Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RA 600/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 623/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. März 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1941 geborene Kläger erwarb nach einem Studium an der Ingenieurschule für Wasserwirtschaft und Bauwesen M die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" (Urkunde vom 17. September 1965). Er war anschließend ab 01. Oktober 1965 als Ingenieur in der Abteilung Hydrogeologie des Volkseigenen Betriebes (VEB) G E N beschäftigt. Ab 01. Januar 1968 war der Kläger bei dem VEB H N beschäftigt, und zwar wie folgt: bis 30. April 1971 als Objekt-Geologe, vom 01. Mai 1971 bis 31. Januar 1974 als Arbeitsgruppenleiter, vom 01. Februar 1974 bis 31. Dezember 1976 als Leiter der Außenstelle B, vom 01. Januar 1977 bis 31. Dezember 1977 als Fachgebietsleiter Erkundungen, vom 01. Januar 1978 bis 31. Dezember 1978 als Abteilungsleiter Organisation und Planung, vom 01. Januar 1979 bis 30. Juni 1979 als Gruppenleiter Planung und Objektvorbereitung, vom 01. Juli 1979 bis 31. Dezember 1981 als Gruppenleiter Geologie und vom 01. Januar 1982 bis 30. November 1990 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Objektvorbereitung; auf die entsprechenden Änderungsverträge wird Bezug genommen. Mit Wirkung vom 01. April 1976 war der Kläger der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten. Der Kläger bezieht Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG vom 01. Januar 1963 bis 30. Juni 1990 ab mit der Begründung, dass der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne der einschlägigen Versorgungsordnung und auch nicht in einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt habe. Das AAÜG sei daher auf den Kläger nicht anwendbar. Mit der Klage hat der Kläger beantragt, die Anwendbarkeit des AAÜG festzustellen sowie die Beklagte zu verpflichten, die "geltend gemachten Beschäftigungszeiten" als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die Registerakte für den VEB H N sowie Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes H (VEB K G F uE) und des Registers der volkseigenen Wirtschaft des R d KN(VEB H N) beigezogen, ferner das Statut des VEB K G F u E vom 12. Juli 1985. Mit Urteil vom 30. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI nebst den insoweit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelten vom 01. Januar 1963 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG sei auf den Kläger nach § 1 Abs. 1 AAÜG nicht anwendbar. Die betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVTI seien am Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht erfüllt. Bei dem VEB H N habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gehandelt. Er sei auch kein gleichgestellter Betrieb nach Maßgabe der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die AVTI vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487) gewesen. Denn der VEB H N sei insbesondere weder ein Versorgungsbetrieb (Gas, Wasser, Energie) noch ein Forschungsinstitut im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB gewesen. Forschungsinstitute im Sinne der genannten Vorschrift seien Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung gewesen sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 40/04 R = SozR 4-8570 § 5 Nr. 5). Nach dem vorliegenden Statut des VEB K G F u E habe der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes in der Ermittlung, Sicherung und Erweiterung des Wasseraufkommens bestanden. Der VEB H N habe sich insoweit mit geologischen Untersuchungen im weitesten Sinne befasst. Zwar sei er insoweit auch verantwortlich für die damit im Zusammenhang stehende Forschungstätigkeit gewesen. Diese sei jedoch nicht Hauptzweck des Betriebes gewesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger (nur) noch sein Begehren auf Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 weiter. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten habe es sich bei seinem Beschäftigungsbetrieb am Stichtag um ein Forschungsinstitut und damit einen gleichgestellten Betrieb nach Maßgabe der 2. DB gehandelt. Denn die Forschungstätigkeiten hätten dem VEB H N das Gepräge gegeben. Es habe sich insoweit um geologische Forschung im Bereich der Wirtschaft im Unterschied zu staatlicher wissenschaftlicher Forschung gehandelt, so dass der VEB H N somit von § 1 Abs. 2 der 2. DB erfasst werde. Auf die Schriftsätze des Klägers vom 26. August 2007 und 12. September 2007 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Kläger hat ferner eine schriftliche Erklärung von Dr. M zu den Forschungstätigkeiten des VEB H N vom 12. Februar 2008 zu den Gerichtsakten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. März 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 2004 zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung von Dr. M als Zeugen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 21. Mai 2008 Bezug genommen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Zusatzversorgungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) (nur) noch hinsichtlich der begehrten Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI nebst der insoweit erzielten tatsächlichen Entgelte für die Zeit vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 weiter verfolgt, ist nicht begründet.
