Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1830/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 85/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. April 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 05. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2002 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01. Mai 2001 bis zum 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung beschäftigt gewesen ist. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 01. Mai 2001 bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4).
Der 1965 geborene Kläger, Vater zweier einer früheren Ehe entstammenden, 1989 und 1991 geborenen Töchter, war vom 15. Dezember 1994 bis 30. September 1995 bei der Kaufmännischen Krankenkasse familienversichert. Bei der Beklagten war er bis zum 7. April 1997 versichertes Mitglied. Vom 1. August 1997 bis zum 31. März 1999 war er bei der Deutschen Krankenversicherung AG privat krankenversichert. Ab dem 1. November 2001 ist er versicherungspflichtiges Mitglied bei der Siemens-Betriebskrankenkasse. Für die Zeit vom 03. August 1998 bis 12. Juli 2001 hatte er, ab dem 13. Juli 2001 die Zeugin C K – sie bezog bis zum 31. Juli 2001 Leistungen der Beigeladenen zu 2) - ein Gewerbe für eine Schank- und Speisewirtschaft/Imbiss in B K angemeldet.
Der unter dem 2. Mai 2001 vom Kläger und der Beigeladenen zu 4) unterzeichnete Arbeitsvertrag sah eine unbefristete Tätigkeit des Klägers als Produktionshelfer ab dem 1. Mai 2001 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden vor; das Arbeitsentgelt i.H.v. 850.- DM sollte bar gezahlt werden. Am 3. Mai 2001 meldete die Beigeladene zu 4) – sie hatte für die Zeit vom 6. Februar 2000 bis zum 31. Oktober 2001 ein Gewerbe für Lebensmittelhandel, Dönerhandel, Dönerproduktion und Fleischerei angemeldet - den Kläger rückwirkend zum 01. Mai 2001 bei der Beklagten an.
Am 13. Mai 2001 entband die Ehefrau des Klägers, N K, im V Klinikum N Zwillinge. Hierfür und für die bis zum 10. Juni 2001 dauernde stationäre Behandlung der Zwillinge stellte die V N für G GmbH dem Kläger und seiner Ehefrau einen Betrag von insgesamt 55.231,18 DM (28.239,26 EUR) in Rechnung.
Im Rahmen einer Überprüfung des ab 01. Mai 2001 gemeldeten Versicherungsverhältnisses des Klägers bei der Beigeladenen zu 4) gab der Kläger gegenüber der Beklagten unter dem 05. Juni 2001 an, dass sein Bruttogehalt 1.000.- DM bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden an 5 Tagen betrage. Die Beigeladene zu 4) teilte der Beklagten unter dem 15. Oktober 2001 mit, dass der Kläger vom 01. Mai bis 31. Juli 2001 mit dem Ziel einer Dauerbeschäftigung beschäftigt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 05. März 2002 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger vom 01. Mai bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) nicht abhängig beschäftigt gewesen sei.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es sich um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und nicht um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Er sei viel im Ausland gewesen und privat krankenversichert. Weil sich der Erlös aus seiner selbständigen Tätigkeit immer weiter verschlechtert habe, habe er ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum 01. Mai 2001 aufgenommen. Die Arbeit zum 1. Mai 2001 habe er gefunden, da er von der Firma K vorher Dönerfleisch für seinen Imbiss bezogen habe. Es seien 850,00 DM vereinbart gewesen, aber der Arbeitgeber habe ihm 1000,00 DM in Aussicht gestellt. Obwohl er sein Gewerbe erst am 12. Juli 2001 abgemeldet habe, sei er aufgrund der wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden nicht mehr hauptberuflich selbständig gewesen. Darüber hinaus habe er seine Tätigkeit in dem Imbiss bereits im April 2001 eingestellt. Der Imbiss sei von einem ehemaligen bis Ende Januar 2001 bei ihm beschäftigten Mitarbeiter, Herrn K C (gemeint ist offensichtlich die Zeugin C K), übernommen worden. Nach einer Probezeit im Februar und März 2001 habe dieser den Imbiss allein weitergeführt. Allein die Gewerbeab- und -anmeldung sei aus Nachlässigkeit erst im Juli 2001 vorgenommen worden. Jetzt sei er ab 01. November 2001 für monatlich ca. 1.900,00 DM brutto im Imbiß der Zeugin K in Arbeit. Der Kläger reichte die mit seiner Unterschrift versehenen, von der Beigeladenen zu 4) erstellten Lohnabrechungen für die Monate Mai bis Juni 2001 sowie die von "K, C Imbiß" erstellte Lohnabrechnung für Januar 2002 ein.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Beigeladene zu 4) mit, dass der Kläger eingestellt worden sei, da sie auf eine Hilfskraft angewiesen gewesen sei. Er habe mit ihren Arbeitnehmern N K, U Y, C N und K N zusammengearbeitet. Die Zahlung des Entgeltes sei bar gegen Quittung erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führte die Beklagte aus, dass der Nachweis eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erbracht sei. Der Verdacht, dass das Beschäftigungsverhältnis formal konstruiert worden sei, um einen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zu erhalten, sei nach den Angaben nicht entkräftet worden.
