L 1 KR 121/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 826/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 121/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren in vollem Umfang zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand der Berufung ist, ob die Klägerin vom 30. Oktober 2004 bis zum 15. März 2005 der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Landwirte unterlag.

Das Sozialgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt, den sich der Senat nach eigener Prüfung zu Eigen macht:

"Die Klägerin ist Miterbin zu 1/ 2 der Erbengemeinschaft nach A E, der 2004 verstarb. Teil des Nachlasses sind landwirtschaftliche Flächen von ca. 10,43 Hektar in der Gemeinde I. Die Flächen wurden bereits vor dem Tod des Erblassers in dessen Auftrag von Herrn L S, der ebenfalls Miterbe der Erbengemeinschaft ist, bewirtschaftet.

Nachdem die Klägerin das landwirtschaftliche Anwesen zunächst über einen Makler hatte veräußern wollen, schlugen die anderen Miterben vor, dass Herr S die Flächen zunächst weiter bewirtschaftet und dass man sich selbst einen Käufer suchen solle. Daraufhin traf sich die Klägerin im März 2005 mit den übrigen Miterben und alle unterzeichneten gemeinsam eine ‚Vollmacht’ für Herrn S, in der es unter anderem wie folgt heißt:

‚Hiermit erteilen wir, die nachfolgend unterzeichnenden Mitglieder der Erbengemeinschaft E, Herrn L S, geb. 1942 (staatlich geprüfter Landwirt) wohnhaft in I, str. die Vollmacht und den Auftrag den im gemeinschaftlichen Besitz befindlichen Betrieb bis zum 31.03.2006 weiter zu bewirtschaften.

Hintergrund dieses Auftrages zur weiteren Bewirtschaftung ist die Sicherung der der dem Betrieb im Rahmen der neuen Europäischen Agrarreform zustehenden Betriebsprämien (sog. Zertifikate).

Sollte der Betrieb per Stichtag 15. Mai 2005 nicht landwirtschaftlich genutzt werden, würden die Betriebsprämien unwiederbringlich dahin fallen. Dies würde eine Wertminderung von bis zu 50 % des Kaufpreises bedeuten.

Für den Fall, dass der Betrieb vor dem 15. Mai 2005 verkauft wird, erlöschen Auftrag und Vollmacht mit Verkaufsdatum.

Für seine Aufwendungen wird Herr S nach den Sätzen des Maschinenrings entschädigt.’

Mit notariellem Vertrag vom 05. Dezember 2005 veräußerte die Erbengemeinschaft das Grundstück an eine benachbarte Landwirtin zum Preis von 500 000,00 EUR. Nach dem Vertrag sollte die Besitzübergabe an dem Tag erfolgen, an dem der Verkäufer über den Kaufpreis verfügen kann.

Aus einer Gesprächsnotiz der Land- und Forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Franken und Oberbayern vom 18. Mai 2006 über ein Gespräch mit dem Ehemann der Käuferin des Grundstücks, Herrn H, geht hervor, dass die Flächen entsprechend der oben genannten Vollmacht bis zum 31. März 2006 auf Rechnung der Erbengemeinschaft bewirtschaftet wurden, damit die Betriebsprämien nicht verfallen. Seit dem 01. April 2006 seien die Flächen von Herrn H bewirtschaftet worden.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 stellte die Beklagte fest, dass die bis dahin über ihren Ehemann familienversicherte Klägerin in der Zeit vom 29. Oktober 2004 bis zum 31. März 2006 versicherungspflichtig in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung war und bezifferte die entsprechende Beitragsforderung auf 2 964,54 EUR.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2007 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Mindestgröße von 4 Hektar überschritten sei und dass die Klägerin als landwirtschaftliche Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 anzusehen sei. Entscheidend sei insofern nicht, ob die Klägerin tatsächlich tätig gewesen sei, sondern allein, ob sie ein unternehmerisches Risiko, insbesondere Gewinn und Verlust des Unternehmens, getragen habe. Die Übertragung der Bewirtschaftung auf Herrn S schließe die Mitunternehmerschaft nicht aus. Die Familienversicherung verdränge die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung nicht. Gleichartige Bescheide würden hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Land- und Forstwirtschaftlichen Alterskasse von der Land- und Forstwirtschaftlichen Alterskasse Franken und Oberbayern erlassen.

Am 02. März 2007 hat die Klägerin gegen die Bescheide der Beklagten und der Land- und Forstwirtschaftlichen Alterkasse Franken und Oberbayern Klage erhoben."

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 07. Februar 2008 der Klage insoweit stattgegeben, als die Versicherungspflicht der Klägerin für den noch streitigen Zeitraum festgestellt wurde, und sie im Übrigen abgewiesen.

