Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 260/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 B 151/08 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsstellerin, die an Migräne leidet und bei der Antragsgegnerin krankenversichert ist, beantragte am 11. Mai 2007 die Übernahme der Kosten einer Botox-Behandlung des vorliegenden Leidens. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2008 ab.
Am 1. Februar 2008 hat sie beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden sollte, vorläufig die Behandlung des Migräneleidens der Antragsstellerin mit Botox zu finanzieren. Andere Behandlungsmethoden hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht und es handele sich um eine schwere Erkrankung. Es liege Eilbedürftigkeit vor. Unterlagen zur finanziellen Situation der Klägerin waren dem Antrag nicht beigefügt.
Mit Beschluss vom 7. März 2008 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass es ihr nicht möglich sei, die Kosten für die streitige Behandlung zu verauslagen und anschließend die Kostenerstattung gerichtlich durchzusetzen.
Gegen diesen, dem Bevollmächtigten der Antragsstellerin am 13. März 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 6. März 2008. Mit ihr wird im Wesentlichen das Vorbringen der ersten Instanz wiederholt und vertieft. Auch ist nunmehr ein Bewilligungsbescheid über Leistungen der Grundsicherung beigebracht worden und die Glaubhaftmachung des gesamten Vortrages erfolgt.
Die Antragsstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragsstellerin die Behandlung des bei ihr bestehenden Migräneleidens durch Botox-Injektionen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es läge schon kein Anordnungsanspruch vor, da die Behandlung nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zwar kann der Antragsstellerin nun nicht mehr entgegengehalten werden, sie habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie nicht in der Lage sei, die Behandlungskosten vorzuschießen und anschließend die Erstattung gerichtlich durchzusetzen, da dem die Tatsache entgegensteht, dass sie Leistungen der Grundsicherung erhält. Dies jedoch vermag am Ergebnis nichts zu ändern:
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine erfolgte Abwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist.
Hier steht der Antragsstellerin kein Anordnungsanspruch zur Seite, da die begehrte Behandlung nicht zum Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Es fehlt zu dem Einsatz von Botox bei Migräne die arzneimittelrechtliche Zulassung. Dieses Arzneimittel bedarf zur Anwendung bei der Antragsstellerin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das Indikationsgebiet, in dem es bei ihr angewendet werden soll, um dem Leistungskatalog der GKV zu unterfallen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, 31 Abs. 1 Satz 1 SGB umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz [AMG]) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. BSG vom 26. September 2006, Az.: B 1 KR 14/00 R 6 – veröffentlicht in juris). So liegt es hier. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinn besteht nur, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll. Botox hat nicht die erforderliche Arzneimittelzulassung für das Indikationsgebiet Migräne, für das es bei der Antragsstellerin eingesetzt werden soll.
Die Antragsstellerin kann Botox auch nicht nach den Grundsätzen des so genannten Off-Label-Use beanspruchen. Nach der Rechtssprechung des BSG (aaO) kommt die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet grundsätzlich nur in Betracht, wenn
1. es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, 2. keine andere Therapie verfügbar ist und 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei der Erkrankung der Antragsstellerin um eine schwerwiegende Erkrankung im Sinn der ersten Voraussetzungen handelt und ob eine Behandlungsalternative für die Antragsstellerin im Sinne der zweiten Voraussetzung besteht. Denn die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV ist nicht erfüllt: Es ist derzeit keine hinreichend begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg wissenschaftlich nachgewiesen.
