Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 33 AS 1563/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 B 1550/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 7. Juli 2008 wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Juni 2008 aufgehoben, soweit dem Begehren der Antragsteller stattgegeben worden ist. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird auch insoweit zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners vom 7. Juli 2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Juni 2008 ist begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei dem folgenden Sachverhalt zu Unrecht teilweise stattgegeben.
Die verheirateten Antragsteller haben ihren gemeinsamen melderechtlichen Hauptwohnsitz in B, wo sie mit Ausnahme der monatlichen Heizkosten in Höhe von 120,- EUR keine Aufwendungen für die Unterkunft tragen müssen. Während der Antragsteller zu 1) dort dauerhaft wohnt, hält sich die Antragstellerin zu 2), die seit dem Wintersemester 2004/2005 ohne Bezug von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in H studiert und dort ihren melderechtlichen Nebenwohnsitz hat, nur in der vorlesungsfreien Zeit in B auf, also an den Wochenenden und in den Semesterferien. Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellern als Bedarfsgemeinschaft zunächst ohne Einschränkungen die jeweils beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Änderungsbescheid vom 29. November 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Dezember 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 wurden die Leistungen der Antragstellerin zu 2) für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2008 nur noch als Darlehen gewährt. Auf einen Fortzahlungsantrag wurden mit Bescheid vom 28. Februar 2008 Leistungen für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 30. September 2008 gewährt, wobei die Bewilligung für die Antragstellerin zu 2) wiederum als Darlehen erfolgte und die Entscheidung ausdrücklich als vorläufig bis zur "vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage" bezeichnet wurde. Mit einem Änderungsbescheid vom 11. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 wurde die Leistungsbewilligung an die Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 30. September 2008 vollständig aufgehoben und dem Antragsteller zu 1) Leistungen für die Heizung in Höhe von 120,- EUR gewährt. Zur Begründung gab die Antragsgegnerin an, dass die Antragstellerin zu 2) als Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe und auch keine besondere Härte vorliege.
Hiergegen richtet sich der am 29. April 2008 beim Sozialgericht Potsdam zugleich mit der Klage eingegangene Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der im Sinne der Antragsteller dahingehend auszulegen ist, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 11. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin zu 2) die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu gewähren. Das Sozialgericht hat dem Antrag zu Unrecht insoweit stattgegeben, als es die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
Die nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu treffende Ermessensentscheidung geht zu Lasten der Antragsteller, deren Aussetzungsinteresse hinter das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners zurücktritt, da der angefochtene Änderungsbescheid vom 11. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 rechtmäßig ist.
Der Antragsgegner kann die angefochtene Entscheidung auf § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) stützen. Soweit danach ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, rechtswidrig ist, so darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Die Antragsteller können sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 28. Februar 2008, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 30. September 2008 gewährt wurden, enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass es sich dabei um eine vorläufige Entscheidung handle. Auch aus der Tatsache, dass die Leistungen bis zum 31. März 2008 ohne Vorbehalt bewilligt wurden, lässt sich kein Vertrauensschutz für eine Weiterbewilligung herleiten. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sollen gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II nur jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Die Leistungsvoraussetzungen sind daher spätestens bei dem nächsten Fortzahlungsantrag erneut zu prüfen. Der Hilfesuchende kann somit nicht darauf vertrauen, dass die Leistungen nach dem Ablauf des Bewilligungszeitraums weiterhin erbracht werden.
