L 28 AS 1203/08 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 39 AS 6031/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 1203/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2008 aufgehoben. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten Prozesskostenhilfe gewährt, soweit für die notwendigen außergerichtlichen Kosten die Rechtsschutzversicherung nicht aufkommt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG – in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung statthaft. Aus dem angefochtenen Beschluss, mit dem das Sozialgericht den Antragsgegner vorläufig verpflichtet hat, den Antragstellern in der Zeit vom 19. Februar bis zum 30. Juni 2008 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 625,74 EUR statt der diesen bewilligten 432,26 EUR zu gewähren, ergibt sich bei einem monatlichen Differenzbetrag von 193,48 EUR eine Beschwer des Antragsgegners von mehr als 750,00 EUR. Auch ist die Beschwerde zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG). Schließlich ist sie auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung weiterer Leistungen nach § 22 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) verpflichtet.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -).

Ob vorliegend ein Anordnungsanspruch besteht, kann dahinstehen. Denn jedenfalls haben die Antragsteller zu keinem Zeitpunkt Gründe aufgezeigt, die die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen könnten und die erkennen ließen, dass es ihnen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist es, Betroffene vor irreparablen Nachteilen zu schützen, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ein derartiger Sachverhalt ist in der Regel nur bei einer konkreten Gefährdung der Existenz oder der drohenden Vernichtung der Lebensgrundlage gegeben. Zumindest aber müssen erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 28 m.w.N.). Ein mit diesen Fällen vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Allein mit der Behauptung nicht in der Lage zu sein, den Differenzbetrag aus dem eigenen Einkommen zu begleichen, ist eine entsprechend schwerwiegende Notlage nicht zu begründen. Es ist hier auch nicht ansatzweise ersichtlich geschweige denn vorgetragen, dass die Antragsteller seit Gewährung der nur noch reduzierten Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01. Februar 2008 Mietschulden aufgebaut hätten, die eine außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses und daraus resultierend drohende Wohnungslosigkeit befürchten ließen. Im Übrigen spricht hier einiges dafür, dass die Antragsteller durchaus über ausreichende finanzielle Mittel verfügten, um den monatlichen Differenzbetrag zwischen den ihnen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gewährten und den von ihnen für diese Zeit begehrten Leistungen zu tragen. Denn zu Recht hat der Antragsgegner darauf verwiesen, dass beiden Antragstellern bei monatlichen Einkünften aus einer geringfügigen Beschäftigung ein Freibetrag in Höhe von je 110,00 EUR eingeräumt worden ist. Darüber hinaus verfügte die Antragstellerin zu 1) am 16. Oktober 2007 bei der Cbank Privatkunden AG & Co. KGaA über ein Wertpapierdepot, das seinerzeit einen Wert von 10.356,80 EUR hatte. Dass dieses Guthaben inzwischen aufgebraucht oder nicht verfügbar sein könnte, ist nicht ersichtlich und von den Antragstellern – anders als bzgl. der vom Antragsgegner ebenfalls angesprochenen Lebensversicherungen – nicht geltend gemacht worden. Auch dass das Guthaben möglicherweise gemäß § 12 Abs. 2 SGB II als Schonvermögen anzusehen ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Den Antragstellern drohen bei Verweis auf eine vorrangige Verwertung des Schonvermögens keine gravierenden, durch das Hauptsacheverfahren nicht zu korrigierenden Nachteile. Denn sollte sich in der Hauptsache herausstellen, dass tatsächlich ein Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II unter Ansatz höherer Kosten der Unterkunft besteht, wären ihnen diese Beträge rückwirkend zu gewähren. Dass durch eine vorübergehende unwirtschaftliche Verwertung unzumutbare Verluste entstehen könnten, ist weder ersichtlich noch dargetan.

Der Antrag nach § 199 SGG hat sich mit diesem Beschluss erledigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Soweit die Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren begehren, können sie nur eingeschränkt Erfolg haben. Zwar kommt es auf die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nicht an (§ 73a SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die bei einem jeweiligen monatlichen Einkommen von 150,00 EUR Leistungen nach dem SGB II beziehenden Antragsteller sind jedoch – bezogen auf das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren – nur bis zu einem Betrag in Höhe von 250,00 EUR bedürftig. Denn ausweislich des Schreibens der R U vom 17. März 2008 verfügt der Antragsteller zu 2) über eine Rechtsschutzversicherung, die für das vorliegende einstweilige Rechtsschutzverfahren – bei einer Selbstbeteiligung von 250,00 EUR für den gesamten Instanzenzug - eine Deckungszusage erteilt hat. Dieser anderweitig gewährte Versicherungsschutz ist als Vermögen einzusetzen (§ 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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