Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 14042/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1174/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Erteilt ein Leistungsträger aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses einen auf die §§ 40 SGB II, 328 SGB III gestützten vorläufigen Bescheid, so liegt darin kein bloßer Ausführungsbescheid.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2008 wird als unzulässig verworfen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch deren außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2008 ist unzulässig.
Dem Antragsgegner steht ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung des vorgenannten Beschlusses nicht zu. Denn mit seinem Bescheid vom 7. Juli 2008 hat er mittlerweile einen eigenständigen Rechtsgrund dafür gesetzt, dass die Antragstellerin die ihr durch das Sozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 24. April 2008 bis zum 31. Juli 2008 zuerkannten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,47 EUR monatlich unabhängig von dem angegriffenen Beschluss vorläufig behalten darf. Mit diesem Bescheid hat er zwar den Beschluss des Sozialgerichts vom 27. Mai 2008 mutmaßlich nur unter dem Vorbehalt ausführen wollen, dass dieser Beschluss in Rechtskraft erwächst. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn maßgeblich dafür, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist nicht, von welcher Vorstellung die Behörde bei seinem Erlass ausgegangen ist. Entscheidend ist vielmehr der objektive Sinngehalt ihrer Erklärung, das heißt, wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste. Vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet handelt es sich bei dem Bescheid vom 7. Juli 2008 jedoch nicht um einen bloßen Ausführungsbescheid. Vielmehr liegt danach ein vorläufiger Verwaltungsakt im Sinne der §§ 31, 39 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches vor, der die von ihm ausgehende anspruchsbegründende Wirkung in aller Regel erst dann verliert, wenn er durch einen endgültigen Bescheid ersetzt wird und sich auf diese Weise erledigt. Diese Auslegung ergibt sich im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund, dass es eingangs des genannten Bescheides heißt, dass über den Leistungsanspruch der Antragstellerin derzeit noch nicht abschließend entschieden werden könne und ihr für die Zeit vom 24. April 2008 bis zum 31. Juli 2008 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) vorläufig Leistungen bewilligt würden. Ferner enthält der Bescheid Erläuterungen, die allein auf den eine vorläufige Entscheidung erlaubenden § 328 SGB III zugeschnitten sind und erkennen lassen, dass beabsichtigt ist, den Bescheid nach Vorlage eines Einkommensnachweises durch einen endgültigen Bescheid zu ersetzen. Schließlich ist dem Bescheid der Text der eingangs benannten Rechtsgrundlagen auszugsweise bekannt gegeben worden. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass sich auf der Seite 2 des Bescheides oberhalb der dort aufgeführten Regelungen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung der Hinweis finden lässt, dass dieser vorläufige Bescheid in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts ergehe. Denn abgesehen davon, dass in diesem Hinweis ebenfalls die Rede davon ist, dass es sich bei dem Bescheid um einen vorläufigen handele, fehlt sowohl an dieser Stelle als auch sonst in dem Bescheid jeglicher Hinweis darauf, dass der Bescheid nur unter dem Vorbehalt erlassen worden sei, dass der Beschluss rechtskräftig werde. Im Übrigen beherrschen die sonstigen Ausführungen zur Vorläufigkeit des Bescheides nach § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III die getroffene Regelung bereits in optischer Weise so stark, dass allein aus dem einen Satz, mit dem der Antragsgegner – noch dazu an versteckter Stelle – auf den Beschluss des Sozialgerichts hingewiesen hat, aus der Sicht des objektiven Bescheidempfängers nicht geschlossen werden kann, dass hier ein bloßer Ausführungsbescheid erlassen worden ist wie der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 9. Juli 2008 vorträgt. Hieran ändert nichts, dass die Antragstellerin aufgrund des Beschlusses des Senats vom 26. Juni 2008, mit dem der Antrag des Antragsgegners, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts durch einstweilige Anordnung auszusetzen, abgelehnt worden ist, gewusst hat, dass der Antragsgegner den Beschluss des Sozialgerichts würde ausführen müssen. Denn dieses Wissen ist allein dazu geeignet, eine Erwartungshaltung zu wecken, auf die es jedoch für die Auslegung des Bescheides dann nicht entscheidend ankommen kann, wenn die Behörde die getroffene Regelung auf eine andere Rechtsgrundlage stützt, ihre Ausführungen hierzu in dem Bescheid einen breiten Raum einnehmen und sie an versteckter Stelle nur am Rande erwähnt, dass der Bescheid in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts ergehe.
Vor diesem Hintergrund kann hier dahinstehen, ob der Antragsgegner die mit dem angegriffenen Beschluss titulierten Beträge zwischenzeitlich gezahlt hat. Denn die Zahlung dieser Beträge würde entweder nur einen weiteren Grund darstellen, dem Antragsgegner das schützenswerte Interesse an der Aufhebung des Beschlusses abzusprechen, oder hätte jedenfalls zur Folge, dass die Aufhebung des Beschlusses – quasi spiegelbildlich zu dem auf Antragstellerseite für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund – nicht (mehr) nötig wäre. Sollte der Antragsgegner die titulierten Beträge bereits gezahlt haben, müssten oder könnten nämlich alle Fragen, die mit dem Behaltendürfen dieser Beträge verbunden sind, im Verfahren der Hauptsache geklärt werden. Den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, wäre dem Antragsgegner zuzumuten, hätte er sich – wozu er im Übrigen nach dem Beschluss des Senats vom 26. Juni 2008 ohnehin verpflichtet gewesen ist – dem Beschluss des Sozialgerichts faktisch gebeugt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2008 ist unzulässig.
