Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 17 VG 75/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 17/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Verletzung durch eine Feuerwerksrakete als schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Die 1993 geborene Klägerin erlitt am 1. Januar 2005 gegen 0.30 Uhr vor ihrem Wohnhaus in der P Str. in C Verbrennungen 3. Grades am rechten Unter- und Oberschenkel. Sie befand sich vom 1. Januar bis zum 16. März 2005 in stationärer Behandlung. Weitere Operationen waren in der Folgezeit erforderlich.
Der Vater der Klägerin, der Zeuge, erstattete am 1. Januar 2005 auf der Polizeiwache Cottbus Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung vermerkte der aufnehmende Beamte: "Von wo aus die Rakete genau abgefeuert wurde, konnte der Vater nicht sagen."
Im Januar 2005 vernahm die Polizei einzelne Bewohner des Hauses P Str. und deren Gäste. Aufgrund der Angaben der 1991 geborenen Zeuginnen J F (JF) und FT (FT) erstellte die Polizei das Phantombild einer etwa 20 bis 30 Jahre alten Frau, aufgrund dessen bei Nachfragen in den umliegenden Lokalen und nach einer Veröffentlichung in einer Tageszeitung keine sachdienlichen Hinweise eingingen. Die Staatsanwaltschaft Cottbus stellte am 7. März 2005 das gegen unbekannt geführte Ermittlungsverfahren ein. Auf den Hinweis der Bevollmächtigten der Klägerin, dass der Zeuge cirka 10 fremde Jugendliche an dem Ort gesehen habe, von dem die Rakete gestartet sei, wurde das Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen. Der Vater der Klägerin reichte eine schriftliche Zeugenaussage ein, nach der er eine größere Gruppe von Jugendlichen auf dem Gang zwischen den Häusern Nr. und Nr. bemerkt habe, die von J F und F T begrüßt worden seien. Als er seine leere Raketenschachtel habe aufheben wollen, habe er vor dem ersten Baum bei der Gruppe Jugendlicher eine Rakete ohne Holzteil zünden sehen, die in Bodennähe in Richtung der Passanten der Hausnummer geflogen sei. Die Rakete sei genau in die Gruppe seiner Frau und der kleineren Kinder geflogen und im Hosenbein der Klägerin explodiert. Nach nochmaliger Vernehmung der Zeuginnen J F und F T sowie eines Bewohners der P Str. stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren erneut ein.
Mit dem im Namen der Klägerin gestellten Antrag auf Gewährung einer Beschädigten-Versorgung nach dem OEG vom 18. Januar 2005 machte der Vater der Klägerin geltend, von einem Unbekannten sei eine Silvesterrakete liegend in Richtung der Zuschauer vor dem Haus Nr. gezündet worden. Der Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und den Entlassungsbericht des C Klinikums C vom 17. März 2005 bei und lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 25. April 2005 ab. § 1 OEG erfordere ein gewaltsames Vorgehen gegen eine Person in feindseliger und kämpferischer Absicht, so dass zumindest ein natürlicher Vorsatz gegeben sein müsse. Ein vorsätzliches Handeln des Täters in feindseliger Absicht sei nicht zweifelsfrei nachgewiesen.
Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin darauf, dass derjenige, der eine Rakete ohne Holzteil mit der Spitze in Richtung einer nahen Menschengruppe zünde, schwerste Verletzungen billigend in Kauf nehme und deshalb vorsätzlich handele.
Durch Widerspruchsbescheid vom 3. April 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Beurteilung des Vorsatzes seien die von der strafgerichtlichen Rechtsprechung zum Begriff des Vorsatzes entwickelten Grundsätze zu beachten. Danach sei Vorsatz gegeben, wenn der Angreifer entweder wisse, dass sein Tun oder Unterlassen unmittelbar auf den Körper eines Menschen einwirke und er dies wolle oder die unmittelbare Einwirkung auf den Körper eines Menschen für möglich halte und damit einverstanden sei. Der Täter müsse die Möglichkeit der Verwirklichung einer strafbaren Handlung erkennen und sich trotz dieser Erkenntnis zur Tat hinreißen lassen. Nach den vorliegenden Unterlagen lasse der Geschehensablauf nicht darauf schließen, dass die Rakete gezielt auf die Klägerin oder eine andere Person gerichtet gewesen sei.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen vertieft.
