L 17 R 1765/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 12 R 5381/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 1765/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es besteht kein Anspruch auf Witwenrente nach dem vorvorletzten Ehegatten.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf die erneute Gewährung einer Witwenrente hat.

Die 1920 geborene Klägerin ging am 24. März 1944 die Ehe mit dem am 1914 geborenen und im Juli 1944 kriegsbedingt verstorbenen W W (Versicherter) ein. Nach dem Krieg wanderte sie in die USA aus, blieb aber deutsche Staatsangehörige.

Im Juli 1968 heiratete die Klägerin R W. Die Zahlung der ihr von der Beklagten bis dahin gewährten Witwenrente nach dem Versicherten wurde daraufhin eingestellt. Im März 1973 wurde diese Ehe geschieden. Die Beklagte, die auch einen Anspruch auf Abfindung wegen Wiederverheiratung anerkannt hatte, gewährte vom 1. April 1973 an der Klägerin erneut Witwenrente (nach dem vorletzten Ehegatten - § 68 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG-), wobei für die Zeit von April bis Juli 1973 eine Verrechnung der Rente mit der gezahlten Abfindung erfolgte.

Am 17. August 1989 heiratete die Klägerin E R. Die Gewährung einer Witwenrente wurde daraufhin erneut eingestellt. Auf eine Anfrage der Klägerin teilte ihr die Beklagte unter dem 23. November 1989 mit, sie könne einen Antrag auf Wiederaufleben der Witwenrente stellen, wenn ihr jetziger Ehemann stirbt. Am 25. Januar 1996 starb E R.

Im Juni 2004 beantragte die Klägerin ein Wiederaufleben ihrer Witwenrente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2004 mit der Begründung ab, § 46 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - sehe nur eine Rentengewährung nach dem vorletzten Ehegatten vor. Nach einer zweiten Wiederverheiratung sei ein Anspruch auf diese Rentenleistung nicht mehr gegeben. Ein dagegen von der Klägerin eingelegter Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2005 als unzulässig, weil verfristet, zurückgewiesen und gleichzeitig als Überprüfungsantrag gewertet. Mit Bescheid vom 11. Juni 2006 und Widerspruchsbescheid vom 14. September 2006 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 13. Oktober 2004 mit der Begründung ab, es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt bei Bescheiderteilung ausgegangen worden.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 21. November 2006 Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, es sehe nur so aus, als wenn sie zwei mal nach dem Tod ihres ersten Ehemannes W W geheiratet habe. R W sei nicht ihr Ehemann gewesen. Gleich nach der Heirat sei er zu einem brutalen Tyrannen geworden, der sie nie als seine Ehefrau geachtet habe. Eine Herzensverbindung zu ihm habe daher nicht bestanden. Er sei ein Lügner und Betrüger gewesen. Später habe ihr auch Gott den Bescheid gegeben, dass R Wnicht ihr Ehemann war.

Mit Urteil vom 6. November 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, vom Gericht werde nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin von ihrem zweiten Ehemann grausam und unmenschlich behandelt worden sei. Dies könne auch dem Scheidungsurteil entnommen werden. Es ändere jedoch nichts daran, dass eine zivilrechtlich wirksame Heirat erfolgt sei.

Gegen das der Klägerin am 16. November 2007 zugestellte Urteil wendet sie sich mit der am 11. Dezember 2007 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung macht sie unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens geltend, sie sei nach dem Tod ihres ersten Ehemannes nur mit E R verheiratet gewesen. R Whabe nur vorgegeben, mit ihr eine Ehe führen zu wollen. Er sei zwar in zivilrechtlicher Weise mit ihr die Ehe eingegangen, sein Herz und sein Sinn seien jedoch nicht dabei gewesen. Sein unmenschliches Verhalten nach der Hochzeit könne niemals als Eheleben anerkannt werden. Deswegen habe sie sich auch von ihm scheiden lassen, denn sie habe gewusst, dass sie mit diesem Mann, der sie schon über seinen wahren Namen getäuscht habe, nicht verheiratet ist.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2006 aufzuheben und diese zu verpflichten, den Bescheid vom 13. Oktober 2004 zurückzunehmen und ihr erneut Witwenrente nach dem Versicherten W W zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die von der Klägerin angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig.

Gegenstand des Verfahrens ist allein der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf erneute Gewährung einer Witwenrente. Dafür, dass die Klägerin im Verfahren - wie vom Sozialgericht angenommen - hilfsweise die Zahlung einer Rentenabfindung anstrebt, liegen keine Anhaltspunkte vor. Von der Klägerin ist im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren ausschließlich ein Antrag auf Gewährung einer Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten gestellt worden. Nur über diesen Rentenantrag hat die Beklagte auch - zu Recht - entschieden. Eine Abfindung des bis dahin bestehenden Witwenrentenanspruchs kann zudem nur bei dessen Wegfall infolge einer erneuten Heirat erfolgen. Hier liegt ein solcher Fall aber nicht vor, denn die Klägerin strebt eine Leistungsgewährung aufgrund der Beendigung und nicht der Begründung einer Ehe an.

