Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 584/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 121/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Anerkennung einer Hepatitis-C-Erkrankung als Berufskrankheit und die Gewährung einer Verletztenrente.
Der 1958 geborene Kläger war vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Mai 1991 bei der C der B S als Sozialarbeiter und stellvertretender Leiter beschäftigt. Bei ihm wurde im März 1999 eine chronisch aktive Hepatitis C, Subtyp HCV 3a, diagnostiziert. Aufgrund seiner Angabe, während der Tätigkeit mit dem Hepatitisvirus A,B und C infiziert worden zu sein, erstattete die Ersatzkasse im März 1999 eine Anzeige wegen des Verdachts einer Berufskrankheit.
Aufgrund der Angabe des Klägers, im Zeitraum 1987 /1988 eine Verletzung durch einen Kanülenstich erlitten zu haben, holte die Beklagte einen ersten Untersuchungsbefund von Prof. Dr. S ein, die eine berufliche Verursachung für fraglich hielt und weitere Ermittlungen anregte. Der Präventionsdienst der Beklagten teilte mit, dass die Mitarbeiter auch kleinere Wunden versorgen und Erbrochenes beseitigen mussten. Es sei immer wieder vorgekommen, dass sie von Besuchern bespuckt und tätlich angegriffen worden seien. Dem Kläger seien zwei Kanülenstichverletzungen erinnerlich, die er sich im Rahmen der Tätigkeit zugezogen habe, nämlich eine beim Hantieren mit Wäsche, die andere im Rahmen eines tätlichen Angriffs. Eine Dokumentation derartiger Verletzungen sei in dem Unternehmen damals nicht üblich gewesen.
Die Beklagte holte ein internistisches Gutachten von Prof. Dr. H vom 17. März 2002 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, das die im März 1999 diagnostizierte chronische Hepatitis C offenbar durch die im März 2000 beendete antivirale Therapie ausgeheilt sei. Ein Rückfall sei nicht zu erwarten. Wann die Infektion eingetreten sei, lasse sich nicht näher zeitlich eingrenzen. Bei einer kritischen Risikobewertung sei es eher unwahrscheinlich, dass die HCV-Infektion im Rahmen der damaligen Sozialarbeitertätigkeit eingetreten sei, zumal es sich um einen relativ kurzen Zeitraum handele. Da nicht von vornherein ein erhöhtes Infektionsrisiko bei der Tätigkeit als Sozialarbeiter gegeben sei, bestehe die Notwendigkeit, einen konkreten Infektionsnachweis zu führen. Eine Anerkennung komme nur dann in Betracht, wenn zumindest die erwähnten Nadelstichverletzungen und erhöhte Transaminasen ab diesem Zeitraum belegt werden könnten.
Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin Dr. F vom 25. April 2002 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2002 die Anerkennung der Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit ab.
Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, dass seine behandelnden Ärzte einen ursächlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für gegeben erachteten. Von fast allen Besuchern der sei bekannt gewesen, dass sie Aids oder Hepatitis gehabt hätten, auch wenn damals die Hepatitis C noch nicht bekannt gewesen sei. Die Beklagte holte ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. M, S, ein, der in seinem Gutachten vom 15. April 2003 ausführte, dass der Kläger einem erhöhten Infektionsrisiko aufgrund einer erhöhten Prävalenz von HCV-positiven Kontaktpersonen ausgesetzt gewesen sei. Ein nachvollziehbares anhaltendes konkretes Risiko von Verletzungsereignissen mit Blutaustausch habe jedoch nicht bestanden. Die beiden Nadelstichverletzungen stellten ein derartiges Risiko nicht dar, weil die Gefahr, sich durch eine Nadelstichverletzung mit Hepatitis C zu infizieren, gering sei. Eine berufsbedingte Infektion sei nur dann anzunehmen, wenn z. B. ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Stichverletzung und pathologischen Transaminasen nachgewiesen wäre. Eine berufsbedingte Infektion sei deshalb nur möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch wenn der Nachweis einer Nadelstichverletzung durch die Vernehmung eines Zeugen erbracht werden könne, sei damit nicht der Nachweis eines Infektionsereignisses erbracht, weil dieses erst dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, wenn nachgewiesen sei, dass die Injektionskanüle mit Hepatitis C-Viren kontaminiert gewesen sei. Hierzu könne ein Zeuge keine Angaben machen. Von dem Nachweis eines konkreten Ereignisses könne nur dann abgesehen werden, wenn der Versicherte während des in Frage kommenden Inkubationszeitraumes durch seine berufliche Tätigkeit einem wesentlich erhöhten Risiko ausgesetzt gewesen sei, sich mit Hepatitis C-Viren zu infizieren, wie es etwa bei in Infektionsstationen oder chirurgischen Stationen von Krankenhäusern Tätigen angenommen werde, weil die dortige Arbeit in erhöhtem Maße mit invasiven Tätigkeiten einhergehe. Damit sei die Tätigkeit des Klägers, auch wenn es oftmals zu Gewalttätigkeiten und tätlichen Übergriffen gekommen sei, nicht vergleichbar.
Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger geltend gemacht, dass unabhängig von der Häufigkeit der Nadelstichverletzungen auch ständiger Umgang mit infektiösem Material bestanden habe, so dass eine Infektion z.B. durch Schlafdecken, wenn gleichzeitig eigene kleine Schnittverletzungen vorhanden gewesen seien, habe erfolgen können.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 10. Mai 2006 abgewiesen. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der Erkrankung habe nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können. Auch wenn im Arbeitsumfeld des Klägers aufgrund der dortigen Prävalenz von Virusträgern von einem erhöhten Infektionsrisiko auszugehen sei, habe es an einem anhaltend konkreten Risiko von Verletzungen mit Blutaustausch gefehlt. Selbst wenn man von einem Infektionsrisiko von 10 % ausgehe, genüge dies nicht, um bei zwei Stichverletzungen in einem Zeitraum von 5 Jahren von einem gesteigerten Risiko auszugehen. Der Umgang z.B. mit kontaminierten Schlafdecken oder Flüssigkeiten genüge nicht, weil bei Hautkontakten noch kein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung macht der Kläger geltend, entscheidend für die Annahme einer Berufskrankheit sei allein die langjährige berufliche Tätigkeit in einem Milieu, das eine weit erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit indiziere. Es sei regelmäßig zu Stichverletzungen gekommen, er könne allerdings nur zwei durch Zeugen unter Beweis stellen. Bestehe eine erhöhte Gefahr einer Infektion durch eine Stichverletzung von 10%, reiche dies für die Annahme einer Infektion im Rahmen der beruflichen Tätigkeit aus. Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass der bei ihm vorliegende Untertyp der Hepatitis C (Genotyp 3 a) nicht sexuell übertragbar sei, sondern allein bei Drogenabhängigen vorkomme.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung seiner chronischen Hepatitis C-Virusinfektion, Subtypus HCV 3a als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKVO ab März 1999 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Als gefährdend kämen nur solche Tätigkeiten in Betracht, die erfahrungsgemäß mit der konkreten Gefahr von häufigen parenteralen Inokulationsereignissen (Infusion, Injektion) im Sinne von Verletzungsereignissen, bei denen es zu einem erheblichen Blutaustausch komme, verbunden seien, weil bei der Hepatitis C im Vergleich zur Hepatitis B ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko bestehe. Beweiserleichterungen für eine beruflich bedingte Hepatitis C bestünden in vier Fallgruppen, deren Voraussetzungen der Kläger nicht erfülle. Zwar werde in der Fallgruppe 3 ein besonderes Infektrisiko aufgrund des Ausmaßes der Infektionsgefährdung im Arbeitsumfeld erfasst. Erforderlich sei jedoch zugleich ein konkretes Risiko hinsichtlich Verletzungsereignissen mit Blutaustausch.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten von Dr. B eingeholt, das am 22. Januar 2008 eingegangen ist. Die Gutachterin hat darauf verwiesen, dass bei einer Nadelstichverletzung durch eine mit Hepatitis C kontaminierte Kanüle mit Inokulation von viruspositivem Blut Angaben des Robert-Koch-Instituts zufolge eine Infektionswahrscheinlichkeit von 3% bestehe. Bei zwei durch Zeugen belegbare Nadelstichverletzungen betrage das Infektionsrisiko maximal 6 %, falls es sich in beiden Fällen um mit Hepatitis C kontaminierte Kanülen mit Inokulation von Blut gehandelt habe. Auch ein statistisch relevantes erhöhtes Infektionsrisiko sei nicht belegt. Außerberufliche Infektionsquellen seien für alle Genotypen der Hepatitis C Bluttransfusionen, intravenöser Drogenabusus, die Infektion durch kontaminierte Instrumente bei chirurgischen Eingriffen, beim Zahnarzt, Endoskopien und Tätowierungen, wobei beim Kläger die einzigen Risikofaktoren zahnärztliche Behandlungen mit Wurzelbehandlungen seien. Die Infektionsrisiken seien etwa gleichwertig mit den beruflichen Risiken. Es bestünden gegenwärtig keine Symptome, die nicht auch auf eine andere der bei dem Kläger bekannten Erkrankungen zurückgeführt werden könne. Eine MdE sei durch die nicht mehr vorhandene Hepatitis-Erkrankung nicht nachvollziehbar.
