Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 9 SB 57/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 132/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam abgeändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 11. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2002 verurteilt, einen GdB von 40 ab 17. November 2000 zuzuerkennen. Der Beklagte hat dem Kläger ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 70 sowie des Merkzeichens "G" (erhebliche Gehbehinderung).
Der 1941 geborene Kläger beantragte am 17. November 2000 die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Der Beklagte forderte einen für die Landesversicherungsanstalt (LVA) Brandenburg erstellten Entlassungsbericht der Reha Klinik G über eine Behandlung des Klägers in der Zeit vom 26. April bis 7. Juni 2000 an, in dem als Diagnosen vermerkt sind: Somatisierungsstörung, Adipositas und koronare Herzkrankheit (KHK), derzeit erscheinungsfrei. Unter anderem zum Leistungsbild ist ausgeführt, dass die Befunde und Beobachtungen teilweise augenfällig diskrepant zu den Selbstangaben des Klägers gewesen seien. Der Beklagte holte Be-fundberichte der behandelnden Ärzte sowie eine versorgungsärztliche Stellungnahme ein und stellte durch Bescheid durch 11. April 2001 einen Gesamt-GdB von 30 wegen einer Funktionsminderung der Wirbelsäule mit chronischem Schmerzsyndrom fest. Die beantragten Merkzeichen "G" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) lägen nicht vor. Der Klä-ger erhob hiergegen Widerspruch, mit dem er auf Schmerzen im rechten Schultergelenk, Probleme mit den Füßen, einen Schaden im rechten Oberschenkel und ständige Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule verwies; er übersandte Befunde und Laborberichte. Der Beklagte forder-te Unterlagen der LVA Brandenburg aus dem Rentenverfahren des Klägers an und wies den Widerspruch nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2002 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte und sodann ein Gutachten durch Prof. Dr. K, St. JKrankenhaus , vom 3. April 2003 eingeholt. Dieser führte aus, dass beim Kläger ein schweres degeneratives Wirbelsäulenleiden mit Schwerpunkt in der Halswirbelsäule und ein komplexes Schmerzsyndrom mit schubförmigem Verlauf auf dem Boden einer chronischen Neuroborreliose des Stadiums III vorlägen. Wegen des Schmerzsyndroms werde für die Zeit von November 2000 bis März 2002 ein GdB von 30, nachfolgend mit 10 empfohlen. Eine aktuelle Festlegung des GdB von neurologischer Seite sei nicht sinnvoll, weil es sich im Moment um eine behandlungsbedürftige Exazerbation handele; ein Therapieerfolg bleibe abzuwarten.
Das Sozialgericht hat sodann durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F ein weiteres Gutachten eingeholt. Dieser führte am 5. Oktober 2004 aus, dass der Gesamt-GdB mit 70 zu bemessen sei. Die Einzel-GdB bezeichnete er mit "70 Grad" für eine chronische Schmerz-störung im Stadium III nach Borrelieninfektion, 70 für ein ängstlich-depressives Syndrom mit zahlreichen Somatisierungen und jeweils 20 für ein Karpaltunnelsyndrom, ein Tarsaltunnelsyndrom, eine Neuropathie im Medianus- und Ulnarisbereich beidseits sowie eine Neuropathie im Bereich des Nervus tibialis und peronaeus beidseits. Der Zustand bestehe seit mindestens November 2000. In einer Rückäußerung vom 30. Juni 2005 bestätigte der Gutachter diese Fest-stellungen und führte im Übrigen aus, dass auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" vorlägen.
Das Sozialgericht Potsdam hat im Termin vom 27. April 2006 Dr. F zu seinem Gutachten gehört, den Beklagten durch Urteil ohne Rechtsmittelbelehrung verurteilt, ab 17. November 2000 einen Gesamt-GdB von 50 zu bewilligen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der von Dr. F für die Neuroborreliose vorgeschlagene GdB von 70 sei als überhöht anzusehen. Denn die vom Gutachter beschriebene starke Schmerzhaftigkeit könne nicht mit schweren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gleichgesetzt werden. Die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Neuroborreliose mit chronischer Schmerzsymptomatik und psychosomatischer Störung rechtfertigten lediglich einen Einzel-GdB von 40, der aufgrund der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30 auf insge-samt 50 festzusetzen sei. Diese Beeinträchtigungen hätten bei Antragstellung am 17. November 2000 vorgelegen. Das Merkzeichen "G" sei nicht zuzuerkennen, da der GdB für die orthopädischen Leiden insgesamt lediglich 30 betrage und auch ansonsten keine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit vorliege.
Gegen dieses am 19. Mai 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am Mittwoch, dem 21. Juni 2006 eingegangene Berufung des Klägers; der Beklagte hat im Termin vom 19. Februar 2008 Anschlussberufung eingelegt. Der Kläger verweist auf die Ausführungen des Gutachters Dr. F. Dieser könne die Erkrankung des Nervensystems aufgrund der Borreliose zutreffender beurteilen als ein Orthopäde. Es sei auch sehr wohl von einer somatischen Ursache des Schmerzempfindens auszugehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. April 2006 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 11. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen "G" zuzuerkennen und die Anschlussberufung
zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. April 2006 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als ein GdB von mehr als 40 erstrebt wird.
Der Beklagte ist nach Beweiserhebung des Senates der Auffassung, dass Art und Ausmaß der festgestellten Behinderung mit dem GdB von 40 zutreffend bewertet seien.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. F und Dr. L sowie ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. T vom 19. Juli 2007 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger folgende GdB-relevante Diagnosen beständen:
- Chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Prof. Gerbershagen mit hochgradigem Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung/Somatisierungsstörung (Einzel-GdB 20) - Zustand nach Neuroborreliose Stadium III mit Radikulopathie und Arthralgien (20) - Pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom bei kernspintomographisch gesicher-tem Bandscheibenvorfall in der L4/L5 und L5/S1 Etage, mäßigen degenerativen Veränderungen, muskulärer Dysbalance und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen, pseudoradikuläres Halswirbelsäulensyndrom mit mäßigen degenerativen Veränderungen und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen; chronisches lokales Brustwirbelsäulensyndrom bei muskulärer Dysbalance und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen (20) - Initiale Arthrose des rechten Ellenbogengelenkes mit partieller Symptomatik einer Epikondylophatia humeri radialis und leichten Funktionsstörungen (10) - Leichter bis mäßiger Senk-/Spreizfuß beidseits mit leichtem Hallux valgus und deutlichem Hallux rigidus – leichte Funktionsstörungen (10) - Karpal- und Tarsaltunnelsyndrom (unter 10).
Das Schmerzchronifizierungsstadium III nach Prof. Gerbershagen möge für therapeutische Zwecke anwendbar sein, spiegele jedoch oft nicht das tatsächliche Leistungsvermögen der Patienten wieder; so liege auch hier keine wesentliche Einschränkung des Restleistungsvermögens vor. Für die Neuroborreliose mit rezidivierenden Arthralgien und der von Prof. Dr. K angegebenen Radikulopathie sei kein höherer GdB festzustellen, weil vom Kläger keine brachialgie- und ischialgieformen Schmerzausstrahlungen angegeben worden und Nervenwurzelreizerscheinungen objektiv nicht feststellbar gewesen seien. Auch radikulär bedingte motorische Ausfälle hätten nicht bestanden. Der Gesamt-GdB betrage 50. Der Kläger sei in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich und andere Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden, zurückzulegen. Die vom Kläger angegebene maximale Gehstrecke von 200 Meter sei nicht nachzuvollziehen. Der Kläger sei in der Lage, in Urlaubsorten über 30 Minuten spazieren zu gehen, seinen Hund auszu-führen und täglich 30 bis 45 Minuten im Jagdrevier spazieren zu gehen. Die Lendenwirbelsäulenerkrankung dürfte ihn in seinem Gehvermögen nicht wesentlich beeinträchtigen. Kurze Pausen, die intermittierend erforderlich sein könnten, stellten keine wesentliche Einschränkung des Gehvermögens dar. Im Übrigen sei die Muskulatur an den Ober- und Unterschenkeln des Klägers dem Alter und der Konstitution entsprechend ausgebildet bei seitengleicher Fußbeschwielung; von einer permanenten Minderung der Gehfähigkeit sei damit sicherlich nicht
auszugehen. Der GdB für die Lendenwirbelsäule mit den unteren Gliedmaßen dürfte maximal 30 betragen. Den Ausführungen des Dr. F könne nicht gefolgt werden. Dieser stütze sich überwiegend auf die Schmerzschilderung und die subjektiven Angaben des Klägers, die jedoch nicht das Fundament für eine GdB-Beurteilung bilden könnten. So stelle Dr. F fest, dass dem Kläger das Laufen fast unmöglich sei; dies sei angesichts der durchschnittlichen Beschwielung der Fußsohlen nicht nachvollziehbar. Im gesamten Gutachten fehlten wichtige Angaben zur Neutral-Null-Methode. Zudem berichte Dr. F über eine multifaktorielle multimorbide Ursache für die Leiden des Klägers; multimorbid sei der Kläger jedoch sicherlich nicht. Dr. F berufe sich auf das biopsychosoziale Krankheitsmodell; es sei seinem Gutachten jedoch nicht zu entnehmen, welchen durchschnittlichen Tagesablauf der Kläger bestreite, welche Aktivitäten er entwickle und welche Art der Partizipation der Kläger in der Gesellschaft aufweise bzw. nicht aufweise; das Berufen auf dieses Krankheitsmodell allein reiche nicht aus. Unabhängig davon, ob die Somatisierungsstörung vor der Neuroborreliose bestanden habe oder nicht sei zu konstatieren, dass letztere in den letzten Jahren keine nennenswerten Auswirkungen auf die Aktivität und Teilhabe des Klägers gehabt habe.
Den im Termin vom 19. Februar 2008 gestellten Antrag, Dr.K wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat der Senat mit Beschluss vom selben Tage als unzulässig verworfen. Auf den mit Schreiben vom 21. März 2008 wiederholten Antrag, Dr. S nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu hören, hat der Senat dem Kläger mit Verfügung vom 4. April 2008 aufgegeben, einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.200,- Euro bis 5. Mai 2008 zu leisten. Mit Schreiben vom 28. April 2008 hat der Kläger mitgeteilt, dass er einen Kostenvorschuss nicht leisten werde, und stattdessen erneut beantragt, Prof. Dr. E zur Qualifikation des Dr. T zu befragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB oder des Merkzeichens "G". Hingegen war auf die – nach § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige – Anschlussberufung des Beklagten hin das erstinstanzliche Urteil insoweit abzuändern, als das Gericht mit diesem einen GdB von mehr als 40 zuerkannt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 3 SGB IX abgestuft als Grad der Behinderung in 10er Graden von 20 bis 100 entsprechend den Maßstäben des § 30 Abs. 1 Bundes-versorgungsgesetz in Verbindung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (derzeit Ausgabe 2008 – AHP 2008, im wesentlichen gleich lautend mit Ausgabe 2004), die als antizipierte Sachverständigengutachten normähnlichen Charakters gelten, festzustellen. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind die Einzel-GdB in Graden anzugeben. Für die Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69 Abs. 3 SGB XI die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zuein-ander zu ermitteln, wobei sich nach Nr. 19 AHP 2008 (Seite 24 ff.) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Dabei führen grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP 2008 Nr. 19, Abs. 1, 3 und 4, Seite 24 ff.).
