Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 RA 1667/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 R 1645/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2005 wird als unzulässig verworfen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die 1937 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Sie ist Staatsangehörige Italiens, wo seit vielen Jahren auch wieder ihr gewöhnlicher Aufenthalt ist. Zwischen Mai 1963 und Juni 1976 lebte und arbeitete sie mit Unterbrechungen in Deutschland.
Im Oktober 2003 beantragte sie bei der Beklagten, ihr entweder eine Altersrente zu gewähren oder die aufgrund hiesiger Beschäftigung gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung zu erstatten.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 lehnte die Beklagte die Beitragserstattung mit der Begründung ab, die Erstattungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil die Klägerin die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren mit Beitrags- und Ersatzzeiten erfüllt habe. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2004).
Die darauf erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 20. Mai 2005 abgewiesen (S 11 RA 1667/04). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor. Ihr stehe entgegen, dass die Klägerin die allgemeine Wartezeit erfüllt (Nr. 2 der Vorschrift) und auch das Recht zur freiwilligen Versicherung gehabt habe (Nr. 1 der Vorschrift). In der Rechtsmittelbelehrung am Ende des Urteils hat das SG darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats beim Landessozialgericht oder Sozialgericht einzulegen sei. Sei das Urteil im Ausland zuzustellen, gelte anstelle der Monatsfrist eine Frist von drei Monaten. Dabei waren die Worte "Ausland" und "drei Monaten" durch Fettdruck hervorgehoben.
Das Urteil ist der Klägerin durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein an ihre Wohnanschrift in M/Italien übersandt worden. Auf dem Rückschein hat sie am 13. Juli 2005 die Aushändigung des Schriftstücks bestätigt (Bl 84 der Gerichtsakte).
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 03. Oktober 2003, das sie laut Postaufdruck auf dem Briefumschlag am 10. Oktober 2003 in M zur Post gegeben hat und das nach dem Gerichtsstempel auf diesem Umschlag am 17. Oktober 2003 beim Sozialgericht Berlin als Adressatem eingegangen ist (Bl 116 der Gerichtsakte), Berufung eingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die anlässlich der Beschäftigung in Deutschland gezahlten Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Den gerichtlichen Hinweisen vom 09. März 2007, dass die Berufung erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist eingelegt worden sei und Gelegenheit bestehe Gründe vorzutragen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat die Klägerin entgegen gehalten, sie habe die bis zum 13. Oktober 2005 laufende Berufungsfrist gewahrt, da ihre Berufungsschrift vom 03. Oktober 2005 datiere und am 10. Oktober 2005 verschickt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist unzulässig und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), denn sie ist nicht fristgemäß erhoben worden. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, durch Beschluss zu entscheiden (§ 158 Satz 2 SGG), da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.
Nach § 151 Abs 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist das angefochtene Urteil im Ausland zugestellt worden, beträgt die Berufungsfrist gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG drei Monate (allgemeine Meinung seit Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 03. August 1960 – 3 RJ 244/58 - SozR § 151 SGG Nr. 11; vgl. auch Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl, RdNr 6 zu § 151). Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Lässt sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen oder ist das zuzustellende Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist (§ 189 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Zustellung des sozialgerichtlichen Urteils an die Klägerin ist nicht festzustellen. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG werden Urteile von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sieht die hier erfolgte Auslandszustellung durch Einschreiben mit Rückschein nur vor, "soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen". Eine solche Vereinbarung besteht mit Italien soweit ersichtlich nicht. Sie ergibt sich jedenfalls weder aus Artikel 84 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, noch aus Artikel 3 Abs. 3 der zur Durchführung jener Verordnung ergangenen Verordnung (EWG) Nr. 574/72. Nach der letztgenannten Regelung dürfen "Bescheide oder sonstige Schriftstücke eines Trägers eines Mitgliedstaats, die für eine im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnende oder sich dort aufhaltende Person bestimmt sind, dieser unmittelbar mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden". Urteile eines Gerichts werden davon nicht erfasst (vgl. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. August 2006 – L 12 R 1743/05 – und Urteil vom 23. Oktober 2003 – L 8 RJ 1/03 – beide veröffentlicht unter www. sozialgerichtsbarkeit.de).