Der Bescheid vom 28. Februar 2008 war rechtswidrig, weil die Antragstellerin zu 2) nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II als Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Die Ausnahme des § 7 Abs. 6 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB II ist hier nicht einschlägig. Die Antragstellerin zu 2) hat auch keinen Anspruch aus § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, wonach in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat ausdrücklich anschließt, ist ein besonderer Härtefall dann anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Hilfebedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG-Leistungen oder Ausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werde und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender Hilfebedürftigkeit drohe. Diese Voraussetzung trägt zweierlei Rechnung: Zum einen entspricht sie dem gesetzgeberischen Willen neben den gesetzlich vorgesehenen Ausbildungshilfen über das SGB II kein weiteres Hilfesystem zu installieren. Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem SGB II muss die Ausnahme bleiben. Zum anderen gewährleistet sie den Grundsatz des Forderns. Es muss daher eine durch objektive Umstände belegbare Aussicht bestehen – nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen bereits erfüllt sind – die Ausbildung werde mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht. Unter diesen Voraussetzungen kann von einem besonderen Härtefall ausgegangen werden, wenn der Lebensunterhalt während der Ausbildung durch Förderung auf Grund von BAföG-Leistungen oder Leistungen der Berufsausbildungsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) oder anderen finanziellen Mittel – sei es Elternunterhalt, Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit oder möglicherweise bisher zu Unrecht gewährte Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts (Vertrauensschutz) – gesichert war, die nun kurz vor Abschluss der Ausbildung entfallen. Gleiches gilt für den Fall der Unterbrechung der bereits weit fortgeschrittenen und bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Erkrankung. Denkbar ist auch, dass die nicht mehr nach den Vorschriften des BAföG oder des SGB III geförderte Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (Urteile vom 6. September 2007, B 14/11b AS 28/06 R und B 14/11b AS 36/06 R, jeweils abrufbar bei der Datenbank Juris).
Nach dieser Maßgabe ist hier eine besondere Härte nicht gegeben. Das Sozialgericht hat diesen Begriff zu weit ausgelegt. Abweichend von den vom Bundessozialgericht entwickelten Gesichtspunkten fehlt es hier schon an der Aussicht, dass die Ausbildung in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht wird. Das Bundessozialgericht stellt in der von ihm gebildeten Fallgruppe des Wegfalls bisher vorhandener Mittel ersichtlich darauf ab, dass die Ausbildung kurz vor dem Abschluss stehen muss. Die Antragstellerin zu 2) kann jedoch nach einem vorgelegten Schreiben ihrer Professorin vom 12. Juni 2008 mit einem erfolgreichen Studienabschluss erst im Sommersemester 2010 rechnen. Für den Abschluss der Ausbildung werden hier also noch mindestens zwei Jahre benötigt. Darüber hinaus bietet das vorgelegte Schreiben – anders als etwa eine nachgewiesene Anmeldung zu einer Prüfung – auch keinen belastbaren Beleg dafür, dass die Ausbildung tatsächlich in dem genannten Zeitrahmen abgeschlossen wird. Zudem bestehen auch keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin zu 2) das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht. Denn es spricht nichts dagegen, dass sie auch ohne Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Deutschland eine Arbeit finden kann, wenn sie sich in dem gebotenen Umfang darum bemüht.
Schließlich ist die angefochtene Entscheidung auch im Hinblick auf das gemäß § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich eröffnete Rücknahmeermessen nicht zu beanstanden. Zwar hat hier die Antragsgegnerin weder im Änderungsbescheid noch im Widerspruchsbescheid zu erkennen gegeben, dass eine Ermessensentscheidung getroffen wurde. Dieses Vorgehen unterliegt hier jedoch keinen Bedenken, da das Ermessen der Antragsgegnerin dahingehend reduziert war, dass nur die hier angefochtene Entscheidung getroffen werden konnte. Denn stellt sich heraus, dass der Vertrauensschutz zu versagen ist und dass für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte übrig geblieben sind, ist das Ermessen der Behörde auf die Rücknahme beschränkt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5. November 1997, 9 RV 20/96; Urteil vom 13. Dezember 1994, 9 RVs 1/94, jeweils abrufbar bei der Datenbank Juris). Hier hat die Antragsgegnerin jedenfalls im Widerspruchsbescheid den Vertrauensschutz zu Recht verneint. Weitere Anhaltspunkte für eine abweichende Ermessensentscheidung sind nicht ersichtlich, zumal das materielle Fachrecht der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen der besonderen Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II eine andere Entscheidung nicht zulässt (so genanntes intendiertes Ermessen, vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. September 1992, 8 C 69/90, 8 C 71/90, abrufbar bei der Datenbank Juris).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners vom 7. Juli 2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Juni 2008 ist begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei dem folgenden Sachverhalt zu Unrecht teilweise stattgegeben.