Das Sozialgericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft beigezogen, einen Auszug aus dem digitalen Stadtkartenwerk Cottbus zur Akte genommen und den Vater der Klägerin, J F, F T und N M (NM) als Zeugen vernommen. Alle Zeugen außer N M haben ihren Standort zum Zeitpunkt des Unfalls in Kopien des Stadtkartenwerkauszugs vermerkt.
Durch Urteil vom 15. Februar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen sei kein Tatgeschehen erkennbar, das darauf schließen lasse, dass die Verletzungen der Klägerin durch einen feindseligen Angriff eines Dritten herbeigeführt worden seien. Die Aussage des Zeugen N M sei gänzlich unergiebig gewesen. Die Zeuginnen J F und F T hätten zu der Herkunft der Rakete bzw. der Art und Weise ihrer Zündung keine näheren Angaben machen können. Auch der Vater der Klägerin habe das eigentliche Zünden der Rakete nicht schildern können. Das Handeln einer Person, das auf eine feindselige Willensrichtung schließen lasse, sei dadurch nicht erkennbar. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der übrigen in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft vorhandenen schriftlichen Zeugenaussagen. Es sei ebenso denkbar, dass die Verletzungen der Klägerin auf einen Unfall oder ein fahrlässiges Handeln zurückzuführen seien.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, dass aus den Angaben ihres Vaters auf ein vorsätzliches Verhalten zu schließen sei. Es reiche aus, wenn der Täter einen Erfolgseintritt für möglich halte und die Folgen aus Bedenkenlosigkeit oder Gleichgültigkeit in Kauf nehme. Die Tathandlung liege im unsachgemäßen Gebrauch einer Rakete ohne Holzteil, der Taterfolg sei vorhersehbar. Die naheliegende Verletzungsgefahr durch eine ungesteuerte, nahe am Boden fliegende Rakete habe das Sozialgericht nicht gewürdigt. Jedenfalls hätte derjenige, der die Rakete gezündet habe, die Umherstehenden warnen müssen, als er die Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten hatte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Februar 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 25. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 1. Januar 2005 als schädigendes Ereignis nach § 1 OEG anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2008 sind die Eltern der Klägerin, die im Haus Nr. wohnende K U(K U) und die bereits vom Sozialgericht vernommenen Zeugen F T, J F und N M als Zeugen vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll einschließlich der Anlagen der von den Zeugen im Stadtkartenwerkauszug bzw. auf Kopien der Fotos aus der Ermittlungsakte vermerkten Standorten zum Zeitpunkt des Unfalls Bezug genommen.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der OEG- Akten des Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Cottbus, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung durch die Berichterstatterin entscheiden.
Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die Feststellung eines schädigenden Ereignisses nach § 1 OEG im Wege der Feststellungsklage begehrt, ist zulässig, aber unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff gegen die Klägerin nicht nachgewiesen ist. Gemäß § 1 Abs.1 S. 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ...infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine ...Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 3. Februar 1999, B 9 VG 7/97 R, SozR 3-3800 § 1 Nr. 14 mit weiteren Nachweisen) ist unter einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen gerichtete gewaltsame, zumeist also handgreifliche Einwirkung gemeint. Insoweit ist nicht die innere Einstellung des Täters oder ein aggressives Verhalten, sondern die Rechtsfeindlichkeit der Tathandlung für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des tätlichen Angriffs maßgeblich; es besteht keine strenge Bindung an die strafrechtliche Bedeutung des entsprechenden Begriffs (vgl. BSG a.a.O.; Urteil vom 4. Februar 1998, B 9 VG 5/96 R, SozR 3-3800 § 1 Nr 11). Weiter genügt es nach dieser Rechtsprechung, dass der Angreifer mit bedingtem Vorsatz