Mit Urteil vom 02. April 2004 hat das Sozialgericht Berlin die hiergegen erhobene Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheides nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgewiesen. Darüber hinaus habe der Kläger seine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht durch förmliche Beweismittel belegen können. Allein die gerichtsbekannten Umstände sprächen nicht zwingend für die Annahme einer abhängigen fremdbestimmten und somit versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern eher dagegen. Insbesondere die Umstände, dass der Kläger in der streitigen Zeit noch selbständig gewesen sei, keinen Versicherungsschutz gehabt, aber wegen der Höhe der Entbindungskosten dringend gebraucht habe und die widersprüchlichen Angaben über die Entgeltzahlung sprächen gegen die Annahme einer fremdbestimmten weisungsabhängigen und damit versicherungspflichtigen Beschäftigung.
Gegen dieses ihm am 4. Mai 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Mai 2004 Berufung eingelegt. Er sei bei der Deutschen Krankenversicherung zur Versicherungsnummer krankenversichert gewesen. Im Hinblick auf die bevorstehende Vaterschaft habe er eine wirtschaftlich sichere Position für die Familie angestrebt. Dazu habe auch die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit mit sicherem Einkommen und das Bestehen einer Krankenversicherung gehört. Er habe damals das alleinige Sorgerecht für zwei seiner Töchter gehabt, die auch bei ihm gelebt hätten. Nach Beginn der Schulzeit habe er die Versorgung der Kinder und das Gewerbe allein nicht geschafft. Daher habe er die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 4) aufgenommen. Die im Mai 2001 geborenen Zwillinge seien von seiner zweiten Ehefrau. Erst kurz vor der Entbindung sei sie nach Berlin gekommen. Sie hätten im Jahre 2000 in der Türkei geheiratet. Der Antrag auf Einreise seiner Ehefrau sei dann erst sehr spät bewilligt worden. Nach Bewilligung sei sie dann umgehend – nach seiner Erinnerung vielleicht 2-3 Tage vor der Entbindung - nach Berlin gekommen. Nach seiner Erinnerung habe er seine Frau und die Zwillinge im September/Oktober wieder in die Türkei gebracht; seither lebe er von ihr getrennt. Hinsichtlich der vorgelegten Steuerbescheide für die Jahre 2000 (ausgewiesene Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 9.718.- DM) und 2001 (ausgewiesene Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 7.000. DM) führt er aus, dass dem Steuerbescheid für das Jahr 2001 eine Schätzung des Finanzamtes zugrunde liege, da er keine Steuererklärung abgegeben habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 2. April 2004 und des Bescheides vom 5. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides von 24. September 2002 festzustellen, dass er in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung beschäftigt gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt ihrer Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts Berlin.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) stellen keine Anträge.
Die Beigeladene zu 2) teilt mit, für die hier strittige Beschäftigung liege ihr keine Arbeitsbescheinigung vor.
