L 12 R 154/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 RA 7751/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 R 154/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind der Rentenbeginn und die Rentenhöhe.

Der 1926 in U (ehemalige UdSSR) geborene Kläger beantragte im März 1992 zusammen mit seiner Ehefrau beim Bundesverwaltungsamt die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG). Durch Bescheid vom 17. September 1993 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag ab. Der Kläger erfülle den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 Buchst. d BVFG alter Fassung. Nachdem der dagegen erhobene Widerspruch erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid des Bundesverwaltungsamts vom 11. Oktober 1995), reisten am 20. Dezember 1995 der Kläger mit einem Touristenvisum und seine Ehefrau mit dem ihr erteilten Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet ein. Seitdem hatte der Kläger seinen ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, in der neben seiner Ehefrau auch seine Kinder lebten, er bezog Sozialhilfe. Durch Urteil vom 22. Februar 2000 verpflichtete das Verwaltungsgericht Köln das Bundesverwaltungsamt, den Kläger in den seiner Ehefrau erteilten Aufnahmebescheid einzubeziehen. Das Bundesverwaltungsamt führte das Urteil durch Bescheid vom 26. April 2000 aus. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin stellte dem Kläger am 14. März 2001 eine Bescheinigung nach § 15 BVFG über die Anerkennung als Spätaussiedler aus.

Am 25. April 2001 ging bei der Beklagten der schriftliche Rentenantrag des Klägers vom 23. April 2001 ein. Durch Rentenbescheid vom 13. Juni 2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente mit einem Beginn am 1. April 2001 in Höhe von monatlich zunächst 1.882,98 DM (Stand: August 2001). Die Rentenberechnung berücksichtigte nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannte Zeiten vom 30. Dezember 1941 bis 30. September 1991, sie ging von 47,5878 Entgeltpunkten (Ost) aus. Die sich rechnerisch zunächst ergebenden 36,0514 Entgeltpunkte (Ost) sind um den Zugangsfaktor 1,32 erhöht, da die Rente trotz erfüllter Wartezeit nicht unmittelbar nach Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres in Anspruch genommen worden sei. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine Regelaltersrente ab dem 18. September 1991 (Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres) erfüllt, die Rente werde aber vom Antragsmonat an geleistet, weil der Antrag später als drei Kalendermonate nach Ablauf des Monats gestellt worden sei, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erstmals erfüllt waren.

Der Kläger legte Widerspruch ein, mit dem er sich gegen den Rentenbeginn wandte. Seine Rente müsse mit dem Tag des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland einsetzen. Unbegründet und ungesetzlich sei ihm zunächst die Aussiedlerbescheinigung verweigert worden. Nicht einverstanden sei er weiter mit der Absenkung der Entgeltpunkte nach dem FRG von 70 vom Hundert auf 60 vom Hundert. Darin liege eine Benachteiligung gegenüber früheren Aussiedlern. Auch seien Versicherungszeiten vom 30. September 1991 bis 20. Dezember 1995 trotz Beitragszahlung in der UdSSR nicht angerechnet worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2001). Unerheblich sei es, dass der Kläger erst am 14. März 2001 die Spätaussiedlerbescheinigung nach dem BVFG erhalten habe. Während des gesamten Anerkennungsverfahrens habe er nicht geltend gemacht, dass er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung begehre. Nach einer rückwirkenden Gesetzesänderung könnten den nach dem FRG Berechtigten ab dem 7. Mai 1996 nur noch Tabellenwerte in Höhe von 60 vom Hundert (gegenüber vorher 70 vom Hundert) angerechnet werden. Zwar habe der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mehrere Revisionsverfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Grundgesetz (GG) einzuholen. Sie - die Beklagte - sei indessen an die geltende Rechtslage gebunden. Beitragszeiten vom 1. Oktober 1991 bis zum 16. Oktober 1995 könnten nicht angerechnet werden, weil der Kläger diese Zeiten nach Vollendung des 65. Lebensjahres zurückgelegt habe.