Die Klagen sind zwar in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang zulässig. Insbesondere besteht ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einem gesonderten gerichtlichen Verfahren gegen die Beklagte zur isolierten Überprüfung der von ihr insoweit abgelehnten Datenfeststellungen nach dem AAÜG. Denn neben der vorliegenden Klage auf Vormerkung der begehrten Daten ist ein weiteres Verfahren gegen die Beklagte auf Verurteilung zur Zahlung höherer Rente nicht anhängig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 7/06 R – veröffentlicht in juris, zur Veröffentlichung im SozR vorgesehen). Zuständiger Rentenversicherungsträger ist im Übrigen ohnehin nicht die Beklagte, sondern die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, von der der Kläger eine Altersrente bezieht.
Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen mit den von ihm erhobenen Klagen durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie gegebenenfalls der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 01. August 1991, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keinen Versorgungsanspruch im Sinne von § 1 Satz 1 AAÜG hatte. Denn der Versorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Kläger war aber auch am 01. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte – unstreitig – bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. Die Beklagte hat zudem in dem angefochtenen Bescheiden eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG nicht getroffen.
§ 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage am 01. August 1991 einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (ständige Rechtsprechung des BSG: vgl. z. B. Urteile vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 und – B 4 RA 3/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 sowie vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 8). Ein derartiger fiktiver Anspruch ist aber nur dann zu bejahen, wenn am Stichtag (30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Versorgungssystem vorgesehen war (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 1; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 23/04 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 6). Allein maßgebend sind insoweit die Texte der Verordnung über die AVTI in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVTI-VO) vom 17. August 1950 (GBl. S. 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB, soweit diese am 30. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind. Die genannten Vorschriften der DDR sind dabei unabhängig von deren Verwaltungs- und Auslegungspraxis allein nach bundesrechtlichen Kriterien auszulegen (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – veröffentlicht in juris). Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt ein fingierter Anspruch im Bereich der AVTI nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30. Juni 1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (betriebliche Voraussetzung: vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6; SozR 3-8570 § 1 Nr. 3).
Der Kläger war zwar am 30. Juni 1990 berechtigt, die ihm durch staatlichen Zuerkennungsakt verliehene Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Ob er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Objektvorbereitung auf dem Gebiet der Geologie an dem genannten Stichtag dieser Berufsbezeichnung entsprechend beschäftigt war, kann jedoch dahinstehen, obgleich diesbezüglich schon deshalb erhebliche Bedenken bestehen, weil der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat, im Juni 1990 nicht im technischen Bereich tätig gewesen zu sein. Denn jedenfalls die betriebliche Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Kläger war am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) noch in einem gleichgestellten Betrieb (§ 1 Abs. 2 der 2. DB) beschäftigt.
Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 20/03 R – SozR 4-8570 § 5 Nr. 3). Ausschlaggebend hierfür sind die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990. Arbeitgeber des Klägers im vorgenannten Sinne war am Stichtag der VEB H N. Maßgebend für die Prüfung der betrieblichen Voraussetzung ist dabei nur der vorgenannte Beschäftigungsbetrieb des Klägers, nicht aber der VEB K G F u E als Ganzes, dessen Kombinatsbetrieb der VEB H N war, und auch nicht andere zum Kombinat gehörende VEB (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/06 R – veröffentlicht in juris). Bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers handelte es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Denn der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebs des Klägers, auf den abzustellen ist, bestand nicht in der regelmäßig wiederkehrenden, serienmäßigen Massenproduktion von Sachgütern oder Bauleistungen (zu diesem Erfordernis vgl. BSG, Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 3). Im Hinblick auf die in der Präambel zur AVTI-VO zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion von Gütern zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe spezialisierter, monofunktionaler Maschinen beruhte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – veröffentlicht in juris).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens war indes der Hauptzweck der betrieblichen Tätigkeit des VEB H N nicht die Massenproduktion von Sachgütern im vorgenannten Sinn, sondern vielmehr die Ermittlung, Erkundung, Sicherung und Erweiterung von Grundwasser- und Oberflächenwasserressourcen. Es steht zwar, insbesondere unter Berücksichtigung der anschaulichen Angaben des Zeugen Dr. M, fest, dass der VEB H N nicht nur Forschungs-, Erkundungs- und Ausbildungsaufgaben wahrzunehmen hatte, sondern dass in diesem VEB auch Güter produziert wurden, und zwar im wesentlichen Bohranlagen für Brunnen. Der Zeuge Dr. M hat aber auf Nachfrage des Senats bekundet, dass es sich insoweit nicht um eine standardisierte Massenproduktion handelte und der Produktion – so der Zeuge wörtlich - auch nicht das fordistische Produktionsmodell zugrunde lag. Diese Aussage steht auch im Einklang mit dem vorliegenden Statut des VEB K G F u E, dessen Kombinatsbetrieb der VEB H N war. Danach war der Beschäftigungsbetrieb des Klägers als Spezialbetrieb verantwortlich für die Durchführung komplexer geologischer Untersuchungsarbeiten zum Nachweis von Vorräten aus natürlichen Vorkommen und von Vorräten für die Erweiterung des verfügbaren "Grundwasser-Dargebotes" durch künstliche Anreicherung, für die hydrogeologische und methodische Forschung mit dem Ziel, das Ressourcenpotenzial an Grundwasser und anderen verwertbaren Wässern in der DDR umfassend zu erforschen und die Effektivität des komplexen Such- und Erkundungsprozesses zu erhöhen, für die Durchführung von Arbeiten zur Grundwassererschließung und Brunnensanierung sowie technische Bauleistungen, für die Forschung und Entwicklung der Methodik, Technologie und Technik zur Suche, Erkundung und Erschließung von Grundwasser, für die Instandhaltung, Instandsetzung und Regenerierung der technischen Ausrüstungen, die Fertigung und Regenerierung von Bohrausrüstungen, Brunnenausrüstungen und Rationalisierungsmitteln, für die Herstellung von Konsumgütern und Dienstleistungen für die Bevölkerung, für die Durchführung eigener Bauleistungen und zur Erfüllung der volkswirtschaftlichen Anforderungen an den Betrieb sowie der Aufgabenstellung für das Kombinat insgesamt. Ferner fungierte der VEB H N als Hauptauftragnehmer für die hydrogeologische Erkundung und Erschließung gegenüber den Betrieben, Organisationen und Einrichtungen des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwirtschaft sowie als Erzeugnisgruppenleitbetrieb auf dem Sektor der Flachbohrtechnik für Bohrbetriebe in den Bezirken E, G und S (vgl. III. Nr. 4 und VI. Nr. 14 des Statuts des VEB K G F u E vom 12. Juli 1985). Der Kläger selbst hat zudem in seinem Schriftsatz vom 4. Oktober 2004 vorgetragen, dass Aufgabe seines Beschäftigungsbetriebs "Vorarbeiten für die Wasserbetriebe der DDR" und nicht die Massenproduktion von Sachgütern gewesen sei.
