L 4 R 419/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 RJ 575/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 419/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1959 geborene Kläger erwarb 1977 in der DDR ein Facharbeiterzeugnis im Ausbildungsberuf Fahrzeugschlosser mit der Spezialisierung Berufskraftfahrer. In der Folgezeit war er nach dreijährigem Wehrdienst bis 1989 im Wesentlichen als Kraftfahrer beschäftigt. Es schloss sich eine anderthalbjährige Tätigkeit als Glüher und Zieher an. Ab Mitte 1991 war der Kläger immer wieder arbeitslos. Zwischenzeitlich ging er – teilweise im Rahmen von ABM-Maßnahmen - Beschäftigungen als Kraftfahrer, Werkstattleiter sowie Lagerarbeiter nach. Im Jahre 2001 arbeitete er nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit knapp zwei Monate als Busfahrer. Nach einer weiteren Phase der Arbeitslosigkeit war er zuletzt von Januar 2003 an als Kassierer an einer Tankstelle versicherungspflichtig beschäftigt. Diese Tätigkeit war nach seinen Angaben mit Kassieren, dem Bewegen und Auspacken von Waren sowie dem Säubern des Verkaufsraumes verbunden. Darüber hinaus hatte er – so seine Angaben gegenüber einer Gutachterin im Verwaltungsverfahren - für einen von derselben Firma betriebenen Supermarkt Waren mit seinem privaten Pkw zu transportieren. Seit dem 25. August 2003 war er arbeitsunfähig und bezog ab dem 29. August 2003 Krankengeld. Nach der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum Ende Februar 2004 und seiner Aussteuerung bestritt er seinen Lebensunterhalt aus dem Bezug einer Unfallrente (MdE von 30 aufgrund eines 1982 erlittenen Arbeitsunfalls) und ergänzenden Leistungen zuletzt nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches.

Am 11. September 2003 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, sich seit Juni 2003 wegen einer Schädigung der Hals- und der Lendenwirbelsäule für erwerbsunfähig zu halten. Die Beklagte ließ ihn daraufhin im Oktober 2003 durch die Internistin R sowie die Fachärztin für Chirurgie – Sozialmedizin – Dipl.-Med. B untersuchen. Die Internistin stellte bei dem Kläger auf ihrem Fachgebiet eine arterielle Hypertonie ohne Linksherzhypertrophie fest (Gutachten vom 07. Oktober 2003). Die Chirurgin diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 21. Oktober 2003 chronische Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Wirbelsäulenfehlhaltung und leichten bis mäßiggradigen degenerativen Veränderungen, belastungsabhängige Schmerzen im linken Ellenbogengelenk nach Verrenkung 1980 sowie belastungsabhängige Beschwerden im rechten Unterschenkel nach offener Unterschenkelfraktur 1982. Übereinstimmend gaben die Gutachterinnen zum Leistungsvermögen an, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, seiner zuletzt ausgeübten Beschäftigung weiterhin nachzugehen. Er verfüge jedoch über ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Beachtung einiger qualitativer Einschränkungen. Auf der Grundlage dieser Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2003, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 11. März 2004 die Zahlung einer Rente ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, sondern noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch sei er nicht berufsunfähig, da er aufgrund seiner beruflichen Qualifikation auf eine mindestens sechsstündige Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Es sei hingegen nicht entscheidungserheblich, ob er seine bisherige Tätigkeit als Kassierer mit Lager- und Reinigungsarbeiten noch ausüben könne.

Mit seiner am 30. März 2004 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass sein Gesundheitszustand nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die eingeholten Gutachten seien als ergebnisorientierte Parteiengutachten nicht geeignet, diesen adäquat widerzuspiegeln. Im Übrigen genieße er Berufsschutz als Fahrzeugschlosser. Bei einer in der DDR durchlaufenen Berufsausbildung sei Facharbeiterstatus anzunehmen, sofern dieser Ausbildungsberuf auch in den alten Bundesländern anerkannt sei. Davon sei bei einem Fahrzeugschlosser auszugehen. Da er noch immer als Berufskraftfahrer tätig sei, sei sein Hauptberuf zweifellos der eines Fahrzeugschlossers, Spezialisierungsrichtung Berufskraftfahrer. Im Übrigen schließe die Aufnahme einer minderqualifizierten Beschäftigung zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit die Lösung vom bisherigen Beruf aus, zumal dieser noch Teil der ausgeübten Beschäftigung sei.