Dagegen richtet sich die am 28. Dezember 2001 eingegangene Klage. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger vorgetragen, dass er während des Anerkennungsverfahrens den Anspruch auf Rente in mehreren an Behörden und sonstige Personen gerichteten Schreiben geltend gemacht habe. Die Berücksichtigung von nur 60 vom Hundert der FRG-Tabellenwerte komme schon nach der Gesetzeslage nicht in Frage, da er vor dem 7. Mai 1996 eine FRG-Anwartschaft erworben habe und die Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnen müsse. Er hat schriftliche Zeugenerklärungen von Familienangehörigen vorgelegt, wonach ihm von der Ausländerbehörde, dem Sozialamt und sonstigen Beratungsstellen immer bedeutet worden sei, dass er als Ausländer keinen Anspruch auf Rente habe. Niemand habe ihn darauf hingewiesen, dass er trotzdem einen Rentenantrag stellen solle.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Januar 2005). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der angefochtene Rentenbescheid rechtmäßig sei. Der Kläger habe weder Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn noch auf eine höhere Rente. Sein Rentenanspruch bestimme sich nach den §§ 15, 16 FRG. Da der Rentenantrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland gestellt worden sei, bestehe Anspruch auf eine Rente erst ab dem Monat der tatsächlichen Antragstellung. Der Kläger sei auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als habe er den Rentenantrag schon früher gestellt. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ihn über die Dreimonatsfrist zu belehren. Vor der Rentenantragstellung im April 2001 habe es keinen Kontakt mit dem Kläger gegeben, der Anlass für eine Beratung hätte sein können. Der Kläger habe nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können, dass er bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Beklagte aufgesucht habe. Das gelte auch angesichts des Vermerks in seiner Sozialhilfeakte, ein Rentenantrag sei im März 1996 mündlich abgelehnt worden. Ein Nachweis für die tatsächlich erfolgte Rentenantragstellung habe sich nicht finden lassen, auch nicht nach Überprüfung der von den Auskunfts- und Beratungsstellen der Beklagten geführten Besucherlisten. Die aus § 115 Abs. 6 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch – SGB VI - resultierende Hinweispflicht sei ebenfalls nicht verletzt. Der Kläger sei kein "geeigneter Fall" für einen Hinweis auf die Möglichkeit zur Beantragung von Leistungen gewesen, weil die Beklagte keinerlei Daten über ihn gehabt habe. Deswegen habe es ihr auch nicht bekannt sein können, dass er sein 65. Lebensjahr vollendet habe und ein Rentenanspruch nach dem FRG in Betracht komme. Die Beklagte müsse sich auch kein schuldhaftes Verhalten des Sozialamtes zurechnen lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergebe sich aus dem fehlerhaften Verhalten anderer Behörden ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nur dann, wenn diese vom Gesetzgeber arbeitsteilig als Funktionseinheit in das Rentenverfahren "eingeschaltet" worden seien. Ob diese Voraussetzungen zuträfen, könne dahingestellt bleiben, weil dem Sozialamt kein fehlerhaftes Verhalten vorzuwerfen sei. Aus dem Aktenvermerk ergebe sich nämlich, dass es den Kläger sehr wohl zur Rentenantragstellung aufgefordert habe. Auch der Höhe nach sei die Rente zutreffend berechnet, nach § 22 Abs. 4 FRG neuer Fassung würden die nach § 22 FRG errechneten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt. Eine mögliche Verfassungswidrigkeit der seit dem 7. Mai 1996 geltenden Fassung des FRG vermöge die Kammer nicht zu erkennen.

