierenden Verwaltungsakt handelt es sich im vorliegenden Fall nicht. Entsprechendes ist im Übrigen nach Aktenlage nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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