Der Kläger war am Stichtag auch nicht in einem Betrieb beschäftigt, der gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt war. Es handelte sich insbesondere – andere der in § 1 Abs. 2 der 2. DB genannten gleichgestellten Einrichtungen sind nicht einschlägig – weder um einen Versorgungsbetrieb für Gas, Wasser bzw. Energie noch um ein Forschungsinstitut. Eine Qualifizierung als Versorgungsbetrieb scheidet schon deshalb aus, weil der Hauptzweck eines (Wasser-)Versorgungsbetriebs in der öffentlichen Versorgung mit Trink- und Brauchwasser bestand; der VEB H N hat aber lediglich Vorarbeiten für die Erforschung und Erkundung von Grundwasservorkommen geleistet.
Der VEB H N war auch kein Forschungsinstitut im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB. Forschungsinstitute im vorgenannten Sinne sind Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist, und zwar in der Gestalt einer rechtlich selbständigen Wirtschaftseinheit als Betrieb (vgl. BSG SozR 4-8570 § 5 Nr. 5 m. w. Nachw.). Betrieblicher Hauptzweck dieser Einrichtungen der Wirtschaft muss die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung gewesen sein. Zu den durch § 1 Abs. 2 der 2. DB als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehören demnach vor allem volkseigene Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war (vgl. BSG aaO). Der VEB HN hat zwar, wie der Zeuge Dr. M in seiner schriftlichen Erklärung vom 12. Februar 2008 und anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge im Termin zur mündlichen Verhandlung im Einzelnen nachvollziehbar und damit glaubhaft dargelegt hat, neben der Durchführung von Forschungsarbeiten von gesamtstaatlicher Bedeutung im Auftrag der Staatlichen Plankommission auch zweckgebundene Forschung betrieben. Die zweck- und betriebsgebundene Forschung und Entwicklung bildeten jedoch nicht den tatsächlichen betrieblichen Hauptzweck und haben daher dem VEB H N auch nicht das Gepräge gegeben. Das erhellt bereits daraus, dass im gesamten, d.h. auch die gesamtstaatlichen Aufgaben umfassenden, Forschungsbereich des Betriebs nach den detaillierten Angaben des Zeugen Dr. M am Stichtag lediglich 239 (nach der von diesem Zeugen eingereichten Aufstellung zur Struktur und Anzahl der Beschäftigten im VEB H N) bzw. 240 (Aussage des Zeugen) von insgesamt 1249 Arbeitnehmern des Betriebs beschäftigt waren. Die außerhalb der Forschungsabteilungen beschäftigten Arbeitnehmer waren nämlich nicht mit Forschungsaufgaben betraut. Denn es gab nach der Aussage des Zeugen Dr. M eine "klare Trennung" zwischen den Forschungs- und Produktionsbereichen des Betriebs. Aufgrund dieser präzisen Angaben des Zeugen, auf die sich der Senat stützt, steht somit zwar außer Frage, dass der VEB H N auch zweck- und betriebsgebundene hydrogeologische Forschung betrieben hat, diese stellte jedoch nur einen Teilbereich, nicht jedoch den Hauptzweck des Betriebs dar.
Schließlich werden diese zur Überzeugung des Senats am 30. Juni 1990 vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten auch durch die Auflistung des Beschäftigungsbetriebs des Klägers in der "Systematik der Volkswirtschaftszweige der Deutschen Demokratischen Republik" unter der Wirtschaftsgruppe 64410 (Geologische Untersuchungen) bestätigt. Weitere der in § 1 Abs. 2 der 2. DB genannten Einrichtungen, Betriebe bzw. Verwaltungen sind nicht einschlägig.
