Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 85 KR 989/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 62/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerungsoperation) mit Hautstraffung.
Die im Jahre 1968 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin arbeitet als G.
Unter Vorlage einer Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. E und eines ärztlichen Gutachtens des P Krankenhauses vom 23. Juni 2004 beantragte sie nach einer Reduktion ihres Körpergewichts von 110 kg auf 65 kg im Juni 2007 bei der Beklagten eine stationär durchzuführende Brustoperation (Mamma-Plastik mit Hautstraffung). Die Beklagte holte hierzu gutachterliche Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) ein. Die Ärzte P und A kamen in ihren Gutachten vom 16. Juli 2004, 21. September 2004 und 19. November 2004 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer Ptosis mammae beidseits mit Anisomastie rechts kleiner links nach Körpergewichtsminderung sowie einer sexuellen Funktionsstörung leide. Sie verneinten jedoch die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Brustoperation, da bei der Klägerin nur eine altersbedingte physiologische Veränderung der Brust ohne Krankheitswert vorliege. Mit Bescheid vom 28. Juli 2004, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005, lehnte die Beklagte das Begehren der Klägerin mit der Begründung ab, ein pathologischer Befund oder ein durch die begehrte Operation zu behebendes Funktionsdefizit liege nicht vor, weshalb eine Kostenübernahme nicht möglich sei. Die Leistungspflicht der Krankenkassen umfasse zudem nicht die Kostenerstattung für einen operativen Eingriff zur Beseitigung einer psychischen Störung. Eine solche sei mit den Mitteln der Psychotherapie und Psychiatrie zu beseitigen.
Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit welcher sie ihr Begehren weiter verfolgt hat. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide bereits seit mehr als zehn Jahren unter einem negativen Körpergefühl und betrachte ihre Brüste seitdem als nicht zu ihr gehörend. Als sie deshalb bereits im Jahre 1996 bei der AOK München vorstellig geworden war und eine Brustverkleinerungsoperation begehrt hatte, sei ihr eine Verhaltenstherapie genehmigt worden, die jedoch nichts an diesem Empfinden geändert habe. Infolge der zugleich eingeleiteten Gewichtsreduktion um 45 kg hingen ihre Brüste noch mehr als vorher, wodurch sich ihr Leiden verstärkt habe. Durch die erheblichen psychischen Beschwerden, die sich insbesondere negativ auf ihr Sexualleben auswirkten, sei nunmehr sogar ihre Beziehung beendet worden. Es handle sich bei der begehrten Operation auch nicht um eine Schönheitsoperation, da das Ziel der Behandlung neben der Reduzierung der psychischen Beschwerden auch die Beseitigung der durch die Gewichte der Brüste verursachten körperlichen Beschwerden sei, welche sich abends durch erhebliche Schmerzen im Achselbereich äußerten.
Durch Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein die beantragte Operation rechtfertigender Krankheitszustand liege bei der Klägerin nicht vor. Weder könne nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen eine körperliche Fehlfunktion noch eine äußerliche Entstellung festgestellt werden. Auch rechtfertigten weder die von der Klägerin beschriebenen psychischen noch die orthopädischen Beschwerden einen operativen Eingriff auf Kosten der Beklagten.
Gegen den ihr am 31. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Februar 2006 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Eine medizinische Indikation für die begehrte Operation bestehe schon deshalb, weil psychotherapeutische Maßnahmen ihre Leiden nicht beseitigt hätten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Behandlung durch die Versorgung mit einer Mamma-Plastik mit Hautstraffung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik im Rahmen einer stationären Behandlung. Die Ablehnung der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid ist deshalb nicht zu beanstanden, der sozialgerichtliche Gerichtsbescheid ist rechtsfehlerfrei.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Krankenhausbehandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V). Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungs-rechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 13. Juli 2004, - B 1 KR 11/04 -, SozR 4-2500 § 13 Nr. 4; Urteil vom 19. Oktober 2004, - B 1 KR 9/04 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 sowie zuletzt Urteil vom 28. Februar 2008, - B 1 KR 19/07 R -, zitiert nach juris).
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass bei der Klägerin, was den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit vorliegt, die der ärztlichen Behandlung bedarf.
Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt die Brustgröße und –form der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre, denn den vorliegenden medizinischen Befunden ihrer behandelnden Ärzte und der Gutachter des MDK lässt sich nicht entnehmen, dass die Form oder die Größe der Brüste Funktionseinschränkungen bedingen; die Klägerin hat dies auch nicht behauptet.
Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG Urteil vom 28. Februar 2008, - B 1 KR 19/07 R -, zitiert nach juris).
Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (vgl. dazu BSG SozR 3-3870 § 48 Nr. 2 S. 5 f). Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z.B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils RdNr 6). Dagegen hat das BSG bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen (vgl. BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr. 5) und eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils RdNr. 6). Nach eigenen Angaben trägt die Klägerin BH-Größe 80 B. Ein solcher Befund kann unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust nicht als entstellend oder krankhaft gewertet werden. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass kosmetische Defizite keine Krankheit darstellen, die Verbesserung des Aussehens mithin kein Behandlungsziel sein kann.
Auch unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beeinträchtigung ist die Beklagte nicht leistungspflichtig. Zwar empfindet die Klägerin – durchaus nachvollziehbar – durch die Form ihrer Brüste eine psychische Beeinträchtigung insbesondere durch ein Gefühl der Fremdheit der eigenen Brust. Die Krankenkasse muss den Versicherten zum einen jedoch nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das seiner Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz dem Versicherten zu, teilweise selbst für seine Gesundheit zu sorgen (vgl. § 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Ist die begehrte Maßnahme wie vorliegend nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst, ist eine Operation am – krankenversicherungsrechtlich betrachtet – gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen soll, deshalb nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu bewerten und derartige Maßnahmen sind der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuweisen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind daher nicht verpflichtet, zur Behebung einer psychischen Störung die Kosten für den operativen Eingriff in einen im Normbereich liegen Körperzustand zu tragen. Denn die von den Kassen geschuldete Krankenbehandlung umfasst grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen, da bei nur mittelbarer Beeinflussung einer Erkrankung Maßnahmen zur gezielten Krankheitsbekämpfung nicht mehr hinreichend von sonstigen wegen einer Krankheit notwendig werdenden Hilfen im Bereich der Lebensführung zu unterscheiden sind, für welche die Krankenversicherung nicht aufzukommen hat. Bei psychischen Störungen beschränkt sich der Heilbehandlungsanspruch demnach im Allgemeinen auf eine Behandlung mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie und schließt jedenfalls operative Eingriffe selbst dann nicht ein, wenn wegen der – krankheitsbedingten – Ablehnung einer Psychotherapie durch den Versicherten keine andere Möglichkeit der ärztlichen Hilfe besteht. Für dieses Ergebnis spricht zudem, dass die hier in Rede stehende Operation mit Rücksicht auf die verbundenen Risiken einer besonderen Rechtfertigung bedarf, weil damit nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen wird, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden soll. Eine solche Rechtfertigung ist vorliegend vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose zu verneinen: Auf Grund von medizinischen Untersuchungen gab und gibt es Hinweise darauf, dass bei Patienten, die wegen einer als Makel empfundenen körperlichen Besonderheit psychisch erkranken, operative Interventionen sogar zu einer Verschlimmerung des psychischen Krankheitsbildes führen können und daher als kontraindiziert angesehen müssen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 3).
Schließlich lassen die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten orthopädischen Beschwerden nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste erkennen. Auch insoweit gilt, dass die Krankenbehandlung durch ärztliche Leistungen unmittelbar an der Krankheit anzusetzen hat. Das bedeutet, dass den Nackenbeschwerden der Klägerin in erster Linie mit den Mitteln der anerkannten orthopädischen und physiotherapeutischen Therapiekonzepte begegnet werden muss. Zwar schließt dies nicht aus, dass auch andere Maßnahmen zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlich sein können, doch bedarf die konkrete Art der eingesetzten Maßnahme dann einer speziellen Rechtfertigung, wenn diese sich – wie vorliegend der Fall – nur als mittelbare Behandlung darstellt, weil nämlich beabsichtigt ist, in ein funktionell intaktes Organ einzugreifen, das verändert werden soll. Die therapeutischen Bemühungen setzten dann nämlich dort an, wo für sich genommen eine Behandlung nicht erforderlich ist. Es bedarf daher einer besonders umfassenden Abwägung zwischen voraussichtlichem Nutzen und möglichem gesundheitlichen Schaden, in die auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention und sowie sonstige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen sind. Da die Klägerin vorliegend – worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – noch nicht einmal den Versuch einer orthopädischen oder physiotherapeutischen Behandlung unternommen hat und außerdem ein Zusammenhang zwischen den orthopädischen Beschwerden und der Größe und Form der Brust nicht feststeht, kommt die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der begehrten Brustoperation nicht in Betracht, zumal noch nicht einmal sicher ist, dass diese Behandlung geeignet wäre, die von der Klägerin beklagten orthopädischen Leiden zu lindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerungsoperation) mit Hautstraffung.
Die im Jahre 1968 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin arbeitet als G.
Unter Vorlage einer Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. E und eines ärztlichen Gutachtens des P Krankenhauses vom 23. Juni 2004 beantragte sie nach einer Reduktion ihres Körpergewichts von 110 kg auf 65 kg im Juni 2007 bei der Beklagten eine stationär durchzuführende Brustoperation (Mamma-Plastik mit Hautstraffung). Die Beklagte holte hierzu gutachterliche Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) ein. Die Ärzte P und A kamen in ihren Gutachten vom 16. Juli 2004, 21. September 2004 und 19. November 2004 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer Ptosis mammae beidseits mit Anisomastie rechts kleiner links nach Körpergewichtsminderung sowie einer sexuellen Funktionsstörung leide. Sie verneinten jedoch die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Brustoperation, da bei der Klägerin nur eine altersbedingte physiologische Veränderung der Brust ohne Krankheitswert vorliege. Mit Bescheid vom 28. Juli 2004, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005, lehnte die Beklagte das Begehren der Klägerin mit der Begründung ab, ein pathologischer Befund oder ein durch die begehrte Operation zu behebendes Funktionsdefizit liege nicht vor, weshalb eine Kostenübernahme nicht möglich sei. Die Leistungspflicht der Krankenkassen umfasse zudem nicht die Kostenerstattung für einen operativen Eingriff zur Beseitigung einer psychischen Störung. Eine solche sei mit den Mitteln der Psychotherapie und Psychiatrie zu beseitigen.
Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben, mit welcher sie ihr Begehren weiter verfolgt hat. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide bereits seit mehr als zehn Jahren unter einem negativen Körpergefühl und betrachte ihre Brüste seitdem als nicht zu ihr gehörend. Als sie deshalb bereits im Jahre 1996 bei der AOK München vorstellig geworden war und eine Brustverkleinerungsoperation begehrt hatte, sei ihr eine Verhaltenstherapie genehmigt worden, die jedoch nichts an diesem Empfinden geändert habe. Infolge der zugleich eingeleiteten Gewichtsreduktion um 45 kg hingen ihre Brüste noch mehr als vorher, wodurch sich ihr Leiden verstärkt habe. Durch die erheblichen psychischen Beschwerden, die sich insbesondere negativ auf ihr Sexualleben auswirkten, sei nunmehr sogar ihre Beziehung beendet worden. Es handle sich bei der begehrten Operation auch nicht um eine Schönheitsoperation, da das Ziel der Behandlung neben der Reduzierung der psychischen Beschwerden auch die Beseitigung der durch die Gewichte der Brüste verursachten körperlichen Beschwerden sei, welche sich abends durch erhebliche Schmerzen im Achselbereich äußerten.
Durch Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein die beantragte Operation rechtfertigender Krankheitszustand liege bei der Klägerin nicht vor. Weder könne nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen eine körperliche Fehlfunktion noch eine äußerliche Entstellung festgestellt werden. Auch rechtfertigten weder die von der Klägerin beschriebenen psychischen noch die orthopädischen Beschwerden einen operativen Eingriff auf Kosten der Beklagten.
Gegen den ihr am 31. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Februar 2006 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Eine medizinische Indikation für die begehrte Operation bestehe schon deshalb, weil psychotherapeutische Maßnahmen ihre Leiden nicht beseitigt hätten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Behandlung durch die Versorgung mit einer Mamma-Plastik mit Hautstraffung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik im Rahmen einer stationären Behandlung. Die Ablehnung der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid ist deshalb nicht zu beanstanden, der sozialgerichtliche Gerichtsbescheid ist rechtsfehlerfrei.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Krankenhausbehandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V). Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungs-rechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 13. Juli 2004, - B 1 KR 11/04 -, SozR 4-2500 § 13 Nr. 4; Urteil vom 19. Oktober 2004, - B 1 KR 9/04 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 sowie zuletzt Urteil vom 28. Februar 2008, - B 1 KR 19/07 R -, zitiert nach juris).
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass bei der Klägerin, was den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit vorliegt, die der ärztlichen Behandlung bedarf.
Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt die Brustgröße und –form der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre, denn den vorliegenden medizinischen Befunden ihrer behandelnden Ärzte und der Gutachter des MDK lässt sich nicht entnehmen, dass die Form oder die Größe der Brüste Funktionseinschränkungen bedingen; die Klägerin hat dies auch nicht behauptet.
Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG Urteil vom 28. Februar 2008, - B 1 KR 19/07 R -, zitiert nach juris).
Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (vgl. dazu BSG SozR 3-3870 § 48 Nr. 2 S. 5 f). Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z.B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils RdNr 6). Dagegen hat das BSG bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen (vgl. BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr. 5) und eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils RdNr. 6). Nach eigenen Angaben trägt die Klägerin BH-Größe 80 B. Ein solcher Befund kann unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust nicht als entstellend oder krankhaft gewertet werden. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass kosmetische Defizite keine Krankheit darstellen, die Verbesserung des Aussehens mithin kein Behandlungsziel sein kann.
Auch unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beeinträchtigung ist die Beklagte nicht leistungspflichtig. Zwar empfindet die Klägerin – durchaus nachvollziehbar – durch die Form ihrer Brüste eine psychische Beeinträchtigung insbesondere durch ein Gefühl der Fremdheit der eigenen Brust. Die Krankenkasse muss den Versicherten zum einen jedoch nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das seiner Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz dem Versicherten zu, teilweise selbst für seine Gesundheit zu sorgen (vgl. § 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Ist die begehrte Maßnahme wie vorliegend nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst, ist eine Operation am – krankenversicherungsrechtlich betrachtet – gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen soll, deshalb nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu bewerten und derartige Maßnahmen sind der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuweisen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind daher nicht verpflichtet, zur Behebung einer psychischen Störung die Kosten für den operativen Eingriff in einen im Normbereich liegen Körperzustand zu tragen. Denn die von den Kassen geschuldete Krankenbehandlung umfasst grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen, da bei nur mittelbarer Beeinflussung einer Erkrankung Maßnahmen zur gezielten Krankheitsbekämpfung nicht mehr hinreichend von sonstigen wegen einer Krankheit notwendig werdenden Hilfen im Bereich der Lebensführung zu unterscheiden sind, für welche die Krankenversicherung nicht aufzukommen hat. Bei psychischen Störungen beschränkt sich der Heilbehandlungsanspruch demnach im Allgemeinen auf eine Behandlung mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie und schließt jedenfalls operative Eingriffe selbst dann nicht ein, wenn wegen der – krankheitsbedingten – Ablehnung einer Psychotherapie durch den Versicherten keine andere Möglichkeit der ärztlichen Hilfe besteht. Für dieses Ergebnis spricht zudem, dass die hier in Rede stehende Operation mit Rücksicht auf die verbundenen Risiken einer besonderen Rechtfertigung bedarf, weil damit nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen wird, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden soll. Eine solche Rechtfertigung ist vorliegend vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose zu verneinen: Auf Grund von medizinischen Untersuchungen gab und gibt es Hinweise darauf, dass bei Patienten, die wegen einer als Makel empfundenen körperlichen Besonderheit psychisch erkranken, operative Interventionen sogar zu einer Verschlimmerung des psychischen Krankheitsbildes führen können und daher als kontraindiziert angesehen müssen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 3).
Schließlich lassen die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten orthopädischen Beschwerden nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste erkennen. Auch insoweit gilt, dass die Krankenbehandlung durch ärztliche Leistungen unmittelbar an der Krankheit anzusetzen hat. Das bedeutet, dass den Nackenbeschwerden der Klägerin in erster Linie mit den Mitteln der anerkannten orthopädischen und physiotherapeutischen Therapiekonzepte begegnet werden muss. Zwar schließt dies nicht aus, dass auch andere Maßnahmen zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlich sein können, doch bedarf die konkrete Art der eingesetzten Maßnahme dann einer speziellen Rechtfertigung, wenn diese sich – wie vorliegend der Fall – nur als mittelbare Behandlung darstellt, weil nämlich beabsichtigt ist, in ein funktionell intaktes Organ einzugreifen, das verändert werden soll. Die therapeutischen Bemühungen setzten dann nämlich dort an, wo für sich genommen eine Behandlung nicht erforderlich ist. Es bedarf daher einer besonders umfassenden Abwägung zwischen voraussichtlichem Nutzen und möglichem gesundheitlichen Schaden, in die auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention und sowie sonstige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen sind. Da die Klägerin vorliegend – worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – noch nicht einmal den Versuch einer orthopädischen oder physiotherapeutischen Behandlung unternommen hat und außerdem ein Zusammenhang zwischen den orthopädischen Beschwerden und der Größe und Form der Brust nicht feststeht, kommt die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der begehrten Brustoperation nicht in Betracht, zumal noch nicht einmal sicher ist, dass diese Behandlung geeignet wäre, die von der Klägerin beklagten orthopädischen Leiden zu lindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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