Gegen das ihm am 5. Februar 2005 zugestellte Urteil des Sozialgerichts richtet sich die Berufung des Klägers vom 11. Februar 2005. Das Sozialgericht habe den kausalen Zusammenhang zwischen der Ablehnung des Aufnahmeantrages und der verspäteten Rentenantragstellung verkannt. Das Bundesverwaltungsamt habe nicht begriffen, dass es nach Art. 6 GG zum besonderen Schutz von Ehe und Familie verpflichtet gewesen wäre. Er - der Kläger - und seine Ehefrau würden durch die Ablehnung des Aufnahmeantrages und die daraus folgende Herabstufung der Rente auf 60 vom Hundert benachteiligt und ausgebeutet, obwohl nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Benachteiligung der Familien in den sozialen Sicherungssystemen nicht länger hinnehmbar sei. Unmittelbar nach Einreise habe er keinen Rentenantrag stellen können, da er als Tourist nach Deutschland gekommen sei und zunächst um seine Aufenthaltserlaubnis habe kämpfen müssen. Anlass zur Beratung habe für die Beklagte schon deswegen bestanden, weil bei Abgabe des Rentenantrages für seine Ehefrau auch wegen einer Rente für ihn nachgefragt worden sei. Aus den Akten der Ehefrau habe sich die Tatsache der Heirat ergeben. Das Sozialamt habe ihn nie zu einer Rentenantragstellung aufgefordert. Der entsprechende Vermerk in der Akte des Sozialamtes sei ihm merkwürdigerweise erst in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts bekannt gegeben worden. Im Übrigen hätte das Sozialamt eine ausdrückliche Ablehnung des Rentenantrags oder wenigstens eine Bestätigung der Antragstellung verlangen müssen. Auch die Sozialarbeiter des Aussiedlerheims seien ihrer Pflicht zur Auskunft und Beratung nicht nachgekommen. Diese Versäumnisse müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, da das Aussiedlerheim "im Sinne einer Funktionseinheit arbeitsteilig" in das Rentenverfahren eingeschaltet gewesen sei. Die mangelhafte Beratung und Betreuung verstoße auch gegen die Bestimmungen des Kriegsfolgenbereinigungs- bzw. des Bundesvertriebenengesetzes. Unzutreffend sei weiter, dass sich aus dem Schriftverkehr mit den unterschiedlichen Behörden und Personen kein Hinweis auf seinen Rentenwunsch ergebe. Im Gegenteil habe er stets betont, dass er eine Rente wolle, um nicht von Sozialhilfe leben zu müssen. Es sei offensichtlich gewesen, dass der Kampf um die Anerkennung nach § 4 BVFG nur geführt worden sei, um Anspruch auf eine Rente nach dem FRG zu erwerben. Er habe die Anwartschaft auf eine Rente erst durch die Anerkennung als Spätaussiedler mit Bescheinigung des Versorgungsamtes vom 14. März 2001 erworben. Die Beklagte setze die frühere ungerechte Behandlung durch das Bundesverwaltungsamt fort. Als deutscher Aussiedler habe er aber Anspruch auf den besonderen Schutz des Staates.

Der Kläger beantragt,

den Rechtsstreit zu vertagen, um anhand der Rentenberechnung prüfen zu können, ob eine Fortsetzung des Verfahrens sinnvoll ist, im Übrigen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente bereits ab dem 20. Dezember 1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass ein Rentenbeginn am 20. Dezember 1995 dazu führen würde, dass die bisherige Erhöhung des Zugangsfaktors wegen späterer Inanspruchnahme der Rente wegfallen würde.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die über ihn geführten Sozialhilfeakten, die Verwaltungsakten über die Aufnahme nach dem BVFG sowie die seine Ehefrau betreffenden Verwaltungsakten der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass seine Rente bereits am 20. Dezember 1995 bzw. vor dem 1. April 2001 beginnt.

Gemäß § 99 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Beginn des Kalendermonats an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird die Rente von dem Beginn des Kalendermonats an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Diese Vorschrift gilt nach § 30 FRG auch im Anwendungsbereich des Fremdrentenrechts, allerdings mit der Maßgabe, dass die Rente frühestens vom Tag des Zuzugs an geleistet wird, der auch für den Beginn der dreimonatigen Antragsfrist maßgebend ist.

Der Kläger erfüllte vom Tag seiner Aufenthaltsnahme in Deutschland an die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente nach dem FRG. Er war an diesem Tag "zugezogen", weil er bereits damals - trotz des noch nicht vorliegenden Aufnahmebescheides - die Absicht hatte, sich dauerhaft in Deutschland niederzulassen. Das FRG findet auf den Kläger nach seinem § 1 Buchstabe a) Anwendung, weil der Spätaussiedlerstatus durch die vom Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales am 14. März 2001 erstellte Bescheinigung bestätigt worden ist. Davon, dass der Kläger in der damaligen Sowjetunion in der Zeit vom 30. Dezember 1941 bis zum 30. September 1991 Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 15 FRG zurückgelegt hat, ist die Beklagte in dem angefochtenen Rentenbescheid selbst ausgegangen, ohne dass der Senat insoweit Anlass zu Zweifeln hätte.