Die Beigeladene zu 4) behauptet, der Betrieb, in dem der Kläger angestellt war, sei damals auf ihren Namen gelaufen. Im Wesentlichen habe aber ihr Ehemann die Arbeit gemacht. Der Kläger habe von Mai bis Juli 2001 bei ihnen täglich 3 – 4 Stunden gearbeitet. Er habe dafür monatlich 850,00 DM bar erhalten. Das mache ungefähr einen Nettobetrag von 673,00 DM. Sie hätten in dem genannten Zeitraum damals eine Aushilfe gesucht und der Kläger habe Arbeit gesucht. Sie hätten ihn als Hilfsarbeiter eingestellt und gedacht, er werde die nötigen Arbeiten schon lernen. Das sei aber nicht so gewesen und sie seien mit ihm nicht zufrieden gewesen. Sie seien sich mit dem Kläger einig gewesen, dass er ab dem 31. Juli 2001 nicht mehr bei Ihnen arbeiten sollte. Eine Kündigung sei nicht erfolgt. Das Arbeitsverhältnis sei dadurch zustande gekommen, dass sie dem Imbiss des Klägers Dönerfleisch geliefert hätten. Der Kläger habe jeweils auf Abruf gearbeitet, d. h. sie hätten ihn am Vortag des Tages, an dem er arbeiten sollte, angerufen, wenn sie ihn brauchten. Das konnte morgens, aber auch mittags sein. Er sei dann auch immer zu der vereinbarten Zeit erschienen. Sie hätten dem Kläger gesagt, was er zu machen habe, und er habe dann nach der vereinbarten Arbeitszeit aufgehört zu arbeiten. Der Kläger habe damals seine Steuerkarte ausgehändigt. Ihre Steuerangelegenheiten habe damals ein Steuerberater gemacht. Alle vier damaligen Arbeitnehmer – auch der Zeuge N K - seien bar bezahlt worden.
Anfragen der Klägerbevollmächtigten beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin wegen der ladungsfähigen Anschriften der Herrn Y und N blieben ergebnislos.
Der Senat hat im Erörterungstermin vom 23. August die Zeugin K vernommen; wegen des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 23. August 2007 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung und der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen subjektiven Rechten, da er in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung beschäftigt war.
Die Versicherungspflicht richtet sich in den Zweigen der Sozialversicherung nach den § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung. Diese Vorschriften setzen für die Versicherungspflicht – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) voraus. Nach Absatz 1 Sätze 1 und 2 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisunggebers.
Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, wobei die persönliche Abhängigkeit die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung erfordert (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes - BSG -SozR 3-2400 § 7 Nr. 4, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11, SozR 3-2500 § 5 Nr. 17).
Maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag. In Abgrenzung zu einem bloßen Scheingeschäft, bei dem ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Ziel, Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu erlangen, vorgetäuscht werden soll, müssen die tatsächlichen Verhältnisse den Schluss auf die ernsthafte Absicht erkennen lassen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen, und sie müssen die Feststellung erlauben, dass die Vertragspartner den vorgenannten Verpflichtungen auch ernsthaft nachkommen. Hierbei sind an die Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen strenge Anforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn - wie hier - der Versicherungsschutz erstmals in zeitlicher Nähe zu einem kostenintensiven Leistungsfall behauptet wird.
1.) Gemessen an diesen Kriterien und unter Würdigung aller Umstände dieses Einzelfalles ist den Senat zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger in der Zeit vom 01. Mai bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) abhängig beschäftigt gewesen ist.
a.) Für eine abhängige Beschäftigung sprechen folgende Umstände:
• Es liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2001 vor, nach dessen Inhalt ab dem 1. Mai 2001 eine Beschäftigung als Produktionshelfer von wöchentlich 20 Stunden bei der Beigeladenen zu 4) vereinbart worden ist. • Der Kläger hat die vertragliche vereinbarte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4) auch tatsächlich ausgeübt und war hierbei in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 4) eingegliedert. Zu dieser Feststellung gelangt der Senat aufgrund der glaubhaften und widerspruchsfreien Angaben der Beigeladenen zu 4), die sich im Wesentlichen mit dem klägerischen Vorbringen decken. Die Beigeladene zu 4) hat sowohl bestätigt, dass der Kläger im vertraglich vereinbarten Umfang in ihrem Betrieb gearbeitet hat, als auch Details zur Vertragsanbahnung (persönlicher Kontakt durch die Belieferung mit Fleisch), Vertragsdurchführung (Tätigkeit auf Abruf, Zeitpunkt des Abrufs, somit Weisungsunterworfenheit) und Beurteilung der klägerischen Arbeitsleistung geschildert. • Erst wurden monatliche Abrechnungen erstellt, die die sozialversicherungsrechtlichen Abzüge enthalten. • Die Aufgabe der Selbstständigkeit im Laufe des Jahres 2001 wurde von der Zeugin K bestätigt und erfolgte ernsthaft, da der Kläger ab dem 1. November 2001 abhängig beschäftigt war. • Die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung durch die Beigeladenen zu 4) erfolgte unmittelbar (am zweiten Werktag) nach Arbeitsaufnahme und nicht – wie bei fingierten Beschäftigungsverhältnissen oftmals zu beobachten – erst mit erheblicher Verspätung.
b.) Der Senat verkennt nicht, dass auch Umstände vorliegen, die Anlass zu Zweifeln an einer abhängigen Beschäftigung geben können.