Unter Zugrundelegung dieses Bewertungssystems sind die beim Kläger vorhandenen, aus seinen Behinderungen folgenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit einem höheren Gesamt-GdB als 40 zu bewerten. Das Gericht folgt hinsichtlich der Feststellung der Funktionsstörungen den Ausführungen des Dr. T in dessen Gutachten vom 19. Juli 2007, welchem eine umfas-sende Anamnese und Befunderhebung zu Grunde liegt und welches überzeugend und nachvollziehbar begründet ist. Insbesondere ist Dr. T zu Recht davon ausgegangenen, dass
maßgebend für die GdB-Bewertung nicht allein die klinischen Befunde, sondern auch die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen sind (Nr. 18 Abs. 1, Seite 20 AHP 2008); richtigerweise hat er deshalb das Bestehen derartiger Beeinträchtigungen aufgrund der vom Kläger geschilderten Lebensgestaltung überprüft, was Rückschlüsse auf Beeinträchtigungen zulässt. Danach war das chronische Schmerzsyndrom mit hochgradigem Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung entsprechend den AHP Nr. 26.18 ("Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen", worunter auch somatoforme Störungen zu subsumieren sind - Nr. 26.3, Seite 48 AHP 2008 - ), da es sich insoweit nur um eine leichtere Störung handelt, lediglich mit einem Einzel GdB von 20 bewerten. Die Einschränkungen aufgrund des Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndroms konnten, da hier jeweils nur leichte bis mäßige Funktionsstörungen bestehen, lediglich mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden, da ein Einzel-GdB von 30 nach Nr. 26.18 AHP 2008 (S. 116) schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bzw. mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraussetzt, die beim Kläger nicht vorliegen; die Auswirkungen der beim Kläger bestehenden leichten bis mäßigen Einschränkungen in drei Abschnitten der Wirbelsäule sind auch nicht mit mittelgradigen Auswirkungen in zwei Abschnitten vergleichbar. Die Einzel-GdB für die somatoforme Schmerzstörung und das Wirbelsäulenleiden von je 20 ergeben nach den oben aufgezeigten Grundsätzen für eine gemeinsame Bewertung nicht mehr als 30, was wiederum auch der Einschätzung des Prof. Dr. K entspricht, der wegen des Schmerzsyndroms auf der Grundlage des Wirbelsäulenleidens jedenfalls für die Zeit bis März 2002 einen GdB von 30, nachfolgend sogar nur einen von 10 empfahl. Die Neuroborreliose war, da sie in der in den AHP befindlichen GdB-Tabelle nicht aufgelistet ist, nach Nr. 26.1 Abs. 2 AHP 2008 (S. 37) in Analogie zu einer vergleichbaren Gesundheitsstörung zu bewerten. Gesundheitsstörungen ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden werden in den AHP mit einem Einzel-GdB von 10, solche mit lediglich geringen Auswirkungen und leichtgradigen Funktionseinbußen mit einem Einzel-GdB von 20-40 bewertet (so etwa bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, AHP 2008 Nr. 26.18 S. 112). Dr. T führte zur Neuroborreliose nachvollziehbar aus, dass diese in den letzten Jahren keine nennenswerten Auswirkungen auf die Aktivität und Teilhabe des Klägers gehabt habe; dies bewertete er zu Recht mit einem Einzel-GdB von 20.
Nicht nachvollziehbar war allerdings die von Dr. T vorgenommene Gesamt-GdB-Bildung. Denn nach Nr. 19 Abs. 1 AHP 2008 dürfen einzelne GdB-Werte nicht addiert werden; vielmehr ist nach Abs. 3 ausgehend von der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB zu prüfen, ob und inwieweit durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen das Ausmaß der Behinderung größer wird, wobei nach Nr. 19 Abs. 4 AHP 2008 leichte Gesundheitsstörun-gen mit einem Einzel-GdB von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen und auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 es vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Aus-maßes der Behinderung zu schließen. Aus drei Einzel-GdB von 20 und weiteren Einzel-GdB von 10 kann sich danach höchstens ein Gesamt-GdB von 40 ergeben, weshalb der durch den Beklagten eingelegten Anschlussberufung stattzugeben war.
Die Ausführungen des Dr. F konnten nicht überzeugen. Dr. T hat sich mit dessen Gutachten auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, weshalb ihm nicht gefolgt werden kann. Das Gericht schließt sich auch diesen Feststellungen des Dr. T an. Insbesondere lässt das Gutachten des Dr. F eine Begründung der in Ansatz gebrachten Einzel-GdB anhand von Funktionseinschränkungen sowie eine kritische Auseinandersetzung mit den Angaben des Klägers vermissen, die sich mit dem von ihm selbst beschriebenen üblichen Tagesablauf nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Eine derartige Auseinandersetzung wäre jedoch insbesondere auf-grund des Umstandes, dass in dem in den Akten befindlichen Entlassungsbericht der Reha Klinik G mehrfach von einer augenfälligen Diskrepanz der Selbsteinschätzung des Klägers mit erhobenen Befunden die Rede ist, angezeigt gewesen.