Hier kann die Frage, ob die erfolgte Zustellung formgerecht gewesen ist, aber letztlich offen bleiben. Denn für den Fall nicht formgerechter Zustellung findet – wie erwähnt - § 189 ZPO Anwendung, wonach ein Urteil in dem Zeitpunkt als zugestellt gilt, in dem es dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist. Das ist hier unstreitig am 13. Juli 2005 – dem Tag, an dem die Klägerin den Erhalt des Urteils auf dem Rückschein bestätigt hat – geschehen.
Über die dreimonatige Berufungsfrist ist die Klägerin in dem Urteil des SG zutreffend und vollständig belehrt worden. Insbesondere enthält diese Belehrung den Hinweis, dass die Berufungsschrift innerhalb der Berufungsfrist beim SG oder LSG eingehen muss.
Eines Hinweises auf Art 86 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) 1408/71, wonach unter anderem Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats – hier also der Bundesrepublik Deutschland – innerhalb einer bestimmten Frist bei einem Gericht dieses Staates einzureichen sind, innerhalb der gleichen Frist bei einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaates - also auch Italiens - eingereicht werden können, bedurfte es nicht; die dem Urteil des SG beigegebene Rechtsmittelbelehrung ist ohne entsprechenden Hinweis richtig und vollständig, so dass nicht die Jahresfrist nach §§ 153 Abs. 2, 66 Abs. 2 Satz 1 SGG an die Stelle der Dreimonatsfrist tritt. Das BSG hat zu Art 33 Abs. 1 des Deutsch-Jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 entschieden, eine vollständige Rechtsmittelbelehrung müsse auch die (örtlich) zuständige ausländische Rentenbehörde bezeichnen (Urteil vom 10. September 1997 – 5 RJ 18/97 - SozR 3–1500 § 66 Nr. 7), und dies unter anderem damit begründet, "der in sein Heimatland zurückgekehrte ausländische Arbeitnehmer" werde ansonsten "bei der kurzen Widerspruchsfrist von einem Monat" benachteiligt. Diese Situation besteht vorliegend nicht, da der Klägerin nach §§ 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG eine Frist von drei Monaten – über die sie belehrt war – für die Entscheidung zur Verfügung stand, ob sie Berufung einlegen will. Es liegt zudem bezogen auf Art 86 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) 1408/71 keine positive höchstrichterliche Äußerung dahingehend vor, dass die Rechtsmitteleinlegung bei dem "entsprechenden Gericht" des anderen Abkommensstaates ein gleichwertiger zweiter "Regelweg" (vgl. BSG aaO und Keller, aaO, RdNr 7a zu § 66) bezüglich der Frage der zulässigen Berufungseinlegung sei; nur dann wäre eine Rechtsmittelbelehrung, die dies nicht beachtet, unvollständig. Überzeugend wäre die Annahme eines "zweiten Regelweges" bezogen auf den Zugang zur zweiten Gerichtsinstanz nicht, was auch die dem Urteil des BSG vom 11. August 1976 – 10 RV 225/75 - SozR 1500 § 84 Nr. 1 und dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 1976 - 9 B 155/96 - NVwZ–RR 1997, 72 zugrunde liegenden Sachverhalte belegen. Anders als in dem durch das Zusammenwirken der Träger gekennzeichneten Verwaltungsverfahren, das deren Austauschbarkeit bei der Anbringung von Anträgen und Rechtsbehelfen nahe legt, treten die Gerichte eines Vertragsstaates dem ausländischen Kläger eigenständig und ohne Verbindung zu seinen heimischen Gerichten gegenüber.
