L 26 B 1010/07 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 106 AS 11430/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 1010/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2007 wird aufgehoben. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T L, Sstr., B, beigeordnet; Beträge aus dem Vermögen oder Raten sind nicht zu zahlen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), der das Sozialgericht (SG) Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung), ist begründet. Dem Kläger ist für das Verfahren vor dem SG Berlin nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren.

Die Gewährung von PKH ist nach den genannten Vorschriften zunächst davon abhängig, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.

Die vorliegende Klage ist gerichtet auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. April 2007 auf den Antrag vom 8. Februar 2007 hin. Dies ergibt sich schon aus der Klageschrift vom 30. April 2007. Hierin nimmt der Kläger Bezug auf einen Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. April 2007 (S 55 AS 6708/07 ER), in dem er darauf hingewiesen worden war, seine Leistungsansprüche unmittelbar gegen den durch Umzug örtlich zuständig gewordenen Leistungsträger geltend zu machen. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich bei gebotener Auslegung, dass die Zahlung solcher Leistungen Ziel der Klage ist. Um eine Untätigkeitsklage hat es sich dagegen nicht gehandelt, was der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 16. Juni 2007 ergänzend klargestellt hat.

Der Zulässigkeit der Klage steht nach summarischer, ausdrücklich nicht abschließender Prüfung weder entgegen, dass der Beklagte über den geltend gemachten Zeitraum nicht abschlägig entschieden hätte, noch dass der von dem JobCenter Tempelhof-Schöneberg erlassene Sanktionsbescheid (vom 5. Januar 2007 mit einer Absenkung der Regelleistungen um 100 Prozent in der Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. April 2007) bestandskräftig geworden wäre. Nach derzeitigem Stand des Verfahrens hat der Beklagte mit dem auf den Antrag vom 8. Februar 2007 erlassenen Bescheid vom 8. Mai 2007 und ergänzend mit Bescheid vom 29. Mai 2007 für die Zeit vor dem 1. Mai 2007 die Zahlung von Alg II abgelehnt. Ungeachtet der unterschiedlichen Rechtswirkungen eines Sanktionsbescheides nach § 31 Abs. 5 SGB II, der Voraussetzung für den Eintritt der Absenkung ist, und eines sog. Sperrzeitbescheides nach § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), dem eine solche konstitutive Wirkung nicht zukommt (vgl. nur Valgolio in Hauck/Noftz § 144 SGB III RdNr. 311 ff mit weiteren Nachweisen), geht der Senat ferner davon aus, dass wie bei Eintritt einer Sperrzeit der Sanktionsbescheid vom 5. Januar 2007 und der Bewilligungsbescheid vom 8 Mai 2007 jedenfalls dann, wenn die Sanktion (hier Wegfall der Regelleistung) zum beantragten Beginn der Leistung eintritt, prozessrechtlich eine Einheit bilden und (zulässiger) Gegenstand des Verfahrens damit (jedenfalls) die Zahlung von Alg II vom 8. Februar 2007 (Antragstellung beim Beklagten nach erfolgtem Umzug) bis zum 30. April 2007 ist (zur Situation beim Eintritt einer Sperrzeit nur BSG SozR 4-4300 § 144 Nr. 12 RdNr. 10; ähnlich bei Absenkung der Leistungen nach Eintritt einer Sanktion LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16. Januar 2008 - L 28 B 2119/07 AS ER, zitiert nach juris). In der Klageerhebung ist zugleich die Einlegung des Widerspruchs gegen diese Bescheide enthalten; das Widerspruchsverfahren ist ggf. noch nachzuholen. Eine Klage darf nicht schon wegen fehlenden Widerspruchsbescheides als unzulässig abgewiesen werden (vgl. nur BSG SozR 1500 § 78 Nr. 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 78 RdNr. 3 a mwN).

Die notwendigen Erfolgsaussichten in der Sache bestehen ebenfalls. Soweit es sich dem Bescheid des JobCenters Tempelhof-Schöneberg entnehmen lässt, ist die Sanktion auf dem Vorwurf begründet, der Kläger sei aus einer Trainingsmaßnahme wegen unentschuldigter Fehlzeiten gekündigt worden. Einzelheiten dazu lassen sich bislang nicht klären. Schon weil die durch § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II angeordnete Rechtsfolge unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gewichtiger verfassungsrechtlicher Kritik ausgesetzt ist, bedarf es aber auf entsprechende Einwände des Betroffenen hin einer eingehenden Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Eintritt einer solchen Sanktion tatsächlich vorgelegen haben. Vor allem die vor der Pflichtverletzung zu erteilende Rechtsfolgenbelehrung müssen dem jungen Hilfebedürftigen, die für ihn verschärften Rechtsfolgen konkret, eindeutig und verständlich vor Augen führen. Ohne weitere Ermittlungen zur Art des Vorwurfs lässt sich zudem nicht klären, ob die Beklagte im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Möglichkeit zur Verkürzung der Sanktion auf 6 Wochen hätte prüfen müssen. Da eine auch nur summarische Entscheidung über die damit aufgeworfenen Rechtsfragen nach Aktenlage nicht möglich war, weitergehende Ermittlungen im Rahmen dieses Verfahrens aber nicht tunlich sind, war bei einem grundsätzlich möglichen Erfolg in der Sache die begehrte Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann.

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint erforderlich, § 121 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177).
Rechtskraft
Aus
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