Aus der von Dr. F gefertigten Epikrise wird deutlich, dass nicht Funktionsbeeinträchtigungen Grundlage seiner GdB-Schätzung gewesen sind, sondern die von ihm erhobenen Diagnosen bzw. Erkrankungen im Vordergrund standen. Ein GdB wird jedoch nicht für eine Erkrankung vergeben, sondern für die aus ihr resultierenden Funktionseinschränkungen. So bleibt die Feststellung, das gesamte bioenergetische Niveau sei gesunken, weil "die Prognose der schmerz-verarbeitenden Systeme in einem Chronifizierungsgrad 3" angelangt sei, bloße Behauptung. An keiner Stelle des Gutachtens sind Funktionseinschränkungen beschrieben, die auch nur annähernd die Vergabe eines GdB von 70 rechtfertigten. Insoweit findet sich im Gutachten allenfalls eine detailreiche Beschreibung der Mimik, mit der der Kläger das Untersuchungszimmer betreten hat. Allerdings unterbleibt auch hier eine kritische Hinterfragung.
Soweit der Kläger gerügt hat, Dr. T sei als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie nicht in der Lage, die Auswirkungen einer Neuroborreliose zu beurteilen, verkennt er, was Kern der erforderlichen Begutachtung sein muss. Dies ist nicht die im Übrigen unstreitige Diagnosestellung, die dem neurologischen Fachgebiet selbstverständlich näher ist und die Dr. T dem Gutachten des Dr. K entnommen hat, sondern es sind die Auswirkungen, die nach dem insoweit richtigen Gutachten des Dr. F in Gelenkschmerzen und Schmerzen im muskulären Bereich bestehen. Derartige Auswirkungen können von einem Orthopäden mit Erfahrungen im Bereich der Schmerztherapie ohne weiteres beurteilt werden. Der Beweisantrag, Prof. Dr. E zu hören, war unzuläsig, da die vom Kläger gestellte Beweisfrage, die Qualifikation des Dr. T zu überprüfen, dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist. Der sachverständige Zeuge soll nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 414 ZPO über Wahrnehmungen berichten, die er kraft besonderer Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag gemacht hat; derartige Wahrnehmungen des Prof. Dr. E sind vom Kläger nicht behauptet oder zum Beweis gestellt worden. Einen Sachverständigen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 402 ff ZPO bestellt das Gericht jedoch nur, wenn es nicht selbst über ausreichende Sachkunde verfügt (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 118 Rdnr. 11 d) m. w. N.). Über eine derartige Sachkunde verfügt das erkennende Gericht hinsichtlich der hier vom Kläger aufgeworfenen Frage jedoch aufgrund der jahrelangen Erfahrung sämtlicher Berufsrichter auf Rechtsgebieten, in denen eine medizinische Sachverhaltsermittlung in der überwiegenden Zahl der Fälle zu erfolgen hat. Weiter erfolgt nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen durch das Pro-zessgericht. Die Auswahl des Sachverständigen steht im freien Ermessen des Gerichts und ist als Teil des Beweisbeschlusses unanfechtbar (BSG, Urteil vom 03.10.1989, Az. 1 BA 55/88, zitiert nach juris). So ist Gericht nicht gehalten, Ärzte als sachverständige Zeugen zu vernehmen, wenn dadurch dieses gerichtliche Bestimmungsrecht unterlaufen würde (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 26.01.2000, Az. B 3 U 100/99, VersR 2001, 249). Ob ein Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann, hat schließlich nach § 407 a ZPO der Sachverständige unverzüglich zu prüfen; Dr. T sah sich ausweislich seiner Beantwortung der Beweisfrage 7 in der Lage, eine abschließende Beurteilung der Beweisfragen abzugeben.
Der Antrag des Klägers, die von ihm nach § 109 SGG benannten Ärzte zu hören, brauchte nicht weiter verfolgt zu werden, da der Kläger die Zahlung des nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG angeforderten Kostenvorschusses abgelehnt hat.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Insoweit wird gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen, denen gefolgt wird. Die Anhaltspunkte geben als antizipierte Sachverständigengutachten an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein behinderter Mensch in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die Anhaltspunkte dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von all diesen Faktoren filtern die AHP all jene heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungs-fähigkeit des Schwerbehinderten nicht in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder in Folge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 13. August 1997, Az. RVs , SozR 3-3870 § 60 Nr. 2).
Die Voraussetzungen für eine erhebliche Gehbehinderung sind nach Nr. 30 Abs. 3 der AHP 2008 (S. 138) erfüllt, wenn Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lenden-wirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, oder bei Behinderungen der unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50, die sich besonders ungünstig auf die Gehfähigkeit auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es nach den ausdrücklichen Vorgaben der Anhaltspunkte "entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an" (AHP 2008, Nr. 30 Abs. 3). Der Einzel-GdB für die unteren Gliedmaßen und die LWS des Klägers liegt nach Dr. T bei maximal 30 (Seite 35 des Gutachtens); zudem beschrieb dieser lediglich eine leichte Einschränkung des Geh- und Stehvermögens. Zweifel hieran bestanden nach den umfassenden Beschreibungen in dem Gutachten nicht, zumal im Entlassungsbericht der Reha Klinik G ein unauffälliges Gangbild beschrieben ist.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 70 sowie des Merkzeichens "G" (erhebliche Gehbehinderung).