Die verheirateten Antragsteller haben ihren gemeinsamen melderechtlichen Hauptwohnsitz in B, wo sie mit Ausnahme der monatlichen Heizkosten in Höhe von 120,- EUR keine Aufwendungen für die Unterkunft tragen müssen. Während der Antragsteller zu 1) dort dauerhaft wohnt, hält sich die Antragstellerin zu 2), die seit dem Wintersemester 2004/2005 ohne Bezug von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in H studiert und dort ihren melderechtlichen Nebenwohnsitz hat, nur in der vorlesungsfreien Zeit in B auf, also an den Wochenenden und in den Semesterferien. Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellern als Bedarfsgemeinschaft zunächst ohne Einschränkungen die jeweils beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Änderungsbescheid vom 29. November 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Dezember 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 wurden die Leistungen der Antragstellerin zu 2) für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2008 nur noch als Darlehen gewährt. Auf einen Fortzahlungsantrag wurden mit Bescheid vom 28. Februar 2008 Leistungen für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 30. September 2008 gewährt, wobei die Bewilligung für die Antragstellerin zu 2) wiederum als Darlehen erfolgte und die Entscheidung ausdrücklich als vorläufig bis zur "vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage" bezeichnet wurde. Mit einem Änderungsbescheid vom 11. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 wurde die Leistungsbewilligung an die Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 30. September 2008 vollständig aufgehoben und dem Antragsteller zu 1) Leistungen für die Heizung in Höhe von 120,- EUR gewährt. Zur Begründung gab die Antragsgegnerin an, dass die Antragstellerin zu 2) als Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe und auch keine besondere Härte vorliege.
Hiergegen richtet sich der am 29. April 2008 beim Sozialgericht Potsdam zugleich mit der Klage eingegangene Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der im Sinne der Antragsteller dahingehend auszulegen ist, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 11. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin zu 2) die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu gewähren. Das Sozialgericht hat dem Antrag zu Unrecht insoweit stattgegeben, als es die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
Die nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu treffende Ermessensentscheidung geht zu Lasten der Antragsteller, deren Aussetzungsinteresse hinter das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners zurücktritt, da der angefochtene Änderungsbescheid vom 11. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 rechtmäßig ist.
Der Antragsgegner kann die angefochtene Entscheidung auf § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) stützen. Soweit danach ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, rechtswidrig ist, so darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Die Antragsteller können sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 28. Februar 2008, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 30. September 2008 gewährt wurden, enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass es sich dabei um eine vorläufige Entscheidung handle. Auch aus der Tatsache, dass die Leistungen bis zum 31. März 2008 ohne Vorbehalt bewilligt wurden, lässt sich kein Vertrauensschutz für eine Weiterbewilligung herleiten. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sollen gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II nur jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Die Leistungsvoraussetzungen sind daher spätestens bei dem nächsten Fortzahlungsantrag erneut zu prüfen. Der Hilfesuchende kann somit nicht darauf vertrauen, dass die Leistungen nach dem Ablauf des Bewilligungszeitraums weiterhin erbracht werden.