Die Beklagte hat zu Recht den Bescheid vom 13. Oktober 2004 nicht zurückgenommen, weil dieser nicht rechtswidrig im Sinne von § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - ist. Die beantragte Rente steht der Klägerin nicht zu. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch kann nur § 46 Abs. 3 SGB VI sein. Danach haben überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2 b dieser Norm Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vollumfänglich vor, denn die Klägerin begehrt eine Witwenrente nach dem vorvorletzten Ehegatten.

Vorletzter Ehegatte im Sinne dieser Vorschrift ist, wie vom Bundessozialgericht (vgl. Urteil vom 18. Januar 1978, Az: 1 RA 17/76 - siehe auch zu § 44 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz Urteil vom 9. April 1997 9 RV 24/95) bereits zur insoweit gleich gelagerten Rechtslage vor Einführung des SGB VI (§ 68 Abs. 2 AVG und § 1291 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung) entschieden wurde, der Ehegatte aus der der Wiederheirat unmittelbar vorangegangenen Ehe. Dies ist hier die Ehe der Klägerin mit R W. Die bereits einmal aufgelebte Witwenrente nach dem Versicherten W W kann nach einer erneuten (d. h. zweiten nachfolgenden Ehe) nicht noch einmal aufleben.

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, eine Ehe mit R Whabe nicht bestanden. Die Klägerin war - was auch von ihr nicht bestritten wird - eine rechtlich wirksame Ehe mit ihm eingegangen, die erst durch eine beinahe fünf Jahre später erfolgte Scheidung wieder aufgelöst worden ist. Rechtlich unbedeutend ist bei dieser Sachlage die Qualität der geführten Ehe, denn auch dann, wenn es - wie von der Klägerin geltend gemacht - an einer Herzensverbindung der Ehegatten gefehlt hat und ein Eheleben nicht stattgefunden hat, handelt es sich um eine - rechtlich betrachtet - wirksame Ehe. Darauf allein und nicht auf die innere Einstellung eines Ehegatten zur Ehe ist rechtlich abzustellen.

Der von der Klägerin geltend gemachte Rentenanspruch ist auch nicht aus sonstigen Gesichtspunkten begründet. Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Witwenrente nach Auflösung einer dritten Ehe nicht wieder aufleben zu lassen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar stehen Ehe und Familie unter einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, die daraus resultierende Pflicht des Staates zur materiellen Förderung geht jedoch nicht soweit, dass er gehalten wäre, jede mit der Ehe eingehende Belastung auszugleichen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein Wiederaufleben einer Witwenrente ebenso wie eine Heiratsabfindung dem System der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich fremd ist. Die Regelungen über die Gewährung einer Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten sollen den Entschluss einer Witwe erleichtern, sich wieder zu verheiraten. Es handelt sich damit um familienfreundliche Regelungen, die jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten sind (vgl. Bundesverfassungsgericht Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 BvR 179/78, 464/78 - ). Vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) wird ausgeführt, dass allein die Großzügigkeit einer verfassungsrechtlich nicht gebotenen Regelung den Gesetzgeber nicht zu deren Wiederholung verpflichte und er daher die Frau im Falle einer dritten oder weiteren Eheschließung nicht in gleicher Weise von dem wirtschaftlichen Risiko des Scheiterns der Ehe freistellen müsse. Mit der Eingehung einer dritten - und erst recht jeder weiteren - Ehe komme es zu einer Abnahme des Intensitätsgrades der wirtschaftlichen und unterhaltsmäßigen Beziehungen zum Ehegatten der ersten Ehe. Jede neue und danach jede weitere Ehe bedeute in wirtschaftlicher Hinsicht die Chance und das Risiko für den Ehegatten, seine wirtschaftliche Lage im neuen Familienverband zu verbessern oder zu verschlechtern.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Rente liegen auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze eines so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruches vor. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist unter anderem, dass die Beklagte eine ihr obliegende Pflicht insbesondere zur Aufklärung und Beratung verletzt hat. Ein solcher Pflichtverstoß könnte darin zu sehen sein, dass die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23. November 1989 mitteilte, sie könne einen Antrag auf Wiederaufleben der Witwenrente stellen, wenn ihr jetziger Ehemann stirbt. Auch wenn damit von der Beklagten keine Zusicherung des Wiederauflebens der Witwenrente abgegeben wurde, wird mit dem Schreiben der Eindruck vermittelt, die Antragstellung könne zu einem Rentenanspruch führen. Ein solcher Anspruch konnte jedoch - wie bereits dargelegt - nicht mehr aufleben. Ein Herstellungsanspruch setzt allerdings zudem voraus, dass die Pflichtverletzung zumindest gleichwertig neben anderen Bedingungen einen Nachteil des Versicherten ursächlich bewirkt haben muss (vgl. BSG Urteil vom 22. Oktober 1996 – Az: 13 RJ 23/95). Daran fehlt es hier, weil die Auskunft der Beklagten nicht ursächlich für den endgültigen Wegfall des Witwenrentenanspruches der Klägerin gewesen sein kann. Aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen ist ersichtlich, dass sie sich erst nachdem sie die Ehe mit ERim August 1989 eingegangen war im November 1989 mit einem Auskunftsersuchen über das Wiederaufleben der Witwenrente an die Beklagte wandte. Zu diesem Zeitpunkt war der Witwenrentenanspruch infolge der zweiten nachfolgenden Ehe bereits endgültig erloschen, weshalb sich ein etwaiger Pflichtverstoß nicht mehr auf diesen auswirken konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved