Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 260/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 589/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. September 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerungsoperation).
Die 1965 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Zu Lasten der Sozialversicherung der DDR unterzog sie sich im Jahre 1984 einer ersten Mammareduktionsplastik. Am 19. April 2005 beantragte sie bei der s BKK, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (im Folgenden nur: "die Beklagte") eine Kostenübernahme für eine erneute beidseitige Mammareduktionsplastik. Zur Begründung legte sie ein Attest des Chefarztes der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Bad S, Dr. B, vom 11. April 2005 vor. Danach leide die Klägerin erneut unter einer zu schweren Brust, unter Brustschmerzen, unter Einschnürungen des Büstenhalters im Schulterbereich mit zunehmenden Rücken- und Haltungsbeschwerden sowie unter einer Einschränkung der Lebensqualität. Gegeben sei ein Zustand nach Mammareduktionsplastik beidseits mit Asymmetrie (links größer als rechts) und erneut aufgetretener Makromastie. Damit bestehe eine medizinische Indikation, die Brüste zu verkleinern bzw. anzugleichen sowie die bestehenden Narben zu korrigieren. Das zu erwartende Resektionsgewicht der rechten Brust betrage 450 g, das der linken Brust 700 g.
Die Beklagte veranlasste hierauf eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Berlin/Brandenburg e. V. (MDK). In ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 06. Juni 2005 sah die Gutachterin Dr. H. M die medizinische Voraussetzung für eine Leistungsgewährung als nicht erfüllt an. Es liege eine Hypertrophie der Mammae vor. Nach der Operation im Jahre 1984 sei es im Verlauf der Jahre erneut zu einer Vergrößerung der Mammae gekommen. Zudem bestehe eine leichte Asymmetrie. Eine Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Körperbau und Größe und Gewicht der Mammae sei nicht festzustellen. Ein pathologischer Befund im Bereich der Mammae sei nicht mitgeteilt. Die Indikation für die beantragte Operation zur Narbenkorrektur könne nicht bestätigt werden. Funktionelle Einschränkungen in Folge der Narben bestünden nicht. Die angegebenen HWS-Beschwerden seien im Rahmen der herkömmlichen Heilmitteltherapie behandelbar.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme für die begehrte Operation ab. Nach dem Gutachten des MDK bestehe keine medizinische Notwendigkeit für den Eingriff.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, bei dem Eingriff handele es sich um keine Schönheitsoperation. Die Gutachterin des MDK habe den Sachverhalt unzutreffend beurteilt. Ihre körperlichen Beschwerden, die auf das große Gewicht der Brüste zurückgingen, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Ihre Rückenbeschwerden würden durch die Resektion gelindert. Ein erheblicher Leidensdruck bestehe zudem durch die Einschnürungen des Büstenhalters im Schulterbereich.
In einer Stellungnahme hierauf teilte die MDK-Gutachterin Dr. H. M mit, auch in Würdigung des Widerspruchsvorbringens der Klägerin bei ihrer Einschätzung zu bleiben. Aus dem Widerspruch ergäben sich keine neuen medizinischen Gesichtspunkte. Es liege kein regelwidriger Zustand vor, der nur mittels der geplanten Operation behoben werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Kostenübernahme zurück. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestehe nur, wenn diese notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Gutachterin des MDK habe nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die begehrte Operation weder notwendig noch zweckmäßig sei. Eine medizinische Indikation im Sinne des Nachweises eines krankheitswertigen, abnormen Körperzustandes bestehe nicht und damit auch keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit der zum Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgebracht: Sie begehre keineswegs eine Schönheitsoperation, sondern verfolge das Ziel, ihre körperlichen Beschwerden zu lindern bzw. zu heilen. Unstreitig liege eine Vergrößerung und eine Asymmetrie der Mammae beidseitig vor. Dr. B habe dementsprechend eine medizinische Indikation für den Einriff bescheinigt. Schon im Jahre 1984 sei der Eingriff erfolgt, um den beginnenden orthopädischen Gesundheitsbeschwerden entgegenzuwirken. Nachdem es nunmehr wieder zu einer Vergrößerung gekommen sei, sei der Eingriff erneut angezeigt. Sie leide nicht nur unter orthopädischen Schmerzen, sondern auch unter ständigen Schmerzen in den Brüsten selbst, die auch durch Reibungen verursacht seien. Auch die von der breiten Narbenbildung ausgehenden Schmerzen und Beeinträchtigungen habe die Beklagte außer Betracht gelassen. Bedingt durch die Gefahr, bei einer Fehlhaltung heftige Schmerzen in den Brüsten auszulösen, befinde sie sich in ständiger Angst und Anspannung. Damit seien nicht zuletzt psychische Beschwerden eine Folge der Makromastie.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. M (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie), Dipl.-Med. V G (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe), Dr. L L (Internist) und Dipl.-Med. G G (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe) eingeholt; außerdem ist ein Reha-Entlassungsbericht über einen Aufenthalt in der B Klinik in L in der Zeit vom 21. Mai bis zum 18. Juni 2003 zu den Akten gelangt.
Sodann hat das Sozialgericht Cottbus den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. M B mit der Erstellung eines Gutachtens u. a. zu den Fragen beauftragt, zu welchen körperlichen Funktionseinschränkungen die bei der Klägerin bestehende Mammahyperplasie führe und welche konkreten medizinischen Gründe für eine Brustverkleinerungsoperation sprächen. In seinem am 1. August 2007 vorgelegten Gutachten hat der Sachverständige Dr. B die Beweisfragen im Wesentlichen dahingehend beantwortet, dass bei der Klägerin degenerative Veränderungen und eine Fehlhaltung der Brust- und der oberen Halswirbelsäule vorlägen, ein nachgewiesener Bandscheibenvorfall und Bandscheibenvorwölbungen in mehreren Etagen des cervikothorakalen Übergangs mit Neigung zu muskulären Reizzuständen in der Nacken- und Schultergürtelmuskulatur, ein Zustand nach durchgeführter Mammareduktionsplastik beidseits sowie psychosomatische Störungen, Migräne und Ohrgeräusche. Die bei der Klägerin vorliegende Brustdrüsengröße habe nicht zu körperlichen Funktionseinschränkungen geführt. Durch eine erneute Brustverkleinerungsoperation, die medizinisch nicht indiziert sei, seien die von der Klägerin angegebenen Beschwerden nicht zu bessern. Es bestehe die Notwendigkeit einer intensiven krankengymnastischen Übungstherapie sowie physikalisch-therapeutischer Maßnahmen wegen des beschriebenen Wirbelsäulenbefundes. Wegen der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf Blatt 74 bis 88 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 26. September 2007 hat das Sozialgericht Cottbus daraufhin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Brustverkleinerungsoperation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die beantragte Operation sei nämlich nicht als Maßnahme der Krankenbehandlung im Sinne des SGB V notwendig. Eine Krankheit sei ein regelwidriger Körperzustand, der Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe. In diesem Sinne sei die bei der Klägerin vorhandene Makromastie keine Krankheit. Die Brustgröße allein habe nach dem Gutachten von Dr. B nicht zu körperlichen Funktionseinschränkungen geführt. Auch die behandelnden Ärzte hätten die Operation im Wesentlichen wegen der Auswirkungen einer Brustverkleinerung auf die orthopädischen Beschwerden befürwortet. Die Klägerin sei auch nicht wegen einer äußeren Entstellung behandlungsbedürftig. Einen entstellenden regelwidrigen Körperzustand habe der Sachverständige ausdrücklich verneint. Eine Krankheit liege in Bezug auf die vom Sachverständigen diagnostizierten degenerativen Veränderungen und Fehlhaltungen der Wirbelsäule vor. Zur Behandlung dieser Leiden sei die Operation jedoch nicht notwendig. Wegen eines gegebenenfalls vorhandenen psychischen Leidens komme eine Brustverkleinerungsoperation ohnehin nicht in Betracht. Der Behandlungsanspruch bei psychischen Störungen beschränke sich auf eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie oder Psychotherapie.