handelt. Dafür spricht vor allem der Zweck des OEG. Die öffentliche Hand soll für gesundheitliche Schäden des durch eine Gewalttat verletzten Opfers dann einen Ausgleich gewähren, wenn es dem Staat nicht gelungen ist, die Gewalttat zu verhindern, d.h. die Einhaltung seiner dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit (auch) des Opfers dienenden Rechtsnormen durchzusetzen. Deshalb kann es sowohl aus der Sicht des Staates als auch aus der des Opfers bzw. der Hinterbliebenen nicht darauf ankommen, ob die Gewalttat mit direktem oder bedingtem Vorsatz begangen worden ist. Schließlich ist ein Vorsatz des Täters zu bejahen, wenn der Täter eine körperliche Beeinträchtigung des Opfers in seinen Willen aufgenommen (natürlicher direkter Vorsatz) oder aber eine solche Beeinträchtigung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz). Das heißt, der Täter muss sich im Augenblick der Tathandlung zumindest über die Möglichkeit des Erfolgseintrittes (z.B. einer Körperverletzung) im Klaren gewesen und diese in Kauf genommen haben (vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 5). Im Gegensatz zum Strafrecht ist es nicht erforderlich, dass sich der Täter weiterer Folgen der unmittelbaren körperlichen Einwirkung bewusst ist, er sich z.B. einen entsprechenden Kausalverlauf mit bestimmten Verletzungen oder sonstigen Folgen vorgestellt bzw. solche für möglich gehalten hat Der Vorsatz muss sich danach nur auf den Angriff als solchen, also auf die unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Opfers, nicht aber auf den entstandenen Körperschaden gerichtet haben (BSG SozR 3-3800 § 10a Nr 1). Der Vorsatz des Angreifers bedarf des Nachweises. Ist der Täter unbekannt geblieben, so darf aus den festgestellten äußeren Umständen auf das Vorliegen des (bedingten) Vorsatzes geschlossen werden (vgl. BSG, SozR 3-3800 § 1 Nr 12 mwN). Der vorsätzliche rechtswidrige Angriff als anspruchsbegründende Tatsache im Sinne des § 1 OEG muss zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht dies zu Lasten des Antragstellers.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich auch vor dem Haus Nr. Personen befunden haben. Dies wird nicht nur von dem Vater und der Mutter der Klägerin angegeben, sondern auch von der unbeteiligten Zeugin KU bestätigt, die, ohne ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtstreits zu haben, glaubhaft ausgeführt hat, dass sie sich hieran erinnere und dafür, dass ihre Erinnerung tatsächlich das streitige Jahr betrifft, als Anknüpfungstatsache ausgeführt hat, dass sie in den Folgejahren immer woanders Silvester gefeiert habe. Die hiervon abweichenden Angaben von der Zeuginnen J F und F T in früheren Vernehmungen überzeugen demgegenüber nicht. Zum einen hat die Zeugin F T ihre abweichende Aussage dahingehend relativiert, dass sie sich nicht mehr sicher sei, ob vor dem Haus Nr. Leute gestanden hätten. Auch hat der Zeuge N M pauschal angegeben, dass dort eine Gruppe gewesen sein könnte. Lediglich die Zeugin J F ist bei ihrer Aussage geblieben, dass sich in der näheren Umgebung nur ein Mann und eine Frau, das "Pärchen", befunden hätten.
Die Tatsache, dass sich auch vor dem Haus Nr. bzw. im Bereich des Weges zwischen den Häusern eine Gruppe aufgehalten hat, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass von dort die Rakete unter Inkaufnahme einer Verletzung einer der in der Nähe befindlichen Personen in Brand gesetzt worden ist. Denn es konnte schon nicht festgestellt werden, von welcher Stelle aus die Rakete tatsächlich gezündet worden ist. Der Vater der Klägerin hat den Vorgang des Zündens nicht bemerkt, sondern ist erst durch das dem Zünden nachgehende Zischen auf die Gefahr aufmerksam geworden. Weitere Zeugen konnten zu dem Vorgang des Zündens keine Angaben machen. Dies ist nach der Schilderung der Zeuginnen F T und J F, in welche Richtung sie gerade schauten, als die Rakete vorbeischoss, für diese beiden Zeuginnen auch nachvollziehbar. Insoweit stimmen die Angaben mit den Angaben sowohl der Mutter als auch des Vaters der Klägerin überein.
