L 1 KR 466/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 1215/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 466/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten einer selbst beschafften Leistung.

Der 1954 geborene Kläger leidet an einem Karzinom der Vorsteherdrüse, das im Juli 2004 diagnostiziert wurde.

Das Sozialgericht hat hierzu folgenden Sachverhalt festgestellt, den sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht:

"Der behandelnde Arzt Dr. S stellt dem Kläger daraufhin eine Überweisung für eine stationäre Totaloperation der Prostata (Prostatatektomie) aus. Da der Kläger aufgrund seines jungen Alters die ihm bekannten Risiken einer Totaloperation umgehen wollte, begab er sich im September 2004 in die Privatklinik für Prostata-Therapie in H zur Durchführung einer totalen internen Thermoablation des Prostatagewebes mittels hochintensiv fokussierten Ultraschalls (HIFU). Bei dieser Therapie gibt eine rektal eingeführte Sonde einen konvergenten Ultraschall von hoher Intensität ab, der in dem Fokuspunkt durch plötzliche und intensive Absorption der Ultraschallwellen eine lokale Erwärmung des Gewebes auf 85 100 Grad Celsius erzeugt, wodurch Zellen im Zielbereich zerstört werden.

Die Behandlung verlief nach Angaben des behandelnden Arztes Dr. B komplikationslos und nach Angaben des Klägers auch erfolgreich, da sich sein PSA Wert mit ca. 1,0 wieder im nichtpathologischen Bereich eines Mannes seines Alters befinde.

Mit Schreiben vom 06. Oktober 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung der von ihm selbst verauslagten Kosten der HiFi-Therapie in Höhe von insgesamt 8 701,71 EUR und verwies unter anderem auf eine befürwortende Stellungnahme seines behandelnden Arztes Dr. S. Die HIFU Therapie sei mit geringeren Einschränkungen der Lebensqualität und auch mit geringeren Kosten verbunden als die als Standardtherapie zur Verfügung stehende Totaloperation.

Mit Bescheiden vom 13. Dezember 2004 und vom 01. März 2005 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab mit der Begründung, dass die HIFU Therapie vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in der Anlage B der NUB Richtlinien eingeordnet worden sei, d. h., ein Behandlungserfolg werde medizinisch-wissenschaftlich nicht für möglich gehalten und die Wirksamkeit der Methode lasse sich nicht aufgrund wissenschaftlich geführter Studien nachweisen. Im Übrigen scheide ein Kostenerstattungsanspruch auch deshalb aus, weil der Kläger die Leistung nicht zuvor bei der Beklagten beantragt habe.

Der Widerspruch des Klägers vom 17. Dezember 2004 bzw. vom 08. März 2005 hatte keinen Erfolg und wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung verwies sie wiederum darauf, dass die HIFU Therapie vom GBA nicht anerkannt sei, sondern den Behandlungsmethoden zugeordnet sei, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfen.

Hiergegen hat der Kläger am 20. April 2004 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er unter anderem vor, dass nach einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts sich ein Patient mit einer lebensbedrohlichen Behandlung auch für eine nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen aufgeführte Heilungsmethode entscheiden könne, sofern diese Aussicht auf Erfolg habe. Der Erfolg der Therapie sei in seinem Fall belegbar. Ferner vermittle die Beklagte seit mindestens Dezember 2005 unter voller Kostenübernahme selbst Patienten zu der HIFU Therapie in das Universitätsklinikum B. Schließlich hätte die Beklagte den Kläger nach Information über die Diagnose und die geplante Operation auf die verschiedenen zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden hinweisen und ihm mitteilen müssen, welche Verfahren von ihr erstattet würden und welche nicht. Im Erörterungstermin am 28. Juli 2005 legte der Kläger noch eine weitere Medikamentenquittung über 101,54 EUR vor, die er bei seinem ursprünglichen Antrag auf Kostenerstattung offensichtlich vergessen habe."

Die Beklagte ist dem mit einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen MDK - vom 24. November 2004, wonach die HIFU Therapie keine wissenschaftlich überprüfte wirksame Behandlungsmethode sei, entgegengetreten.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, weder habe, wie in § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für einen Erstattungsanspruch vorausgesetzt werde, eine unaufschiebbare Leistung vorgelegen, noch habe die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Es liege auch nicht ein Fall vor, wie ihn das Bundesverfassungsgericht – BverfG – mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) entschieden habe, da für Prostatakarzinome andere Behandlungsmethoden von der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung gestellt würden.