Die danach wenn nicht durch formgerechte Zustellung so doch jedenfalls durch den tatsächlichen Erhalt des Urteils am 13. Juli 2005 in Gang gesetzte Berufungsfrist endete nach Ablauf von drei Monaten am 13. Oktober 2005, einem Donnerstag (vgl. zur Fristberechung § 64 SGG). Bis zu diesem Tag (24:00 Uhr) war sie nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG "einzulegen", das heißt musste sie bei Gericht eingegangen sein. Wann der Berufungsschriftsatz erstellt oder in Italien zur Post gegeben worden ist, ist unerheblich. Da er hier ausweislich des Posteingangsstempels erst am 17. Oktober 2005 beim SG eingegangen ist, war er verspätet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, durch die sie so gestellt würde, als hätte sie die Berufungsfrist nicht versäumt (vgl. § 67 Abs. 1 SGG), hat die auf diese Möglichkeit hingewiesene Klägerin nicht beantragt. Zwar kann nach § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten. Angesichts des ausdrücklichen Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung des SG, dass es zur Wahrung der Berufungsfrist auf den Eingang der Berufungsschrift ankommt, bestand kein Anlass anzunehmen, dass auf den Tag der Aufgabe zur Post oder gar der Schriftsatzerstellung abzustellen sei. Die Klägerin durfte auch nicht etwa berechtigterweise davon ausgehen, die von ihr am 10. Oktober 2005 (anscheinend erst am Abend, denn neben der Datumsangabe findet sich auf dem Postwertzeichen die Ziffernfolge 18.51, womit die Uhrzeit gemeint sein dürfte) in M als Einschreiben zur Post gegebene Berufungsschrift werde bereits drei Tage später beim Sozialgericht Berlin eingehen. Schöpft ein Beteiligter eine – hier mit drei Monaten großzügig bemessene – Frist bis nahe an das Ende aus, erhöht sich seine Sorgfaltspflicht, die die Klägerin verletzt hätte, wenn sie ohne Weiteres auf eine Postlaufzeit nach Berlin von nur drei Tagen vertraut hätte, zumal sie dem deutschen Poststempel auf dem Umschlag mit dem SG-Urteil hätte entnehmen können, dass es sie ebenfalls erst nach gut einer Woche erreicht hatte. Jedenfalls ist in der Gerichtsakte vermerkt, dass die Briefsendung mit dem Urteil hier am 05. Juli 2005 zur Post gegeben wurde (Bl 83 der Gerichtsakte).
Der Senat ist wegen der Unzulässigkeit der Berufung daran gehindert zu prüfen, ob die Beklagte den Erstattungsanspruch der Klägerin zu Recht verneint und die hiergegen erhobene Klage vom SG zutreffend abgewiesen worden ist. Er sieht jedoch Anlass zu dem Hinweis, dass ein Anspruch der Klägerin auf Beitragserstattung aus den im angefochtenen Bescheid und im Urteil des SG genannten Gründen nicht bestehen dürfte. Ausweislich des vorliegenden Verwaltungsvorgangs geht die Beklagte nach bisheriger Prüfung indes davon aus, dass die Klägerin für die Zeit ab Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente beanspruchen kann, die dauerhaft zu beziehen für sie deutlich günstiger sein dürfte als die Beitragserstattung. Nach Auskunft der Beklagten wird das eingeleitete Rentenverfahren umgehend wieder aufgenommen werden, sobald das vorliegende gerichtliche Verfahren wegen der Beitragserstattung abgeschlossen ist. Eine baldige Klärung des wirtschaftlich vorzugswürdigen Rentenanspruchs (ggfs. sind dazu noch ergänzende Angaben der Klägerin bzw. des italienischen Rentenversicherungsträgers erforderlich) ist daher nunmehr absehbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Die Nichtzulassung der Revision kann jedoch so, als wenn der Senat durch Urteil entschieden hätte, gemäß der beigefügten Rechtsmittelbelehrung mit der Beschwerde angefochten werden (§ 160a iVm § 158 Abs. 3 SGG).