Als einzige Augenzeugin für den Vorgang des Zündens kam die erstmals am 19. Juni 2008 gerichtlich vernommene Mutter der Klägerin in Betracht. Die Zeugin hat angegeben, sich auf dem Bürgersteig in Richtung Haus Nr. befunden zu haben, als sie die beiden Zeuginnen F T und J F bemerkte. Die Mutter musste also zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zündens in die Richtung des Hauses Nr. geschaut haben, da sie, als sie die Mädchen bemerkte, ihren Sohn hiervon unterrichten und sich hierzu umdrehen wollte, schon beim Umdrehen den Feuerball kurz über dem Boden bemerkte. Der Vorgang des Umdrehens musste also allenfalls Zehntel-Sekunden nach dem Zeitpunkt erfolgt sein, zu dem der Vater der Klägerin die Rakete kurz vor ihrem Start am ersten Baum bemerkt hatte. Die Mutter hat aber zu einem etwaigen Raketenzünden aus der Gruppe heraus keine Angaben machen können, sondern nur eine Gruppe bemerkt, auf die sich auch ihre Aufmerksamkeit konzentrierte, da sie angab, sie habe sich die Leute anschauen wollen.
Auch aus sonstigen Umständen kann nicht auf einen bedingten Vorsatz des unbekannt gebliebenen Täters geschlossen werden. Ein derartiger bedingter Vorsatz wäre zu bejahen, wenn die Rakete gewollt in Richtung einer der nahen Personengruppen, nämlich der Mutter und der Klägerin, der Gruppe der beiden Zeuginnen und des Bruders der Klägerin oder der vor dem Hauseingang Nr. befindlichen Menschen geschleudert worden wäre. Einen derartigen Vorgang hat niemand bemerkt. Sonstige Umstände lassen einen Rückschluss auf ein derartiges Vorgehen nicht zu. Insbesondere ist die Tatsache, dass die Rakete kurz vor ihrem Start auf dem Boden lag, hierfür nicht ausreichend. Zwar hat der Vater der Klägerin angegeben, ausschließen zu können, dass eine Flasche in der Nähe der Rakete lag, als er diese bemerkte, so dass, die Richtigkeit dieser Angabe unterstellt, es ausgeschlossen wäre, dass eine Flasche als "Startrampe" für eine zunächst ordnungsgemäß gestartete Rakete umgefallen ist. Ob diese Angabe vor dem Hintergrund, dass er cirka 10 Meter entfernt war und zugleich unter Bezugnahme auf seine erstinstanzliche Aussage angegeben hat, nicht sagen zu können, ob die Rakete kein Holzteil gehabt habe, nachvollziehbar ist, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist es in Anbetracht dessen, dass der Zündungsvorgang nicht bemerkt wurde, ebenso wahrscheinlich, dass die Rakete nach einem Fehlstart von der nahen Gruppe vor Haus Nr. weg auf die nahe Wiese geworfen wurde, um Verletzungen durch die Explosion gerade zu vermeiden. Dieser alternativ denkbare Verlauf lässt es nicht zu, von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass kein vernünftiger Mensch noch an einem bedingt vorsätzlichen Verhalten zweifelt.
Allein daraus, dass niemand eine Warnung vor der Rakete wahrgenommen hat, kann auf ein vorsätzliches Verhalten nicht geschlossen werden. Denn auch der Vater der Klägerin konnte nicht mehr angeben, ob er etwas gerufen habe, weil alles so schnell ging.
Auch ein anderweitiger Tatverlauf, der auf einen bedingten Vorsatz schließen lassen könnte, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Zwar ließen die ersten Ermittlungen erwarten, dass unbekannt gebliebene Personen, die sich auf der Straße bewegten, die Rakete in Richtung der anwesenden Personen gezündet haben könnten. Ein derartiger Ablauf kann aber nicht mit den Angaben des Vaters der Klägerin in Übereinstimmung gebracht werden, der die Rakete am Boden liegend bemerkt hatte. Nach seiner Schilderung sind ein Mann und eine Frau erst später die Straße entlanggekommen sind, nämlich als er mit der Klägerin bereits auf dem Weg in das Krankenhaus war. Die Mutter der Klägerin hat sich ebenfalls nicht daran erinnern können, jemanden auf der Straße gehen gesehen zu haben.