Einen Rentenantrag bei der Beklagten hat der Kläger jedoch erst am 25. April 2001 und damit weit nach Ablauf der mit dem Zuzug am 20. Dezember 1995 beginnenden Drei-Monats-Frist gestellt. Anhaltspunkte für einen bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestellten Antrag gibt es nicht. Zwar findet sich in den über den Kläger geführten Sozialhilfeakten ein Vermerk vom 29. April 1996, wonach ein Rentenantrag vom 11. März 1996 mündlich abgelehnt worden sei. Dieser Vermerk reicht für den Beweis, dass eine Rentenantragstellung tatsächlich erfolgt ist, aber nicht aus. Zunächst beruht er auf Hörensagen, gibt also keine eigene Kenntnis der Sachbearbeiterin des Sozialamtes wieder. Zudem bestreitet der Kläger selbst eine derartige Antragstellung bzw. –ablehnung. Sein Inhalt ist auch nicht glaubhaft, weil es eine ungewöhnliche Form der Sachbearbeitung durch einen Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung wäre, einen gestellten Rentenantrag mündlich abzulehnen. Entsprechend der Vorschrift des § 117 SGB VI wird über die Gewährung einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig in Schriftform entschieden. Danach scheint es zumindest ebenso wahrscheinlich zu sein, dass sich der Kläger - oder ein anderer für ihn – nur nach den Möglichkeiten der Gewährung einer Rente erkundigt hat, woraufhin die - inhaltlich zutreffende - Auskunft erteilt worden ist, dass ohne die Anerkennung als Spätaussiedler keine Leistungen nach dem FRG gewährt werden könnten. Die Einholung einer Information über die gesetzlichen Voraussetzungen einer Rentengewährung ist rechtlich nicht gleichbedeutend mit der Stellung eines Rentenantrags. Ein Rentenantrag ist auch dann nicht gestellt, wenn von ihm nur mangels Aussicht auf Erfolg abgesehen worden ist. Der Kläger hat auch nichts Näheres dazu vorgetragen, wann, von wem und wo bereits vor dem 25. April 2001 ein Rentenantrag für ihn gestellt worden sein könnte, so dass dem Senat weitere Nachforschungen hinsichtlich des entsprechenden Vermerkes in den Sozialhilfeakten nicht möglich waren. Die bereits vom Sozialgericht bei der Beklagten als zuständigem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eingeholte Auskunft, ob für den 11. März 1996 eine Beratung des Klägers in ihren Auskunfts- und Beratungsstellen registriert sei, hatte ein negatives Ergebnis.

Unerheblich ist, dass der Kläger in der Sowjetunion bereits eine Rente bezogen hat. Ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Sowjetunion (bzw. ihren Nachfolgestaaten) und der Bundesrepublik Deutschland, das die Gleichstellung eines bereits dort gestellten Rentenantrags vorsehen könnte, gibt es nicht. Das zwischen der Sowjetunion und der DDR geschlossene Sozialversicherungsabkommen ist mit dem Untergang der DDR gegenstandslos geworden (vgl. BSG, Urt. v. 29. September 1998 – B 4 RA 4/98 R -).

Der Kläger ist auch nicht so zu stellen, als hätte er bereits vor dem 25. April 2001 eine Rente beantragt. Dafür findet sich keine Grundlage, insbesondere nicht in dem Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass ein Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenden Pflichten, insbesondere zu Betreuung und Beratung, nicht oder nicht ordnungsgemäß wahrgenommen hat; er ist auf Herstellung des Zustandes gerichtet, der ohne die Pflichtverletzung bestanden haben würde und kann somit dazu führen, dass der frühere Zeitpunkt eines Rentenantrags fingiert wird (vgl. BSG, Urt. v. 26. Januar 2000 – B 13 RJ 37/98 -; Urt. v. 26. Juni 2007 – B 4 RA 19/07 R -). Der Senat vermag indessen nicht zu erkennen, dass die Beklagte ihr gegenüber dem Kläger obliegende Pflichten, insbesondere zur Beratung und Betreuung, verletzt hat. Soweit der Kläger überhaupt behauptet, schon vor April 2001 in Kontakt mit einem Rentenversicherungsträger getreten zu sein, was im März 1996 entsprechend dem Vermerk in der Sozialhilfeakte, bei Beantragung der Rente für seine Ehefrau sowie im Herbst 1996 auf der Auskunfts- und Beratungsstelle ohne Anmeldung der Fall gewesen sein soll, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass an die Beklagte jemals ein Beratungsanliegen herangetragen worden ist. In dem beigezogenen Verwaltungsvorgang über die Ehefrau sind ebenso keine entsprechenden Hinweise zu finden. Auch dafür, dass die Beklagte Anlass gehabt hätte, den Kläger von sich aus darauf hinzuweisen, bereits vor einer abschließenden Entscheidung über seine Anerkennung als Spätaussiedler eines Rentenantrag zu stellen, um für den Fall einer positiven Entscheidung einen frühen Rentenbeginn zu ermöglichen, ist nichts nachgewiesen. Eine Verpflichtung zur Spontanberatung besteht nur hinsichtlich naheliegender Gestaltungsmöglichkeiten. Der Beklagten musste sich aber nicht aufdrängen, dass die umgehende Stellung eines Rentenantrages im Interesse des Klägers lag. Um dies erkennen zu können, hätte ihr jedenfalls bekannt sein müssen, dass der Kläger ein Klageverfahren gegen das Bundesverwaltungsamt betrieb, um seine Anerkennung als Spätaussiedler noch durchzusetzen. Ohne die Anerkennung als Spätaussiedler wäre ein Rentenantrag nämlich aussichtlos gewesen, da der Kläger keine originären deutschen Versicherungszeiten zurückgelegt hatte. Anhaltspunkte dafür sind aber nicht vorhanden.