Hiergegen hat der Kläger eingewandt, dass die Zahnbehandlungen erst im Jahr 2000 durchgeführt worden seien, als Infektionsrisiko also ausschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht Berlin hat es zu Recht abgelehnt, die Beklagte zu verurteilen, bei dem Kläger eine Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit anzuerkennen.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die von ihm geltend gemachte Berufskrankheit bis spätestens Mai 1991, dem Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit, also vor In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII), eingetreten sein soll.
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO).
Nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV ist eine Infektionskrankheit dann als Berufskrankheit zu qualifizieren, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Der Kläger war während seiner Tätigkeit als Sozialarbeiter in der City-Station in der Wohlfahrtspflege tätig; Hepatitis C ist eine Infektionskrankheit.
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Versicherungsfalles einer solchen Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Infektionskrankheit (vgl. etwa Bundessozialgericht –BSG–, Urteile vom 30. Mai 1988, 2 RU 33/87, NZA 1988, 823, und vom 18. November 1997 - 2 RU 15/97, BB 1998, 327). Die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines solchen ursächlichen Zusammenhangs ist bei einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2004, B 2 U 13/03 R, SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 3101 Nr. 1, mit weiteren Nachweisen). Ist dies der Fall, kann dann in der Regel auch davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (so BSG a.a.O.).
Eine besondere Ansteckungsgefahr für eine Hepatitis C lässt sich jedoch, auch wenn der Kläger wiederholt Stichverletzungen durch benutzte Nadeln beim Waschen verschmutzter Wäsche erlitten haben sollte, nicht feststellen. Hierdurch wird zwar ein erhöhtes Infektionsrisiko begründet, dessen Vorliegen Prof. Dr. Hopf unter pauschalem Verweis auf eine Tätigkeit als Sozialarbeiter abgelehnt hatte. Prof. Dr. Müller hat in seinem Gutachten aber zugleich darauf hingewiesen, dass darüber hinaus zu fordern sei, dass ein nachvollziehbares anhaltendes konkretes Risiko für Verletzungsereignisse mit Blutaustausch gegeben sein müsse. Dieses zusätzliche Erfordernis steht auch in Übereinstimmung mit den Vorgaben der medizinischen Literatur (vgl. Mehrtens-Brandenburg-Perlebach, Handkommentar zur BKV, M 3101, Anmerkung 13.4) und trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einer Hepatitis C ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko im Vergleich zur Hepatitis B gegeben ist. Ein derartiges geringeres Risiko besteht vor allem dann, wenn die Tätigkeit nur mit geringfügigen Blutkontakten (Mehrtens-Brandenburg-Perlebach,a.a.O. Anmerkung 11.2) verbunden ist. Dies ist vorliegend der Fall, da an einer verunreinigten Kanüle in der Regel nur 1 Mikroliter Blut haftet (a.a.O., Anm. 24.1.). Vor diesem Hintergrund bestand ein Risiko, dass bei einer Schnittverletzung zugleich infiziertes Blut in die Wunde eindrang, jedenfalls nicht anhaltend. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren, dass er regelmäßig Stichverletzungen erlitten habe, aber nur zwei derartige Verletzungen durch Zeugen unter Beweis stellen könne.
Dass unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. B ein anderer Infektionsweg nicht wahrscheinlich ist, weil die von ihr als maßgeblich angenommene Zahnbehandlung erst später durchgeführt worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die Annahme einer beruflichen Infektion nicht im Wege des Ausschlusses weiterer möglicher Infektionswege geführt werden kann, sondern nur durch die Feststellung einer besonderen beruflichen Gefährdung.
Nach alledem kann die erforderliche Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Infektion nicht festgestellt werden, die nur dann vorliegt, wenn bei Abwägung aller Umstände den für den Kausalzusammenhang sprechenden ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, HVBG-Info 2000, 2811). Die bloße Möglichkeit eines Geschehensablaufs reicht hierfür nicht aus.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Streitig sind die Anerkennung einer Hepatitis-C-Erkrankung als Berufskrankheit und die Gewährung einer Verletztenrente.