Nach alledem konnte ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff auf die Person der Klägerin oder einen anderen Menschen nicht festgestellt werden.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Berufung keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Verletzung durch eine Feuerwerksrakete als schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Die 1993 geborene Klägerin erlitt am 1. Januar 2005 gegen 0.30 Uhr vor ihrem Wohnhaus in der P Str. in C Verbrennungen 3. Grades am rechten Unter- und Oberschenkel. Sie befand sich vom 1. Januar bis zum 16. März 2005 in stationärer Behandlung. Weitere Operationen waren in der Folgezeit erforderlich.
Der Vater der Klägerin, der Zeuge, erstattete am 1. Januar 2005 auf der Polizeiwache Cottbus Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung vermerkte der aufnehmende Beamte: "Von wo aus die Rakete genau abgefeuert wurde, konnte der Vater nicht sagen."
Im Januar 2005 vernahm die Polizei einzelne Bewohner des Hauses P Str. und deren Gäste. Aufgrund der Angaben der 1991 geborenen Zeuginnen J F (JF) und FT (FT) erstellte die Polizei das Phantombild einer etwa 20 bis 30 Jahre alten Frau, aufgrund dessen bei Nachfragen in den umliegenden Lokalen und nach einer Veröffentlichung in einer Tageszeitung keine sachdienlichen Hinweise eingingen. Die Staatsanwaltschaft Cottbus stellte am 7. März 2005 das gegen unbekannt geführte Ermittlungsverfahren ein. Auf den Hinweis der Bevollmächtigten der Klägerin, dass der Zeuge cirka 10 fremde Jugendliche an dem Ort gesehen habe, von dem die Rakete gestartet sei, wurde das Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen. Der Vater der Klägerin reichte eine schriftliche Zeugenaussage ein, nach der er eine größere Gruppe von Jugendlichen auf dem Gang zwischen den Häusern Nr. und Nr. bemerkt habe, die von J F und F T begrüßt worden seien. Als er seine leere Raketenschachtel habe aufheben wollen, habe er vor dem ersten Baum bei der Gruppe Jugendlicher eine Rakete ohne Holzteil zünden sehen, die in Bodennähe in Richtung der Passanten der Hausnummer geflogen sei. Die Rakete sei genau in die Gruppe seiner Frau und der kleineren Kinder geflogen und im Hosenbein der Klägerin explodiert. Nach nochmaliger Vernehmung der Zeuginnen J F und F T sowie eines Bewohners der P Str. stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren erneut ein.
Mit dem im Namen der Klägerin gestellten Antrag auf Gewährung einer Beschädigten-Versorgung nach dem OEG vom 18. Januar 2005 machte der Vater der Klägerin geltend, von einem Unbekannten sei eine Silvesterrakete liegend in Richtung der Zuschauer vor dem Haus Nr. gezündet worden. Der Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und den Entlassungsbericht des C Klinikums C vom 17. März 2005 bei und lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 25. April 2005 ab. § 1 OEG erfordere ein gewaltsames Vorgehen gegen eine Person in feindseliger und kämpferischer Absicht, so dass zumindest ein natürlicher Vorsatz gegeben sein müsse. Ein vorsätzliches Handeln des Täters in feindseliger Absicht sei nicht zweifelsfrei nachgewiesen.
Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin darauf, dass derjenige, der eine Rakete ohne Holzteil mit der Spitze in Richtung einer nahen Menschengruppe zünde, schwerste Verletzungen billigend in Kauf nehme und deshalb vorsätzlich handele.
Durch Widerspruchsbescheid vom 3. April 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Beurteilung des Vorsatzes seien die von der strafgerichtlichen Rechtsprechung zum Begriff des Vorsatzes entwickelten Grundsätze zu beachten. Danach sei Vorsatz gegeben, wenn der Angreifer entweder wisse, dass sein Tun oder Unterlassen unmittelbar auf den Körper eines Menschen einwirke und er dies wolle oder die unmittelbare Einwirkung auf den Körper eines Menschen für möglich halte und damit einverstanden sei. Der Täter müsse die Möglichkeit der Verwirklichung einer strafbaren Handlung erkennen und sich trotz dieser Erkenntnis zur Tat hinreißen lassen. Nach den vorliegenden Unterlagen lasse der Geschehensablauf nicht darauf schließen, dass die Rakete gezielt auf die Klägerin oder eine andere Person gerichtet gewesen sei.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen vertieft.
