L 5 B 2173/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AS 24702/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 2173/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, ihm für Oktober 2007 um 104,00 EUR höhere Leistungen zur Grundsicherung zu gewähren.

Der im Oktober 1981 geborene Antragsteller bezog bis zum 18. Februar 2005 Arbeitslosengeld I. Seit dem Folgetag stand er im Leistungsbezug des Job-Centers Berlin-Mitte (Antragsgegner). Mit Bescheid vom 02. April 2007 gewährte dieser ihm für die Zeit vom 01. April bis zum 30. September 2007 Leistungen, diese aufgrund Änderungsbescheides vom 02. Juni 2007 ab dem 01. Juli 2007 in Höhe von monatlich 463,50 EUR. Dieser Betrag setzte sich aus dem Regelsatz in Höhe von 347,00 EUR zzgl. anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 116,50 EUR zusammen.

Bereits am 22. März 2007 hatten die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung zur Teilnahme an einer Maßnahme nach § 15a SGB II bei der Z GmbH geschlossen. Nachdem der Antragsteller zur Informationsveranstaltung am 18. April 2007 noch erschienen war, nahm er an dem für den Zeitraum vom 19. April bis zum 18. Juni 2007 vorgesehenen Programm, das neben einem Profiling einschließlich Bewerbertraining auch Praktika umfassen sollte, nicht mehr teil. Der Antragsgegner hörte ihn daraufhin mit Schreiben vom 16. Mai 2007 zur Verhängung einer Sanktion nach § 31 SGB II an, woraufhin der Antragsteller unter dem 04. Juni 2007 geltend machte, dass die Eingliederungsvereinbarung rechtsunwirksam sei. Er sei mit der Drohung des Eintritts einer Sanktion zur Unterzeichnung genötigt worden. Das bei der Z GmbH angebotene Bewerbungstraining benötige er nicht. Außerdem sei die Aufwandsentschädigung von 100,00 EUR im Monat unangemessen, decke nämlich die mit einer 38,5 Stunden-Woche verbundenen Mehrausgaben nicht. Die Maßnahme diene nicht der Beschaffung einer Arbeitsstelle, behindere ihn im Gegenteil bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Er sei seit März 2007 Vater und in erster Linie gehalten, den Unterhalt und die Betreuung des Kindes sicherzustellen. Außerdem arbeite er seit dem 01. Mai 2007 für monatlich 100,00 EUR. Es bestehe eine Option auf eine Festeinstellung.

Mit Bescheid vom 06. Juli 2007 senkte der Antragsgegner gestützt auf § 31 Abs. 1 und 6 SGB II die Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum vom 01. August bis zum 31. Oktober 2007 monatlich um 30 % der Regelleistung, hier in Höhe von 104,00 EUR, mit der Begründung ab, dass der Antragsteller eine ihm am 18. April 2007 angebotene zumutbare Tätigkeit bei der Z GmbH nicht angenommen habe. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe er sich am 19. April 2007 geweigert, die Tätigkeit aufzunehmen. Gründe, die dieses Verhalten erklären und als wichtig anerkennen ließen, seien trotz Aufforderung nicht angegeben und nachgewiesen worden. Laut "Ab-Vermerk" wurde der Bescheid am selben Tage versandt. Ein Postrücklauf ist nach Aktenlage nicht zu verzeichnen.

Mit Bescheid vom 13. September 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09. Oktober 2007 gewährte der Antragsgegner dem – zum 01. September 2007 in die sich aus dem Rubrum ergebende Wohnung umgezogenen - Antragsteller für Oktober 2007 Leistungen in Höhe von 575,05 EUR. Dieser Betrag setzte sich aus dem Regelsatz in Höhe von 347,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 332,05 EUR zusammen. Weiter brachte der Antragsgegner 104,00 EUR als Minderungsbetrag aufgrund von Sanktionen in Abzug. Soweit der Bescheid vom 13. September 2007 auch eine Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01. November 2007 bis zum 31. März 2008 enthielt, hob der Antragsgegner diese mit Bescheid vom 08. Oktober 2007 unter Hinweis darauf auf, dass durch den Umzug des Antragsgegners ein Wechsel der Zuständigkeit eingetreten sei.

