L 5 B 2040/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 1179/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 2040/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Begehren der Antragsteller ist es, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihnen für die Monate September und Oktober 2007 um monatlich 268,- EUR höhere als die bewilligten Leistungen zu gewähren.

Die 1968 geborene Antragstellerin zu 1), die seit Beginn des Jahres 2005 im Leistungsbezug der Antragsgegnerin steht, lebt mit den Antragstellern zu 2) und 3), ihren beiden 1996 und 1998 geborenen Kindern, in einer kleinen Dreizimmerwohnung. Die Antragstellerin zu 1) verfügt über keinerlei Einkommen, die Antragsteller zu 2) und 3) erhalten jeweils 177,- EUR Halbwaisenrente und 154,- EUR Kindergeld.

Für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2007 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Bescheid vom 2. April 2007, geändert durch Bescheid vom 18. April 2007, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von insgesamt 650,13 EUR monatlich. Für die Antragstellerin zu 1) legte sie der Berechnung einen Bedarf von insgesamt 592,05 EUR zugrunde, der sich aus der Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige in Höhe von 345,- EUR, einem Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 124,- EUR und weiteren 123,05 EUR, einem Drittel der anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, zusammensetzte. Für die Antragsteller zu 2) und 3) legte die Antragsgegnerin jeweils einen Bedarf in Höhe des Sozialgelds, also 207,- EUR, sowie je ein weiteres Drittel der anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 123,04 EUR, insgesamt mithin jeweils 330,04 EUR zugrunde. Für die Antragstellerin zu 1) rechnete sie kein Einkommen an, für die Antragsteller zu 2) und 3) jeweils die Halbwaisenrente und das Kindergeld, gemindert um eine Einkommensbereinigung von 30,- EUR, mithin insgesamt je 301,- EUR. Mit Bescheid vom 1. August 2008 änderte die Antragsgegnerin die Höhe der bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Oktober 2007 auf insgesamt 595,13 EUR und führte zur Begründung aus, aufgrund eines Bearbeitungsfehlers seien die Einkommen der Antragsteller zu 2) und 3) um die Versicherungspauschale von 30,- EUR bereinigt worden, obwohl diese nur volljährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft gewährt werden könne. Eine Rückforderung erfolge nicht, die Bereinigung werde aber ab September 2007 entfallen.

Gegen den Bescheid legten die Antragsteller am 9. August 2007 Widerspruch ein, den die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24. August 2007 zurückwies. Dabei führte sie aus, die aus den Antragstellern bestehende Bedarfsgemeinschaft habe einen Gesamtbedarf von 1.257,13 Euro, der sich aus der Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige in Höhe von 347,- EUR und einem Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 125,- EUR für die Antragstellerin zu 1), je 208,- EUR Sozialgeld für die Antragsteller zu 2) und 3) sowie die um eine Warmwasserpauschale in Höhe von 6,83 EUR geminderten tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zusammensetze. Dem stünden die Halbwaisenrenten und das Kindergeld in Höhe von insgesamt 662,- EUR als Einkommen gegenüber, so dass ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 595,13 EUR verbleibe, in Höhe dessen Leistungen gewährt worden seien.

Daraufhin haben die Antragsteller am 24. September 2007 Klage erhoben und zugleich um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie haben vorgetragen, die Berechnung der Antragsgegnerin sei fehlerhaft. Die Antragstellerin zu 1) habe einen Bedarf in Höhe von 841,13 EUR, der sich aus 347,- EUR Regelleistung, 125,- EUR Mehrbedarf für Alleinerziehende und 369,13 EUR an Kosten der Unterkunft und Heizung zusammensetze. Letztere seien nur bei ihr zu berücksichtigen, denn nur sie sei Schuldnerin der Mietzahlungen. Der Bedarf der Antragsteller zu 2) und 3) betrage je 208,- EUR. Davon seien jeweils 154,- EUR an Kindergeld sowie ein Teil der Halbwaisenrente, nämlich 65,- EUR, abzuziehen. In Höhe eines Betrags von je 105,- EUR seien die Halbwaisenrenten nach § 11 Abs. 1 SGB II anrechnungsfrei. Der Anordnungsanspruch schließlich ergebe sich daraus, dass sich die Antragstellerin zu 1) als alleinerziehende Mutter zweier Grundschulkinder in einer desolaten finanziellen Situation befinde.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, Halbwaisenrenten seien keine Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz, sondern Leistungen des Trägers der gesetzlichen Renten-versicherung und als solche grundsätzlich als Einkommen anzurechnen. Im Übrigen bestehe auch kein Anordnungsgrund, weil der Bedarf mit den zur Verfügung stehenden Geldmitteln gedeckt werden könne.