Gründe:
I.
Die 1937 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Sie ist Staatsangehörige Italiens, wo seit vielen Jahren auch wieder ihr gewöhnlicher Aufenthalt ist. Zwischen Mai 1963 und Juni 1976 lebte und arbeitete sie mit Unterbrechungen in Deutschland.
Im Oktober 2003 beantragte sie bei der Beklagten, ihr entweder eine Altersrente zu gewähren oder die aufgrund hiesiger Beschäftigung gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung zu erstatten.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 lehnte die Beklagte die Beitragserstattung mit der Begründung ab, die Erstattungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil die Klägerin die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren mit Beitrags- und Ersatzzeiten erfüllt habe. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2004).
Die darauf erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 20. Mai 2005 abgewiesen (S 11 RA 1667/04). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor. Ihr stehe entgegen, dass die Klägerin die allgemeine Wartezeit erfüllt (Nr. 2 der Vorschrift) und auch das Recht zur freiwilligen Versicherung gehabt habe (Nr. 1 der Vorschrift). In der Rechtsmittelbelehrung am Ende des Urteils hat das SG darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats beim Landessozialgericht oder Sozialgericht einzulegen sei. Sei das Urteil im Ausland zuzustellen, gelte anstelle der Monatsfrist eine Frist von drei Monaten. Dabei waren die Worte "Ausland" und "drei Monaten" durch Fettdruck hervorgehoben.
Das Urteil ist der Klägerin durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein an ihre Wohnanschrift in M/Italien übersandt worden. Auf dem Rückschein hat sie am 13. Juli 2005 die Aushändigung des Schriftstücks bestätigt (Bl 84 der Gerichtsakte).
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 03. Oktober 2003, das sie laut Postaufdruck auf dem Briefumschlag am 10. Oktober 2003 in M zur Post gegeben hat und das nach dem Gerichtsstempel auf diesem Umschlag am 17. Oktober 2003 beim Sozialgericht Berlin als Adressatem eingegangen ist (Bl 116 der Gerichtsakte), Berufung eingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die anlässlich der Beschäftigung in Deutschland gezahlten Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Den gerichtlichen Hinweisen vom 09. März 2007, dass die Berufung erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist eingelegt worden sei und Gelegenheit bestehe Gründe vorzutragen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat die Klägerin entgegen gehalten, sie habe die bis zum 13. Oktober 2005 laufende Berufungsfrist gewahrt, da ihre Berufungsschrift vom 03. Oktober 2005 datiere und am 10. Oktober 2005 verschickt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist unzulässig und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), denn sie ist nicht fristgemäß erhoben worden. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, durch Beschluss zu entscheiden (§ 158 Satz 2 SGG), da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.
Nach § 151 Abs 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist das angefochtene Urteil im Ausland zugestellt worden, beträgt die Berufungsfrist gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG drei Monate (allgemeine Meinung seit Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 03. August 1960 – 3 RJ 244/58 - SozR § 151 SGG Nr. 11; vgl. auch Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl, RdNr 6 zu § 151). Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Lässt sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen oder ist das zuzustellende Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist (§ 189 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Zustellung des sozialgerichtlichen Urteils an die Klägerin ist nicht festzustellen. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG werden Urteile von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sieht die hier erfolgte Auslandszustellung durch Einschreiben mit Rückschein nur vor, "soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen". Eine solche Vereinbarung besteht mit Italien soweit ersichtlich nicht. Sie ergibt sich jedenfalls weder aus Artikel 84 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, noch aus Artikel 3 Abs. 3 der zur Durchführung jener Verordnung ergangenen Verordnung (EWG) Nr. 574/72. Nach der letztgenannten Regelung dürfen "Bescheide oder sonstige Schriftstücke eines Trägers eines Mitgliedstaats, die für eine im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnende oder sich dort aufhaltende Person bestimmt sind, dieser unmittelbar mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden". Urteile eines Gerichts werden davon nicht erfasst (vgl. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. August 2006 – L 12 R 1743/05 – und Urteil vom 23. Oktober 2003 – L 8 RJ 1/03 – beide veröffentlicht unter www. sozialgerichtsbarkeit.de).