Das Sozialgericht Berlin hat bei den den Kläger behandelnden Ärzten – dem Arzt für Orthopädie Dipl.-Med. K, dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L sowie der Fachärztin für Anästhesiologie Dr. P - Befundberichte eingeholt. Weiter lag ihm ein aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit am 31. August 2004 durch Herrn G erstelltes sozialmedizinisches Gutachten vor, in dem weitere Behandlungs- und Betreuungsbedürftigkeit sowie eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit angenommen werden. Ferner hat das Sozialgericht Arbeitgeberauskünfte bei der L T GmbH (Beschäftigung vom 01. Februar bis zum 30. Juni 1994), dem R R City-Service (Beschäftigung vom 01. Mai bis zum 19. Juli 2001) sowie der H-Tankstelle (Beschäftigung vom 16. Januar 2003 bis zum 28. Februar 2004) eingeholt. Schließlich hat es den Facharzt für Orthopädie Dr. O K und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie – Psychotherapie – Dr. H B mit der Erstattung entsprechender Fachgutachten beauftragt. Der Sachverständige
Dr. K hat in seinem Gutachten vom 03. Dezember 2005 bei dem Kläger folgende Diagnosen gestellt:

1.) Chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom, zervikocephales Syndrom mit in- termittierender Zervikobrachialgie beidseits bei spinaler und neuroforaminaler Enge der unteren Halswirbelsäule.

2.) Chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, Lumboischialgie rechts bei Lum- balskoliose.

3.) Initiales Impingement-Syndrom rechtes Schultergelenk.

4.) Posttraumatische Ellenbogengelenksarthrose links.

5.) Zustand nach Unterschenkelfraktur rechts, Beinverkürzung rechts, posttraumati- sche OSG-Arthrose rechts.

Der Sachverständige Dr. B hat in seinem Gutachten vom 06. Mai 2006 auf seinem Fachgebiet bei dem Kläger eine Dysthymia, eine Panikstörung sowie eine Klaustrophobie festgestellt. Trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen haben die Sachverständigen dem Kläger übereinstimmend ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen für körperlich leichte, vorwiegend im Sitzen auszuübende Arbeiten unter Beachtung einiger weiterer, im Einzelnen aufgeführter qualitativer Einschränkungen bescheinigt. Nachdem der Kläger unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Orthopäden die Einholung eines schmerzärztlichen Gutachtens begehrt hatte, hat das Sozialgericht bei Dr. B eine ergänzende Stellungnahme eingeholt. Dieser hat unter dem 08. November 2006 nochmals seine Einschätzung zum Restleistungsvermögen des Klägers bestätigt und ergänzend ausgeführt, dass er die Einholung eines schmerzärztlichen Gutachtens für überflüssig halte. Die vom Kläger geklagten Schmerzen seien in seinem Gutachten sowie in dem von Dr. K hinreichend gewürdigt worden.

Mit Urteil vom 07. Februar 2007 hat das Sozialgericht nach Einführung der Berufsinformationskarte der Bundesagentur für Arbeit BO Nr. 793 (Pförtner) die Klage abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger weder voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) sei noch teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen – und zwar insbesondere den durch das Gericht eingeholten Gutachten, die im Wesentlichen mit den bereits im Verwaltungsverfahren in Auftrag gegebenen übereinstimmten - verfüge der Kläger noch über ein mindestens sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen unter Beachtung einiger qualitativer Einschränkungen. Der Einholung eines schmerzärztlichen Gutachtens hätte es auf der Grundlage der zuvor eingeholten Gutachten nicht bedurft. Im Übrigen sei der Kläger nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt für die Beurteilung sei der bisherige, zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Beruf des Klägers als Kassierer an einer Tankstelle. Dabei handele es sich entgegen den Angaben des letzten Arbeitgebers nicht um eine Facharbeiter-, sondern allenfalls um eine Anlerntätigkeit. Zwar würden Kassierer nach dem einschlägigen Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Berliner Einzelhandel – fachlicher Geltungsbereich auch für Tankstellen – nach der Tarifgruppe K 2 entlohnt. Diese sei vorgesehen für Angestellte mit Tätigkeiten, die in der Regel eine abgeschlossene zwei- oder dreijährige Ausbildung im Beruf erfordern. Der Kläger habe jedoch keine Ausbildung als Verkäufer oder Tankwart absolviert. Vielmehr sei er nach den Angaben des Arbeitgebers lediglich für das Kassensystem angelernt worden, was eher dafür spreche, dass es sich um eine ungelernte Tätigkeit gehandelt habe. Darüber hinaus sei der Kläger nicht nur mit Kassiertätigkeiten, sondern auch mit Aufpack- und Reinigungsarbeiten befasst gewesen, bei denen es sich ebenfalls um ungelernte Tätigkeiten handele. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei der letzten Tätigkeit die Kraftfahrertätigkeit im Vordergrund gestanden habe. Weder entspreche dies den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren noch komme dies in der Auskunft seines letzten Arbeitgebers zum Ausdruck. Die Tätigkeit als Kraftfahrer, die der Kläger zuletzt im Juli 2001 ausgeübt habe, könne daher der Beurteilung seiner Berufsunfähigkeit nicht zugrunde gelegt werden. Im Übrigen sei zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik für die Ausbildung eines Berufskraftfahrers lediglich eine Ausbildungszeit von zwei Jahren vorgesehen gewesen, was einem Anlernberuf im oberen Bereich entspreche. Die Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer vom 19. April 2001, die eine Ausbildung von nunmehr drei Jahren vorsieht und damit einer Facharbeiterausbildung entspricht, sei erst zum 01. August 2001 in Kraft getreten. Eine Gleichstellung der in der DDR erworbenen Qualifikation mit einer Facharbeiterausbildung habe daher nicht erfolgen können. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass sich der Kläger etwa aus gesundheitlichen Gründen von seiner Kraftfahrertätigkeit gelöst habe, weil es sich auch bei seiner letzten Tätigkeit ausweislich der Angaben des Arbeitgebers um eine zum Teil schwere körperliche Arbeit gehandelt habe. Selbst wenn aber der Beurteilung der Berufsunfähigkeit die Tätigkeit als Berufskraftfahrer zugrunde gelegt werden müsste, könne der Kläger aus dieser heraus auf die Tätigkeit eines einfachen Pförtners verwiesen werden, für die sein Restleistungsvermögen ausreiche. Es handele sich hierbei um eine leichte Tätigkeit, die überwiegend in geschlossenen Räumen und im Sitzen verrichtet werde und auch für Behinderte geeignet sei.