Am 04. Oktober 2007 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin – dem formulierten Antrag zufolge - begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01. Oktober 2007 fortlaufend zu gewähren. Zur Begründung hat er allein geltend gemacht, dass ihm nicht bekannt sei, warum ihm Sanktionen auferlegt worden seien. Nachdem der Antragsgegner eingewandt hatte, dass der Sanktionsbescheid vom 06. Juli 2007 bestandskräftig geworden sei, hat der Antragsteller behauptet, diesen Bescheid nicht erhalten zu haben, sodass er auch keinen Widerspruch habe einlegen können.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2007 den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Soweit er für Oktober 2007 Leistungen ohne Abzug einer Sanktion von 104,00 EUR begehre, liege keine Eilbedürftigkeit vor. Der Antragsgegner habe gegen ihn mit Bescheid vom 06. Juli 2007 für die Monate August bis Oktober 2007 eine Sanktion in Höhe von 30 % der Regelleistung bzw. in Höhe von 104,00 EUR verhängt. Dieser Bescheid sei – jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung – ungeachtet der Frage seiner Rechtmäßigkeit bestandskräftig. Der ausweislich der Verwaltungsakte am 06. Juli 2007 abgesandte Bescheid gelte nach § 37 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) am 09. Juli 2007 als bekannt gegeben, sodass die Widerspruchsfrist am 09. August 2007 geendet habe. Zweifel an dem nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu vermutenden Zugang habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Er habe lediglich behauptet, den Bescheid nicht erhalten zu haben, jedoch keinen zur Glaubhaftmachung geeigneten Vortrag erbracht, aus welchen Gründen ihn die an seine damalige Wohnanschrift gerichtete Postsendung nicht erreicht haben sollte. Es bleibe ihm unbenommen, Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen und die Wiedereinsetzung zu beantragen bzw. einen Überprüfungsantrag zu stellen. Dies müsse jedoch im Hauptsacheverfahren erfolgen. Ein Eilbedürfnis ergebe sich daraus nicht. Dies folge auch daraus, dass der Antragsteller die Sanktion in den Monaten August und September 2007 unbeanstandet hingenommen habe und eine Kürzung in Höhe von 30 % der Regelleistung nach dem Gesetz keine existenzielle Notlage zur Folge habe. Hinsichtlich der Leistungen ab dem 01. November 2007 fehle es an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller sei zum 01. September 20007 in den Bezirk P umgezogen. Dadurch sei die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners gemäß § 36 SGB II jedenfalls ab dem 01. November 2007 entfallen. Er habe daher die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 08. Oktober 2007 zu Recht mit Wirkung ab dem 01. November 2007 aufgehoben.

Gegen diesen ihm am 02. November 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 27. November 2007 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat. Zur Begründung macht er geltend, dass die Sanktion nicht berechtigt gewesen sei und er einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Es widerspreche jeder Logik, von ihm den Nachweis zu verlangen, den Sanktionsbescheid nicht erhalten zu haben. Vielmehr habe der Antragsgegner ggf. den Zugang nachzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2007 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin hat seinen am 04. Oktober 2007 bei Gericht eingegangenen Antrag zu Recht abgelehnt. Bei sachdienlicher Auslegung war dieser jedoch im Hinblick auf die Antragsbegründung des Antragstellers allein darauf gerichtet, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Auszahlung weiterer 104,00 EUR für Oktober 2007 zu verpflichten. Dies wird durch sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren bestätigt. Der Antragsteller wendet sich ausschließlich gegen die Verhängung der Sanktion, begehrt jedoch weder für Oktober 2007 sonstige Leistungen noch Zahlungen ab November 2007.

Soweit der Antragsteller für Oktober 2007 die Auszahlung weiterer 104,00 EUR begehrt, um die der Antragsgegner die Leistungen in diesem Monat im Hinblick auf eine verhängte Sanktion gekürzt hat, kann er mit seinem Begehren keinen Erfolg haben. Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Dies ist hier nicht der Fall.

Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, d.h. das Gericht der Hauptsache den Antragsgegner mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verpflichten wird, dem Antragsteller für Oktober 2007 weitere 104,00 EUR auszuzahlen, kann dahinstehen. Denn jedenfalls hat der Antragsteller insoweit zu keinem Zeitpunkt einen Anordnungsgrund in hinreichendem Maße glaubhaft gemacht. Eine einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile ist nur dann geboten, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist hier unter Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen der Beteiligten nicht der Fall. Dass sich der Antragsteller derzeit in einer existenziellen Notlage befinden würde und ihm gravierende, irreparable Schäden drohen würden, wenn er mit seinem Begehren auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird, vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere hat er selbst keinerlei Umstände dargetan, die auf eine entsprechende Notlage hindeuten könnten. Im Übrigen spricht bereits das Zusammenspiel der Absätze 1 und 3 Satz 6 des § 31 SGB II, die – beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen - eine Absenkung des Regelsatzes um 30 % vorsehen, ohne dass den Betroffenen ergänzend Sachleistungen zu gewähren wären, dagegen, dass im Falle der Kürzung des Regelsatzes um 30 % das Existenzminimum unhaltbar unterschritten wäre. Denn die Bewilligung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen hält der Gesetzgeber erst bei einer Kürzung um mehr als 30 % für erwägenswert.

Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller zuzumuten, sein Begehren ggfs. in einem Hauptsacheverfahren zu verfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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