L 9 KR 529/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 2160/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 529/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2007 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab dem 1. Juli 2003 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und – vorab – ob die Klage zulässig ist.

Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau H B, betreibt seit dem 1. Dezember 2002 eine Handelsvertretung für elektronische Geräte aller Art. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 8. August 2003 (dort eingegangen am 26. August 2003) meldete sie den Kläger ab dem 1. Juli 2003 zur Sozialversicherung an und teilte gleichzeitig mit, der Kläger sei ab diesem Zeitpunkt als Vertriebsgehilfe mit einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 401,00 EUR und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden beschäftigt. Durch Bescheid vom 4. November 2003 stellte die Beklagte fest, dass für die Tätigkeit des Klägers ab dem 1. Juli 2003 keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe, da nach den Gesamtumständen davon auszugehen sei, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründet worden sei. Mit per Telefax übermitteltem Schreiben vom 5. Dezember 2003 legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers hiergegen Widerspruch ein. Dem Schreiben war eine auf einem Vordruck erteilte, auf den 5. Dezember 2003 datierte und vom Kläger unterschriebene Vollmacht für die Prozessbevollmächtigte beigefügt, welche auszugsweise wie folgt formuliert war:

Der Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und diese umfassend begründet. Durch gerichtliche Verfügung vom 2. Juni 2005 hat das Gericht der Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass eine schriftliche Vollmacht des Klägers bislang nicht zu den Gerichtsakten gereicht worden sei und die Klage wegen dieses Mangels als unzulässig abgewiesen werden könne. Gleichzeitig wurde der Prozessbevollmächtigten eine Frist bis zum 26. Juni 2005 gesetzt und Gelegenheit gegeben, "die Vollmacht im Original" nachzureichen. Am 24. Juni 2005 übersandte die Prozessbevollmächtigte des Klägers per Telefax eine Vollmacht des Klägers vom 15. Juni 2005. Das Original dieses Schriftsatzes und eine Kopie der Vollmacht vom 15. Juni 2005 gingen bei Gericht am 28. Juni 2005 ein.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 23. August 2005 teilte das Gericht den Beteiligten mit, es erwäge, die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid abzuweisen. Gleichzeitig setzte es dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen. Durch Gerichtsbescheid vom 12. Juni 2007 wies das Sozialgericht die Klage als unzulässig ab und führte zur Begründung aus, die vorgelegte Kopie einer Originalvollmacht genüge den gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis einer Bevollmächtigung nicht, vielmehr sei die Vorlage des Originals erforderlich. Denn es sei ansonsten nicht hinreichend gewährleistet, dass es sich um eine Vollmacht zur Klageerhebung gegen den angefochtenen Bescheid handle. Die Vorlage einer Faxkopie könne das Original nur ersetzen, soweit dieses dem Telefax in angemessenem Abstand folge. Da auch die Vollmachtskopie das Original nicht ersetzen könne, erfülle ein Telefax, mit welchem die Vollmachtskopie übermittelt werde, die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 SGG nicht.

Gegen den ihr am 27. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 27. August 2007 Berufung eingelegt. Am 1. November 2007 hat sie eine Originalvollmacht des Klägers vom 25. August 2007 zu den Gerichtsakten gereicht. Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, die mit Schreiben vom 24. Juni 2005 zu den Gerichtsakten gereichte Vollmacht genüge den Anforderungen des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die Übermittlung von Rechtsmittelbegründungs- und -einlegungsschriftsätzen im Wege des Telebriefverfahrens (Telefax und Telekopie) für zulässig erachtet werde, müsse auf die hier zu beurteilende Übersendung einer Vollmacht mittels Telefax übertragen werden. Es könne aufgrund der übersandten Schriftstücke nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass diese mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden seien.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurück zu verweisen.

hilfsweise,

festzustellen, dass der Kläger aufgrund der Tätigkeit bei Frau H B seit dem 1. Juli 2003 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege, und Rentenversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht Berlin begründet.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Landessozialgericht eine angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Unrecht, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, als unzulässig abgewiesen, weshalb der Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen ist: Die Abweisung der Klage als unzulässig war fehlerhaft, denn dem Kläger kann nicht vorgeworfen werden, seine zur Prozessführung bevollmächtigte Rechtsanwältin habe ihre Bevollmächtigung nicht hinreichend nachgewiesen. Die Klage ist deshalb zulässig erhoben worden.

Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG können sich die Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens in jeder Lage des Verfahrens durch prozessfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Wie § 73 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG bestimmt, ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen und bis zur Verkündung der Entscheidung zu den Akten einzureichen, sofern sie nicht – was vorliegend nicht in Rede steht – zur Niederschrift des Gerichts erteilt wird (Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2). "Akten" im Sinne dieser Vorschrift sind die Gerichtsakten. Denn die Norm regelt die Prozessvertretung vor Gericht und spricht von der Verkündung einer Entscheidung, womit die nächstfolgende Gerichtsentscheidung gemeint ist. Das Fehlen einer schriftlichen Vollmacht ist im sozialgerichtlichen Verfahren auch bei einem Rechtsanwalt – anders als in der Zivilprozessordnung (vgl. § 88 Abs. 2 ZPO) – von Amts wegen zu beachten (vgl. Bundessozialgericht (BSG) – GemS – SozR 1500 § 73 Nr. 4; SozR 3-1500 § 73 Nr. 2 und 7). Nur bei Ehegatten und Verwandten in gerader Linie kann gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG die Bevollmächtigung ohne diese Voraussetzung unterstellt werden. Mit Rücksicht auf den Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass ein Richter nach Klageeingang oder später auf einer zu den Gerichtsakten bis zur Verkündung der die Instanz abschließenden Entscheidung einzureichenden schriftlichen Prozessvollmacht für das sozialgerichtliche Verfahren besteht und diese vom Bevollmächtigten anfordert. Das gilt selbst für den Fall, dass dies routinemäßig geschieht oder dass sich in den Akten des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens oder in einem anderen zugehörigen Vorgang bereits eine auf denselben Bevollmächtigten lautende, wie auch immer formulierte Vollmacht des Klägers befindet. Das Erfordernis der Einreichung einer schriftlichen Vollmacht zu den Gerichtsakten entfällt auch nicht im Falle des Handelns eines Rechtsanwaltes. Denn die Vorschrift des § 88 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach der Mangel der Vollmacht nicht von Amts wegen zu prüfen ist wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt, findet mangels Bezugnahme in § 73 Abs. 4 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, auch nicht über die allgemeine Verweisung in § 202 SGG (vgl. BSG Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 6 KA 29/00 R = SozR 3-1500 § 73 Nr. 9).

Einzureichen ist die Vollmacht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder – bei Entscheidung durch Gerichtsbescheid oder im schriftlichen Verfahren – bis unmittelbar vor Absendung der Entscheidung (vgl. BSG SozR 3-1500 § 73 Nr. 9, Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig u. A., SGG, 8. Auflage, § 73 Rn. 13). Die Einreichung der schriftlichen Vollmacht ist Wirksamkeitsvoraussetzung; die ohne schriftliche Prozessvollmacht erhobene Klage und sonstige Prozesshandlungen sind mithin unzulässig. Ist keine Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten gereicht, bedarf es allerdings, damit das Gericht die Klage ohne Prüfung in der Sache als unzulässig abweisen kann, regelmäßig einer vorherigen schriftlichen richterlichen Aufforderung an den Bevollmächtigten, verbunden mit dem Hinweis, dass die Klage andernfalls als unzulässig abgewiesen werden kann.