Gegen das ihr am 11. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Oktober 2007 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Das erstinstanzliche Urteil werde der Sachlage nicht gerecht, weil es sich ausschließlich auf die Wertungen des Sachverständigen Dr. B stütze. Dieses Gutachten sei zum einen von unrichtigen körperlichen Voraussetzungen ausgegangen, zum anderen entspreche es nicht den Erkenntnissen aus fachärztlicher und wissenschaftlicher Sicht. Unstreitig liege eine Makromastie vor, was schon Dr. B im April 2005 festgestellt habe. Sie habe einen Bodymaßindex von 26, was eine Behandlungsbedürftigkeit indiziere. Aufgrund der fehlhaltungsbedingten Beschwerden und der psychischen Belastung sei die Notwendigkeit gegeben, den Busen um wenigstens zwei BH-Cup-Größen zu verkleinern.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. September 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Behandlung durch Übernahme der Kosten einer Mammareduktionsplastik mit Angleichung und Narbenkorrektur zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, eine Kostenübernahme für die begehrte Operation komme nicht in Betracht, weil das Leiden der Klägerin keinen Krankheitswert habe. Die Brüste selbst seien gesund. Die vorhandene Asymmetrie sei nicht entstellend. Bei der Statur der Klägerin mit einer Körpergröße von 170 cm und leichter Übergewichtigkeit sei eine Brustgröße mit einer BH-Größe von 85 D nicht disproportional zum Körper. Die Narben seien regelgerecht und unter der Kleidung verborgen. Die orthopädischen Leiden seien anderweitig therapierbar. Auch die behandelnde Gynäkologin habe empfohlen, eine allgemeine Gewichtsreduktion vorzunehmen. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. B sei tragfähig und überzeugend. Eine besondere Rechtfertigung für den Eingriff in die gesunden Brüste der Klägerin sei nicht erkennbar.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik im Rahmen einer stationären Behandlung. Die Ablehnung der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid ist deshalb nicht zu beanstanden, das erstinstanzliche Urteil ist rechtsfehlerfrei.
1. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Krankenhausbehandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V). Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 11/04, SozR 4-2500 § 13 Nr. 4; Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 9/04 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 sowie zuletzt Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, zitiert nach juris).
2. Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass bei der Klägerin, was den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit vorliegt, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt die Brustgröße und -form der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Den vorliegenden medizinischen Befunden der behandelnden Ärzte, den Ausführungen der Gutachterin des MDK und des auf gerichtliche Veranlassung tätig gewordenen Sachverständigen Dr. M. B lässt sich nicht entnehmen, dass die Form oder die Größe der Brüste oder die auf die Erstoperation zurück gehende Narbe Funktionseinschränkungen mit Krankheitswert bedingen.
Maßgeblich lässt der Senat sich bei dieser Beurteilung leiten von den Feststelllungen und Schlussfolgerungen des unabhängigen Sachverständigen Dr. M. B, dessen Sorgfalt und Qualifikation gerichtsbekannt sind; an der fachärztlichen und wissenschaftlichen Fundiertheit des Gutachtens vom 1. August 2007 besteht daher kein Zweifel. Der Senat ist auch - anders als offenbar von der Klägerin angenommen - ohne weiteres in der Lage, das Gutachten mit eigenem Sachverstand zu würdigen und die notwendigen rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Eines weiteren Gutachtens bedarf es hierfür, wie von der Klägerin angesonnen, nicht. Der Gutachter, der die Klägerin ausführlich befragt und körperlich untersucht hat, beschreibt die Mammae als gesundes Organ; durch die großen Brustdrüsenkörper beidseits bestehe keine objektivierbare gesundheitliche Beeinträchtigung. Der Gutachter sieht die Krankheiten der Klägerin - entsprechend der im Tatbestand wiedergegebenen Diagnosen - im Wesentlichen in den Rückenbeschwerden und in einer psychosomatischen Störung. Die von der Klägerin angegebenen Beschwerden seien einem psychosomatischen Beschwerdekomplex zuzuordnen, der auch Grundlage der Behandlung in der B Klinik im Jahre 2003 gewesen sei, was dem vorliegenden Reha-Entlassungsbericht entnommen werden könne. Die geklagten Schmerzen vor allem im Bereich der Halswirbelsäule gingen auf einen cervikalen Bandscheibenvorfall zurück, seien aber keinesfalls Ausdruck eines mit den Brustdrüsenkörpern zusammenhängenden Krankheitsbildes. Ebenso wenig liege ein entstellender regelwidriger Körperzustand vor. Die Erstoperation sei im Wesentlichen regelgerecht erfolgt. Die linke Brustdrüse sei gegenüber rechts etwas größer, woraus sich aber keine behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung ergebe. Eine psychische Erkrankung liege vor und sei behandlungsbedürftig; sie könne aber durch den begehrten Eingriff nicht gebessert werden. Eine besondere psychische Belastung durch das Erscheinungsbild der Klägerin könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
In Würdigung dieser Ausführungen, die in sich stimmig sind und auch auf das sonst noch bei den Akten befindliche medizinische Schriftgut eingehen, erscheinen dem Senat die vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen nachvollziehbar und zwingend. Die Größe der Mammae der Klägerin hat nicht zu körperlichen Funktionseinschränkungen geführt; durch eine Brustverkleinerungsoperation ließen sich die Beschwerden der Klägerin nicht bessern.
3. Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, zitiert nach juris).
Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein etwa ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2). Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z.B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3). Dagegen hat das Bundessozialgericht bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen (Urteil vom 9. Juni 1998, B 1 KR 18/96 R, SozR 3-2500 § 39 Nr. 5) und eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, a.a.O.). Nach eigenen Angaben trägt die Klägerin BH-Größe 85 D. Ein solcher Befund kann unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust nicht als entstellend oder krankhaft gewertet werden. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass kosmetische Defizite keine Krankheit darstellen, die Verbesserung des Aussehens mithin kein Behandlungsziel sein kann.
4. Unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beeinträchtigung ist die Beklagte ebenfalls nicht leistungspflichtig. Zwar hat auch der Sachverständige Dr. M. B bei der Klägerin eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung gesehen. Die Krankenkasse muss den Versicherten zum einen jedoch nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das seiner Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz dem Versicherten zu, teilweise selbst für seine Gesundheit zu sorgen (vgl. § 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Ist die begehrte Maßnahme wie vorliegend nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst, ist eine Operation am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen soll, deshalb nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu bewerten und derartige Maßnahmen sind der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuweisen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind daher nicht verpflichtet, zur Behebung einer psychischen Störung die Kosten für den operativen Eingriff in einen im Normbereich liegen Körperzustand zu tragen. Denn die von den Kassen geschuldete Krankenbehandlung umfasst grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen, da bei nur mittelbarer Beeinflussung einer Erkrankung Maßnahmen zur gezielten Krankheitsbekämpfung nicht mehr hinreichend von sonstigen wegen einer Krankheit notwendig werdenden Hilfen im Bereich der Lebensführung zu unterscheiden sind, für welche die Krankenversicherung nicht aufzukommen hat. Bei psychischen Störungen beschränkt sich der Heilbehandlungsanspruch demnach im Allgemeinen auf eine Behandlung mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie und schließt jedenfalls operative Eingriffe selbst dann nicht ein, wenn wegen der - krankheitsbedingten - Ablehnung einer Psychotherapie durch den Versicherten keine andere Möglichkeit der ärztlichen Hilfe besteht. Für dieses Ergebnis spricht zudem, dass die hier in Rede stehende Operation mit Rücksicht auf die verbundenen Risiken einer besonderen Rechtfertigung bedarf, weil damit nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen wird, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden soll. Eine solche Rechtfertigung ist vorliegend vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose zu verneinen: Auf Grund von medizinischen Untersuchungen gab und gibt es Hinweise darauf, dass bei Patienten, die wegen einer als Makel empfundenen körperlichen Besonderheit psychisch erkranken, operative Interventionen sogar zu einer Verschlimmerung des psychischen Krankheitsbildes führen können und daher als kontraindiziert angesehen müssen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, a.a.O.).
Schließlich lassen die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten orthopädischen Beschwerden nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste erkennen. Auch insoweit gilt, dass die Krankenbehandlung durch ärztliche Leistungen unmittelbar an der Krankheit anzusetzen hat. Das bedeutet, dass den Rückenbeschwerden der Klägerin, die offenbar degenerativer Natur sind, in erster Linie mit den Mitteln der anerkannten orthopädischen und physiotherapeutischen Therapiekonzepte begegnet werden muss. Vor diesem Hintergrund kommt die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der begehrten Brustoperation nicht in Betracht, zumal noch nicht einmal sicher ist, dass diese Behandlung geeignet wäre, die von der Klägerin beklagten orthopädischen Leiden zu lindern.
5. Angesichts der medizinischen Sachlage und des in jeder Hinsicht überzeugenden Sachverständigengutachtens von Dr. M. B war weitere Beweiserhebung von Amts wegen nicht angezeigt. Einen Beweisantrag nach §§ 103 oder 109 SGG hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht ausdrücklich gestellt. Zu Protokoll gegeben und genehmigt wurde nur der Sachantrag. Weil Beweisanträge während der mündlichen Verhandlung gerade nicht zu Protokoll erklärt wurden, ist die Verhandlungsniederschrift auch nicht unrichtig (§ 122 SGG i.V.m. § 164 ZPO), so dass der mit Schriftsatz vom 19. Juni 2008 gestellte Antrag auf Ergänzung der Verhandlungsniederschrift ins Leere geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerungsoperation).