Der Bescheid vom 28. Februar 2008 war rechtswidrig, weil die Antragstellerin zu 2) nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II als Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Die Ausnahme des § 7 Abs. 6 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB II ist hier nicht einschlägig. Die Antragstellerin zu 2) hat auch keinen Anspruch aus § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, wonach in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat ausdrücklich anschließt, ist ein besonderer Härtefall dann anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Hilfebedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG-Leistungen oder Ausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werde und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender Hilfebedürftigkeit drohe. Diese Voraussetzung trägt zweierlei Rechnung: Zum einen entspricht sie dem gesetzgeberischen Willen neben den gesetzlich vorgesehenen Ausbildungshilfen über das SGB II kein weiteres Hilfesystem zu installieren. Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem SGB II muss die Ausnahme bleiben. Zum anderen gewährleistet sie den Grundsatz des Forderns. Es muss daher eine durch objektive Umstände belegbare Aussicht bestehen – nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen bereits erfüllt sind – die Ausbildung werde mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht. Unter diesen Voraussetzungen kann von einem besonderen Härtefall ausgegangen werden, wenn der Lebensunterhalt während der Ausbildung durch Förderung auf Grund von BAföG-Leistungen oder Leistungen der Berufsausbildungsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) oder anderen finanziellen Mittel – sei es Elternunterhalt, Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit oder möglicherweise bisher zu Unrecht gewährte Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts (Vertrauensschutz) – gesichert war, die nun kurz vor Abschluss der Ausbildung entfallen. Gleiches gilt für den Fall der Unterbrechung der bereits weit fortgeschrittenen und bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Erkrankung. Denkbar ist auch, dass die nicht mehr nach den Vorschriften des BAföG oder des SGB III geförderte Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (Urteile vom 6. September 2007, B 14/11b AS 28/06 R und B 14/11b AS 36/06 R, jeweils abrufbar bei der Datenbank Juris).
Nach dieser Maßgabe ist hier eine besondere Härte nicht gegeben. Das Sozialgericht hat diesen Begriff zu weit ausgelegt. Abweichend von den vom Bundessozialgericht entwickelten Gesichtspunkten fehlt es hier schon an der Aussicht, dass die Ausbildung in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht wird. Das Bundessozialgericht stellt in der von ihm gebildeten Fallgruppe des Wegfalls bisher vorhandener Mittel ersichtlich darauf ab, dass die Ausbildung kurz vor dem Abschluss stehen muss. Die Antragstellerin zu 2) kann jedoch nach einem vorgelegten Schreiben ihrer Professorin vom 12. Juni 2008 mit einem erfolgreichen Studienabschluss erst im Sommersemester 2010 rechnen. Für den Abschluss der Ausbildung werden hier also noch mindestens zwei Jahre benötigt. Darüber hinaus bietet das vorgelegte Schreiben – anders als etwa eine nachgewiesene Anmeldung zu einer Prüfung – auch keinen belastbaren Beleg dafür, dass die Ausbildung tatsächlich in dem genannten Zeitrahmen abgeschlossen wird. Zudem bestehen auch keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin zu 2) das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht. Denn es spricht nichts dagegen, dass sie auch ohne Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Deutschland eine Arbeit finden kann, wenn sie sich in dem gebotenen Umfang darum bemüht.
Schließlich ist die angefochtene Entscheidung auch im Hinblick auf das gemäß § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich eröffnete Rücknahmeermessen nicht zu beanstanden. Zwar hat hier die Antragsgegnerin weder im Änderungsbescheid noch im Widerspruchsbescheid zu erkennen gegeben, dass eine Ermessensentscheidung getroffen wurde. Dieses Vorgehen unterliegt hier jedoch keinen Bedenken, da das Ermessen der Antragsgegnerin dahingehend reduziert war, dass nur die hier angefochtene Entscheidung getroffen werden konnte. Denn stellt sich heraus, dass der Vertrauensschutz zu versagen ist und dass für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte übrig geblieben sind, ist das Ermessen der Behörde auf die Rücknahme beschränkt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5. November 1997, 9 RV 20/96; Urteil vom 13. Dezember 1994, 9 RVs 1/94, jeweils abrufbar bei der Datenbank Juris). Hier hat die Antragsgegnerin jedenfalls im Widerspruchsbescheid den Vertrauensschutz zu Recht verneint. Weitere Anhaltspunkte für eine abweichende Ermessensentscheidung sind nicht ersichtlich, zumal das materielle Fachrecht der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen der besonderen Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II eine andere Entscheidung nicht zulässt (so genanntes intendiertes Ermessen, vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. September 1992, 8 C 69/90, 8 C 71/90, abrufbar bei der Datenbank Juris).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
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