• Eine Form der monatlichen Lohnzahlung ist zwar gesetzlich nicht vorgegeben, eine Zahlung in bar gegen Quittung – wie im hiesigen Fall – ist hingegen im Arbeitsleben ungewöhnlich. Unabhängig von der Unüblichkeit einer Barzahlung ist auf der am 23. Januar 2002 bei der Beklagten eingereichten Monatsabrechnung für Mai 2001 keine Unterschrift des Klägers enthalten. Erst auf den am 5. Juli 2002 eingereichten monatlichen Abrechnungen für Mai bis Juli 2002 befindet sich dann die Unterschrift des Klägers. Dies lässt den Schluss zu, dass sie erst nachträglich unterschrieben worden sind. • Kurz vor einem kostenintensiven Leistungsfall wird nach mehrjähriger selbstständiger Tätigkeit (August 1998 bis Juli 2001) und aktuell fehlendem Versicherungsschutz ein Arbeitsverhältnis begründet, welches kurze Zeit nach dem Leistungsfall wieder beendet wurde. • Das dem Kläger ausgezahlte Arbeitsentgelt von monatlich 670,63 DM netto reicht allein, aber auch zusammen mit dem dem Kläger für seine 4 Kinder zustehenden Kindergeld i.H.v. insgesamt 1140 DM monatlich (ab Mai 2001) nicht, um den Lebensunterhalt einer sechsköpfigen Familie zu bestreiten.
Diese Umstände stellen jedoch lediglich Verdachtsmomente dar, die bei wertender Betrachtung bei weitem nicht so schwer wiegen wie die vom Senat positiv festgestellten, unter a. genannten Umstände.
2.) Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung entfiel nicht aufgrund einer selbständigen Tätigkeit des Klägers.
Gemäß § 5 Abs. 5 SGB V ist nicht nach Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Nach der Gesetzesbegründung wird dadurch "z.B. vermieden, dass ein versicherungsfreier Selbständiger durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung versicherungspflichtig wird und damit den umfassenden Schutz der gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erhält. Hauptberuflich ist eine selbständige Erwerbstätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt" (Bundestags-Drucksache 11/2237, S. 159).
Ein solches deutliches Übersteigen vermochte der Senat nicht festzustellen. Auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens bestehen bereits Zweifel, ob der Kläger auch nach April 2001 noch selbständig tätig war. Selbst wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, lässt sich zumindest nicht feststellen, dass der zeitliche Aufwand des Klägers hierfür seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4) übersteigt. Hauptberuflichkeit setzt nach dem o.g. gesetzgeberischen Willen jedoch ein deutliches Überwiegen auf der wirtschaftlichen auf der zeitlichen Ebene voraus. Ob die dem Einkommensteuerbescheid für 2001 zugrunde liegenden Einkünfte von ca. 1.000.- DM monatlich das vom Kläger erzielte monatliche Arbeitsentgelt von 850.- DM brutto übersteigen, kann daher ebenso offen bleiben wie die Frage, ob die einem Einkommensteuerbescheid zugrunde liegenden Einkünfte überhaupt einen tauglichen Vergleichsmaßstab bilden können, wenn sie auf einer Schätzung des Finanzamtes beruhen und diese Schätzung vom Steuerpflichtigen dadurch akzeptiert wird, dass er den Einkommensteuerbescheid bestandskräftig werden lässt. Nur untergeordnete Bedeutung kommt nach Auffassung des Senats der Tatsache zu, dass die Abmeldung des Gewerbes durch den Kläger erst zum 12. Juli 2001 vorgenommen wurde, obwohl bereits zum 1. Mai 2001 die Übergabe an die Zeugin K erfolgt sein soll. Denn gewerberechtliche Meldungen sind für die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit i.S.d. Sozialversicherungsrechts ausgeübt wird, nicht konstitutiv. Verspätete Gewerbean- und -abmeldungen wirken sich daher in aller Regel – so auch im vorliegenden Fall – nur gewerberechtlich aus. Im übrigen meldete – was die klägerische Behauptung einer nur versehentlich verspäteten Abmeldung glaubhaft macht – die Zeugin K ihr in denselben Räumlichkeiten betriebenes Gewerbe am Tag nach dem Abmeldung durch den Kläger an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 01. Mai 2001 bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4).