In Anwendung dieser Grundsätze führt die Berufung im vorliegenden Fall zur Zurückverweisung an das Sozialgericht. Denn dieses hätte die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen, da durch die Vorlage der Kopie des Originals der Vollmacht ebenso wie durch die Übersendung der Vollmacht per Telefax den Anforderungen des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG hinreichend Rechnung getragen wurde. Das Sozialgericht hat mithin zu Unrecht die Vorlage einer Originalvollmacht verlangt und die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger eine solche nicht vorgelegt hat.

§ 73 Abs. 2 Satz 1 SGG regelt selbst nicht, was unter dem Begriff "schriftlich" zu verstehen ist. § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechtes weder unmittelbar noch entsprechend angewendet werden (vgl. GmS-OGB 1/78 = SozR 1500 § 164 Nr. 14 m. w. N.; BSG sozR 3-1500 § 151 Nr. 4). Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist es jedoch nicht erforderlich, dass die Vollmacht im Original zu den Gerichtsakten gelangt, vielmehr kommt es alleine auf die wirksame Bevollmächtigung zur Führung der Klageverfahrens an, die nachgewiesen sein muss:

Der Wortlaut des § 73 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG fordert nicht notwendigerweise die Vorlage der Originalvollmacht, diese Vorschrift verlangt lediglich, dass die Vollmacht schriftlich zu erteilen ist – was hier nicht streitig ist - und bis zur Verkündung der Entscheidung zu den Gerichtsakten einzureichen ist. Wie der Nachweis einer schriftlichen Vollmacht zu erfolgen hat, lässt das SGG hingegen offen. Jedenfalls ist auf den Nachweis der Vollmacht nicht die abweichende Regelung des § 80 ZPO anzuwenden, wonach der Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen hat (vgl. oben). Vielmehr bleibt es dem Gericht überlassen, wie es sich im Zweifelsfall vom Vorliegen einer schriftlich erteilten Vollmacht Gewissheit verschafft. Insoweit gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze.

Jede andere Auslegung würde gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 19 Abs. 4 GG) verstoßen und den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (vgl. hierzu BSG SozR 3-1750 § 227 Nr. 1) vereiteln. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es unzulässig, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen (BVerfGE 84, 366, 369). Formale Strenge darf im Prozess nicht ohne erkennbar schutzwürdigen Zweck praktiziert werden (BSG SozR 3-750 § 277 Nr. 1). Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz wird deshalb verletzt, wenn die Gestaltung des Verfahrens nicht in angemessenem Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel steht und insbesondere eine Rücksichtnahme auf Verfahrensbeteiligte in der konkreten Situation vermissen lässt (BVerfGE 78, 123, 126 und 88, 118, 124, 126 ff.). In diesem Sinne ist das Schriftlichkeitserfordernis des § 73 Abs. 2 SGG, welches vor allem den Zweck hat, die Erhebung von unberechtigten Rechtsmitteln in fremdem Namen zu verhüten (vgl. hierzu Ulmer in Hennig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, Rn. 5 zu § 73), auszulegen. Vor diesem Hintergrund ist jedoch ein vernünftiger, schutzwürdiger Zweck, im sozialgerichtlichen Verfahren eine Originalvollmacht auch dann zu verlangen, wenn wie vorliegend keine Zweifel an der Bevollmächtigung eines handelnden Rechtsanwaltes bestehen, nicht erkennbar. Insbesondere wird dies auch nicht durch die Rechtssicherheit gefordert. Danach soll die Schriftlichkeit gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (GmSOGB, Beschluss vom 5. April 2000 – GmSOGB 1/98 = SozR 3-1750 § 130 Nr. 1.). Diesen Erfordernissen genügt eine mittels Telefax übermittelte, eigenhändig unterschriebene Vollmacht, denn auch in diesem Falle ist die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe gewährleistet.