Hier kann die Frage, ob die erfolgte Zustellung formgerecht gewesen ist, aber letztlich offen bleiben. Denn für den Fall nicht formgerechter Zustellung findet – wie erwähnt - § 189 ZPO Anwendung, wonach ein Urteil in dem Zeitpunkt als zugestellt gilt, in dem es dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist. Das ist hier unstreitig am 13. Juli 2005 – dem Tag, an dem die Klägerin den Erhalt des Urteils auf dem Rückschein bestätigt hat – geschehen.
Über die dreimonatige Berufungsfrist ist die Klägerin in dem Urteil des SG zutreffend und vollständig belehrt worden. Insbesondere enthält diese Belehrung den Hinweis, dass die Berufungsschrift innerhalb der Berufungsfrist beim SG oder LSG eingehen muss.
Eines Hinweises auf Art 86 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) 1408/71, wonach unter anderem Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats – hier also der Bundesrepublik Deutschland – innerhalb einer bestimmten Frist bei einem Gericht dieses Staates einzureichen sind, innerhalb der gleichen Frist bei einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaates - also auch Italiens - eingereicht werden können, bedurfte es nicht; die dem Urteil des SG beigegebene Rechtsmittelbelehrung ist ohne entsprechenden Hinweis richtig und vollständig, so dass nicht die Jahresfrist nach §§ 153 Abs. 2, 66 Abs. 2 Satz 1 SGG an die Stelle der Dreimonatsfrist tritt. Das BSG hat zu Art 33 Abs. 1 des Deutsch-Jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 entschieden, eine vollständige Rechtsmittelbelehrung müsse auch die (örtlich) zuständige ausländische Rentenbehörde bezeichnen (Urteil vom 10. September 1997 – 5 RJ 18/97 - SozR 3–1500 § 66 Nr. 7), und dies unter anderem damit begründet, "der in sein Heimatland zurückgekehrte ausländische Arbeitnehmer" werde ansonsten "bei der kurzen Widerspruchsfrist von einem Monat" benachteiligt. Diese Situation besteht vorliegend nicht, da der Klägerin nach §§ 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG eine Frist von drei Monaten – über die sie belehrt war – für die Entscheidung zur Verfügung stand, ob sie Berufung einlegen will. Es liegt zudem bezogen auf Art 86 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) 1408/71 keine positive höchstrichterliche Äußerung dahingehend vor, dass die Rechtsmitteleinlegung bei dem "entsprechenden Gericht" des anderen Abkommensstaates ein gleichwertiger zweiter "Regelweg" (vgl. BSG aaO und Keller, aaO, RdNr 7a zu § 66) bezüglich der Frage der zulässigen Berufungseinlegung sei; nur dann wäre eine Rechtsmittelbelehrung, die dies nicht beachtet, unvollständig. Überzeugend wäre die Annahme eines "zweiten Regelweges" bezogen auf den Zugang zur zweiten Gerichtsinstanz nicht, was auch die dem Urteil des BSG vom 11. August 1976 – 10 RV 225/75 - SozR 1500 § 84 Nr. 1 und dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 1976 - 9 B 155/96 - NVwZ–RR 1997, 72 zugrunde liegenden Sachverhalte belegen. Anders als in dem durch das Zusammenwirken der Träger gekennzeichneten Verwaltungsverfahren, das deren Austauschbarkeit bei der Anbringung von Anträgen und Rechtsbehelfen nahe legt, treten die Gerichte eines Vertragsstaates dem ausländischen Kläger eigenständig und ohne Verbindung zu seinen heimischen Gerichten gegenüber.