Gegen dieses ihm am 09. März 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. März 2007 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er meint weiterhin, dass die Einholung eines schmerzärztlichen Gutachtens erforderlich sei und er im Übrigen Berufsschutz genieße. Schließlich entspreche die benannte Verweisungstätigkeit als einfacher Pförtner aufgrund der bestehenden Klaustrophobie sowie der Unmöglichkeit, überwiegend in einseitiger Körperhaltung tätig zu sein, nicht seinem Leistungsvermögen.

Der Senat hat einen weiteren Befundbericht bei Dr. L eingeholt. Sodann hat er auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Facharzt für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie Dr. K H mit der Erstattung eines schmerztherapeutischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat unter dem 03. Dezember 2007 bei dem Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne einer chronischen Schmerzerkrankung des Chronifizierungsgrades III nach Gerbershagen bei zervikocephalem und zervicobrachialem Syndrom sowie schweren degenerativen HWS-Veränderungen mit spinaler Stenose und neuroforaminalen Veränderungen, ein chronisches Lumbal-Syndrom mit Lumboischialgien, eine posttraumatische OSG-Arthrose rechts, eine mittelgradige Depression, eine Agoraphobie sowie eine Angsterkrankung mit Panikstörung diagnostiziert. Aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen könne der Kläger auch leichte Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nicht mehr mindestens drei Stunden täglich erbringen. Er sei nicht in der Lage, allein regelmäßig das Haus zu verlassen. Die festgestellten qualitativen und quantitativen Einschränkungen bestünden mindestens seit November 2005, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon davor, d.h. im August 2004. Inwieweit die Einschränkungen in der heute vorliegenden Stärke auch schon vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zum genannten Zeitpunkt bestünden, könne nicht mit ausreichender Sicherheit angegeben werden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit sei aber auch für diesen Zeitraum anzunehmen. Aufgrund des hohen Chronifizierungsgrades, des erheblichen sekundären Krankheitsgewinns, der psychischen Komorbidität (in Form von Angsterkrankung und Depressivität) und des fehlenden Zugangs zu Körper-Psyche-Zusammenhängen erscheine eine durchgreifende Änderung der Leistungsminderung in absehbarer Zeit nahezu ausgeschlossen.

Während der Kläger sich aufgrund dieses Gutachtens in seiner Auffassung voll erwerbsgemindert zu sein bestätigt sieht, ist die Beklagte unter Vorlage von Stellungnahmen der Fachärztin für Psychiatrie Dr. S sowie des Facharztes für Chirurgie – Sozialmedizin – Dr. H bei ihrer Einschätzung geblieben, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. September 2003 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren,
hilfsweise ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach § 109 SGG von einem binnen vier Wochen zu benennenden Sachverständigen einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise weiteren medizinischen Beweis durch Einholung einer Stellungnahme der Doktoren K (Orthopädie) und B (Neurologie/Psychiatrie) zum Gutachten des Dr. H zu erheben, die erbringen wird, dass der Versicherte weiterhin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfügt.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die eingeholten Arbeitgeberauskünfte, Befundberichte, Gutachten, gutachtliche und ärztliche Stellungnahmen sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage in seinem angefochtenen Urteil zutreffend.

Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung hat nach § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI derjenige, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und teilweise bzw. voll erwerbsgemindert ist. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI diejenigen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein; voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI diejenigen, die nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Nicht erwerbsgemindert ist hingegen nach § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist. Gemessen daran ist der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erwerbsgemindert. Er ist vielmehr in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung einiger qualitativer Einschränkungen für mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten.