Das Sozialgericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft beigezogen, einen Auszug aus dem digitalen Stadtkartenwerk Cottbus zur Akte genommen und den Vater der Klägerin, J F, F T und N M (NM) als Zeugen vernommen. Alle Zeugen außer N M haben ihren Standort zum Zeitpunkt des Unfalls in Kopien des Stadtkartenwerkauszugs vermerkt.
Durch Urteil vom 15. Februar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen sei kein Tatgeschehen erkennbar, das darauf schließen lasse, dass die Verletzungen der Klägerin durch einen feindseligen Angriff eines Dritten herbeigeführt worden seien. Die Aussage des Zeugen N M sei gänzlich unergiebig gewesen. Die Zeuginnen J F und F T hätten zu der Herkunft der Rakete bzw. der Art und Weise ihrer Zündung keine näheren Angaben machen können. Auch der Vater der Klägerin habe das eigentliche Zünden der Rakete nicht schildern können. Das Handeln einer Person, das auf eine feindselige Willensrichtung schließen lasse, sei dadurch nicht erkennbar. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der übrigen in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft vorhandenen schriftlichen Zeugenaussagen. Es sei ebenso denkbar, dass die Verletzungen der Klägerin auf einen Unfall oder ein fahrlässiges Handeln zurückzuführen seien.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, dass aus den Angaben ihres Vaters auf ein vorsätzliches Verhalten zu schließen sei. Es reiche aus, wenn der Täter einen Erfolgseintritt für möglich halte und die Folgen aus Bedenkenlosigkeit oder Gleichgültigkeit in Kauf nehme. Die Tathandlung liege im unsachgemäßen Gebrauch einer Rakete ohne Holzteil, der Taterfolg sei vorhersehbar. Die naheliegende Verletzungsgefahr durch eine ungesteuerte, nahe am Boden fliegende Rakete habe das Sozialgericht nicht gewürdigt. Jedenfalls hätte derjenige, der die Rakete gezündet habe, die Umherstehenden warnen müssen, als er die Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten hatte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Februar 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 25. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 1. Januar 2005 als schädigendes Ereignis nach § 1 OEG anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2008 sind die Eltern der Klägerin, die im Haus Nr. wohnende K U(K U) und die bereits vom Sozialgericht vernommenen Zeugen F T, J F und N M als Zeugen vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll einschließlich der Anlagen der von den Zeugen im Stadtkartenwerkauszug bzw. auf Kopien der Fotos aus der Ermittlungsakte vermerkten Standorten zum Zeitpunkt des Unfalls Bezug genommen.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der OEG- Akten des Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Cottbus, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung durch die Berichterstatterin entscheiden.
Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die Feststellung eines schädigenden Ereignisses nach § 1 OEG im Wege der Feststellungsklage begehrt, ist zulässig, aber unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff gegen die Klägerin nicht nachgewiesen ist. Gemäß § 1 Abs.1 S. 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ...infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine ...Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 3. Februar 1999, B 9 VG 7/97 R, SozR 3-3800 § 1 Nr. 14 mit weiteren Nachweisen) ist unter einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen gerichtete gewaltsame, zumeist also handgreifliche Einwirkung gemeint. Insoweit ist nicht die innere Einstellung des Täters oder ein aggressives Verhalten, sondern die Rechtsfeindlichkeit der Tathandlung für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des tätlichen Angriffs maßgeblich; es besteht keine strenge Bindung an die strafrechtliche Bedeutung des entsprechenden Begriffs (vgl. BSG a.a.O.; Urteil vom 4. Februar 1998, B 9 VG 5/96 R, SozR 3-3800 § 1 Nr 11). Weiter genügt es nach dieser Rechtsprechung, dass der Angreifer mit bedingtem Vorsatz