Der 1958 geborene Kläger war vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Mai 1991 bei der C der B S als Sozialarbeiter und stellvertretender Leiter beschäftigt. Bei ihm wurde im März 1999 eine chronisch aktive Hepatitis C, Subtyp HCV 3a, diagnostiziert. Aufgrund seiner Angabe, während der Tätigkeit mit dem Hepatitisvirus A,B und C infiziert worden zu sein, erstattete die Ersatzkasse im März 1999 eine Anzeige wegen des Verdachts einer Berufskrankheit.
Aufgrund der Angabe des Klägers, im Zeitraum 1987 /1988 eine Verletzung durch einen Kanülenstich erlitten zu haben, holte die Beklagte einen ersten Untersuchungsbefund von Prof. Dr. S ein, die eine berufliche Verursachung für fraglich hielt und weitere Ermittlungen anregte. Der Präventionsdienst der Beklagten teilte mit, dass die Mitarbeiter auch kleinere Wunden versorgen und Erbrochenes beseitigen mussten. Es sei immer wieder vorgekommen, dass sie von Besuchern bespuckt und tätlich angegriffen worden seien. Dem Kläger seien zwei Kanülenstichverletzungen erinnerlich, die er sich im Rahmen der Tätigkeit zugezogen habe, nämlich eine beim Hantieren mit Wäsche, die andere im Rahmen eines tätlichen Angriffs. Eine Dokumentation derartiger Verletzungen sei in dem Unternehmen damals nicht üblich gewesen.
Die Beklagte holte ein internistisches Gutachten von Prof. Dr. H vom 17. März 2002 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, das die im März 1999 diagnostizierte chronische Hepatitis C offenbar durch die im März 2000 beendete antivirale Therapie ausgeheilt sei. Ein Rückfall sei nicht zu erwarten. Wann die Infektion eingetreten sei, lasse sich nicht näher zeitlich eingrenzen. Bei einer kritischen Risikobewertung sei es eher unwahrscheinlich, dass die HCV-Infektion im Rahmen der damaligen Sozialarbeitertätigkeit eingetreten sei, zumal es sich um einen relativ kurzen Zeitraum handele. Da nicht von vornherein ein erhöhtes Infektionsrisiko bei der Tätigkeit als Sozialarbeiter gegeben sei, bestehe die Notwendigkeit, einen konkreten Infektionsnachweis zu führen. Eine Anerkennung komme nur dann in Betracht, wenn zumindest die erwähnten Nadelstichverletzungen und erhöhte Transaminasen ab diesem Zeitraum belegt werden könnten.
Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin Dr. F vom 25. April 2002 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2002 die Anerkennung der Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit ab.
Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, dass seine behandelnden Ärzte einen ursächlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für gegeben erachteten. Von fast allen Besuchern der sei bekannt gewesen, dass sie Aids oder Hepatitis gehabt hätten, auch wenn damals die Hepatitis C noch nicht bekannt gewesen sei. Die Beklagte holte ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. M, S, ein, der in seinem Gutachten vom 15. April 2003 ausführte, dass der Kläger einem erhöhten Infektionsrisiko aufgrund einer erhöhten Prävalenz von HCV-positiven Kontaktpersonen ausgesetzt gewesen sei. Ein nachvollziehbares anhaltendes konkretes Risiko von Verletzungsereignissen mit Blutaustausch habe jedoch nicht bestanden. Die beiden Nadelstichverletzungen stellten ein derartiges Risiko nicht dar, weil die Gefahr, sich durch eine Nadelstichverletzung mit Hepatitis C zu infizieren, gering sei. Eine berufsbedingte Infektion sei nur dann anzunehmen, wenn z. B. ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Stichverletzung und pathologischen Transaminasen nachgewiesen wäre. Eine berufsbedingte Infektion sei deshalb nur möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch wenn der Nachweis einer Nadelstichverletzung durch die Vernehmung eines Zeugen erbracht werden könne, sei damit nicht der Nachweis eines Infektionsereignisses erbracht, weil dieses erst dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, wenn nachgewiesen sei, dass die Injektionskanüle mit Hepatitis C-Viren kontaminiert gewesen sei. Hierzu könne ein Zeuge keine Angaben machen. Von dem Nachweis eines konkreten Ereignisses könne nur dann abgesehen werden, wenn der Versicherte während des in Frage kommenden Inkubationszeitraumes durch seine berufliche Tätigkeit einem wesentlich erhöhten Risiko ausgesetzt gewesen sei, sich mit Hepatitis C-Viren zu infizieren, wie es etwa bei in Infektionsstationen oder chirurgischen Stationen von Krankenhäusern Tätigen angenommen werde, weil die dortige Arbeit in erhöhtem Maße mit invasiven Tätigkeiten einhergehe. Damit sei die Tätigkeit des Klägers, auch wenn es oftmals zu Gewalttätigkeiten und tätlichen Übergriffen gekommen sei, nicht vergleichbar.
Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger geltend gemacht, dass unabhängig von der Häufigkeit der Nadelstichverletzungen auch ständiger Umgang mit infektiösem Material bestanden habe, so dass eine Infektion z.B. durch Schlafdecken, wenn gleichzeitig eigene kleine Schnittverletzungen vorhanden gewesen seien, habe erfolgen können.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 10. Mai 2006 abgewiesen. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der Erkrankung habe nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können. Auch wenn im Arbeitsumfeld des Klägers aufgrund der dortigen Prävalenz von Virusträgern von einem erhöhten Infektionsrisiko auszugehen sei, habe es an einem anhaltend konkreten Risiko von Verletzungen mit Blutaustausch gefehlt. Selbst wenn man von einem Infektionsrisiko von 10 % ausgehe, genüge dies nicht, um bei zwei Stichverletzungen in einem Zeitraum von 5 Jahren von einem gesteigerten Risiko auszugehen. Der Umgang z.B. mit kontaminierten Schlafdecken oder Flüssigkeiten genüge nicht, weil bei Hautkontakten noch kein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung macht der Kläger geltend, entscheidend für die Annahme einer Berufskrankheit sei allein die langjährige berufliche Tätigkeit in einem Milieu, das eine weit erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit indiziere. Es sei regelmäßig zu Stichverletzungen gekommen, er könne allerdings nur zwei durch Zeugen unter Beweis stellen. Bestehe eine erhöhte Gefahr einer Infektion durch eine Stichverletzung von 10%, reiche dies für die Annahme einer Infektion im Rahmen der beruflichen Tätigkeit aus. Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass der bei ihm vorliegende Untertyp der Hepatitis C (Genotyp 3 a) nicht sexuell übertragbar sei, sondern allein bei Drogenabhängigen vorkomme.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung seiner chronischen Hepatitis C-Virusinfektion, Subtypus HCV 3a als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKVO ab März 1999 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Als gefährdend kämen nur solche Tätigkeiten in Betracht, die erfahrungsgemäß mit der konkreten Gefahr von häufigen parenteralen Inokulationsereignissen (Infusion, Injektion) im Sinne von Verletzungsereignissen, bei denen es zu einem erheblichen Blutaustausch komme, verbunden seien, weil bei der Hepatitis C im Vergleich zur Hepatitis B ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko bestehe. Beweiserleichterungen für eine beruflich bedingte Hepatitis C bestünden in vier Fallgruppen, deren Voraussetzungen der Kläger nicht erfülle. Zwar werde in der Fallgruppe 3 ein besonderes Infektrisiko aufgrund des Ausmaßes der Infektionsgefährdung im Arbeitsumfeld erfasst. Erforderlich sei jedoch zugleich ein konkretes Risiko hinsichtlich Verletzungsereignissen mit Blutaustausch.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten von Dr. B eingeholt, das am 22. Januar 2008 eingegangen ist. Die Gutachterin hat darauf verwiesen, dass bei einer Nadelstichverletzung durch eine mit Hepatitis C kontaminierte Kanüle mit Inokulation von viruspositivem Blut Angaben des Robert-Koch-Instituts zufolge eine Infektionswahrscheinlichkeit von 3% bestehe. Bei zwei durch Zeugen belegbare Nadelstichverletzungen betrage das Infektionsrisiko maximal 6 %, falls es sich in beiden Fällen um mit Hepatitis C kontaminierte Kanülen mit Inokulation von Blut gehandelt habe. Auch ein statistisch relevantes erhöhtes Infektionsrisiko sei nicht belegt. Außerberufliche Infektionsquellen seien für alle Genotypen der Hepatitis C Bluttransfusionen, intravenöser Drogenabusus, die Infektion durch kontaminierte Instrumente bei chirurgischen Eingriffen, beim Zahnarzt, Endoskopien und Tätowierungen, wobei beim Kläger die einzigen Risikofaktoren zahnärztliche Behandlungen mit Wurzelbehandlungen seien. Die Infektionsrisiken seien etwa gleichwertig mit den beruflichen Risiken. Es bestünden gegenwärtig keine Symptome, die nicht auch auf eine andere der bei dem Kläger bekannten Erkrankungen zurückgeführt werden könne. Eine MdE sei durch die nicht mehr vorhandene Hepatitis-Erkrankung nicht nachvollziehbar.