Mit der dahingehenden Einschätzung schließt sich der Senat – wie zuvor schon das Sozialgericht Berlin - insbesondere der Beurteilung der Sachverständigen Dr. K und Dr. B an und verweist zur Begründung auf die diesbezüglich umfangreichen und überzeugenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Die im Berufungsverfahren erfolgten ergänzenden medizinischen Ermittlungen rechtfertigen zur Überzeugung des Senats keine abweichende Entscheidung. Dies gilt namentlich für das Gutachten des auf Antrag des Klägers beauftragten Sachverständigen Dr. H. Dieses überzeugt den Senat nicht; er folgt insoweit vielmehr der Einschätzung der Vorgutachter, dass auch das bei dem Kläger bestehende chronifizierte Schmerzsyndrom einer leichten körperlichen Tätigkeit unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nicht entgegensteht.

Nach den im November 2004 erstellten Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen ist – worauf die Psychiaterin Dr. S für die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 10. Januar 2008 zu Recht hinweist – als Grundlage für die Diagnostik eine klinische Untersuchung, ein ausführlicher psychopathologischer Befund, eine ausführliche Beobachtung des Probanden und eine ausführliche Anamnese zur Quantifizierung der Symptomatik erforderlich. Diesen Anforderungen wird Dr. H Gutachten – auch wenn der Sachverständige selbst dies auf Seite 34 seines Gutachtens anders sieht – nicht gerecht. Seine Angaben zur körperlichen Untersuchung bestehen im Wesentlichen in der Wiedergabe der subjektiven Angaben des Klägers, während sich der klinische Untersuchungsbefund als äußerst rudimentär erweist. Wie Dr. H für die Beklagte in seiner Stellungnahme zutreffend ausführt, fehlt es in der Tat z.B. an der Angabe passiver Bewegungsausmaße, an Umfangmessungen oder Angaben zu Muskelatrophien. Ebenso wenig äußert der Gutachter sich z.B. zur Hornhautbildung insbesondere an den Füßen oder zum Vorliegen etwaiger Dekubitus-Anzeichen. Gerade zu letztgenannten Aspekten wären Angaben jedoch vorliegend von wesentlicher Bedeutung, berücksichtigt man, dass der Sachverständige davon ausgeht, dass der Kläger sehr oft ca. 23 Stunden am Tag im Bett liegt. Auch hinsichtlich des psychopathologischen Befundes gilt, dass dieser viel zu oberflächlich erfolgt ist und ganz wesentliche Aspekte wie z.B. eine genaue Exploration der angegebenen Ängste übergeht. Stattdessen stützt der Sachverständige seine Diagnosestellung offensichtlich ganz wesentlich auf die vom Kläger ausgefüllten Fragebögen und sein Schmerzprotokoll. Zweifelsohne sind – worauf der Klägervertreter zu Recht hinweist – nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch wissenschaftlich erarbeitete Fragebögen für die Anamneseerhebung wichtig. Ihre Bedeutung reicht aber nicht so weit, dass auf ihrer Grundlage eine Diagnose gestellt und eine Leistungsbeurteilung getroffen werden kann, die nicht durch nachvollziehbare Befunde belegt ist. Denn die vorgelegten Tests basieren im Wesentlichen auf Selbstbeurteilungsskalen. Sie sind damit im besonderen Maße von der Kooperationsbereitschaft der Person abhängig. Vor diesem Hintergrund besitzen sie – wie zweifelsohne auch die Tagesprotokolle/das Schmerztagebuch – eine gute Aussagekraft in der Behandlungssituation, insbesondere wenn es um eine Schmerzmitteleinstellung geht. Nicht hingegen kann ihnen diese Aussagekraft in der Begutachtungssituation zugesprochen werden. Den angesprochenen Tagesprotokollen mangelt es bereits an einer Evaluierung, sodass ihnen hier allein der Stellenwert eines Beschwerdevortrages zukommen kann. Die Testergebnisse aber sind gerade im Rentenverfahren, mithin bei einer Begehrenshaltung des Probanden als hochgradig anfällig und nicht objektiv anzusehen. Auffällig ist dies auch für das von dem Sachverständigen herangezogene Mainzer Stadienmodell der Schmerz-Chronifizierung (MPSS), aufgrund dessen er dem Kläger den höchsten Chronifizierungsgrad zuspricht. Dieses Modell basiert auf vier Achsen, von denen zwei im Wesentlichen subjektive Angaben wiedergeben (zeitliche und räumliche Aspekte), während in den anderen beiden (Medikamenteneinnahmeverhalten und Patientenkarriere) objektivierbare Kriterien abgefragt werden. Auch hier fällt auf, dass der bei dem Kläger bejahte höchste Chronifizierungsgrad ganz entscheidend auf seine subjektiven Angaben zurückzuführen ist, während die übrigen Achsenstadien einen deutlich geringeren Grad ausweisen. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige Dr. H selbst richtig darauf verwiesen, dass testpsychologische Verfahren und die Verwendung von Selbstbeurteilungsbögen die Eigenschilderung der Beschwerden lediglich ergänzen, nicht aber die nachvollziehbare Herleitung der Diagnosen durch den Sachverständigen ersetzen können. Eine nachvollziehbare Herleitung der Diagnosen ist ihm jedoch zur Überzeugung des Senats nicht gelungen.