Zwar kann sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch aus dem fehlerhaften Verhalten einer anderen Behörde ergeben. Dies setzt aber voraus, dass die andere Behörde vom Gesetzgeber im Sinne einer Funktionseinheit arbeitsteilig in das vom auf Herstellung in Anspruch genommenen Sozialleistungsträger zu führende Verfahren eingebunden worden ist; die andere Behörde muss darüber hinaus eine ihr obliegende Beratungspflicht verletzt haben (BSG, Urt. v. 13. Dezember 1984 – Az 11 RA 68/83 - ; Urt. v. 24. Juli 1985 – 10 RKg 18/84 -; Urt. v. 26. Januar 2000 – B 13 RJ 37/98 -). Indessen haben weder das Sozialamt noch das Bundesverwaltungsamt eine ihnen obliegende Beratungspflicht verletzt, so dass ein Herstellungsanspruch gegen die Beklagte auch unter dem Gesichtspunkt einer Haftung für das fehlerhafte Handeln anderer ausscheidet. Es kann dahinstehen, ob das Bundesverwaltungsamt, das seit Dezember 1995 Kenntnis davon hatte, dass der – in der Sowjetunion zuletzt Rentner gewesene - Kläger trotz noch nicht erteilten Aufnahmebescheides bereits eingereist war, insoweit "in das Rentenverfahren eingeschaltet" war, als es mit der Aufnahmeentscheidung eine (Vor-)Entscheidung über die Anerkennung als Spätaussiedler zu treffen hatte, die wiederum Voraussetzung für die Gewährung einer Rente nach dem FRG war. Zwar war die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes – nach dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Februar 2000 – teilweise rechtswidrig, weil sie den Kläger nicht in den seiner Ehefrau erteilten Aufnahmebescheid einbezogen hat. Ein über diese rechtswidrige Entscheidung hinausgehender spezifischer Beratungsmangel liegt aber nicht vor. Der Kläger ist in keiner Weise gehindert worden, sein Rentenbegehren weiter zu verfolgen. Eine Spontanberatung über im Falle der Rechtswidrigkeit ihrer Entscheidung bestehende Gestaltungsmöglichkeiten obliegt einer Behörde nicht. Im Übrigen verpflichtet § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine Behörde zu Auskünften und Beratung nur im Rahmen des bei ihr anhängigen Verwaltungsverfahrens. Die Gewährung einer Rente ist aber nicht Gegenstand der Aufgaben des Bundesverwaltungsamtes.