Der 1941 geborene Kläger beantragte am 17. November 2000 die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Der Beklagte forderte einen für die Landesversicherungsanstalt (LVA) Brandenburg erstellten Entlassungsbericht der Reha Klinik G über eine Behandlung des Klägers in der Zeit vom 26. April bis 7. Juni 2000 an, in dem als Diagnosen vermerkt sind: Somatisierungsstörung, Adipositas und koronare Herzkrankheit (KHK), derzeit erscheinungsfrei. Unter anderem zum Leistungsbild ist ausgeführt, dass die Befunde und Beobachtungen teilweise augenfällig diskrepant zu den Selbstangaben des Klägers gewesen seien. Der Beklagte holte Be-fundberichte der behandelnden Ärzte sowie eine versorgungsärztliche Stellungnahme ein und stellte durch Bescheid durch 11. April 2001 einen Gesamt-GdB von 30 wegen einer Funktionsminderung der Wirbelsäule mit chronischem Schmerzsyndrom fest. Die beantragten Merkzeichen "G" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) lägen nicht vor. Der Klä-ger erhob hiergegen Widerspruch, mit dem er auf Schmerzen im rechten Schultergelenk, Probleme mit den Füßen, einen Schaden im rechten Oberschenkel und ständige Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule verwies; er übersandte Befunde und Laborberichte. Der Beklagte forder-te Unterlagen der LVA Brandenburg aus dem Rentenverfahren des Klägers an und wies den Widerspruch nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2002 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte und sodann ein Gutachten durch Prof. Dr. K, St. JKrankenhaus , vom 3. April 2003 eingeholt. Dieser führte aus, dass beim Kläger ein schweres degeneratives Wirbelsäulenleiden mit Schwerpunkt in der Halswirbelsäule und ein komplexes Schmerzsyndrom mit schubförmigem Verlauf auf dem Boden einer chronischen Neuroborreliose des Stadiums III vorlägen. Wegen des Schmerzsyndroms werde für die Zeit von November 2000 bis März 2002 ein GdB von 30, nachfolgend mit 10 empfohlen. Eine aktuelle Festlegung des GdB von neurologischer Seite sei nicht sinnvoll, weil es sich im Moment um eine behandlungsbedürftige Exazerbation handele; ein Therapieerfolg bleibe abzuwarten.
Das Sozialgericht hat sodann durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F ein weiteres Gutachten eingeholt. Dieser führte am 5. Oktober 2004 aus, dass der Gesamt-GdB mit 70 zu bemessen sei. Die Einzel-GdB bezeichnete er mit "70 Grad" für eine chronische Schmerz-störung im Stadium III nach Borrelieninfektion, 70 für ein ängstlich-depressives Syndrom mit zahlreichen Somatisierungen und jeweils 20 für ein Karpaltunnelsyndrom, ein Tarsaltunnelsyndrom, eine Neuropathie im Medianus- und Ulnarisbereich beidseits sowie eine Neuropathie im Bereich des Nervus tibialis und peronaeus beidseits. Der Zustand bestehe seit mindestens November 2000. In einer Rückäußerung vom 30. Juni 2005 bestätigte der Gutachter diese Fest-stellungen und führte im Übrigen aus, dass auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" vorlägen.
Das Sozialgericht Potsdam hat im Termin vom 27. April 2006 Dr. F zu seinem Gutachten gehört, den Beklagten durch Urteil ohne Rechtsmittelbelehrung verurteilt, ab 17. November 2000 einen Gesamt-GdB von 50 zu bewilligen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der von Dr. F für die Neuroborreliose vorgeschlagene GdB von 70 sei als überhöht anzusehen. Denn die vom Gutachter beschriebene starke Schmerzhaftigkeit könne nicht mit schweren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gleichgesetzt werden. Die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Neuroborreliose mit chronischer Schmerzsymptomatik und psychosomatischer Störung rechtfertigten lediglich einen Einzel-GdB von 40, der aufgrund der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30 auf insge-samt 50 festzusetzen sei. Diese Beeinträchtigungen hätten bei Antragstellung am 17. November 2000 vorgelegen. Das Merkzeichen "G" sei nicht zuzuerkennen, da der GdB für die orthopädischen Leiden insgesamt lediglich 30 betrage und auch ansonsten keine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit vorliege.
Gegen dieses am 19. Mai 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am Mittwoch, dem 21. Juni 2006 eingegangene Berufung des Klägers; der Beklagte hat im Termin vom 19. Februar 2008 Anschlussberufung eingelegt. Der Kläger verweist auf die Ausführungen des Gutachters Dr. F. Dieser könne die Erkrankung des Nervensystems aufgrund der Borreliose zutreffender beurteilen als ein Orthopäde. Es sei auch sehr wohl von einer somatischen Ursache des Schmerzempfindens auszugehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. April 2006 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 11. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen "G" zuzuerkennen und die Anschlussberufung
zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. April 2006 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als ein GdB von mehr als 40 erstrebt wird.