Dem Antragsgegner steht ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung des vorgenannten Beschlusses nicht zu. Denn mit seinem Bescheid vom 7. Juli 2008 hat er mittlerweile einen eigenständigen Rechtsgrund dafür gesetzt, dass die Antragstellerin die ihr durch das Sozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 24. April 2008 bis zum 31. Juli 2008 zuerkannten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,47 EUR monatlich unabhängig von dem angegriffenen Beschluss vorläufig behalten darf. Mit diesem Bescheid hat er zwar den Beschluss des Sozialgerichts vom 27. Mai 2008 mutmaßlich nur unter dem Vorbehalt ausführen wollen, dass dieser Beschluss in Rechtskraft erwächst. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn maßgeblich dafür, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist nicht, von welcher Vorstellung die Behörde bei seinem Erlass ausgegangen ist. Entscheidend ist vielmehr der objektive Sinngehalt ihrer Erklärung, das heißt, wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste. Vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet handelt es sich bei dem Bescheid vom 7. Juli 2008 jedoch nicht um einen bloßen Ausführungsbescheid. Vielmehr liegt danach ein vorläufiger Verwaltungsakt im Sinne der §§ 31, 39 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches vor, der die von ihm ausgehende anspruchsbegründende Wirkung in aller Regel erst dann verliert, wenn er durch einen endgültigen Bescheid ersetzt wird und sich auf diese Weise erledigt. Diese Auslegung ergibt sich im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund, dass es eingangs des genannten Bescheides heißt, dass über den Leistungsanspruch der Antragstellerin derzeit noch nicht abschließend entschieden werden könne und ihr für die Zeit vom 24. April 2008 bis zum 31. Juli 2008 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) vorläufig Leistungen bewilligt würden. Ferner enthält der Bescheid Erläuterungen, die allein auf den eine vorläufige Entscheidung erlaubenden § 328 SGB III zugeschnitten sind und erkennen lassen, dass beabsichtigt ist, den Bescheid nach Vorlage eines Einkommensnachweises durch einen endgültigen Bescheid zu ersetzen. Schließlich ist dem Bescheid der Text der eingangs benannten Rechtsgrundlagen auszugsweise bekannt gegeben worden. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass sich auf der Seite 2 des Bescheides oberhalb der dort aufgeführten Regelungen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung der Hinweis finden lässt, dass dieser vorläufige Bescheid in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts ergehe. Denn abgesehen davon, dass in diesem Hinweis ebenfalls die Rede davon ist, dass es sich bei dem Bescheid um einen vorläufigen handele, fehlt sowohl an dieser Stelle als auch sonst in dem Bescheid jeglicher Hinweis darauf, dass der Bescheid nur unter dem Vorbehalt erlassen worden sei, dass der Beschluss rechtskräftig werde. Im Übrigen beherrschen die sonstigen Ausführungen zur Vorläufigkeit des Bescheides nach § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III die getroffene Regelung bereits in optischer Weise so stark, dass allein aus dem einen Satz, mit dem der Antragsgegner – noch dazu an versteckter Stelle – auf den Beschluss des Sozialgerichts hingewiesen hat, aus der Sicht des objektiven Bescheidempfängers nicht geschlossen werden kann, dass hier ein bloßer Ausführungsbescheid erlassen worden ist wie der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 9. Juli 2008 vorträgt. Hieran ändert nichts, dass die Antragstellerin aufgrund des Beschlusses des Senats vom 26. Juni 2008, mit dem der Antrag des Antragsgegners, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts durch einstweilige Anordnung auszusetzen, abgelehnt worden ist, gewusst hat, dass der Antragsgegner den Beschluss des Sozialgerichts würde ausführen müssen. Denn dieses Wissen ist allein dazu geeignet, eine Erwartungshaltung zu wecken, auf die es jedoch für die Auslegung des Bescheides dann nicht entscheidend ankommen kann, wenn die Behörde die getroffene Regelung auf eine andere Rechtsgrundlage stützt, ihre Ausführungen hierzu in dem Bescheid einen breiten Raum einnehmen und sie an versteckter Stelle nur am Rande erwähnt, dass der Bescheid in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts ergehe.
Vor diesem Hintergrund kann hier dahinstehen, ob der Antragsgegner die mit dem angegriffenen Beschluss titulierten Beträge zwischenzeitlich gezahlt hat. Denn die Zahlung dieser Beträge würde entweder nur einen weiteren Grund darstellen, dem Antragsgegner das schützenswerte Interesse an der Aufhebung des Beschlusses abzusprechen, oder hätte jedenfalls zur Folge, dass die Aufhebung des Beschlusses – quasi spiegelbildlich zu dem auf Antragstellerseite für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund – nicht (mehr) nötig wäre. Sollte der Antragsgegner die titulierten Beträge bereits gezahlt haben, müssten oder könnten nämlich alle Fragen, die mit dem Behaltendürfen dieser Beträge verbunden sind, im Verfahren der Hauptsache geklärt werden. Den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, wäre dem Antragsgegner zuzumuten, hätte er sich – wozu er im Übrigen nach dem Beschluss des Senats vom 26. Juni 2008 ohnehin verpflichtet gewesen ist – dem Beschluss des Sozialgerichts faktisch gebeugt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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