Der 1965 geborene Kläger, Vater zweier einer früheren Ehe entstammenden, 1989 und 1991 geborenen Töchter, war vom 15. Dezember 1994 bis 30. September 1995 bei der Kaufmännischen Krankenkasse familienversichert. Bei der Beklagten war er bis zum 7. April 1997 versichertes Mitglied. Vom 1. August 1997 bis zum 31. März 1999 war er bei der Deutschen Krankenversicherung AG privat krankenversichert. Ab dem 1. November 2001 ist er versicherungspflichtiges Mitglied bei der Siemens-Betriebskrankenkasse. Für die Zeit vom 03. August 1998 bis 12. Juli 2001 hatte er, ab dem 13. Juli 2001 die Zeugin C K – sie bezog bis zum 31. Juli 2001 Leistungen der Beigeladenen zu 2) - ein Gewerbe für eine Schank- und Speisewirtschaft/Imbiss in B K angemeldet.
Der unter dem 2. Mai 2001 vom Kläger und der Beigeladenen zu 4) unterzeichnete Arbeitsvertrag sah eine unbefristete Tätigkeit des Klägers als Produktionshelfer ab dem 1. Mai 2001 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden vor; das Arbeitsentgelt i.H.v. 850.- DM sollte bar gezahlt werden. Am 3. Mai 2001 meldete die Beigeladene zu 4) – sie hatte für die Zeit vom 6. Februar 2000 bis zum 31. Oktober 2001 ein Gewerbe für Lebensmittelhandel, Dönerhandel, Dönerproduktion und Fleischerei angemeldet - den Kläger rückwirkend zum 01. Mai 2001 bei der Beklagten an.
Am 13. Mai 2001 entband die Ehefrau des Klägers, N K, im V Klinikum N Zwillinge. Hierfür und für die bis zum 10. Juni 2001 dauernde stationäre Behandlung der Zwillinge stellte die V N für G GmbH dem Kläger und seiner Ehefrau einen Betrag von insgesamt 55.231,18 DM (28.239,26 EUR) in Rechnung.
Im Rahmen einer Überprüfung des ab 01. Mai 2001 gemeldeten Versicherungsverhältnisses des Klägers bei der Beigeladenen zu 4) gab der Kläger gegenüber der Beklagten unter dem 05. Juni 2001 an, dass sein Bruttogehalt 1.000.- DM bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden an 5 Tagen betrage. Die Beigeladene zu 4) teilte der Beklagten unter dem 15. Oktober 2001 mit, dass der Kläger vom 01. Mai bis 31. Juli 2001 mit dem Ziel einer Dauerbeschäftigung beschäftigt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 05. März 2002 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger vom 01. Mai bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) nicht abhängig beschäftigt gewesen sei.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es sich um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und nicht um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Er sei viel im Ausland gewesen und privat krankenversichert. Weil sich der Erlös aus seiner selbständigen Tätigkeit immer weiter verschlechtert habe, habe er ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum 01. Mai 2001 aufgenommen. Die Arbeit zum 1. Mai 2001 habe er gefunden, da er von der Firma K vorher Dönerfleisch für seinen Imbiss bezogen habe. Es seien 850,00 DM vereinbart gewesen, aber der Arbeitgeber habe ihm 1000,00 DM in Aussicht gestellt. Obwohl er sein Gewerbe erst am 12. Juli 2001 abgemeldet habe, sei er aufgrund der wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden nicht mehr hauptberuflich selbständig gewesen. Darüber hinaus habe er seine Tätigkeit in dem Imbiss bereits im April 2001 eingestellt. Der Imbiss sei von einem ehemaligen bis Ende Januar 2001 bei ihm beschäftigten Mitarbeiter, Herrn K C (gemeint ist offensichtlich die Zeugin C K), übernommen worden. Nach einer Probezeit im Februar und März 2001 habe dieser den Imbiss allein weitergeführt. Allein die Gewerbeab- und -anmeldung sei aus Nachlässigkeit erst im Juli 2001 vorgenommen worden. Jetzt sei er ab 01. November 2001 für monatlich ca. 1.900,00 DM brutto im Imbiß der Zeugin K in Arbeit. Der Kläger reichte die mit seiner Unterschrift versehenen, von der Beigeladenen zu 4) erstellten Lohnabrechungen für die Monate Mai bis Juni 2001 sowie die von "K, C Imbiß" erstellte Lohnabrechnung für Januar 2002 ein.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Beigeladene zu 4) mit, dass der Kläger eingestellt worden sei, da sie auf eine Hilfskraft angewiesen gewesen sei. Er habe mit ihren Arbeitnehmern N K, U Y, C N und K N zusammengearbeitet. Die Zahlung des Entgeltes sei bar gegen Quittung erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führte die Beklagte aus, dass der Nachweis eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erbracht sei. Der Verdacht, dass das Beschäftigungsverhältnis formal konstruiert worden sei, um einen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zu erhalten, sei nach den Angaben nicht entkräftet worden.