Nach der Rechtssprechung des BSG (aaO) kann von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder
a) die erweiterte Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegten oder
b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Eine Zulassung für Botox-Migränebehandlung ist nicht einmal beantragt worden, so dass die Alternative a) von vornherein ausscheidet. Es liegen jedoch auch keine wissenschaftlich tragfähigen Untersuchungen vor, die in den einschlägigen Fachkreisen Konsens darüber hergestellt haben, dass Botox als klinisch relevant wirksames Arzneimittel bei Migräne nachgewiesen ist. Dazu reichen Erfolge im Einzelfall, wie bei der Antragstellerin, nicht aus. Die mit den Schriftsätzen der Beschwerdeführerin vom 7. Mai 2008 und 14. Mai 2008 eingereichten Aufsätze von Mathew et al. und von Dodich, Silberstein et al. vom Dezember 1994 sowie von Silberstein – letzterer auf Daten bis 2003 beruhend – über die Migränebehandlung mit Botox berichten über evidenzbasierte Auswertungen bei Spannungskopfschmerz und über einen Wirksamkeitsmechanismus von Botox bei der Migräneprävention, nicht der Migränebehandlung. Zusammengefasst wird die Untersuchung mit dem Ergebnis, dass derzeit – also 2003 – die vorliegenden Studien dafür sprächen, dass die Behandlung wirksam zu sein scheint. Sie berichtet mithin weder über einen Nachweis noch über einen Konsens der wissenschaftlichen Gemeinschaft über die Wirksamkeit von Botox insoweit.
Auch das Verfassungsrecht führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar bedürfen die Regelungen des Leistungsrechts der GKV zur Arzneimittelversorgung aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) jedenfalls dann einer verfassungskonformen Auslegung, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. So liegt es hier indes nicht. Die Migräne der Antragsstellerin kann nämlich trotz ihrer schweren Ausprägung nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden und es bestehen für die Migräne eine Vielzahl von Behandlungsmethoden, die von der GKV zur Verfügung gestellt werden. Lebensbedrohlich könnte allenfalls die vorgetragene Suizidgefährdung der Antragstellerin sein, nicht aber die Migräne selbst. Dass Botox aber ein Mittel gegen Suizidgefährdung sei, ist weder vorgetragen noch irgendwie ersichtlich. Auch stellt die GKV gegen Suizidgefährdungen psychiatrische, psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungsmethoden zu Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragsstellerin, die an Migräne leidet und bei der Antragsgegnerin krankenversichert ist, beantragte am 11. Mai 2007 die Übernahme der Kosten einer Botox-Behandlung des vorliegenden Leidens. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2008 ab.
Am 1. Februar 2008 hat sie beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden sollte, vorläufig die Behandlung des Migräneleidens der Antragsstellerin mit Botox zu finanzieren. Andere Behandlungsmethoden hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht und es handele sich um eine schwere Erkrankung. Es liege Eilbedürftigkeit vor. Unterlagen zur finanziellen Situation der Klägerin waren dem Antrag nicht beigefügt.
Mit Beschluss vom 7. März 2008 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass es ihr nicht möglich sei, die Kosten für die streitige Behandlung zu verauslagen und anschließend die Kostenerstattung gerichtlich durchzusetzen.
Gegen diesen, dem Bevollmächtigten der Antragsstellerin am 13. März 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 6. März 2008. Mit ihr wird im Wesentlichen das Vorbringen der ersten Instanz wiederholt und vertieft. Auch ist nunmehr ein Bewilligungsbescheid über Leistungen der Grundsicherung beigebracht worden und die Glaubhaftmachung des gesamten Vortrages erfolgt.
Die Antragsstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragsstellerin die Behandlung des bei ihr bestehenden Migräneleidens durch Botox-Injektionen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es läge schon kein Anordnungsanspruch vor, da die Behandlung nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zwar kann der Antragsstellerin nun nicht mehr entgegengehalten werden, sie habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie nicht in der Lage sei, die Behandlungskosten vorzuschießen und anschließend die Erstattung gerichtlich durchzusetzen, da dem die Tatsache entgegensteht, dass sie Leistungen der Grundsicherung erhält. Dies jedoch vermag am Ergebnis nichts zu ändern:
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine erfolgte Abwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist.