Der Beklagte ist nach Beweiserhebung des Senates der Auffassung, dass Art und Ausmaß der festgestellten Behinderung mit dem GdB von 40 zutreffend bewertet seien.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. F und Dr. L sowie ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. T vom 19. Juli 2007 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger folgende GdB-relevante Diagnosen beständen:
- Chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Prof. Gerbershagen mit hochgradigem Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung/Somatisierungsstörung (Einzel-GdB 20) - Zustand nach Neuroborreliose Stadium III mit Radikulopathie und Arthralgien (20) - Pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom bei kernspintomographisch gesicher-tem Bandscheibenvorfall in der L4/L5 und L5/S1 Etage, mäßigen degenerativen Veränderungen, muskulärer Dysbalance und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen, pseudoradikuläres Halswirbelsäulensyndrom mit mäßigen degenerativen Veränderungen und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen; chronisches lokales Brustwirbelsäulensyndrom bei muskulärer Dysbalance und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen (20) - Initiale Arthrose des rechten Ellenbogengelenkes mit partieller Symptomatik einer Epikondylophatia humeri radialis und leichten Funktionsstörungen (10) - Leichter bis mäßiger Senk-/Spreizfuß beidseits mit leichtem Hallux valgus und deutlichem Hallux rigidus – leichte Funktionsstörungen (10) - Karpal- und Tarsaltunnelsyndrom (unter 10).
Das Schmerzchronifizierungsstadium III nach Prof. Gerbershagen möge für therapeutische Zwecke anwendbar sein, spiegele jedoch oft nicht das tatsächliche Leistungsvermögen der Patienten wieder; so liege auch hier keine wesentliche Einschränkung des Restleistungsvermögens vor. Für die Neuroborreliose mit rezidivierenden Arthralgien und der von Prof. Dr. K angegebenen Radikulopathie sei kein höherer GdB festzustellen, weil vom Kläger keine brachialgie- und ischialgieformen Schmerzausstrahlungen angegeben worden und Nervenwurzelreizerscheinungen objektiv nicht feststellbar gewesen seien. Auch radikulär bedingte motorische Ausfälle hätten nicht bestanden. Der Gesamt-GdB betrage 50. Der Kläger sei in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich und andere Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden, zurückzulegen. Die vom Kläger angegebene maximale Gehstrecke von 200 Meter sei nicht nachzuvollziehen. Der Kläger sei in der Lage, in Urlaubsorten über 30 Minuten spazieren zu gehen, seinen Hund auszu-führen und täglich 30 bis 45 Minuten im Jagdrevier spazieren zu gehen. Die Lendenwirbelsäulenerkrankung dürfte ihn in seinem Gehvermögen nicht wesentlich beeinträchtigen. Kurze Pausen, die intermittierend erforderlich sein könnten, stellten keine wesentliche Einschränkung des Gehvermögens dar. Im Übrigen sei die Muskulatur an den Ober- und Unterschenkeln des Klägers dem Alter und der Konstitution entsprechend ausgebildet bei seitengleicher Fußbeschwielung; von einer permanenten Minderung der Gehfähigkeit sei damit sicherlich nicht
auszugehen. Der GdB für die Lendenwirbelsäule mit den unteren Gliedmaßen dürfte maximal 30 betragen. Den Ausführungen des Dr. F könne nicht gefolgt werden. Dieser stütze sich überwiegend auf die Schmerzschilderung und die subjektiven Angaben des Klägers, die jedoch nicht das Fundament für eine GdB-Beurteilung bilden könnten. So stelle Dr. F fest, dass dem Kläger das Laufen fast unmöglich sei; dies sei angesichts der durchschnittlichen Beschwielung der Fußsohlen nicht nachvollziehbar. Im gesamten Gutachten fehlten wichtige Angaben zur Neutral-Null-Methode. Zudem berichte Dr. F über eine multifaktorielle multimorbide Ursache für die Leiden des Klägers; multimorbid sei der Kläger jedoch sicherlich nicht. Dr. F berufe sich auf das biopsychosoziale Krankheitsmodell; es sei seinem Gutachten jedoch nicht zu entnehmen, welchen durchschnittlichen Tagesablauf der Kläger bestreite, welche Aktivitäten er entwickle und welche Art der Partizipation der Kläger in der Gesellschaft aufweise bzw. nicht aufweise; das Berufen auf dieses Krankheitsmodell allein reiche nicht aus. Unabhängig davon, ob die Somatisierungsstörung vor der Neuroborreliose bestanden habe oder nicht sei zu konstatieren, dass letztere in den letzten Jahren keine nennenswerten Auswirkungen auf die Aktivität und Teilhabe des Klägers gehabt habe.
Den im Termin vom 19. Februar 2008 gestellten Antrag, Dr.K wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat der Senat mit Beschluss vom selben Tage als unzulässig verworfen. Auf den mit Schreiben vom 21. März 2008 wiederholten Antrag, Dr. S nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu hören, hat der Senat dem Kläger mit Verfügung vom 4. April 2008 aufgegeben, einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.200,- Euro bis 5. Mai 2008 zu leisten. Mit Schreiben vom 28. April 2008 hat der Kläger mitgeteilt, dass er einen Kostenvorschuss nicht leisten werde, und stattdessen erneut beantragt, Prof. Dr. E zur Qualifikation des Dr. T zu befragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB oder des Merkzeichens "G". Hingegen war auf die – nach § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige – Anschlussberufung des Beklagten hin das erstinstanzliche Urteil insoweit abzuändern, als das Gericht mit diesem einen GdB von mehr als 40 zuerkannt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 3 SGB IX abgestuft als Grad der Behinderung in 10er Graden von 20 bis 100 entsprechend den Maßstäben des § 30 Abs. 1 Bundes-versorgungsgesetz in Verbindung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (derzeit Ausgabe 2008 – AHP 2008, im wesentlichen gleich lautend mit Ausgabe 2004), die als antizipierte Sachverständigengutachten normähnlichen Charakters gelten, festzustellen. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind die Einzel-GdB in Graden anzugeben. Für die Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69 Abs. 3 SGB XI die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zuein-ander zu ermitteln, wobei sich nach Nr. 19 AHP 2008 (Seite 24 ff.) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Dabei führen grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP 2008 Nr. 19, Abs. 1, 3 und 4, Seite 24 ff.).