Eine erweiternde Auslegung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG angelegte Modifikation hinaus, die eine Einbeziehung des Klägers in das AAÜG ermöglichte, ist nicht erlaubt, so dass ein Analogieverbot besteht (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2006 – B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11; BSG, Beschluss vom 13. Februar 2008 – B 4 RS 133/07 B – veröffentlicht in juris – m. w. Nachw.). Diese verfassungsrechtliche Wertung des BSG, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. z. B. Beschluss vom 04. August 2004 – 1 BvR 1557/01 = SozR 4-8570 § 5 Nr. 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 = SozR 4-8560 § 22 Nr. 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1941 geborene Kläger erwarb nach einem Studium an der Ingenieurschule für Wasserwirtschaft und Bauwesen M die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" (Urkunde vom 17. September 1965). Er war anschließend ab 01. Oktober 1965 als Ingenieur in der Abteilung Hydrogeologie des Volkseigenen Betriebes (VEB) G E N beschäftigt. Ab 01. Januar 1968 war der Kläger bei dem VEB H N beschäftigt, und zwar wie folgt: bis 30. April 1971 als Objekt-Geologe, vom 01. Mai 1971 bis 31. Januar 1974 als Arbeitsgruppenleiter, vom 01. Februar 1974 bis 31. Dezember 1976 als Leiter der Außenstelle B, vom 01. Januar 1977 bis 31. Dezember 1977 als Fachgebietsleiter Erkundungen, vom 01. Januar 1978 bis 31. Dezember 1978 als Abteilungsleiter Organisation und Planung, vom 01. Januar 1979 bis 30. Juni 1979 als Gruppenleiter Planung und Objektvorbereitung, vom 01. Juli 1979 bis 31. Dezember 1981 als Gruppenleiter Geologie und vom 01. Januar 1982 bis 30. November 1990 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Objektvorbereitung; auf die entsprechenden Änderungsverträge wird Bezug genommen. Mit Wirkung vom 01. April 1976 war der Kläger der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten. Der Kläger bezieht Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG vom 01. Januar 1963 bis 30. Juni 1990 ab mit der Begründung, dass der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne der einschlägigen Versorgungsordnung und auch nicht in einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt habe. Das AAÜG sei daher auf den Kläger nicht anwendbar. Mit der Klage hat der Kläger beantragt, die Anwendbarkeit des AAÜG festzustellen sowie die Beklagte zu verpflichten, die "geltend gemachten Beschäftigungszeiten" als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen. Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die Registerakte für den VEB H N sowie Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes H (VEB K G F uE) und des Registers der volkseigenen Wirtschaft des R d KN(VEB H N) beigezogen, ferner das Statut des VEB K G F u E vom 12. Juli 1985. Mit Urteil vom 30. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI nebst den insoweit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelten vom 01. Januar 1963 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG sei auf den Kläger nach § 1 Abs. 1 AAÜG nicht anwendbar. Die betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVTI seien am Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht erfüllt. Bei dem VEB H N habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gehandelt. Er sei auch kein gleichgestellter Betrieb nach Maßgabe der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die AVTI vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487) gewesen. Denn der VEB H N sei insbesondere weder ein Versorgungsbetrieb (Gas, Wasser, Energie) noch ein Forschungsinstitut im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB gewesen. Forschungsinstitute im Sinne der genannten Vorschrift seien Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung gewesen sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 40/04 R = SozR 4-8570 § 5 Nr. 5). Nach dem vorliegenden Statut des VEB K G F u E habe der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes in der Ermittlung, Sicherung und Erweiterung des Wasseraufkommens bestanden. Der VEB H N habe sich insoweit mit geologischen Untersuchungen im weitesten Sinne befasst. Zwar sei er insoweit auch verantwortlich für die damit im Zusammenhang stehende Forschungstätigkeit gewesen. Diese sei jedoch nicht Hauptzweck des Betriebes gewesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger (nur) noch sein Begehren auf Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 weiter. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten habe es sich bei seinem Beschäftigungsbetrieb am Stichtag um ein Forschungsinstitut und damit einen gleichgestellten Betrieb nach Maßgabe der 2. DB gehandelt. Denn die Forschungstätigkeiten hätten dem VEB H N das Gepräge gegeben. Es habe sich insoweit um geologische Forschung im Bereich der Wirtschaft im Unterschied zu staatlicher wissenschaftlicher Forschung gehandelt, so dass der VEB H N somit von § 1 Abs. 2 der 2. DB erfasst werde. Auf die Schriftsätze des Klägers vom 26. August 2007 und 12. September 2007 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Kläger hat ferner eine schriftliche Erklärung von Dr. M zu den Forschungstätigkeiten des VEB H N vom 12. Februar 2008 zu den Gerichtsakten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. März 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 2004 zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung von Dr. M als Zeugen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 21. Mai 2008 Bezug genommen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Zusatzversorgungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) (nur) noch hinsichtlich der begehrten Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI nebst der insoweit erzielten tatsächlichen Entgelte für die Zeit vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990 weiter verfolgt, ist nicht begründet.