Mit Urteil vom 02. April 2004 hat das Sozialgericht Berlin die hiergegen erhobene Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheides nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgewiesen. Darüber hinaus habe der Kläger seine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht durch förmliche Beweismittel belegen können. Allein die gerichtsbekannten Umstände sprächen nicht zwingend für die Annahme einer abhängigen fremdbestimmten und somit versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern eher dagegen. Insbesondere die Umstände, dass der Kläger in der streitigen Zeit noch selbständig gewesen sei, keinen Versicherungsschutz gehabt, aber wegen der Höhe der Entbindungskosten dringend gebraucht habe und die widersprüchlichen Angaben über die Entgeltzahlung sprächen gegen die Annahme einer fremdbestimmten weisungsabhängigen und damit versicherungspflichtigen Beschäftigung.
Gegen dieses ihm am 4. Mai 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Mai 2004 Berufung eingelegt. Er sei bei der Deutschen Krankenversicherung zur Versicherungsnummer krankenversichert gewesen. Im Hinblick auf die bevorstehende Vaterschaft habe er eine wirtschaftlich sichere Position für die Familie angestrebt. Dazu habe auch die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit mit sicherem Einkommen und das Bestehen einer Krankenversicherung gehört. Er habe damals das alleinige Sorgerecht für zwei seiner Töchter gehabt, die auch bei ihm gelebt hätten. Nach Beginn der Schulzeit habe er die Versorgung der Kinder und das Gewerbe allein nicht geschafft. Daher habe er die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 4) aufgenommen. Die im Mai 2001 geborenen Zwillinge seien von seiner zweiten Ehefrau. Erst kurz vor der Entbindung sei sie nach Berlin gekommen. Sie hätten im Jahre 2000 in der Türkei geheiratet. Der Antrag auf Einreise seiner Ehefrau sei dann erst sehr spät bewilligt worden. Nach Bewilligung sei sie dann umgehend – nach seiner Erinnerung vielleicht 2-3 Tage vor der Entbindung - nach Berlin gekommen. Nach seiner Erinnerung habe er seine Frau und die Zwillinge im September/Oktober wieder in die Türkei gebracht; seither lebe er von ihr getrennt. Hinsichtlich der vorgelegten Steuerbescheide für die Jahre 2000 (ausgewiesene Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 9.718.- DM) und 2001 (ausgewiesene Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 7.000. DM) führt er aus, dass dem Steuerbescheid für das Jahr 2001 eine Schätzung des Finanzamtes zugrunde liege, da er keine Steuererklärung abgegeben habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 2. April 2004 und des Bescheides vom 5. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides von 24. September 2002 festzustellen, dass er in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung beschäftigt gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt ihrer Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts Berlin.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) stellen keine Anträge.
Die Beigeladene zu 2) teilt mit, für die hier strittige Beschäftigung liege ihr keine Arbeitsbescheinigung vor.