Unter Zugrundelegung dieses Bewertungssystems sind die beim Kläger vorhandenen, aus seinen Behinderungen folgenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit einem höheren Gesamt-GdB als 40 zu bewerten. Das Gericht folgt hinsichtlich der Feststellung der Funktionsstörungen den Ausführungen des Dr. T in dessen Gutachten vom 19. Juli 2007, welchem eine umfas-sende Anamnese und Befunderhebung zu Grunde liegt und welches überzeugend und nachvollziehbar begründet ist. Insbesondere ist Dr. T zu Recht davon ausgegangenen, dass
maßgebend für die GdB-Bewertung nicht allein die klinischen Befunde, sondern auch die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen sind (Nr. 18 Abs. 1, Seite 20 AHP 2008); richtigerweise hat er deshalb das Bestehen derartiger Beeinträchtigungen aufgrund der vom Kläger geschilderten Lebensgestaltung überprüft, was Rückschlüsse auf Beeinträchtigungen zulässt. Danach war das chronische Schmerzsyndrom mit hochgradigem Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung entsprechend den AHP Nr. 26.18 ("Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen", worunter auch somatoforme Störungen zu subsumieren sind - Nr. 26.3, Seite 48 AHP 2008 - ), da es sich insoweit nur um eine leichtere Störung handelt, lediglich mit einem Einzel GdB von 20 bewerten. Die Einschränkungen aufgrund des Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndroms konnten, da hier jeweils nur leichte bis mäßige Funktionsstörungen bestehen, lediglich mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden, da ein Einzel-GdB von 30 nach Nr. 26.18 AHP 2008 (S. 116) schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bzw. mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraussetzt, die beim Kläger nicht vorliegen; die Auswirkungen der beim Kläger bestehenden leichten bis mäßigen Einschränkungen in drei Abschnitten der Wirbelsäule sind auch nicht mit mittelgradigen Auswirkungen in zwei Abschnitten vergleichbar. Die Einzel-GdB für die somatoforme Schmerzstörung und das Wirbelsäulenleiden von je 20 ergeben nach den oben aufgezeigten Grundsätzen für eine gemeinsame Bewertung nicht mehr als 30, was wiederum auch der Einschätzung des Prof. Dr. K entspricht, der wegen des Schmerzsyndroms auf der Grundlage des Wirbelsäulenleidens jedenfalls für die Zeit bis März 2002 einen GdB von 30, nachfolgend sogar nur einen von 10 empfahl. Die Neuroborreliose war, da sie in der in den AHP befindlichen GdB-Tabelle nicht aufgelistet ist, nach Nr. 26.1 Abs. 2 AHP 2008 (S. 37) in Analogie zu einer vergleichbaren Gesundheitsstörung zu bewerten. Gesundheitsstörungen ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden werden in den AHP mit einem Einzel-GdB von 10, solche mit lediglich geringen Auswirkungen und leichtgradigen Funktionseinbußen mit einem Einzel-GdB von 20-40 bewertet (so etwa bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, AHP 2008 Nr. 26.18 S. 112). Dr. T führte zur Neuroborreliose nachvollziehbar aus, dass diese in den letzten Jahren keine nennenswerten Auswirkungen auf die Aktivität und Teilhabe des Klägers gehabt habe; dies bewertete er zu Recht mit einem Einzel-GdB von 20.
Nicht nachvollziehbar war allerdings die von Dr. T vorgenommene Gesamt-GdB-Bildung. Denn nach Nr. 19 Abs. 1 AHP 2008 dürfen einzelne GdB-Werte nicht addiert werden; vielmehr ist nach Abs. 3 ausgehend von der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB zu prüfen, ob und inwieweit durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen das Ausmaß der Behinderung größer wird, wobei nach Nr. 19 Abs. 4 AHP 2008 leichte Gesundheitsstörun-gen mit einem Einzel-GdB von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen und auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 es vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Aus-maßes der Behinderung zu schließen. Aus drei Einzel-GdB von 20 und weiteren Einzel-GdB von 10 kann sich danach höchstens ein Gesamt-GdB von 40 ergeben, weshalb der durch den Beklagten eingelegten Anschlussberufung stattzugeben war.
Die Ausführungen des Dr. F konnten nicht überzeugen. Dr. T hat sich mit dessen Gutachten auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, weshalb ihm nicht gefolgt werden kann. Das Gericht schließt sich auch diesen Feststellungen des Dr. T an. Insbesondere lässt das Gutachten des Dr. F eine Begründung der in Ansatz gebrachten Einzel-GdB anhand von Funktionseinschränkungen sowie eine kritische Auseinandersetzung mit den Angaben des Klägers vermissen, die sich mit dem von ihm selbst beschriebenen üblichen Tagesablauf nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Eine derartige Auseinandersetzung wäre jedoch insbesondere auf-grund des Umstandes, dass in dem in den Akten befindlichen Entlassungsbericht der Reha Klinik G mehrfach von einer augenfälligen Diskrepanz der Selbsteinschätzung des Klägers mit erhobenen Befunden die Rede ist, angezeigt gewesen.