Die Klagen sind zwar in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang zulässig. Insbesondere besteht ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einem gesonderten gerichtlichen Verfahren gegen die Beklagte zur isolierten Überprüfung der von ihr insoweit abgelehnten Datenfeststellungen nach dem AAÜG. Denn neben der vorliegenden Klage auf Vormerkung der begehrten Daten ist ein weiteres Verfahren gegen die Beklagte auf Verurteilung zur Zahlung höherer Rente nicht anhängig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 7/06 R – veröffentlicht in juris, zur Veröffentlichung im SozR vorgesehen). Zuständiger Rentenversicherungsträger ist im Übrigen ohnehin nicht die Beklagte, sondern die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, von der der Kläger eine Altersrente bezieht.
Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen mit den von ihm erhobenen Klagen durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie gegebenenfalls der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 01. September 1965 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 01. August 1991, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keinen Versorgungsanspruch im Sinne von § 1 Satz 1 AAÜG hatte. Denn der Versorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Kläger war aber auch am 01. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte – unstreitig – bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. Die Beklagte hat zudem in dem angefochtenen Bescheiden eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG nicht getroffen.
§ 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage am 01. August 1991 einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (ständige Rechtsprechung des BSG: vgl. z. B. Urteile vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 und – B 4 RA 3/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 sowie vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 8). Ein derartiger fiktiver Anspruch ist aber nur dann zu bejahen, wenn am Stichtag (30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Versorgungssystem vorgesehen war (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 1; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 23/04 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 6). Allein maßgebend sind insoweit die Texte der Verordnung über die AVTI in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVTI-VO) vom 17. August 1950 (GBl. S. 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB, soweit diese am 30. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind. Die genannten Vorschriften der DDR sind dabei unabhängig von deren Verwaltungs- und Auslegungspraxis allein nach bundesrechtlichen Kriterien auszulegen (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – veröffentlicht in juris). Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt ein fingierter Anspruch im Bereich der AVTI nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30. Juni 1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (betriebliche Voraussetzung: vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6; SozR 3-8570 § 1 Nr. 3).
Der Kläger war zwar am 30. Juni 1990 berechtigt, die ihm durch staatlichen Zuerkennungsakt verliehene Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Ob er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Objektvorbereitung auf dem Gebiet der Geologie an dem genannten Stichtag dieser Berufsbezeichnung entsprechend beschäftigt war, kann jedoch dahinstehen, obgleich diesbezüglich schon deshalb erhebliche Bedenken bestehen, weil der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat, im Juni 1990 nicht im technischen Bereich tätig gewesen zu sein. Denn jedenfalls die betriebliche Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Kläger war am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) noch in einem gleichgestellten Betrieb (§ 1 Abs. 2 der 2. DB) beschäftigt.
Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 20/03 R – SozR 4-8570 § 5 Nr. 3). Ausschlaggebend hierfür sind die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990. Arbeitgeber des Klägers im vorgenannten Sinne war am Stichtag der VEB H N. Maßgebend für die Prüfung der betrieblichen Voraussetzung ist dabei nur der vorgenannte Beschäftigungsbetrieb des Klägers, nicht aber der VEB K G F u E als Ganzes, dessen Kombinatsbetrieb der VEB H N war, und auch nicht andere zum Kombinat gehörende VEB (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/06 R – veröffentlicht in juris). Bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers handelte es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Denn der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebs des Klägers, auf den abzustellen ist, bestand nicht in der regelmäßig wiederkehrenden, serienmäßigen Massenproduktion von Sachgütern oder Bauleistungen (zu diesem Erfordernis vgl. BSG, Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 3). Im Hinblick auf die in der Präambel zur AVTI-VO zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion von Gütern zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe spezialisierter, monofunktionaler Maschinen beruhte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – veröffentlicht in juris).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens war indes der Hauptzweck der betrieblichen Tätigkeit des VEB H N nicht die Massenproduktion von Sachgütern im vorgenannten Sinn, sondern vielmehr die Ermittlung, Erkundung, Sicherung und Erweiterung von Grundwasser- und Oberflächenwasserressourcen. Es steht zwar, insbesondere unter Berücksichtigung der anschaulichen Angaben des Zeugen Dr. M, fest, dass der VEB H N nicht nur Forschungs-, Erkundungs- und Ausbildungsaufgaben wahrzunehmen hatte, sondern dass in diesem VEB auch Güter produziert wurden, und zwar im wesentlichen Bohranlagen für Brunnen. Der Zeuge Dr. M hat aber auf Nachfrage des Senats bekundet, dass es sich insoweit nicht um eine standardisierte Massenproduktion handelte und der Produktion – so der Zeuge wörtlich - auch nicht das fordistische Produktionsmodell zugrunde lag. Diese Aussage steht auch im Einklang mit dem vorliegenden Statut des VEB K G F u E, dessen Kombinatsbetrieb der VEB H N war. Danach war der Beschäftigungsbetrieb des Klägers als Spezialbetrieb verantwortlich für die Durchführung komplexer geologischer Untersuchungsarbeiten zum Nachweis von Vorräten aus natürlichen Vorkommen und von Vorräten für die Erweiterung des verfügbaren "Grundwasser-Dargebotes" durch künstliche Anreicherung, für die hydrogeologische und methodische Forschung mit dem Ziel, das Ressourcenpotenzial an Grundwasser und anderen verwertbaren Wässern in der DDR umfassend zu erforschen und die Effektivität des komplexen Such- und Erkundungsprozesses zu erhöhen, für die Durchführung von Arbeiten zur Grundwassererschließung und Brunnensanierung sowie technische Bauleistungen, für die Forschung und Entwicklung der Methodik, Technologie und Technik zur Suche, Erkundung und Erschließung von Grundwasser, für die Instandhaltung, Instandsetzung und Regenerierung der technischen Ausrüstungen, die Fertigung und Regenerierung von Bohrausrüstungen, Brunnenausrüstungen und Rationalisierungsmitteln, für die Herstellung von Konsumgütern und Dienstleistungen für die Bevölkerung, für die Durchführung eigener Bauleistungen und zur Erfüllung der volkswirtschaftlichen Anforderungen an den Betrieb sowie der Aufgabenstellung für das Kombinat insgesamt. Ferner fungierte der VEB H N als Hauptauftragnehmer für die hydrogeologische Erkundung und Erschließung gegenüber den Betrieben, Organisationen und Einrichtungen des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwirtschaft sowie als Erzeugnisgruppenleitbetrieb auf dem Sektor der Flachbohrtechnik für Bohrbetriebe in den Bezirken E, G und S (vgl. III. Nr. 4 und VI. Nr. 14 des Statuts des VEB K G F u E vom 12. Juli 1985). Der Kläger selbst hat zudem in seinem Schriftsatz vom 4. Oktober 2004 vorgetragen, dass Aufgabe seines Beschäftigungsbetriebs "Vorarbeiten für die Wasserbetriebe der DDR" und nicht die Massenproduktion von Sachgütern gewesen sei.