Grundsätzlich sei die Klägerin Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 KVLG 1989 gewesen, denn Mitglieder einer landwirtschaftlichen Erbengemeinschaft seien Unternehmer. Allerdings sei dies erst der Fall ab dem Zeitpunkt, an dem der Vertrag mit Herrn S über die Bewirtschaftung der Flächen unterzeichnet wurde. Vorher habe der Zeuge S die Flächen ohne Beauftragung durch die Erbengemeinschaft, also auch durch die Klägerin, bewirtschaftet. Das Sozialgericht hat hierzu ausgeführt:

"Aus dem soeben Dargelegten ergibt sich jedoch zugleich auch, dass die Klägerin in der Zeit vom 29. Oktober 2004 (Eintritt des Erbfalls) bis zum 15. März 2005 unabhängig von der Frage, ob Herr S in dieser Zeit die Flächen tatsächlich bewirtschaftet hat oder nicht, nicht als landwirtschaftliche Unternehmerin anzusehen war. Es ist nämlich schon nicht ersichtlich, dass und inwiefern der Klägerin für diese Zeit die Nutzungen des Grundstücks zugute gekommen und ihr die Aufwendungen zur Last gefallen sind. Die Bewirtschaftung war in dieser Zeit auch nicht zum Werterhalt erforderlich, da es für die Erhaltung der Prämienrechte lediglich auf die Bewirtschaftung zu einem konkreten Stichtag im Mai 2005 ankam. Mangels eines Vertrages oder einer sonstigen Abrede, wonach die Klägerin bzw. die Erbengemeinschaft in dieser Zeit die Bewirtschaftung der Flächen Herrn S überträgt, ist der Klägerin für diesen Zeitraum die Bewirtschaftung der Flächen durch Herrn S nicht zurechenbar. Dass die Bewirtschaftung in dem Zeitraum bis zum 15. März 2005 nachträglich konsentiert und auch vergütet wurde, ist nicht ersichtlich und geht auch aus der ‚Vollmacht’ vom 16. März 2005 nicht hervor.

Dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ließ sich insofern entnehmen, dass sie bis dahin von der Bewirtschaftung auch gar keine Kenntnis hatte habe."

Gegen dieses der Beklagten am 20. Februar 2008 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 10. März 2008, mit der diese die Auffassung vertritt, die Klägerin sei bereits am 29. Oktober 2004 Miterbin und somit landschaftliche Unternehmerin geworden, wie sich aus § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch BGB ergebe.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Februar 2008 zu ändern und die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung über die Berufung erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Beitragsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Über sie konnte der Berichterstatter des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§§ 153, 124 Sozialgerichtsgesetz SGG ). Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da die Klägerin im Zeitraum vom 30. Oktober 2004 bis zum 15. März 2005 keine landwirtschaftliche Unternehmerin war. Das dies aussprechende Urteil unterliegt daher keiner Beanstandung.

Der Senat sieht, um bloße Wiederholungen zu vermeiden, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend sei die Beklagte auf Folgendes hingewiesen:

Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass die Klägerin mit dem Tode des Erblassers gemäß § 1922 BGB die Gesamtsrechtsfolge angetreten und somit Miteigentümer der landwirtschaftlichen Fläche geworden war. Dies bedeutet in der Regel auch, wie das Sozialgericht selbst zutreffend dargelegt hat, dass damit die Eigenschaft eines landwirtschaftlichen Unternehmers hergestellt wird. Eigentum allein an landwirtschaftlichen Flächen jedoch reicht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 1 KVLG 1989 nicht aus, um die Eigenschaft eines landwirtschaftlichen Unternehmers zu begründen. Vielmehr wird dort ausdrücklich bestimmt, dass landwirtschaftlicher Unternehmer ist, wer seine berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Zusätzlich zum Eigentum muss also noch die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit hinzutreten. Auch hier hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass sich die Ausübung dieser Tätigkeit darauf beschränken kann, einen Dritten mit der Bewirtschaftung der Flächen zu beauftragen, dass aber zumindest eine solche "Tätigkeit" erforderlich ist. Dass Rechte und Pflichten aus schuldrechtlichen Vereinbarungen hier die Beauftragung des Nachbarn mit der Bewirtschaftung durch den Erblasser nicht ausnahmslos zur Erbmasse gehören, zeigt bereits § 569 a BGB; dieser wäre sonst nämlich überflüssig. Es wurde kein Recht des Erblassers vererbt, sondern ein – obligatorisches - Recht des Nachbarn. Dieses wurde zunächst ohne Zustimmung der Erben durch diesen weiter ausgeübt. Darin kann keine berufliche Tätigkeit der Erben gesehen werden. Wer sein Grundstück brachliegen lässt, ohne irgendeine Tätigkeit zu entfalten und es auch nicht durch einen anderen bewirtschaften lässt, wie es hier bis zu der Beauftragung des Nachbarn S der Fall war, übt keinerlei Tätigkeit aus, ist mithin nicht Unternehmer. Ob der Nachbar S ohne Beauftragung durch die Erbengemeinschaft das Grundstück bis zum 15. März 2005 bewirtschaftet hat, ist daher ohne Belang.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision ist keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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