Besonders deutlich wird dies z.B. für die von dem Sachverständigen diagnostizierten mittelgradigen Depressionen, die Agoraphobie sowie die Angstzustände, die dem Kläger das alleinige regelmäßige Verlassen des Hauses unmöglich machen sollen. Wie der Sachverständige zu der Diagnose Agoraphobie gelangt ist, vermag der Senat seinem Gutachten überhaupt nicht zu entnehmen. Und zu den Ängsten findet sich im Wesentlichen unter der Rubrik "Jetzige Anamnese" der Hinweis, dass rezidivierend ca. einmal pro Woche Angstanfälle aufträten, was aber schon sehr lange bekannt sei. Es fragt sich daher, warum es dem Kläger trotz dieser Angstzustände früher möglich gewesen ist, das Haus zu verlassen und einer Beschäftigung nachzugehen, nunmehr aber nicht. Dies wird auch nicht dadurch beantwortet, dass der Kläger selbst im Fragebogen zur Selbstbeurteilung von Angst und Depressivität (HADS-D) für Angst einen auffälligen Wert angegeben hat.

Weiter wird die letztlich vom Gutachter mitgeteilte aufgehobene Wegefähigkeit auch nicht mit der angeblich bestehenden mittelschweren Depression ausreichend erklärt. Im Gegenteil ist die Annahme dieser Diagnose nach dem Gutachten überhaupt nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige hat zum psychiatrisch-psychosomatischen Befund angegeben, dass die Stimmungslage des Klägers bis auf zwei Angstanfälle stabil gewesen sei. Darüber hinaus findet sich hier im Wesentlichen der Hinweis, dass der Kläger mit seinem Zustand unzufrieden sei. Dies aber kann nicht die Diagnose einer mittelgradigen Depression stützen. Diese basiert offensichtlich auf dem Ergebnis der Angaben des Klägers zu Angst und Depression (HADS-D) und damit wieder auf der subjektiven Einschätzung des Klägers. Nicht aber wird sie belegt durch mitgeteilte Auffälligkeiten im psychopathologischen Befund. Der Sachverständige beschränkt sich auch hier auf die Angabe, dass der Kläger Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen beklage, teilt hingegen an keiner Stelle mit, dass der Kläger im Laufe der Anamnese irgendwelche Konzentrationsstörungen gezeigt hätte. Gleichwohl nimmt er schließlich die Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen als gegeben hin. Auch hier wird mithin wieder das subjektive Erleben des Klägers als Tatsache dargestellt.

Ebenso wenig vermag der Senat es nachzuvollziehen, wenn der Sachverständige in seiner Zusammenfassung und Beurteilung ausführt, dass die bei dem Kläger bestehenden psychischen Nebenerkrankungen zu einem fast totalen psychosozialen Rückzug mit fast komplettem Kontaktabbruch zur nicht familiären Außenwelt geführt habe. Der Kläger verfügt offenbar wirklich über nur sehr eingeschränkte persönliche Kontakte. Dass dies aber Folge der psychischen Nebenerkrankungen ist, vermag der Senat auf der Grundlage der Anamneseerhebung des Sachverständigen Dr. H nicht nachzuvollziehen. Denn danach hat der Kläger seine sportlichen Aktivitäten – und damit wohl auch die damit verbundenen Kontakte - nach einem 1982 erlittenen Unfall eingestellt. Weiter heißt es zur Sozialanamnese, dass der Kläger in Berlin nie einen eigenen Freundeskreis gehabt habe, als Kind vom Lande letztlich nie wirklich Fuß in der Großstadt gefasst habe. Schließlich übergeht der Sachverständige insoweit völlig, dass der Kläger nach der Wiedervereinigung beruflich nie mehr richtig hat Fuß fassen können, sodass es hier diverse andere Gründe als psychische Nebenerkrankungen gibt, die letztlich für mangelnde soziale Kontakte sprechen.