Diese Auslegung steht insbesondere auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG, wonach eine in den Verwaltungsakten befindliche schriftliche Vollmacht den Anforderungen des § 73 Abs. 2 SGG genügt, wenn der im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigte als zugleich für das Klageverfahren bevollmächtigt angesehen werden kann, weil er im Sozialgerichtsverfahren selbst eine Verklammerung zwischen Verwaltungs- und Gerichtsakten herstellt, indem er sich – zur Einreichung einer Prozessvollmacht richterlich aufgefordert - gegenüber dem Gericht auch ausdrücklich darauf beruft und aufzeigt, dass die in den Verwaltungsakten befindliche Vollmacht die Vertretung im Gerichtsverfahren mit abdeckt. Soweit diese Vollmacht ihrem Inhalt nach zweifelsfrei das nachfolgende gerichtliche Verfahren mit umfasst, sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 SGG erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 6 KA 29/00 R, a. a. O.), auch wenn keine schriftliche Originalvollmacht zu den Gerichtsakten gelangt.

Schließlich spricht auch die Regelung des § 73 Abs. 3 Satz 2 SGG dafür, dass eine Vollmacht nicht in jedem Falle in schriftlicher Form im Original in den Gerichtsakten enthalten sein muss: Nach dieser Vorschrift können Prozesshandlungen Prozessbevollmächtigter auf Grund formloser Bevollmächtigung durch schlüssiges Verhalten Wirksamkeit erlangen. Dies zeigt, dass durch das Schriftformerfordernis in § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG der Nachweis einer Bevollmächtigung erbracht werden kann, dieser Nachweis jedoch nicht notwendig die Vorlage des Originals der Vollmacht erfordert (so auch Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig u. A., Rn. 13 zu § 73 SGG).

Der Vergleich mit der Rechtsprechung des BSG, wonach die Übermittlung von Rechtsmitteleinlegungs- und –begründungsschriftsätzen im Wege des Telebriefverfahrens (Telefax und Telekopie) zulässig ist (Beschluss des BSG vom 28. Juni 1985 – 7 Bar 36/85 = SozR 1500 § 160a Nr. 53, Urteil des BSG vom 20. Dezember 1990 – 4Reg 41/89, zitiert nach juris) macht zudem deutlich, dass auch die Vorlage der Vollmacht per Telefax den Anforderungen des § 73 Abs. 2 SGG genügt. Denn das Verfahren der Telekopie bietet im Hinblick auf die Art seiner fernmeldetechnischen Übermittlung die Gewähr für eine einwandfreie und zuverlässige Wiedergabe des Inhalts und der Unterschrift bei Schriftstücken. Diese vom BSG entwickelten Grundsätze zum Schriftformerfordernis sind auf den Fall der Übersendung einer Vollmacht per Telefax zu übertragen.

Der Senat hat angesichts der vorliegenden Vollmachten keine Zweifel an der als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage von Amts wegen zu prüfenden (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 = SozR 1500 § 73 Nr. 4) wirksamen Bevollmächtigung der Rechtsanwältin Jonas durch den Kläger zur Führung des vorliegenden Rechtsstreits. An der Echtheit der Unterschrift des Klägers auf der als Kopie vorgelegten Vollmacht vom 15. Juni 2006 bestehen insbesondere nach einem Vergleich der im Berufungsverfahren vorgelegten Vollmacht vom 25. August 2007, welche sich im Original in den Gerichtsakten befindet, keine Zweifel. Die Vollmacht vom 15. Juni 2006 wurde während des erstinstanzlichen Verfahrens und damit im zeitlichen Zusammenhang mit diesem erteilt, so dass auch auf den Willen des Klägers zur Bevollmächtigung im vorliegenden Verfahren geschlossen werden kann. Bereits die in den Verwaltungsakten enthaltene Vollmacht vom 5. Dezember 2003 umfasste auch die Prozessführung durch die Rechtsanwältin. Das Festhalten am Erfordernis der Vorlage der Originalvollmacht erscheint angesichts dessen als überflüssige und mit der Rechtsweggarantie des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz nicht in Übereinstimmung zu bringende Förmelei, welche insbesondere auch nicht mit dem alleinigen Zweck des Schriftformerfordernisses des § 73 Abs. 2 SGG, welcher in der Gewährleistung der Rechtssicherheit besteht, zu rechtfertigen ist.

Gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist das Urteil des Sozialgerichts Berlin aufzuheben und der Rechtsstreit in Ausübung des richterlichen Ermessens an das Sozialgericht Berlin zurück zu verweisen. Denn das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Dabei war insbesondere das Interesse des Klägers an einer Sachentscheidung durch die erste Instanz zu berücksichtigen, welches er durch seinen Zurückverweisungsantrag zum Ausdruck gebracht hat. Dieses Interesse des Klägers muss hinter dem Grundsatz der Prozessökonomie zurücktreten, da der Kläger ansonsten eine Instanz verlieren würde. Hier ist insbesondere von Bedeutung, dass das Sozialgericht noch notwendige Ermittlungen durchzuführen hat.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist unabhängig davon auch deshalb rechtswidrig und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen, weil das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet (vgl. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Verfahrensweise des erstinstanzlichen Gerichts verletzt das aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende Recht des Klägers auf ein faires Verfahren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) und sein Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG). Dieser Grundsatz besagt unter anderem, dass die Beteiligten Gelegenheit haben müssen, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern. Der Entscheidung dürfen zudem nur solche Tatsachen zu Grunde gelegte werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Das Sozialgericht hat vorliegend seine Entscheidung auf die Nichtvorlage der Originalvollmacht gestützt, obwohl erkennbar war, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers der Auffassung war, sie sei durch die Übersendung der Faxkopie und der Kopie der Vollmacht der gerichtlichen Aufforderung vom 2. Juni 2005 hinreichend nachgekommen. Auf den nach Ansicht des Sozialgerichts rechtlich erheblichen Gesichtspunkt, dass nur das Original der Vollmacht den gesetzlichen Anforderungen genüge, nicht hingegen die Vorlage der Kopie des Originals, hat das Sozialgericht den Kläger vor Erlass seiner Entscheidung und nach Übersendung der Kopie nicht hingewiesen. Indem das Gericht auf diesen rechtlich erheblichen Gesichtspunkt, welchen die Prozessbevollmächtigte des Klägers erkennbar für unerheblich gehalten hatte, seine Entscheidung gestützt hat, hat es seine Aufklärungspflicht und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und zudem seine aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens folgende Fürsorgepflicht verletzt. Dies gilt umso mehr, als ein richterlicher Hinweis gem. § 202 SGG in Verbindung mit § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO ohne weiteres gleichzeitig mit der Anhörung zum Gerichtsbescheid aufgrund der Verfügung vom 23. August 2005 möglich gewesen wäre. Indem das Sozialgericht eine kurze Frist zur Äußerung von zwei Wochen gesetzt hat, hatte der Kläger keine Möglichkeit zur Nachreichung der – nach Ansicht des Sozialgerichts notwendigen – Originalvollmacht, obwohl eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid tatsächlich erst nach zwei Jahren erging und in dieser Zeit noch die Übersendung der Originalvollmacht möglich gewesen wäre.

Die Entscheidung, ob ein Urteil aufgrund dieser Verfahrensfehler aufgehoben und zurückverwiesen wird, steht im Ermessen des Berufungsgerichts. Vorliegend hält der Senat die Aufhebung und Zurückverweisung auch aus diesem Grund für sachgerecht. Denn der hier verletzte Anspruch auf rechtliches Gehör zählt zu den elementaren Verfahrensgrundsätzen, welcher durch Art. 103 GG sogar verfassungsrechtlich gewährleistet ist, so dass ein ganz erheblicher Verfahrensfehler vorliegt. Da die Entscheidung des SG hierauf beruhen kann, leidet das Verfahren auch an einem wesentlichen Mangel. Durch die Zurückverweisung des Verfahrens bleibt die Möglichkeit bestehen, alle Streitfragen mit dem Kläger zu erörtern und ggf. den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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