Auch das Sozialamt wusste zwar nach einem entsprechenden Aktenvermerk in der Sozialhilfeakte bereits seit Januar 1996, dass der Kläger sich in Deutschland aufhielt und gegen die Ablehnung der Erteilung eines Aufnahmebescheides Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben hatte. Es war allerdings nicht "arbeitsteilig" in das Rentenverfahren eingebunden, jedoch nach den §§ 14, 15 des Sozialgesetzbuches, Erstes Buch - SGB I - zur Auskunft und Beratung verpflichtet. Ein Bezug zum Rentenverfahren ergibt sich jedenfalls daraus, dass es nach § 91a des Bundessozialhilfegesetzes (a.F.) ein eigenes Antragsrecht für die Regelaltersrente hatte. Dafür, dass sich der Kläger mit einem konkreten Beratungsanliegen an das Sozialamt gewandt hätte, ist indessen nichts ersichtlich. Inhalt der allgemeinen Auskunftspflicht nach § 15 SGB I ist primär die Benennung des für bestimmte Sozialleistungen jeweils zuständigen Leistungsträgers. Dieser Auskunftspflicht ist das Sozialamt nachgekommen, indem es den Kläger ausweislich des Aktenvermerks vom 29. April 1996 aufgefordert hat, einen schriftlichen Rentenantrag zu stellen. Danach wurde dem Kläger der zuständige Leistungsträger benannt. Ob das Sozialamt im eigenen Erstattungsinteresse gehalten gewesen wäre, den Kläger zu einer nachdrücklicheren Verfolgung seiner Rentenansprüche anzuhalten, kann hier dahinstehen. Eine Verletzung der Auskunftspflicht aus § 15 SGB I liegt darin jedenfalls nicht. Sie geht nicht so weit, dass der Bürger zur nachhaltigen Verfolgung seiner Rechte angehalten werden müsste.

Auf die Sozialarbeiter des Aussiedlerheimes, in dem der Kläger zunächst untergebracht worden war, kommt es bereits deswegen nicht an, weil diese weder rentenrechtlich erhebliche Feststellungen treffen konnten noch sonst in das Verwaltungsverfahren des Rentenversicherungsträgers einbezogen waren. Der Rentenbeginn am 1. April 2001 ist demgemäß nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Rente. Gemäß § 22 Abs. 4 FRG werden die maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0, 6 vervielfältigt, was in der Sache eine Kürzung der sich aus den Tabellen des FRG ergebenden Entgeltpunkte auf 60 vom Hundert bedeutet. Bereits mit Wirkung vom 1. August 1991 an hatte der Gesetzgeber in § 22 FRG einen pauschalen Abschlag von 30 Prozent für die sich nach dem FRG ergebenden Entgeltpunkte vorgesehen. Diese Regelung galt so allerdings nur für Berechtigte, die Anspruch auf eine Rente mit Entgeltpunkten (West) hatten, für Berechtigte mit Anspruch auf eine Rente mit Entgeltpunkten (Ost) waren ab 1. Juli 1993 Entgeltpunkte (West) mit einer Kürzung um Siebzig Prozent festzustellen (Art. 6 § 4 Abs. 7 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG - in der bis zum 6. Mai 1996 geltenden Fassung).

Durch Urteil vom 13. Juni 2006 hat das BVerfG ( 1 BvL 9/00 u.a.) entschieden, dass die in § 22 Abs. 4 FRG mit Wirkung vom 7. Mai 1996 an eingeführte Reduzierung der sich nach dem FRG ergebenden Entgeltpunkte durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 mit der Verfassung vereinbar ist, sofern eine Übergangsregelung für Berechtigte geschaffen wird, die vor dem 1. Januar 1991 eingereist sind und deren Rente nach dem 30. September 1996 begonnen hat. Dieser Forderung ist der Gesetzgeber durch die Einfügung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG nachgekommen, ohne dass der Kläger daraus Vorteile ziehen könnte. Denn er ist nicht vor dem Stichtag 1. Januar 1991 zugezogen.

Die bis zum 7. Mai 1996 geltende Fassung des § 22 FRG (mit einer Reduzierung der Entgeltpunkte auf 70 statt 60 vom Hundert) ist demnach nur dann auf den Kläger anzuwenden, wenn er vor dem 7. Mai 1996 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland genommen und die Rente vor dem 1. Oktober 1996 begonnen hätte. Während ersteres der Fall ist, scheitert der Rentenbeginn vor dem 1. Oktober 1996 an der verspäteten Antragstellung, so dass § 22 Abs. 4 FRG in der geltenden Fassung anzuwenden ist.

Die Frage, ob die durch § 22b FRG ebenfalls eingeführte Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Entgeltpunkte auf höchstens 25 mit der Verfassung vereinbar ist, stellt sich dagegen von vornherein nicht. Diese Regelung findet nach Art. 6 § 4 b FANG nur Anwendung auf Berechtigte, die nach dem 6. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, der Kläger ist aber bereits am 20. Dezember 1995 eingereist.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Dem Antrag auf Vertagung war nicht zu entsprechen, weil die Sache entscheidungsreif war und eine Rücknahme der Berufung zu keinem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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