Auch mutet es aus Sicht des Senats sehr eigentümlich an, wenn der Sachverständige ausführt, dass vermutlich die bisherige Vorenthaltung der Rente für den Kläger eine weitere Kränkung bedeutet und zur weiteren Chronifizierung und Verschlimmerung seiner Leiden geführt habe. (so Seite 31 des Gutachtens). Auch wenn er dann immerhin zwei Seiten weiter selbst erwägt, dass womöglich auch der Wunsch nach Berentung und der sekundäre Krankheitsgewinn die schmerztherapeutischen und orthopädischen Bemühungen negativ beeinflusst haben mag, so wird hier doch der auch aus anderen Gutachten dieses Sachverständigen bekannte Ansatz deutlich, dass letztlich Begehrensvorstellungen des Einzelnen von der Gemeinschaft befriedigt werden sollten, wenn sie mit chronischen Schmerzen einhergehen. Dass hingegen allgemein davon ausgegangen wird, dass leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnden Haltungen sich in aller Regel Schmerz reduzierend und nicht Schmerz verstärkend auswirken und eine Vielzahl von Bundesbürgern trotz dauernder Schmerzen sehr wohl einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann und dies auch tut, findet bei dem Sachverständigen keinerlei Berücksichtigung. Im Übrigen verlangt Schmerz in erster Linie nach Therapie und Linderung, nicht aber nach einer Entschädigung durch eine Rente. Vor diesem Hintergrund erscheint ein erheblicher Leidensdruck des Klägers eher zweifelhaft, berücksichtigt man, dass die Therapiemöglichkeiten – jedenfalls nach den Angaben der Sachverständigen Dr. K und Dr. B - durchaus nicht ausgeschöpft sind. Eine Evidenz zu einem gravierenden Leidensdruck lässt sich vorliegend jedenfalls nur schwerlich herstellen.

Ganz wesentlich gegen die Überzeugungskraft des Gutachtens des Sachverständigen Dr. H spricht schließlich zur Überzeugung des Senats, dass das Gutachten zum Teil in sich selbst unschlüssig ist, zum Teil frühere Angaben des Klägers gegenüber den Vorgutachtern jedenfalls in der Bewertung schlicht ausblendet. So kommt der Gutachter zu der Einschätzung, dass der Kläger mindestens seit November 2005, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber bereits seit August 2004 selbst unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nur noch über ein unter dreistündiges Leistungsvermögen verfügt habe. Allerdings hatte er im Rahmen seiner Anamnese noch ausgeführt, dass sich die Beschwerden des Klägers nach dessen Angaben in den letzten fünf Jahren aufgebaut und erst seit etwa einem halben Jahr – bezogen auf den Untersuchungszeitpunkt im November 2007 mithin etwa ab Mai 2007 – das aktuelle Maß erreicht hätten. Warum dann gleichwohl schon deutlich früher von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen sei, hätte der Erklärung bedurft. Auch würdigt der Sachverständige insoweit nicht ansatzweise, dass der Kläger bei ihm zwar angegeben haben mag, seine Morgenhygiene sowie das Anziehen nur mit Hilfe seiner Ehefrau oder seines Sohnes bewältigen zu können, und auch tatsächlich das Aus- und Anziehen anlässlich der Untersuchung ausschließlich mit Hilfe der Ehefrau unter großen Mühen und sichtlichen Schmerzen erfolgt sein mag, dies jedoch zum Zeitpunkt der Untersuchungen durch die Vorgutachter noch völlig anders war. So konnte zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. K im November 2005 keine Rede davon sein, dass der Kläger sich nicht alleine an- und auszuziehen vermochte. Im Gegenteil beschreibt dieser Sachverständige, dass der Kläger sich zügig unter Einsatz beider Arme entkleidet habe, während der Sachverständige Dr. B im Zusammenhang mit der Aufnahme der Angaben des Klägers zum Tagesablauf vermerkt hat, dass dieser die Körperpflege selbst durchführe. Ähnliche Ungereimtheiten – seien es Widersprüche, seien es eingetretene Veränderungen - finden sich zum Tagesablauf. Während der Kläger bei Dr. H angegeben hat, oft ca. 23 Stunden des Tages im Bett zu verbringen und dort auch seine Mahlzeiten einzunehmen, hat er im April 2006 gegenüber Dr. B einen deutlich aktiveren Tagesablauf geschildert. Danach stand er seinerzeit früh auf, wofür er etwa eine halbe Stunde brauchte, machte sich etwas zum Essen, las Zeitung, machte Rückenschule oder anderes und legte sich gegen 14.00 Uhr wieder hin. Weiter berichtete er, manchmal am Computer zu sitzen, viel zu lesen und – so im Zusammenhang mit der Schilderung der aktuellen Beschwerden – schwimmen zu gehen. Dies hätte der Sachverständige Dr. H nicht einfach übergehen dürfen. Ungeachtet der sonstigen Kritikpunkte an seinem Gutachten wäre aufgrund dieser Veränderungen vielleicht eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und daraus resultierend des Leistungsvermögens nachvollziehbar, nicht aber - jedenfalls nicht ohne entsprechend fundierte Begründung – die Annahme eines bereits zum Zeitpunkt der Untersuchungen der Vorgutachter aufgehobenen Leistungsvermögens.

