L 28 B 1530/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 18075/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 1530/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2008 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für die Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Zusicherung sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Berlin unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten.

Der 1984 geborene Antragsteller steht nach seinem Umzug nach Berlin seit Herbst 2006 im Leistungsbezug des Antragsgegners. Zum 1. Mai 2007 mietete er – nach vorheriger Erteilung einer entsprechenden Zusicherung durch den Antragsgegner – von der G AG eine 53,60 m² große 2-Zimmer-Wohnung mit Ofenheizung unter der sich aus dem Rubrum ergebenden Anschrift an. Der monatliche Mietzins beläuft sich auf 236,37 EUR (Grundmiete 172,59 EUR zzgl. Betriebskosten 63,78 EUR). Ab Dezember 2007 war in dieser Wohnung auch die im Februar 1988 geborene Ehefrau des Antragstellers, Ö A gemeldet, die er im März 2007 geheiratet hatte.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2008 kündigte der Antragsteller das Mietverhältnis, was laut Antwortschreiben der Vermieterin erstmals zum 30. April 2008 möglich war. Am 22. April 2008 beantragte er die Erteilung einer Mietzusicherung für eine 54,34 m² große Wohnung in der Hstraße zu einem Preis von 434,09 EUR (Grundmiete 294,09 EUR, Betriebskosten 80,00 EUR, Heizkosten 60,00 EUR). Der Antragsgegner lehnte noch am selben Tage die Erteilung der Zusicherung mit der Begründung ab, dass der Antragsteller und seine Ehefrau ausreichenden Wohnraum bewohnten, sodass ein Umzug nicht erforderlich sei. Der hiergegen gerichtete Widerspruch, mit dem der Antragsteller im Wesentlichen geltend machte, dass die Wohnung über keinen Warmwasseranschluss verfüge, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008). Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass ein Umzug zwar erforderlich sein könne, wenn die Wohnung schlechte sanitäre Verhältnisse aufweise. Vorliegend sei jedoch nicht nachgewiesen, dass die Wohnung keinen Warmwasseranschluss habe. Nach den Angaben der Vermieterin verfügten grundsätzlich alle Wohnungen über Warmwasserversorgung. Sollte diese aufgrund eines Defekts nicht gewährleistet sein, müsse dieser Mangel der Vermieterin angezeigt werden. Es sei ggf. deren Sache, diesen Mangel zu beseitigen.

Bereits am 6. Juni 2008 hatte der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zusicherung für die Aufwendungen der Kosten der Unterkunft bei Neuanmietung von Wohnraum zu erteilen, und ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Zur Begründung hatte er erneut geltend gemacht, dass ein Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht zumutbar sei, da diese über keinerlei Warmwasseranschluss verfüge. Die Versorgung mit Warmwasser gehöre jedoch zu den absoluten Grundbedürfnissen eines Menschen. Seine früheren Versuche, aus dem Mietverhältnis entlassen zu werden und die Vermieterin zum Einbau einer Warmwasserleitung zu bewegen, seien gescheitert. Er habe daher die Wohnung zum erstmöglichen Termin am 30. April 2008 gekündigt. Die Vermieterin dränge nun auf Auszug. Das Wohnungsangebot für die Hstraße bestehe noch bis Juli 2008.

Mit Beschluss vom 20. Juni 2008 hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es liege kein eiliges Regelungsbedürfnis vor. Solange die Versorgung mit Kaltwasser gewährleistet sei, bestehe keine gegenwärtige existenzielle Notlage. Dem Antragsteller, der seine bisherige Wohnung trotz des von ihm als unzulänglich empfundenen Ausstattungsstandards angemietet habe, sei es zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Sache habe daher auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten gehabt.

Hiergegen richten sich die am 15. Juli 2008 eingelegten Beschwerden, mit denen der Antragsteller sein Begehren weiterverfolgt. Er meint weiterhin, dass es ihm unzumutbar sei, sich an kälteren Tagen mit kaltem Wasser zu waschen. Darüber hinaus fordere die Hausverwaltung die umgehende Rückgabe der Wohnung. Zum Beleg hat er am 25. Juli 2008 ein Schreiben der Hausverwaltung vom 23. Juni 2008 zu den Akten gereicht, in dem unter Hinweis auf die zum 31. Mai 2008 erfolgte Kündigung des Mietverhältnisses bis zum 2. Juli 2008 die Wohnungsübergabe gefordert und die Erhebung einer Räumungsklage angedroht wird.