handelt. Dafür spricht vor allem der Zweck des OEG. Die öffentliche Hand soll für gesundheitliche Schäden des durch eine Gewalttat verletzten Opfers dann einen Ausgleich gewähren, wenn es dem Staat nicht gelungen ist, die Gewalttat zu verhindern, d.h. die Einhaltung seiner dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit (auch) des Opfers dienenden Rechtsnormen durchzusetzen. Deshalb kann es sowohl aus der Sicht des Staates als auch aus der des Opfers bzw. der Hinterbliebenen nicht darauf ankommen, ob die Gewalttat mit direktem oder bedingtem Vorsatz begangen worden ist. Schließlich ist ein Vorsatz des Täters zu bejahen, wenn der Täter eine körperliche Beeinträchtigung des Opfers in seinen Willen aufgenommen (natürlicher direkter Vorsatz) oder aber eine solche Beeinträchtigung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz). Das heißt, der Täter muss sich im Augenblick der Tathandlung zumindest über die Möglichkeit des Erfolgseintrittes (z.B. einer Körperverletzung) im Klaren gewesen und diese in Kauf genommen haben (vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 5). Im Gegensatz zum Strafrecht ist es nicht erforderlich, dass sich der Täter weiterer Folgen der unmittelbaren körperlichen Einwirkung bewusst ist, er sich z.B. einen entsprechenden Kausalverlauf mit bestimmten Verletzungen oder sonstigen Folgen vorgestellt bzw. solche für möglich gehalten hat Der Vorsatz muss sich danach nur auf den Angriff als solchen, also auf die unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Opfers, nicht aber auf den entstandenen Körperschaden gerichtet haben (BSG SozR 3-3800 § 10a Nr 1). Der Vorsatz des Angreifers bedarf des Nachweises. Ist der Täter unbekannt geblieben, so darf aus den festgestellten äußeren Umständen auf das Vorliegen des (bedingten) Vorsatzes geschlossen werden (vgl. BSG, SozR 3-3800 § 1 Nr 12 mwN). Der vorsätzliche rechtswidrige Angriff als anspruchsbegründende Tatsache im Sinne des § 1 OEG muss zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht dies zu Lasten des Antragstellers.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich auch vor dem Haus Nr. Personen befunden haben. Dies wird nicht nur von dem Vater und der Mutter der Klägerin angegeben, sondern auch von der unbeteiligten Zeugin KU bestätigt, die, ohne ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtstreits zu haben, glaubhaft ausgeführt hat, dass sie sich hieran erinnere und dafür, dass ihre Erinnerung tatsächlich das streitige Jahr betrifft, als Anknüpfungstatsache ausgeführt hat, dass sie in den Folgejahren immer woanders Silvester gefeiert habe. Die hiervon abweichenden Angaben von der Zeuginnen J F und F T in früheren Vernehmungen überzeugen demgegenüber nicht. Zum einen hat die Zeugin F T ihre abweichende Aussage dahingehend relativiert, dass sie sich nicht mehr sicher sei, ob vor dem Haus Nr. Leute gestanden hätten. Auch hat der Zeuge N M pauschal angegeben, dass dort eine Gruppe gewesen sein könnte. Lediglich die Zeugin J F ist bei ihrer Aussage geblieben, dass sich in der näheren Umgebung nur ein Mann und eine Frau, das "Pärchen", befunden hätten.
Die Tatsache, dass sich auch vor dem Haus Nr. bzw. im Bereich des Weges zwischen den Häusern eine Gruppe aufgehalten hat, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass von dort die Rakete unter Inkaufnahme einer Verletzung einer der in der Nähe befindlichen Personen in Brand gesetzt worden ist. Denn es konnte schon nicht festgestellt werden, von welcher Stelle aus die Rakete tatsächlich gezündet worden ist. Der Vater der Klägerin hat den Vorgang des Zündens nicht bemerkt, sondern ist erst durch das dem Zünden nachgehende Zischen auf die Gefahr aufmerksam geworden. Weitere Zeugen konnten zu dem Vorgang des Zündens keine Angaben machen. Dies ist nach der Schilderung der Zeuginnen F T und J F, in welche Richtung sie gerade schauten, als die Rakete vorbeischoss, für diese beiden Zeuginnen auch nachvollziehbar. Insoweit stimmen die Angaben mit den Angaben sowohl der Mutter als auch des Vaters der Klägerin überein.