Die 1965 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Zu Lasten der Sozialversicherung der DDR unterzog sie sich im Jahre 1984 einer ersten Mammareduktionsplastik. Am 19. April 2005 beantragte sie bei der s BKK, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (im Folgenden nur: "die Beklagte") eine Kostenübernahme für eine erneute beidseitige Mammareduktionsplastik. Zur Begründung legte sie ein Attest des Chefarztes der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Bad S, Dr. B, vom 11. April 2005 vor. Danach leide die Klägerin erneut unter einer zu schweren Brust, unter Brustschmerzen, unter Einschnürungen des Büstenhalters im Schulterbereich mit zunehmenden Rücken- und Haltungsbeschwerden sowie unter einer Einschränkung der Lebensqualität. Gegeben sei ein Zustand nach Mammareduktionsplastik beidseits mit Asymmetrie (links größer als rechts) und erneut aufgetretener Makromastie. Damit bestehe eine medizinische Indikation, die Brüste zu verkleinern bzw. anzugleichen sowie die bestehenden Narben zu korrigieren. Das zu erwartende Resektionsgewicht der rechten Brust betrage 450 g, das der linken Brust 700 g.
Die Beklagte veranlasste hierauf eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Berlin/Brandenburg e. V. (MDK). In ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 06. Juni 2005 sah die Gutachterin Dr. H. M die medizinische Voraussetzung für eine Leistungsgewährung als nicht erfüllt an. Es liege eine Hypertrophie der Mammae vor. Nach der Operation im Jahre 1984 sei es im Verlauf der Jahre erneut zu einer Vergrößerung der Mammae gekommen. Zudem bestehe eine leichte Asymmetrie. Eine Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Körperbau und Größe und Gewicht der Mammae sei nicht festzustellen. Ein pathologischer Befund im Bereich der Mammae sei nicht mitgeteilt. Die Indikation für die beantragte Operation zur Narbenkorrektur könne nicht bestätigt werden. Funktionelle Einschränkungen in Folge der Narben bestünden nicht. Die angegebenen HWS-Beschwerden seien im Rahmen der herkömmlichen Heilmitteltherapie behandelbar.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme für die begehrte Operation ab. Nach dem Gutachten des MDK bestehe keine medizinische Notwendigkeit für den Eingriff.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, bei dem Eingriff handele es sich um keine Schönheitsoperation. Die Gutachterin des MDK habe den Sachverhalt unzutreffend beurteilt. Ihre körperlichen Beschwerden, die auf das große Gewicht der Brüste zurückgingen, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Ihre Rückenbeschwerden würden durch die Resektion gelindert. Ein erheblicher Leidensdruck bestehe zudem durch die Einschnürungen des Büstenhalters im Schulterbereich.
In einer Stellungnahme hierauf teilte die MDK-Gutachterin Dr. H. M mit, auch in Würdigung des Widerspruchsvorbringens der Klägerin bei ihrer Einschätzung zu bleiben. Aus dem Widerspruch ergäben sich keine neuen medizinischen Gesichtspunkte. Es liege kein regelwidriger Zustand vor, der nur mittels der geplanten Operation behoben werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Kostenübernahme zurück. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestehe nur, wenn diese notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Gutachterin des MDK habe nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die begehrte Operation weder notwendig noch zweckmäßig sei. Eine medizinische Indikation im Sinne des Nachweises eines krankheitswertigen, abnormen Körperzustandes bestehe nicht und damit auch keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit der zum Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgebracht: Sie begehre keineswegs eine Schönheitsoperation, sondern verfolge das Ziel, ihre körperlichen Beschwerden zu lindern bzw. zu heilen. Unstreitig liege eine Vergrößerung und eine Asymmetrie der Mammae beidseitig vor. Dr. B habe dementsprechend eine medizinische Indikation für den Einriff bescheinigt. Schon im Jahre 1984 sei der Eingriff erfolgt, um den beginnenden orthopädischen Gesundheitsbeschwerden entgegenzuwirken. Nachdem es nunmehr wieder zu einer Vergrößerung gekommen sei, sei der Eingriff erneut angezeigt. Sie leide nicht nur unter orthopädischen Schmerzen, sondern auch unter ständigen Schmerzen in den Brüsten selbst, die auch durch Reibungen verursacht seien. Auch die von der breiten Narbenbildung ausgehenden Schmerzen und Beeinträchtigungen habe die Beklagte außer Betracht gelassen. Bedingt durch die Gefahr, bei einer Fehlhaltung heftige Schmerzen in den Brüsten auszulösen, befinde sie sich in ständiger Angst und Anspannung. Damit seien nicht zuletzt psychische Beschwerden eine Folge der Makromastie.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. M (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie), Dipl.-Med. V G (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe), Dr. L L (Internist) und Dipl.-Med. G G (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe) eingeholt; außerdem ist ein Reha-Entlassungsbericht über einen Aufenthalt in der B Klinik in L in der Zeit vom 21. Mai bis zum 18. Juni 2003 zu den Akten gelangt.