Hier steht der Antragsstellerin kein Anordnungsanspruch zur Seite, da die begehrte Behandlung nicht zum Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Es fehlt zu dem Einsatz von Botox bei Migräne die arzneimittelrechtliche Zulassung. Dieses Arzneimittel bedarf zur Anwendung bei der Antragsstellerin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das Indikationsgebiet, in dem es bei ihr angewendet werden soll, um dem Leistungskatalog der GKV zu unterfallen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, 31 Abs. 1 Satz 1 SGB umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz [AMG]) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. BSG vom 26. September 2006, Az.: B 1 KR 14/00 R 6 – veröffentlicht in juris). So liegt es hier. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinn besteht nur, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll. Botox hat nicht die erforderliche Arzneimittelzulassung für das Indikationsgebiet Migräne, für das es bei der Antragsstellerin eingesetzt werden soll.
Die Antragsstellerin kann Botox auch nicht nach den Grundsätzen des so genannten Off-Label-Use beanspruchen. Nach der Rechtssprechung des BSG (aaO) kommt die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet grundsätzlich nur in Betracht, wenn
1. es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, 2. keine andere Therapie verfügbar ist und 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei der Erkrankung der Antragsstellerin um eine schwerwiegende Erkrankung im Sinn der ersten Voraussetzungen handelt und ob eine Behandlungsalternative für die Antragsstellerin im Sinne der zweiten Voraussetzung besteht. Denn die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV ist nicht erfüllt: Es ist derzeit keine hinreichend begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg wissenschaftlich nachgewiesen.
Nach der Rechtssprechung des BSG (aaO) kann von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder
a) die erweiterte Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegten oder
b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Eine Zulassung für Botox-Migränebehandlung ist nicht einmal beantragt worden, so dass die Alternative a) von vornherein ausscheidet. Es liegen jedoch auch keine wissenschaftlich tragfähigen Untersuchungen vor, die in den einschlägigen Fachkreisen Konsens darüber hergestellt haben, dass Botox als klinisch relevant wirksames Arzneimittel bei Migräne nachgewiesen ist. Dazu reichen Erfolge im Einzelfall, wie bei der Antragstellerin, nicht aus. Die mit den Schriftsätzen der Beschwerdeführerin vom 7. Mai 2008 und 14. Mai 2008 eingereichten Aufsätze von Mathew et al. und von Dodich, Silberstein et al. vom Dezember 1994 sowie von Silberstein – letzterer auf Daten bis 2003 beruhend – über die Migränebehandlung mit Botox berichten über evidenzbasierte Auswertungen bei Spannungskopfschmerz und über einen Wirksamkeitsmechanismus von Botox bei der Migräneprävention, nicht der Migränebehandlung. Zusammengefasst wird die Untersuchung mit dem Ergebnis, dass derzeit – also 2003 – die vorliegenden Studien dafür sprächen, dass die Behandlung wirksam zu sein scheint. Sie berichtet mithin weder über einen Nachweis noch über einen Konsens der wissenschaftlichen Gemeinschaft über die Wirksamkeit von Botox insoweit.
Auch das Verfassungsrecht führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar bedürfen die Regelungen des Leistungsrechts der GKV zur Arzneimittelversorgung aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) jedenfalls dann einer verfassungskonformen Auslegung, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. So liegt es hier indes nicht. Die Migräne der Antragsstellerin kann nämlich trotz ihrer schweren Ausprägung nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden und es bestehen für die Migräne eine Vielzahl von Behandlungsmethoden, die von der GKV zur Verfügung gestellt werden. Lebensbedrohlich könnte allenfalls die vorgetragene Suizidgefährdung der Antragstellerin sein, nicht aber die Migräne selbst. Dass Botox aber ein Mittel gegen Suizidgefährdung sei, ist weder vorgetragen noch irgendwie ersichtlich. Auch stellt die GKV gegen Suizidgefährdungen psychiatrische, psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungsmethoden zu Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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