Nach alledem überzeugt den Senat das Gutachten von Dr. H insgesamt nicht. Er schließt sich vielmehr der Auffassung des Sozialgerichts Berlin an, dass das Leistungsvermögen des Klägers durch die Sachverständigen Dr. K und Dr. B ausreichend und zutreffend gewürdigt worden ist, zumal diese sich jeweils auch mit dem Vorliegen eines Schmerzsyndroms beschäftigt haben. Hinreichend objektivierbare Anhaltspunkte dafür, dass es seit der Begutachtung insbesondere durch Dr. B zu wesentlichen Verschlechterungen des Gesundheitszustandes gekommen ist, die eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen geboten erscheinen lassen, sieht der Senat nicht. Insbesondere reichen hierzu die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H, denen es – wie ausgeführt – an einer Belegung der vom Kläger geklagten Beschwerden mit objektivierbaren Befunden fehlt, nicht aus.

Auch hatte der Senat keine Veranlassung, auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag des Klägers ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen. Dieser Antrag war vielmehr nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen, da im Falle der Einholung des begehrten Gutachtens die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden wäre und der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Verspätung aus grober Nachlässigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird, d.h. wenn nicht getan wird, was jedem einleuchten muss. Danach aber muss ein Beteiligter den Antrag nach § 109 SGG spätestens dann innerhalb einer angemessenen Frist stellen, wenn er erkennen muss, dass das Gericht keine (weiteren) Erhebungen von Amts wegen durchführen wird. Dies ist anzunehmen, wenn – wie hier - bei einem sachkundig vertretenen Kläger durch das Gericht terminiert wird. Vorliegend ist die Ladung zum Termin am 17. April 2008 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. März 2008 zugestellt worden. Er hatte mehr als einen Monat Gelegenheit und damit angemessen Zeit, vor der mündlichen Verhandlung einen Antrag nach § 109 SGG (hilfsweise) zu stellen. Dies hat er jedoch nicht getan.

Schließlich steht dem Kläger auch keine Rente nach § 240 SGB VI zu. Nach Absatz 1 dieser Norm haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch diejenigen Versicherten Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht berufsunfähig.

Das Sozialgericht hat sich sehr ausführlich und im Wesentlichen mit überzeugender Argumentation mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Kläger Berufsschutz zusteht und dies letztlich verneint. Dem schließt der Senat sich nach eigener Prüfung an. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt auch insoweit keine abweichende Entscheidung.

Soweit es um die Frage geht, welcher Beruf für die Prüfung der Berufsunfähigkeit maßgeblich ist, hat das Sozialgericht Berlin zutreffend herausgearbeitet, dass dies die letzte von dem Kläger ausgeübte Beschäftigung im Verkaufsbereich der Tankstelle, nicht aber eine Beschäftigung als Berufskraftfahrer ist. Der Senat misst diesbezüglich den Angaben des seinerzeit noch nicht anwaltlich vertretenen Klägers im Verwaltungsverfahren maßgebliche Bedeutung zu. Der Kläger hat seinerzeit offensichtlich unbefangen geschildert, welche konkreten Tätigkeiten er zuletzt ausgeübt hat. Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Einsatz als Berufskraftfahrer noch den Schwerpunkt seiner Beschäftigung ausgemacht hat, sodass die Berufsunfähigkeit des Klägers nicht an dieser Tätigkeit zu messen ist. Maßgeblich ist vielmehr die zuletzt ausgeübte Beschäftigung auf der Tankstelle, die nach den Angaben des Klägers mit Kassieren, Bewegen und Packen von Waren sowie dem Säubern der Verkaufsräume verbunden war. Dies deckt sich mit den Angaben seines Arbeitgebers, der mit keinem Wort erwähnt hat, dass der Kläger als Kraftfahrer eingesetzt worden sei. In der von ihm beschriebenen Funktion hat der Kläger jedoch auch zur Überzeugung des Senats keinen Facharbeitschutz erworben, auch wenn sein Arbeitgeber ihn in seiner Auskunft als Facharbeiter bezeichnet hat.

Zur Bestimmung der Wertigkeit der verschiedenen Arbeiterberufe hat das Bundessozialgericht das so genannte Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in vier Gruppen [1.) Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hochqualifizierter Facharbeiter, 2.) Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), 3.) angelernter Arbeiter (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und 4.) ungelernter Arbeiter (Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten)] einteilt. Dabei ist bei den angelernten Arbeitern zwischen den Angelernten im unteren Bereich (Regelausbildung von 3 Monaten bis zu einem Jahr) und denen im oberen Bereich (Regelausbildung von mehr als einem bis zu zwei Jahren) zu differenzieren. Maßgeblich für die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema ist primär die Ausbildung, daneben aber auch die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb.