Die Beigeladene zu 4) behauptet, der Betrieb, in dem der Kläger angestellt war, sei damals auf ihren Namen gelaufen. Im Wesentlichen habe aber ihr Ehemann die Arbeit gemacht. Der Kläger habe von Mai bis Juli 2001 bei ihnen täglich 3 – 4 Stunden gearbeitet. Er habe dafür monatlich 850,00 DM bar erhalten. Das mache ungefähr einen Nettobetrag von 673,00 DM. Sie hätten in dem genannten Zeitraum damals eine Aushilfe gesucht und der Kläger habe Arbeit gesucht. Sie hätten ihn als Hilfsarbeiter eingestellt und gedacht, er werde die nötigen Arbeiten schon lernen. Das sei aber nicht so gewesen und sie seien mit ihm nicht zufrieden gewesen. Sie seien sich mit dem Kläger einig gewesen, dass er ab dem 31. Juli 2001 nicht mehr bei Ihnen arbeiten sollte. Eine Kündigung sei nicht erfolgt. Das Arbeitsverhältnis sei dadurch zustande gekommen, dass sie dem Imbiss des Klägers Dönerfleisch geliefert hätten. Der Kläger habe jeweils auf Abruf gearbeitet, d. h. sie hätten ihn am Vortag des Tages, an dem er arbeiten sollte, angerufen, wenn sie ihn brauchten. Das konnte morgens, aber auch mittags sein. Er sei dann auch immer zu der vereinbarten Zeit erschienen. Sie hätten dem Kläger gesagt, was er zu machen habe, und er habe dann nach der vereinbarten Arbeitszeit aufgehört zu arbeiten. Der Kläger habe damals seine Steuerkarte ausgehändigt. Ihre Steuerangelegenheiten habe damals ein Steuerberater gemacht. Alle vier damaligen Arbeitnehmer – auch der Zeuge N K - seien bar bezahlt worden.
Anfragen der Klägerbevollmächtigten beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin wegen der ladungsfähigen Anschriften der Herrn Y und N blieben ergebnislos.
Der Senat hat im Erörterungstermin vom 23. August die Zeugin K vernommen; wegen des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 23. August 2007 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung und der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen subjektiven Rechten, da er in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung beschäftigt war.
Die Versicherungspflicht richtet sich in den Zweigen der Sozialversicherung nach den § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung. Diese Vorschriften setzen für die Versicherungspflicht – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) voraus. Nach Absatz 1 Sätze 1 und 2 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisunggebers.
Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, wobei die persönliche Abhängigkeit die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung erfordert (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes - BSG -SozR 3-2400 § 7 Nr. 4, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11, SozR 3-2500 § 5 Nr. 17).
Maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag. In Abgrenzung zu einem bloßen Scheingeschäft, bei dem ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Ziel, Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu erlangen, vorgetäuscht werden soll, müssen die tatsächlichen Verhältnisse den Schluss auf die ernsthafte Absicht erkennen lassen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen, und sie müssen die Feststellung erlauben, dass die Vertragspartner den vorgenannten Verpflichtungen auch ernsthaft nachkommen. Hierbei sind an die Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen strenge Anforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn - wie hier - der Versicherungsschutz erstmals in zeitlicher Nähe zu einem kostenintensiven Leistungsfall behauptet wird.
1.) Gemessen an diesen Kriterien und unter Würdigung aller Umstände dieses Einzelfalles ist den Senat zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger in der Zeit vom 01. Mai bis 31. Juli 2001 bei der Beigeladenen zu 4) abhängig beschäftigt gewesen ist.
a.) Für eine abhängige Beschäftigung sprechen folgende Umstände:
• Es liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2001 vor, nach dessen Inhalt ab dem 1. Mai 2001 eine Beschäftigung als Produktionshelfer von wöchentlich 20 Stunden bei der Beigeladenen zu 4) vereinbart worden ist. • Der Kläger hat die vertragliche vereinbarte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4) auch tatsächlich ausgeübt und war hierbei in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 4) eingegliedert. Zu dieser Feststellung gelangt der Senat aufgrund der glaubhaften und widerspruchsfreien Angaben der Beigeladenen zu 4), die sich im Wesentlichen mit dem klägerischen Vorbringen decken. Die Beigeladene zu 4) hat sowohl bestätigt, dass der Kläger im vertraglich vereinbarten Umfang in ihrem Betrieb gearbeitet hat, als auch Details zur Vertragsanbahnung (persönlicher Kontakt durch die Belieferung mit Fleisch), Vertragsdurchführung (Tätigkeit auf Abruf, Zeitpunkt des Abrufs, somit Weisungsunterworfenheit) und Beurteilung der klägerischen Arbeitsleistung geschildert. • Erst wurden monatliche Abrechnungen erstellt, die die sozialversicherungsrechtlichen Abzüge enthalten. • Die Aufgabe der Selbstständigkeit im Laufe des Jahres 2001 wurde von der Zeugin K bestätigt und erfolgte ernsthaft, da der Kläger ab dem 1. November 2001 abhängig beschäftigt war. • Die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung durch die Beigeladenen zu 4) erfolgte unmittelbar (am zweiten Werktag) nach Arbeitsaufnahme und nicht – wie bei fingierten Beschäftigungsverhältnissen oftmals zu beobachten – erst mit erheblicher Verspätung.
b.) Der Senat verkennt nicht, dass auch Umstände vorliegen, die Anlass zu Zweifeln an einer abhängigen Beschäftigung geben können.