Sodann hat das Sozialgericht Cottbus den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. M B mit der Erstellung eines Gutachtens u. a. zu den Fragen beauftragt, zu welchen körperlichen Funktionseinschränkungen die bei der Klägerin bestehende Mammahyperplasie führe und welche konkreten medizinischen Gründe für eine Brustverkleinerungsoperation sprächen. In seinem am 1. August 2007 vorgelegten Gutachten hat der Sachverständige Dr. B die Beweisfragen im Wesentlichen dahingehend beantwortet, dass bei der Klägerin degenerative Veränderungen und eine Fehlhaltung der Brust- und der oberen Halswirbelsäule vorlägen, ein nachgewiesener Bandscheibenvorfall und Bandscheibenvorwölbungen in mehreren Etagen des cervikothorakalen Übergangs mit Neigung zu muskulären Reizzuständen in der Nacken- und Schultergürtelmuskulatur, ein Zustand nach durchgeführter Mammareduktionsplastik beidseits sowie psychosomatische Störungen, Migräne und Ohrgeräusche. Die bei der Klägerin vorliegende Brustdrüsengröße habe nicht zu körperlichen Funktionseinschränkungen geführt. Durch eine erneute Brustverkleinerungsoperation, die medizinisch nicht indiziert sei, seien die von der Klägerin angegebenen Beschwerden nicht zu bessern. Es bestehe die Notwendigkeit einer intensiven krankengymnastischen Übungstherapie sowie physikalisch-therapeutischer Maßnahmen wegen des beschriebenen Wirbelsäulenbefundes. Wegen der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf Blatt 74 bis 88 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 26. September 2007 hat das Sozialgericht Cottbus daraufhin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Brustverkleinerungsoperation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die beantragte Operation sei nämlich nicht als Maßnahme der Krankenbehandlung im Sinne des SGB V notwendig. Eine Krankheit sei ein regelwidriger Körperzustand, der Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe. In diesem Sinne sei die bei der Klägerin vorhandene Makromastie keine Krankheit. Die Brustgröße allein habe nach dem Gutachten von Dr. B nicht zu körperlichen Funktionseinschränkungen geführt. Auch die behandelnden Ärzte hätten die Operation im Wesentlichen wegen der Auswirkungen einer Brustverkleinerung auf die orthopädischen Beschwerden befürwortet. Die Klägerin sei auch nicht wegen einer äußeren Entstellung behandlungsbedürftig. Einen entstellenden regelwidrigen Körperzustand habe der Sachverständige ausdrücklich verneint. Eine Krankheit liege in Bezug auf die vom Sachverständigen diagnostizierten degenerativen Veränderungen und Fehlhaltungen der Wirbelsäule vor. Zur Behandlung dieser Leiden sei die Operation jedoch nicht notwendig. Wegen eines gegebenenfalls vorhandenen psychischen Leidens komme eine Brustverkleinerungsoperation ohnehin nicht in Betracht. Der Behandlungsanspruch bei psychischen Störungen beschränke sich auf eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie oder Psychotherapie.