Gegen diesen dem Kläger am 28. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich dessen Berufung vom 20. Juli 2007. Zur Begründung trägt der Kläger vor, es habe sich um eine unaufschiebbare Behandlung gehandelt und er habe sich in der Geschäftsstelle der Beklagten nach Behandlungsmethoden erkundigt. Dabei sei ihm eine Klinik in P benannt worden; diese habe er aufgesucht, die möglichen Nebenwirkungen jedoch hätten ihn abgeschreckt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 13. Dezember 2004 und vom 01. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. April 2005 zu verurteilen, 8 803,25 EUR an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts BSG vom 19. Februar 2002 (B 1 KR 16/00 R), wonach selbst dann, wenn die Leistung unaufschiebbar gewesen wäre, sie nicht erstattungsfähig sei, da der Versicherte sich eine Maßnahme beschafft habe, die auch unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens vom Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Über sie konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem solchen Verfahren erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Dem Kläger steht die begehrte Kostenerstattung nicht zu, so dass die dies aussprechenden Bescheide und der sie bestätigende Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ihn nicht in seinen Rechten verletzen.

Als Anspruchsgrundlage kommt ausschließlich § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten für selbst beschaffte Leistungen in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn diese dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Kosten entstanden sind (2. Alternative).

Die vom Kläger mit der Berufungsschrift hierzu vorgebrachten Argumente überzeugen nicht, beide Alternativen sind vorliegend nicht erfüllt:

1. Die Gesetzliche Krankenversicherung GKV ist von dem Prinzip der Sachleistung beherrscht, das heißt, sie stellt den Versicherten ein System an Leistungen zur Verfügung, die von ihr bezahlt werden, und lässt deshalb die Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen nur in Ausnahmefällen zu. Dementsprechend kann eine Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 1. Alternative Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V nur dann unaufschiebbar sein, wenn es nicht möglich oder unzumutbar ist, zunächst eine Entscheidung der zuständigen Kasse über die begehrte Leistung einzuholen. Dies ist trotz der Bösartigkeit der Erkrankung des Klägers nicht der Fall und nicht einmal von diesem vorgetragen. Wenn der Kläger in der Lage war, eine Dienststelle der Beklagten aufzusuchen und sich nach Behandlungen zu erkundigen, dann das von dieser vorgeschlagene Krankenhaus in P aufgesucht und sich im Gefolge dazu entschlossen hat, einen andere, alternative, Heilmethode zu wählen, so hätte er in diesem Zeitraum auch einen entsprechenden Antrag an die Beklagte richten und deren kurzfristige Entscheidung abwarten können. Es lag somit kein Notfall dergestalt vor, dass eine vorherige Entscheidung nicht möglich gewesen wäre.

2. Der Kläger hat, wie er in seiner Berufungsschrift selbst darlegt, eben nicht eine Übernahme der Kosten der durchgeführten Behandlung bei der Beklagten beantragt. Er selbst stellt dar, er habe sich ohne erneute Kontaktaufnahme mit der Beklagten für die durchgeführte Behandlungsmethode entschieden, da ihn die Nebenwirkungen der Operation abschreckten. Insofern hat der Kläger nochmals die Darstellung des Sozialgerichts bestätigt. Dessen rechtliche Würdigung steht in Übereinstimmung mit der vom Sozialgericht zitierten ständigen Rechtsprechung des BSG.

Auch die erweiternde Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) ist hier nicht einschlägig. Dieses hat eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass aus dem Grundgesetz keine konkreten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche hergeleitet werden können, zumindest für lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen gemacht, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Die Entscheidung des BverfG betrifft also lediglich die das Urteil nicht tragenden Hilfserwägungen des Sozialgerichts zu der Frage, ob die Beklagte, vorausgesetzt, die Leistung sei unaufschiebbar gewesen oder zu Unrecht abgelehnt worden, zur Kostenerstattung verpflichtet gewesen wäre. Das BverfG hat jedoch weder dargelegt, dass die Krankenkassen selbstbeschaffte Leistungen zu zahlen haben, die nicht unaufschiebbar sind, noch dass das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung entfalle.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 192 SGG zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision ist keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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