II.

Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2008 sind gemäß §§ 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG). Sie sind jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht es abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller nach § 22 Abs. 2 Satz 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) eine Zusicherung über die Übernahme der Aufwendungen für die von dem Antragsteller gewählte Wohnung zu erteilen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -).

Ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist, kann dahinstehen. Denn zwar schließt der Senat nicht aus, dass vorliegend möglicherweise ein Umzug im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II aufgrund mangelhafter sanitärer Verhältnisse der Wohnung erforderlich ist. Die insoweit erforderlichen Ermittlungen, nämlich in welchem Zustand sich die Wohnung tatsächlich befindet, ob sie wirklich weder über einen Warmwasseranschluss noch Boiler verfügt oder entsprechende Einrichtungen lediglich defekt sind und ob ggf. über die Vermieterin der Einbau eines Boilers erwirkt werden kann, müssen nicht im Eilverfahren erfolgen. Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist es, Betroffene vor irreparablen Nachteilen zu schützen, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ein derartiger Sachverhalt ist in der Regel nur bei einer konkreten Gefährdung der Existenz oder der drohenden Vernichtung der Lebensgrundlage gegeben. Zumindest aber müssen ganz erhebliche Nachteile drohen. Ein mit diesen Fällen vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Der Antragsteller, der die Wohnung in Kenntnis ihres Ausstattungsstandards vor einem guten Jahr angemietet hat, und seine Ehefrau verfügen unstreitig über einen Kaltwasseranschluss, sind also mit Wasser versorgt, das sie auf dem Herd erwärmen können. Dass dies von ihnen als mühselig empfunden wird, rechtfertigt – insbesondere unter Berücksichtigung des Alters des Antragstellers und seiner Ehefrau sowie der Jahreszeit – nicht die Annahme einer existenziellen Notlage. Auch kann diese nicht daraus abgeleitet werden, dass der Antragsteller das Mietverhältnis nach seinen Angaben zum 30. April 2008 - ausweislich des Schreibens der Hausverwaltung vom 25. Juni 2008 zum 31. Mai 2008 - gekündigt hat. Unabhängig davon, ob eine durch den Antragsteller – möglicherweise vorschnell – ausgesprochene Kündigung zur Annahme eines Eilbedürfnisses wegen drohender Wohnungsräumung bzw. Erhebung einer Räumungsklage führen kann, liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vermieterin bei Zahlung der Nutzungsentschädigung zurzeit tatsächlich eine Räumungsklage erheben wird. Im Gegenteil dürfte diese im Falle der Zahlung der Nutzungsentschädigung unter Zugrundelegung des vom Antragsteller geschilderten Ausstattungsgrades der Wohnung kaum ein Interesse daran haben, gegen einen die Kosten tragenden Bewohner Räumungsklage zu erheben. Dementsprechend hat sie auch die zum 2. Juli 2008 gesetzte Frist nutzlos verstreichen lassen. Gegen die Eilbedürftigkeit spricht im Übrigen auch die Art und Weise, in der der Antragsteller selbst das Verfahren betreibt. So ist von seiner Seite das Schreiben der Hausverwaltung vom 23. Juni 2008, in dem unter Fristsetzung bis zum 2. Juli 2008 die Räumung angemahnt und die Erhebung einer Räumungsklage angedroht wird, dem Gericht überhaupt erst lange nach Ablauf dieser Frist, nämlich am 25. Juli 2008 zur Kenntnis gegeben worden. Eine besondere Dringlichkeit misst mithin offenbar auch er der Sache nicht bei.

Da der Erlass einer einstweiligen Anordnung schon mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht in Betracht kommt, bedarf es vorliegend keiner Klärung, ob die vom Antragsteller ausgewählte Wohnung in der Hstraße überhaupt noch zur Vermietung ansteht und welche Konsequenzen eine zwischenzeitliche anderweitige Vermietung dieser Wohnung für das hiesige Verfahren hätte.

Schließlich hat das Sozialgericht Berlin auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Mangels Eilbedürftigkeit hatte die Sache von Anfang an keine hinreichenden Erfolgsaussichten (§ 73a SGG i.V.m. 114 ff. ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht bzgl. der Beschwerde gegen die ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung auf § 73a SGG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO, im Übrigen auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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