Die danach wenn nicht durch formgerechte Zustellung so doch jedenfalls durch den tatsächlichen Erhalt des Urteils am 13. Juli 2005 in Gang gesetzte Berufungsfrist endete nach Ablauf von drei Monaten am 13. Oktober 2005, einem Donnerstag (vgl. zur Fristberechung § 64 SGG). Bis zu diesem Tag (24:00 Uhr) war sie nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG "einzulegen", das heißt musste sie bei Gericht eingegangen sein. Wann der Berufungsschriftsatz erstellt oder in Italien zur Post gegeben worden ist, ist unerheblich. Da er hier ausweislich des Posteingangsstempels erst am 17. Oktober 2005 beim SG eingegangen ist, war er verspätet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, durch die sie so gestellt würde, als hätte sie die Berufungsfrist nicht versäumt (vgl. § 67 Abs. 1 SGG), hat die auf diese Möglichkeit hingewiesene Klägerin nicht beantragt. Zwar kann nach § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten. Angesichts des ausdrücklichen Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung des SG, dass es zur Wahrung der Berufungsfrist auf den Eingang der Berufungsschrift ankommt, bestand kein Anlass anzunehmen, dass auf den Tag der Aufgabe zur Post oder gar der Schriftsatzerstellung abzustellen sei. Die Klägerin durfte auch nicht etwa berechtigterweise davon ausgehen, die von ihr am 10. Oktober 2005 (anscheinend erst am Abend, denn neben der Datumsangabe findet sich auf dem Postwertzeichen die Ziffernfolge 18.51, womit die Uhrzeit gemeint sein dürfte) in M als Einschreiben zur Post gegebene Berufungsschrift werde bereits drei Tage später beim Sozialgericht Berlin eingehen. Schöpft ein Beteiligter eine – hier mit drei Monaten großzügig bemessene – Frist bis nahe an das Ende aus, erhöht sich seine Sorgfaltspflicht, die die Klägerin verletzt hätte, wenn sie ohne Weiteres auf eine Postlaufzeit nach Berlin von nur drei Tagen vertraut hätte, zumal sie dem deutschen Poststempel auf dem Umschlag mit dem SG-Urteil hätte entnehmen können, dass es sie ebenfalls erst nach gut einer Woche erreicht hatte. Jedenfalls ist in der Gerichtsakte vermerkt, dass die Briefsendung mit dem Urteil hier am 05. Juli 2005 zur Post gegeben wurde (Bl 83 der Gerichtsakte).
Der Senat ist wegen der Unzulässigkeit der Berufung daran gehindert zu prüfen, ob die Beklagte den Erstattungsanspruch der Klägerin zu Recht verneint und die hiergegen erhobene Klage vom SG zutreffend abgewiesen worden ist. Er sieht jedoch Anlass zu dem Hinweis, dass ein Anspruch der Klägerin auf Beitragserstattung aus den im angefochtenen Bescheid und im Urteil des SG genannten Gründen nicht bestehen dürfte. Ausweislich des vorliegenden Verwaltungsvorgangs geht die Beklagte nach bisheriger Prüfung indes davon aus, dass die Klägerin für die Zeit ab Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente beanspruchen kann, die dauerhaft zu beziehen für sie deutlich günstiger sein dürfte als die Beitragserstattung. Nach Auskunft der Beklagten wird das eingeleitete Rentenverfahren umgehend wieder aufgenommen werden, sobald das vorliegende gerichtliche Verfahren wegen der Beitragserstattung abgeschlossen ist. Eine baldige Klärung des wirtschaftlich vorzugswürdigen Rentenanspruchs (ggfs. sind dazu noch ergänzende Angaben der Klägerin bzw. des italienischen Rentenversicherungsträgers erforderlich) ist daher nunmehr absehbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Die Nichtzulassung der Revision kann jedoch so, als wenn der Senat durch Urteil entschieden hätte, gemäß der beigefügten Rechtsmittelbelehrung mit der Beschwerde angefochten werden (§ 160a iVm § 158 Abs. 3 SGG).
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