L 1 KR 281/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 400/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 281/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für eine selbst beschaffte medizinische Leistung.

Der 1961 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er leidet seit dem Kindesalter unter einer starken Sehschwäche. Am 04. Juni 2004 suchte er den Augenarzt Dr. R auf und ließ von diesem am 08. Juli 2004 eine so genannte Clear Lens Extraction, ein Verfahren der refraktiven Augenchirurgie, durchführen. Dabei wurde eine Infraokularlinse implantiert.

Nach der Operation, am 15. Juli 2004, beantragte der Kläger bei der Beklagten, sich an den Kosten für die durchgeführte Operation zu beteiligen. Seine behandelnde Ärztin habe ihm geraten, einen Spezialisten zu konsultieren und Dr. R habe das Implantat durch Linsenaustausch als einzig sinnvolle Maßnahme angesehen. Er sei auch mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Wegen der Dringlichkeit seien die Voruntersuchungen, der stationäre Aufenthalt und die Nachuntersuchung von ihm vorfinanziert worden. Die Kosten hätten 2 487,70 EUR betragen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung MDK ein, die ergab, dass die Clear Lens Extraction zwar ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, jedoch nicht nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der gesetzlichen Krankenversicherung GKV erstattungsfähig, sei.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 2004 eine Erstattung der entstandenen Kosten ab.

Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. November 2004 zurück. Es habe weder ein unaufschiebbarer Notfall vorgelegen, noch habe die Beklagte zu Unrecht eine Leistung abgelehnt und dadurch Kosten verursacht.

Hiergegen hat sich die am 03. Dezember 2004 beim Sozialgericht Potsdam erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger vorgetragen hat, ihm sei eine Sehreduzierung auf Null prognostiziert worden. Eine vorherige Beantragung sei nicht zwingend und er bestreite, dass die Operation nicht zum Leistungskatalog der GKV gehöre. Auch liege ein Systemmangel vor, da keine Alternativen zu der Operation bestünden.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegengetreten. Ein Systemmangel liege schon deshalb nicht vor, da weder eine akut lebensbedrohliche Situation vorgelegen habe, noch bei einer Verschlimmerung der Tod oder schwere irreversible Behinderungen oder Pflegebedürftigkeit zu befürchten gewesen wären.

Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses angefordert. Dieser hat mit Schreiben vom 05. Dezember 2006 mitgeteilt, die refraktive Augenchirurgie gehöre mit Beschluss des Bundesausschusses vom 10. Dezember 1999 zu den in der Anlage B ("nicht anerkannt") aufgeführten Behandlungsmethoden.

Mit Urteil vom 14. Februar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die beantragte Operation sei von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen, da der Gemeinsame Bundesausschuss dies entsprechend bewertet habe. Es liege kein Systemmangel vor. Auch unterliege nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts BSG (Beschluss vom 20. November 2003 B 1 KR 55/02 B) eine in einem ordnungsgemäßen Verfahren getroffene Entscheidung des Bundesausschusses keiner inhaltlichen Überprüfung durch die Gerichte.

Gegen dieses den Bevollmächtigten des Klägers am 2. März 2007 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 02. April 2007, zu deren Begründung sie ihr Vorbringen aus der ersten Instanz wiederholen und vertiefen. Auch wenn die Behandlung generell und grundsätzlich ausgeschlossen sei, könne und müsse sie dem Kläger als Einzelfallmaßnahme gewährt werden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Februar 2007 die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 12. August 2004 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2004 aufzuheben und an den Kläger 2 487,70 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12. August 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben.

Über sie konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Beklagte hat zu Recht die Kostenübernahme für die durchgeführte Operation verweigert, so dass die dies aussprechenden Bescheide und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.

Als Anspruchsgrundlage kommt ausschließlich § 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V in Betracht. Nach dessen Abs. 1 darf die Krankenkasse anstelle der Sach- und Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das Fünfte oder Neunte Buch des SGB vorsehen.

Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind den Versicherten Kosten für eine selbst beschaffte Leistung zu erstatten, wenn diese entstanden sind, die Leistung notwendig war und die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch die Kosten entstanden sind.

Voraussetzung für eine Kostenerstattung sind demnach die zwei Alternativen

1. unaufschiebbare Leistung, also ein Notfall oder 2. unrechtmäßige Ablehnung einer Leistung und dadurch entstehende Kostenlast des Versicherten.

Im vorliegenden Fall treffen beide Voraussetzungen nicht zu. Eine unaufschiebbare Leistung liegt in der Regel dann vor, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar war und der Versicherte daher auf privatärztliche Hilfe angewiesen war (BSGE 35, 10). Unaufschiebbar ist eine Leistung dann, wenn ein Notfall vorliegt, also ein vorheriger Antrag bei der Krankenkasse auf Kostenübernahme und das Abwarten der Entscheidung nicht zumutbar ist. Diese Voraussetzungen liegen hier erkennbar nicht vor. Auch wenn sich das Augenleiden, wie der Kläger vorgetragen hat, verschlechtert hat, so gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass nicht vor der Inanspruchnahme der privatärztlichen Leistungen ein Antrag bei der Beklagten hätte gestellt werden können.

Die zweite Alternative, nämlich dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht nicht erbracht hat und dadurch dem Kläger Kosten entstanden sind, bedeutet, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und der Entstehung der Kosten vorliegen muss. Wenn jemand aber ohne zuvor einen Antrag gestellt zu haben, sich privatärztlich behandeln lässt, so kann die Kostenentstehung nach den Denkgesetzen nicht kausal durch die Ablehnung der Krankenkasse verursacht worden sein. Daher ist bereits nach dem Wortlaut der Anspruchsgrundlage eine Erstattung hier nicht möglich, unabhängig davon, ob die Leistung in die Versorgung der GKV einbezogen ist, oder nicht. Diese Regelung dient der Sicherstellung des Sachleistungsprinzips (BSGE 79, 125). Der Kläger hat am 04. Juni 2004, also vor der Kostenentstehung und Beantragung die entsprechenden privatärztlichen Verträge abgeschlossen und ist dabei auf die mangelnde Erstattungsfähigkeit hingewiesen worden.

Zwar ist in der Rechtssprechung die Auffassung vertreten worden, eine vorherige Leistungsablehnung sei zur Entstehung des Anspruchs dann nicht erforderlich, wenn der Versicherte zwar nicht versucht habe, eine Sachleistung zu erlangen, aber die Leistungsverweigerung von vornherein feststand, weil dem Kläger aufgrund einer entsprechenden Meinungsäußerung der Krankenkasse bekannt war, dass diese die Leistung ablehnen werde. Hier jedoch hat der Kläger keine Meinungsäußerung der Beklagten, sondern eine Auskunft des behandelnden Arztes zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Unabhängig davon, dass diese Rechtsprechung, die gegen den Wortlauf der Norm verstößt, Bedenken begegnet, ist sie bei dem vorliegenden Sachverhalt demnach nicht einschlägig.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vor.
Rechtskraft
Aus
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