Ausweislich der Angaben seines Arbeitgebers wurde der Kläger lediglich für das Kassensystem angelernt. Dies erscheint auch nachvollziehbar, handelt es sich doch bei den von ihm im Übrigen zu verrichtenden Arbeiten – dem Einräumen der Waren sowie dem Säubern der Ladenräume – um typische ungelernte Tätigkeiten. Dass aber allein das Anlernen für das Kassensystem mindestens drei Monate gedauert haben soll, erscheint – wie schon das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – unwahrscheinlich. Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger daher als Ungelernter, allenfalls als Angelernter im unteren Bereich anzusehen. Denn schon die Kürze seiner Beschäftigung von faktisch nicht einmal acht Monaten spricht gegen eine mindestens einjährige Regelausbildung.

Dass der Arbeitgeber den Kläger als Facharbeiter bezeichnet und ihn angeblich auch als solchen entlohnt hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn zwar ist in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis einer tarifvertraglichen Regelung unterworfen ist, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der durch die maßgeblichen Tarifvertragsparteien vorgenommenen tariflichen Einstufung durch die Gerichte grundsätzlich zu folgen, da die tarifliche Einstufung einer Berufstätigkeit am zuverlässigsten zum Ausdruck bringt, welchen qualitativen Wert die am Berufsleben teilnehmenden Bevölkerungskreise, die Tarifpartner, einer bestimmten Berufstätigkeit zumessen. Eine derart aussagekräftige tarifliche Einstufung ist hier jedoch nicht ersichtlich.

Der Arbeitgeber des Klägers hat angegeben, der Kläger sei nach dem Tarifvertrag des Einzelhandels, Fachrichtung Tankstelle, entlohnt worden. Soweit das Sozialgericht Berlin daraufhin offenbar davon ausgegangen ist, dass der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Berliner Einzelhandel Anwendung gefunden habe, vermag der Senat sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Der zwischen dem Gesamtverband des Einzelhandels Land Berlin e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e.V. (ver.di) abgeschlossene Tarifvertrag galt im fraglichen Zeitraum fachlich für alle Unternehmen des Einzelhandels im räumlichen Geltungsbereich einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe, ausgenommen jedoch Tankstellen. Für diese besteht seit Ende der 90er Jahre in Berlin kein Tarifvertrag mehr. Stattdessen existierte im hier fraglichen Zeitraum für das Gebiet der gesamten Bundesrepublik Deutschland lediglich der zwischen dem Verband des Tankstellen- und Garagengewerbes in Deutschland e.V. (VTG), Sitz in Frankfurt/Main, und der ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. geschlossene Entgelttarifvertrag. Dass der Arbeitgeber des Klägers insoweit jedoch tarifgebunden gewesen sein sollte, erscheint angesichts seiner Angaben zum maßgeblichen Tarifvertrag eher unwahrscheinlich, sodass hier alles dafür spricht, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers tatsächlich überhaupt kein Tarifvertrag anwendbar war und sich sein Arbeitgeber lediglich an dem des Einzelhandels orientiert hat. Dies lässt aber keine Rückschlüsse darauf zu, welche Wertigkeit die Tarifvertragsparteien der konkreten Tätigkeit zugemessen hätten. Wäre hingegen der zwischen dem Verband des Tankstellen- und Garagengewerbes in Deutschland e.V. (VTG), Sitz in Frankfurt/Main, und der ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. geschlossene Entgelttarifvertrag anwendbar gewesen, wäre der Kläger von seinem Arbeitgeber zu Unrecht als Facharbeiter eingestuft worden. Denn nach § 2 dieses Entgelttarifvertrages gehören Mitarbeiter, die im Shop-Bereich tätig sind, nur dann in die Gruppe 2 "Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung", wenn sie eine Ausbildung z.B. als Kassierer oder Verkäufer durchlaufen haben. Dies aber ist bei dem Kläger unstreitig nicht der Fall. Soweit im Tarifvertrag für den Einzelhandel die Tarifgruppe K 2 für Angestellte gilt, die eine Tätigkeit ausüben, für die in der Regel eine abgeschlossene zwei- oder dreijährige Ausbildung im Beruf erforderlich ist, ist bereits nicht ersichtlich, dass dies auf die nicht unwesentlich durch ungelernte Tätigkeiten geprägte Beschäftigung des Klägers zutreffen könnte.

Insgesamt kann daher unter Berücksichtigung der offensichtlich nicht einer Facharbeitertätigkeit entsprechenden Qualität der Beschäftigung des Klägers unabhängig von seiner tatsächlichen Entlohnung nicht von einem Berufsschutz des Klägers ausgegangen werden. Vielmehr ist er zur Überzeugung des Senats auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen, für die er noch über ein ausreichendes Leistungsvermögen verfügt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Im Übrigen wird bzgl. des Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach § 240 SGB VI zur Ergänzung auf die Ausführungen des Sozialgerichts Berlin Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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