• Eine Form der monatlichen Lohnzahlung ist zwar gesetzlich nicht vorgegeben, eine Zahlung in bar gegen Quittung – wie im hiesigen Fall – ist hingegen im Arbeitsleben ungewöhnlich. Unabhängig von der Unüblichkeit einer Barzahlung ist auf der am 23. Januar 2002 bei der Beklagten eingereichten Monatsabrechnung für Mai 2001 keine Unterschrift des Klägers enthalten. Erst auf den am 5. Juli 2002 eingereichten monatlichen Abrechnungen für Mai bis Juli 2002 befindet sich dann die Unterschrift des Klägers. Dies lässt den Schluss zu, dass sie erst nachträglich unterschrieben worden sind. • Kurz vor einem kostenintensiven Leistungsfall wird nach mehrjähriger selbstständiger Tätigkeit (August 1998 bis Juli 2001) und aktuell fehlendem Versicherungsschutz ein Arbeitsverhältnis begründet, welches kurze Zeit nach dem Leistungsfall wieder beendet wurde. • Das dem Kläger ausgezahlte Arbeitsentgelt von monatlich 670,63 DM netto reicht allein, aber auch zusammen mit dem dem Kläger für seine 4 Kinder zustehenden Kindergeld i.H.v. insgesamt 1140 DM monatlich (ab Mai 2001) nicht, um den Lebensunterhalt einer sechsköpfigen Familie zu bestreiten.
Diese Umstände stellen jedoch lediglich Verdachtsmomente dar, die bei wertender Betrachtung bei weitem nicht so schwer wiegen wie die vom Senat positiv festgestellten, unter a. genannten Umstände.
2.) Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung entfiel nicht aufgrund einer selbständigen Tätigkeit des Klägers.
Gemäß § 5 Abs. 5 SGB V ist nicht nach Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Nach der Gesetzesbegründung wird dadurch "z.B. vermieden, dass ein versicherungsfreier Selbständiger durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung versicherungspflichtig wird und damit den umfassenden Schutz der gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erhält. Hauptberuflich ist eine selbständige Erwerbstätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt" (Bundestags-Drucksache 11/2237, S. 159).
Ein solches deutliches Übersteigen vermochte der Senat nicht festzustellen. Auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens bestehen bereits Zweifel, ob der Kläger auch nach April 2001 noch selbständig tätig war. Selbst wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, lässt sich zumindest nicht feststellen, dass der zeitliche Aufwand des Klägers hierfür seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4) übersteigt. Hauptberuflichkeit setzt nach dem o.g. gesetzgeberischen Willen jedoch ein deutliches Überwiegen auf der wirtschaftlichen auf der zeitlichen Ebene voraus. Ob die dem Einkommensteuerbescheid für 2001 zugrunde liegenden Einkünfte von ca. 1.000.- DM monatlich das vom Kläger erzielte monatliche Arbeitsentgelt von 850.- DM brutto übersteigen, kann daher ebenso offen bleiben wie die Frage, ob die einem Einkommensteuerbescheid zugrunde liegenden Einkünfte überhaupt einen tauglichen Vergleichsmaßstab bilden können, wenn sie auf einer Schätzung des Finanzamtes beruhen und diese Schätzung vom Steuerpflichtigen dadurch akzeptiert wird, dass er den Einkommensteuerbescheid bestandskräftig werden lässt. Nur untergeordnete Bedeutung kommt nach Auffassung des Senats der Tatsache zu, dass die Abmeldung des Gewerbes durch den Kläger erst zum 12. Juli 2001 vorgenommen wurde, obwohl bereits zum 1. Mai 2001 die Übergabe an die Zeugin K erfolgt sein soll. Denn gewerberechtliche Meldungen sind für die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit i.S.d. Sozialversicherungsrechts ausgeübt wird, nicht konstitutiv. Verspätete Gewerbean- und -abmeldungen wirken sich daher in aller Regel – so auch im vorliegenden Fall – nur gewerberechtlich aus. Im übrigen meldete – was die klägerische Behauptung einer nur versehentlich verspäteten Abmeldung glaubhaft macht – die Zeugin K ihr in denselben Räumlichkeiten betriebenes Gewerbe am Tag nach dem Abmeldung durch den Kläger an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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