Als einzige Augenzeugin für den Vorgang des Zündens kam die erstmals am 19. Juni 2008 gerichtlich vernommene Mutter der Klägerin in Betracht. Die Zeugin hat angegeben, sich auf dem Bürgersteig in Richtung Haus Nr. befunden zu haben, als sie die beiden Zeuginnen F T und J F bemerkte. Die Mutter musste also zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zündens in die Richtung des Hauses Nr. geschaut haben, da sie, als sie die Mädchen bemerkte, ihren Sohn hiervon unterrichten und sich hierzu umdrehen wollte, schon beim Umdrehen den Feuerball kurz über dem Boden bemerkte. Der Vorgang des Umdrehens musste also allenfalls Zehntel-Sekunden nach dem Zeitpunkt erfolgt sein, zu dem der Vater der Klägerin die Rakete kurz vor ihrem Start am ersten Baum bemerkt hatte. Die Mutter hat aber zu einem etwaigen Raketenzünden aus der Gruppe heraus keine Angaben machen können, sondern nur eine Gruppe bemerkt, auf die sich auch ihre Aufmerksamkeit konzentrierte, da sie angab, sie habe sich die Leute anschauen wollen.
Auch aus sonstigen Umständen kann nicht auf einen bedingten Vorsatz des unbekannt gebliebenen Täters geschlossen werden. Ein derartiger bedingter Vorsatz wäre zu bejahen, wenn die Rakete gewollt in Richtung einer der nahen Personengruppen, nämlich der Mutter und der Klägerin, der Gruppe der beiden Zeuginnen und des Bruders der Klägerin oder der vor dem Hauseingang Nr. befindlichen Menschen geschleudert worden wäre. Einen derartigen Vorgang hat niemand bemerkt. Sonstige Umstände lassen einen Rückschluss auf ein derartiges Vorgehen nicht zu. Insbesondere ist die Tatsache, dass die Rakete kurz vor ihrem Start auf dem Boden lag, hierfür nicht ausreichend. Zwar hat der Vater der Klägerin angegeben, ausschließen zu können, dass eine Flasche in der Nähe der Rakete lag, als er diese bemerkte, so dass, die Richtigkeit dieser Angabe unterstellt, es ausgeschlossen wäre, dass eine Flasche als "Startrampe" für eine zunächst ordnungsgemäß gestartete Rakete umgefallen ist. Ob diese Angabe vor dem Hintergrund, dass er cirka 10 Meter entfernt war und zugleich unter Bezugnahme auf seine erstinstanzliche Aussage angegeben hat, nicht sagen zu können, ob die Rakete kein Holzteil gehabt habe, nachvollziehbar ist, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist es in Anbetracht dessen, dass der Zündungsvorgang nicht bemerkt wurde, ebenso wahrscheinlich, dass die Rakete nach einem Fehlstart von der nahen Gruppe vor Haus Nr. weg auf die nahe Wiese geworfen wurde, um Verletzungen durch die Explosion gerade zu vermeiden. Dieser alternativ denkbare Verlauf lässt es nicht zu, von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass kein vernünftiger Mensch noch an einem bedingt vorsätzlichen Verhalten zweifelt.
Allein daraus, dass niemand eine Warnung vor der Rakete wahrgenommen hat, kann auf ein vorsätzliches Verhalten nicht geschlossen werden. Denn auch der Vater der Klägerin konnte nicht mehr angeben, ob er etwas gerufen habe, weil alles so schnell ging.
Auch ein anderweitiger Tatverlauf, der auf einen bedingten Vorsatz schließen lassen könnte, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Zwar ließen die ersten Ermittlungen erwarten, dass unbekannt gebliebene Personen, die sich auf der Straße bewegten, die Rakete in Richtung der anwesenden Personen gezündet haben könnten. Ein derartiger Ablauf kann aber nicht mit den Angaben des Vaters der Klägerin in Übereinstimmung gebracht werden, der die Rakete am Boden liegend bemerkt hatte. Nach seiner Schilderung sind ein Mann und eine Frau erst später die Straße entlanggekommen sind, nämlich als er mit der Klägerin bereits auf dem Weg in das Krankenhaus war. Die Mutter der Klägerin hat sich ebenfalls nicht daran erinnern können, jemanden auf der Straße gehen gesehen zu haben.
Nach alledem konnte ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff auf die Person der Klägerin oder einen anderen Menschen nicht festgestellt werden.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Berufung keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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