Hiergegen hat der Kläger eingewandt, dass die Zahnbehandlungen erst im Jahr 2000 durchgeführt worden seien, als Infektionsrisiko also ausschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht Berlin hat es zu Recht abgelehnt, die Beklagte zu verurteilen, bei dem Kläger eine Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit anzuerkennen.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die von ihm geltend gemachte Berufskrankheit bis spätestens Mai 1991, dem Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit, also vor In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII), eingetreten sein soll.
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO).
Nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV ist eine Infektionskrankheit dann als Berufskrankheit zu qualifizieren, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Der Kläger war während seiner Tätigkeit als Sozialarbeiter in der City-Station in der Wohlfahrtspflege tätig; Hepatitis C ist eine Infektionskrankheit.
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Versicherungsfalles einer solchen Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Infektionskrankheit (vgl. etwa Bundessozialgericht –BSG–, Urteile vom 30. Mai 1988, 2 RU 33/87, NZA 1988, 823, und vom 18. November 1997 - 2 RU 15/97, BB 1998, 327). Die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines solchen ursächlichen Zusammenhangs ist bei einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2004, B 2 U 13/03 R, SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 3101 Nr. 1, mit weiteren Nachweisen). Ist dies der Fall, kann dann in der Regel auch davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (so BSG a.a.O.).
Eine besondere Ansteckungsgefahr für eine Hepatitis C lässt sich jedoch, auch wenn der Kläger wiederholt Stichverletzungen durch benutzte Nadeln beim Waschen verschmutzter Wäsche erlitten haben sollte, nicht feststellen. Hierdurch wird zwar ein erhöhtes Infektionsrisiko begründet, dessen Vorliegen Prof. Dr. Hopf unter pauschalem Verweis auf eine Tätigkeit als Sozialarbeiter abgelehnt hatte. Prof. Dr. Müller hat in seinem Gutachten aber zugleich darauf hingewiesen, dass darüber hinaus zu fordern sei, dass ein nachvollziehbares anhaltendes konkretes Risiko für Verletzungsereignisse mit Blutaustausch gegeben sein müsse. Dieses zusätzliche Erfordernis steht auch in Übereinstimmung mit den Vorgaben der medizinischen Literatur (vgl. Mehrtens-Brandenburg-Perlebach, Handkommentar zur BKV, M 3101, Anmerkung 13.4) und trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einer Hepatitis C ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko im Vergleich zur Hepatitis B gegeben ist. Ein derartiges geringeres Risiko besteht vor allem dann, wenn die Tätigkeit nur mit geringfügigen Blutkontakten (Mehrtens-Brandenburg-Perlebach,a.a.O. Anmerkung 11.2) verbunden ist. Dies ist vorliegend der Fall, da an einer verunreinigten Kanüle in der Regel nur 1 Mikroliter Blut haftet (a.a.O., Anm. 24.1.). Vor diesem Hintergrund bestand ein Risiko, dass bei einer Schnittverletzung zugleich infiziertes Blut in die Wunde eindrang, jedenfalls nicht anhaltend. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren, dass er regelmäßig Stichverletzungen erlitten habe, aber nur zwei derartige Verletzungen durch Zeugen unter Beweis stellen könne.
Dass unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. B ein anderer Infektionsweg nicht wahrscheinlich ist, weil die von ihr als maßgeblich angenommene Zahnbehandlung erst später durchgeführt worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die Annahme einer beruflichen Infektion nicht im Wege des Ausschlusses weiterer möglicher Infektionswege geführt werden kann, sondern nur durch die Feststellung einer besonderen beruflichen Gefährdung.
Nach alledem kann die erforderliche Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Infektion nicht festgestellt werden, die nur dann vorliegt, wenn bei Abwägung aller Umstände den für den Kausalzusammenhang sprechenden ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, HVBG-Info 2000, 2811). Die bloße Möglichkeit eines Geschehensablaufs reicht hierfür nicht aus.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
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