Aus der von Dr. F gefertigten Epikrise wird deutlich, dass nicht Funktionsbeeinträchtigungen Grundlage seiner GdB-Schätzung gewesen sind, sondern die von ihm erhobenen Diagnosen bzw. Erkrankungen im Vordergrund standen. Ein GdB wird jedoch nicht für eine Erkrankung vergeben, sondern für die aus ihr resultierenden Funktionseinschränkungen. So bleibt die Feststellung, das gesamte bioenergetische Niveau sei gesunken, weil "die Prognose der schmerz-verarbeitenden Systeme in einem Chronifizierungsgrad 3" angelangt sei, bloße Behauptung. An keiner Stelle des Gutachtens sind Funktionseinschränkungen beschrieben, die auch nur annähernd die Vergabe eines GdB von 70 rechtfertigten. Insoweit findet sich im Gutachten allenfalls eine detailreiche Beschreibung der Mimik, mit der der Kläger das Untersuchungszimmer betreten hat. Allerdings unterbleibt auch hier eine kritische Hinterfragung.
Soweit der Kläger gerügt hat, Dr. T sei als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie nicht in der Lage, die Auswirkungen einer Neuroborreliose zu beurteilen, verkennt er, was Kern der erforderlichen Begutachtung sein muss. Dies ist nicht die im Übrigen unstreitige Diagnosestellung, die dem neurologischen Fachgebiet selbstverständlich näher ist und die Dr. T dem Gutachten des Dr. K entnommen hat, sondern es sind die Auswirkungen, die nach dem insoweit richtigen Gutachten des Dr. F in Gelenkschmerzen und Schmerzen im muskulären Bereich bestehen. Derartige Auswirkungen können von einem Orthopäden mit Erfahrungen im Bereich der Schmerztherapie ohne weiteres beurteilt werden. Der Beweisantrag, Prof. Dr. E zu hören, war unzuläsig, da die vom Kläger gestellte Beweisfrage, die Qualifikation des Dr. T zu überprüfen, dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist. Der sachverständige Zeuge soll nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 414 ZPO über Wahrnehmungen berichten, die er kraft besonderer Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag gemacht hat; derartige Wahrnehmungen des Prof. Dr. E sind vom Kläger nicht behauptet oder zum Beweis gestellt worden. Einen Sachverständigen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 402 ff ZPO bestellt das Gericht jedoch nur, wenn es nicht selbst über ausreichende Sachkunde verfügt (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 118 Rdnr. 11 d) m. w. N.). Über eine derartige Sachkunde verfügt das erkennende Gericht hinsichtlich der hier vom Kläger aufgeworfenen Frage jedoch aufgrund der jahrelangen Erfahrung sämtlicher Berufsrichter auf Rechtsgebieten, in denen eine medizinische Sachverhaltsermittlung in der überwiegenden Zahl der Fälle zu erfolgen hat. Weiter erfolgt nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen durch das Pro-zessgericht. Die Auswahl des Sachverständigen steht im freien Ermessen des Gerichts und ist als Teil des Beweisbeschlusses unanfechtbar (BSG, Urteil vom 03.10.1989, Az. 1 BA 55/88, zitiert nach juris). So ist Gericht nicht gehalten, Ärzte als sachverständige Zeugen zu vernehmen, wenn dadurch dieses gerichtliche Bestimmungsrecht unterlaufen würde (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 26.01.2000, Az. B 3 U 100/99, VersR 2001, 249). Ob ein Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann, hat schließlich nach § 407 a ZPO der Sachverständige unverzüglich zu prüfen; Dr. T sah sich ausweislich seiner Beantwortung der Beweisfrage 7 in der Lage, eine abschließende Beurteilung der Beweisfragen abzugeben.
Der Antrag des Klägers, die von ihm nach § 109 SGG benannten Ärzte zu hören, brauchte nicht weiter verfolgt zu werden, da der Kläger die Zahlung des nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG angeforderten Kostenvorschusses abgelehnt hat.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Insoweit wird gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen, denen gefolgt wird. Die Anhaltspunkte geben als antizipierte Sachverständigengutachten an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein behinderter Mensch in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die Anhaltspunkte dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von all diesen Faktoren filtern die AHP all jene heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungs-fähigkeit des Schwerbehinderten nicht in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder in Folge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 13. August 1997, Az. RVs , SozR 3-3870 § 60 Nr. 2).
Die Voraussetzungen für eine erhebliche Gehbehinderung sind nach Nr. 30 Abs. 3 der AHP 2008 (S. 138) erfüllt, wenn Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lenden-wirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, oder bei Behinderungen der unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50, die sich besonders ungünstig auf die Gehfähigkeit auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es nach den ausdrücklichen Vorgaben der Anhaltspunkte "entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an" (AHP 2008, Nr. 30 Abs. 3). Der Einzel-GdB für die unteren Gliedmaßen und die LWS des Klägers liegt nach Dr. T bei maximal 30 (Seite 35 des Gutachtens); zudem beschrieb dieser lediglich eine leichte Einschränkung des Geh- und Stehvermögens. Zweifel hieran bestanden nach den umfassenden Beschreibungen in dem Gutachten nicht, zumal im Entlassungsbericht der Reha Klinik G ein unauffälliges Gangbild beschrieben ist.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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