Der Kläger war am Stichtag auch nicht in einem Betrieb beschäftigt, der gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt war. Es handelte sich insbesondere – andere der in § 1 Abs. 2 der 2. DB genannten gleichgestellten Einrichtungen sind nicht einschlägig – weder um einen Versorgungsbetrieb für Gas, Wasser bzw. Energie noch um ein Forschungsinstitut. Eine Qualifizierung als Versorgungsbetrieb scheidet schon deshalb aus, weil der Hauptzweck eines (Wasser-)Versorgungsbetriebs in der öffentlichen Versorgung mit Trink- und Brauchwasser bestand; der VEB H N hat aber lediglich Vorarbeiten für die Erforschung und Erkundung von Grundwasservorkommen geleistet.
Der VEB H N war auch kein Forschungsinstitut im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB. Forschungsinstitute im vorgenannten Sinne sind Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist, und zwar in der Gestalt einer rechtlich selbständigen Wirtschaftseinheit als Betrieb (vgl. BSG SozR 4-8570 § 5 Nr. 5 m. w. Nachw.). Betrieblicher Hauptzweck dieser Einrichtungen der Wirtschaft muss die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung gewesen sein. Zu den durch § 1 Abs. 2 der 2. DB als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehören demnach vor allem volkseigene Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war (vgl. BSG aaO). Der VEB HN hat zwar, wie der Zeuge Dr. M in seiner schriftlichen Erklärung vom 12. Februar 2008 und anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge im Termin zur mündlichen Verhandlung im Einzelnen nachvollziehbar und damit glaubhaft dargelegt hat, neben der Durchführung von Forschungsarbeiten von gesamtstaatlicher Bedeutung im Auftrag der Staatlichen Plankommission auch zweckgebundene Forschung betrieben. Die zweck- und betriebsgebundene Forschung und Entwicklung bildeten jedoch nicht den tatsächlichen betrieblichen Hauptzweck und haben daher dem VEB H N auch nicht das Gepräge gegeben. Das erhellt bereits daraus, dass im gesamten, d.h. auch die gesamtstaatlichen Aufgaben umfassenden, Forschungsbereich des Betriebs nach den detaillierten Angaben des Zeugen Dr. M am Stichtag lediglich 239 (nach der von diesem Zeugen eingereichten Aufstellung zur Struktur und Anzahl der Beschäftigten im VEB H N) bzw. 240 (Aussage des Zeugen) von insgesamt 1249 Arbeitnehmern des Betriebs beschäftigt waren. Die außerhalb der Forschungsabteilungen beschäftigten Arbeitnehmer waren nämlich nicht mit Forschungsaufgaben betraut. Denn es gab nach der Aussage des Zeugen Dr. M eine "klare Trennung" zwischen den Forschungs- und Produktionsbereichen des Betriebs. Aufgrund dieser präzisen Angaben des Zeugen, auf die sich der Senat stützt, steht somit zwar außer Frage, dass der VEB H N auch zweck- und betriebsgebundene hydrogeologische Forschung betrieben hat, diese stellte jedoch nur einen Teilbereich, nicht jedoch den Hauptzweck des Betriebs dar.
Schließlich werden diese zur Überzeugung des Senats am 30. Juni 1990 vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten auch durch die Auflistung des Beschäftigungsbetriebs des Klägers in der "Systematik der Volkswirtschaftszweige der Deutschen Demokratischen Republik" unter der Wirtschaftsgruppe 64410 (Geologische Untersuchungen) bestätigt. Weitere der in § 1 Abs. 2 der 2. DB genannten Einrichtungen, Betriebe bzw. Verwaltungen sind nicht einschlägig.
Eine erweiternde Auslegung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG angelegte Modifikation hinaus, die eine Einbeziehung des Klägers in das AAÜG ermöglichte, ist nicht erlaubt, so dass ein Analogieverbot besteht (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2006 – B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11; BSG, Beschluss vom 13. Februar 2008 – B 4 RS 133/07 B – veröffentlicht in juris – m. w. Nachw.). Diese verfassungsrechtliche Wertung des BSG, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. z. B. Beschluss vom 04. August 2004 – 1 BvR 1557/01 = SozR 4-8570 § 5 Nr. 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 = SozR 4-8560 § 22 Nr. 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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