Gegen das ihr am 11. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Oktober 2007 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Das erstinstanzliche Urteil werde der Sachlage nicht gerecht, weil es sich ausschließlich auf die Wertungen des Sachverständigen Dr. B stütze. Dieses Gutachten sei zum einen von unrichtigen körperlichen Voraussetzungen ausgegangen, zum anderen entspreche es nicht den Erkenntnissen aus fachärztlicher und wissenschaftlicher Sicht. Unstreitig liege eine Makromastie vor, was schon Dr. B im April 2005 festgestellt habe. Sie habe einen Bodymaßindex von 26, was eine Behandlungsbedürftigkeit indiziere. Aufgrund der fehlhaltungsbedingten Beschwerden und der psychischen Belastung sei die Notwendigkeit gegeben, den Busen um wenigstens zwei BH-Cup-Größen zu verkleinern.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. September 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Behandlung durch Übernahme der Kosten einer Mammareduktionsplastik mit Angleichung und Narbenkorrektur zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, eine Kostenübernahme für die begehrte Operation komme nicht in Betracht, weil das Leiden der Klägerin keinen Krankheitswert habe. Die Brüste selbst seien gesund. Die vorhandene Asymmetrie sei nicht entstellend. Bei der Statur der Klägerin mit einer Körpergröße von 170 cm und leichter Übergewichtigkeit sei eine Brustgröße mit einer BH-Größe von 85 D nicht disproportional zum Körper. Die Narben seien regelgerecht und unter der Kleidung verborgen. Die orthopädischen Leiden seien anderweitig therapierbar. Auch die behandelnde Gynäkologin habe empfohlen, eine allgemeine Gewichtsreduktion vorzunehmen. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. B sei tragfähig und überzeugend. Eine besondere Rechtfertigung für den Eingriff in die gesunden Brüste der Klägerin sei nicht erkennbar.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik im Rahmen einer stationären Behandlung. Die Ablehnung der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid ist deshalb nicht zu beanstanden, das erstinstanzliche Urteil ist rechtsfehlerfrei.
1. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Krankenhausbehandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V). Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 11/04, SozR 4-2500 § 13 Nr. 4; Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 9/04 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 sowie zuletzt Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, zitiert nach juris).
2. Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass bei der Klägerin, was den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit vorliegt, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt die Brustgröße und -form der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Den vorliegenden medizinischen Befunden der behandelnden Ärzte, den Ausführungen der Gutachterin des MDK und des auf gerichtliche Veranlassung tätig gewordenen Sachverständigen Dr. M. B lässt sich nicht entnehmen, dass die Form oder die Größe der Brüste oder die auf die Erstoperation zurück gehende Narbe Funktionseinschränkungen mit Krankheitswert bedingen.
Maßgeblich lässt der Senat sich bei dieser Beurteilung leiten von den Feststelllungen und Schlussfolgerungen des unabhängigen Sachverständigen Dr. M. B, dessen Sorgfalt und Qualifikation gerichtsbekannt sind; an der fachärztlichen und wissenschaftlichen Fundiertheit des Gutachtens vom 1. August 2007 besteht daher kein Zweifel. Der Senat ist auch - anders als offenbar von der Klägerin angenommen - ohne weiteres in der Lage, das Gutachten mit eigenem Sachverstand zu würdigen und die notwendigen rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Eines weiteren Gutachtens bedarf es hierfür, wie von der Klägerin angesonnen, nicht. Der Gutachter, der die Klägerin ausführlich befragt und körperlich untersucht hat, beschreibt die Mammae als gesundes Organ; durch die großen Brustdrüsenkörper beidseits bestehe keine objektivierbare gesundheitliche Beeinträchtigung. Der Gutachter sieht die Krankheiten der Klägerin - entsprechend der im Tatbestand wiedergegebenen Diagnosen - im Wesentlichen in den Rückenbeschwerden und in einer psychosomatischen Störung. Die von der Klägerin angegebenen Beschwerden seien einem psychosomatischen Beschwerdekomplex zuzuordnen, der auch Grundlage der Behandlung in der B Klinik im Jahre 2003 gewesen sei, was dem vorliegenden Reha-Entlassungsbericht entnommen werden könne. Die geklagten Schmerzen vor allem im Bereich der Halswirbelsäule gingen auf einen cervikalen Bandscheibenvorfall zurück, seien aber keinesfalls Ausdruck eines mit den Brustdrüsenkörpern zusammenhängenden Krankheitsbildes. Ebenso wenig liege ein entstellender regelwidriger Körperzustand vor. Die Erstoperation sei im Wesentlichen regelgerecht erfolgt. Die linke Brustdrüse sei gegenüber rechts etwas größer, woraus sich aber keine behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung ergebe. Eine psychische Erkrankung liege vor und sei behandlungsbedürftig; sie könne aber durch den begehrten Eingriff nicht gebessert werden. Eine besondere psychische Belastung durch das Erscheinungsbild der Klägerin könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
In Würdigung dieser Ausführungen, die in sich stimmig sind und auch auf das sonst noch bei den Akten befindliche medizinische Schriftgut eingehen, erscheinen dem Senat die vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen nachvollziehbar und zwingend. Die Größe der Mammae der Klägerin hat nicht zu körperlichen Funktionseinschränkungen geführt; durch eine Brustverkleinerungsoperation ließen sich die Beschwerden der Klägerin nicht bessern.
3. Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, zitiert nach juris).
Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein etwa ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2). Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z.B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3). Dagegen hat das Bundessozialgericht bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen (Urteil vom 9. Juni 1998, B 1 KR 18/96 R, SozR 3-2500 § 39 Nr. 5) und eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, a.a.O.). Nach eigenen Angaben trägt die Klägerin BH-Größe 85 D. Ein solcher Befund kann unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust nicht als entstellend oder krankhaft gewertet werden. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass kosmetische Defizite keine Krankheit darstellen, die Verbesserung des Aussehens mithin kein Behandlungsziel sein kann.
4. Unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beeinträchtigung ist die Beklagte ebenfalls nicht leistungspflichtig. Zwar hat auch der Sachverständige Dr. M. B bei der Klägerin eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung gesehen. Die Krankenkasse muss den Versicherten zum einen jedoch nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das seiner Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz dem Versicherten zu, teilweise selbst für seine Gesundheit zu sorgen (vgl. § 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Ist die begehrte Maßnahme wie vorliegend nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst, ist eine Operation am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen soll, deshalb nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu bewerten und derartige Maßnahmen sind der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuweisen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind daher nicht verpflichtet, zur Behebung einer psychischen Störung die Kosten für den operativen Eingriff in einen im Normbereich liegen Körperzustand zu tragen. Denn die von den Kassen geschuldete Krankenbehandlung umfasst grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen, da bei nur mittelbarer Beeinflussung einer Erkrankung Maßnahmen zur gezielten Krankheitsbekämpfung nicht mehr hinreichend von sonstigen wegen einer Krankheit notwendig werdenden Hilfen im Bereich der Lebensführung zu unterscheiden sind, für welche die Krankenversicherung nicht aufzukommen hat. Bei psychischen Störungen beschränkt sich der Heilbehandlungsanspruch demnach im Allgemeinen auf eine Behandlung mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie und schließt jedenfalls operative Eingriffe selbst dann nicht ein, wenn wegen der - krankheitsbedingten - Ablehnung einer Psychotherapie durch den Versicherten keine andere Möglichkeit der ärztlichen Hilfe besteht. Für dieses Ergebnis spricht zudem, dass die hier in Rede stehende Operation mit Rücksicht auf die verbundenen Risiken einer besonderen Rechtfertigung bedarf, weil damit nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen wird, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden soll. Eine solche Rechtfertigung ist vorliegend vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose zu verneinen: Auf Grund von medizinischen Untersuchungen gab und gibt es Hinweise darauf, dass bei Patienten, die wegen einer als Makel empfundenen körperlichen Besonderheit psychisch erkranken, operative Interventionen sogar zu einer Verschlimmerung des psychischen Krankheitsbildes führen können und daher als kontraindiziert angesehen müssen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, a.a.O.).
Schließlich lassen die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten orthopädischen Beschwerden nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste erkennen. Auch insoweit gilt, dass die Krankenbehandlung durch ärztliche Leistungen unmittelbar an der Krankheit anzusetzen hat. Das bedeutet, dass den Rückenbeschwerden der Klägerin, die offenbar degenerativer Natur sind, in erster Linie mit den Mitteln der anerkannten orthopädischen und physiotherapeutischen Therapiekonzepte begegnet werden muss. Vor diesem Hintergrund kommt die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der begehrten Brustoperation nicht in Betracht, zumal noch nicht einmal sicher ist, dass diese Behandlung geeignet wäre, die von der Klägerin beklagten orthopädischen Leiden zu lindern.
5. Angesichts der medizinischen Sachlage und des in jeder Hinsicht überzeugenden Sachverständigengutachtens von Dr. M. B war weitere Beweiserhebung von Amts wegen nicht angezeigt. Einen Beweisantrag nach §§ 103 oder 109 SGG hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht ausdrücklich gestellt. Zu Protokoll gegeben und genehmigt wurde nur der Sachantrag. Weil Beweisanträge während der mündlichen Verhandlung gerade nicht zu Protokoll erklärt wurden, ist die Verhandlungsniederschrift auch nicht unrichtig (§ 122 SGG i.V.m. § 164 ZPO), so dass der mit Schriftsatz vom 19. Juni 2008 gestellte Antrag auf Ergänzung der Verhandlungsniederschrift ins Leere geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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