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2007 hat das Sozialgericht Cottbus den Eilantrag zurückgewiesen; ein Anspruch auf den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung bestehe nicht. Zur Begründung hat die Kammer unter anderem ausgeführt, die Antragsgegnerin habe die Halbwaisenrenten der Antragsteller zu 2) und 3) zu Recht in voller Höhe als Einkommen angerechnet, weil § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht einschlägig sei. Nicht zu beanstanden sei auch, dass die Antragsgegnerin mit dem Bescheid vom 1. August 2007 geregelt habe, dass die beim Einkommen der Antragsteller zu 2) und 3) zuvor zu Unrecht erfolgte Bereinigung um die Versicherungspauschale von 30,- EUR ab September 2007 eingestellt werde. Da der Änderungsbescheid auch im Übrigen nicht zu beanstanden sei, liege kein Anordnungsanspruch vor.

Gegen den ihnen am 20. Oktober 2007 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 19. November 2007 Beschwerde eingelegt. Sie meinen, ein Anordnungsanspruch sei zu Unrecht verneint worden. Außerdem sei der Umfang des begehrten Rechtsschutzes verkürzt ausgelegt worden. Es gehe um die vollumfassende Überprüfung der Anrechnungsmodalitäten der Antragsgegnerin. Dabei seien zumindest drei Fragen von entscheidender Bedeutung: Erstens, ob die Halbwaisenrente teilweise anrechnungsfrei sei, zweitens, ob die Einkommen der Kinder beim Bedarf der Mutter - auch beim Mehrbedarf für Alleinerziehende - angerechnet werden dürften, und drittens, ob die Einkommen der Kinder auf die Kosten der Unterkunft angerechnet werden dürften.

Der Antragsgegner hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Bände I und II, Nummer der Bedarfsgemeinschaft: ) verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.

II.

Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin zu 1) das Verfahren zwar nicht ausdrücklich, so doch konkludent auch für ihre minderjährigen Kinder geführt hat und führt. Er hat das Rubrum daher um die Antragsteller zu 2) und 3) ergänzt.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Sie ist zwar nach §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, sie ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Die zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) betont hat (Beschluss vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, S. 927 ff), sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im Vordergrund steht dabei für den Senat die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache (Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), um differierende Entscheidungen im Eil- und Hauptsacheverfahren möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern im Rahmen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Möglichen abschließend zu prüfen, besonders wenn das einstweilige Verfahren im Wesentlichen oder vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und einem Beteiligten eine endgültige Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der auf dem Spiel stehenden Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Hieran gemessen haben die Antragsteller für die von ihnen begehrte einstweilige Anordnung weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund in einem die (zeitweise) Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht.

Einen Anspruch auf höhere als die ihnen bewilligten Leistungen haben die Antragsteller nicht.

Dass der Gesamtbedarf der Antragsteller durch die Antragsgegnerin fehlerhaft festgestellt worden wäre, machen sie nicht geltend. Es ist auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Antragsteller meinen, die Kosten der Unterkunft und Heizung seien allein als Bedarf der Antragstellerin zu 1) anzusehen, weil nur diese die Miete schulde, kann ihnen nicht gefolgt werden. Diese Kosten sind vielmehr unabhängig davon, wer die Miete zahlt, wie alt die einzelnen Nutzer der Wohnung sind und welche Wohnfläche sie konkret benötigen nach Köpfen zu verteilen (vgl. Berlit in LPK-SGB II, Rdnr. 24 zu § 22 mit zahlreichen Nachweisen).

Dazu, dass die Antragsgegnerin die Halbwaisenrenten der Antragsteller zu 2) und 3) zutreffend in voller Höhe als Einkommen angerechnet hat, weil § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht einschlägig ist, hat das Sozialgericht bereits zutreffende Ausführungen gemacht, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Nichts anderes gilt, soweit die Antragsgegnerin ihren Bearbeitungsfehler hinsichtlich der Versicherungspauschale korrigiert hat, indem sie diese bei dem Einkommen der Antragsteller zu 2) und 3) ab September 2007 nicht mehr in Abzug gebracht hat.

Soweit die Antragsteller es für klärungsbedürftig halten, ob und inwieweit Einkommen der Kinder zur Deckung des Bedarfs der Mutter und der Kosten für Unterkunft und Heizung verwendet werden darf, stellt sich diese Frage in ihrem Fall nur, wenn man - wie hier geschehen - Bedarfe und Einkommen nicht - wie an sich erforderlich - nach Personen getrennt, sondern in teilweiser Vermengung berechnet. Legt man hingegen als Bedarf der Antragsteller zu 2) und 3) jeweils insgesamt 331,04 EUR (208,- EUR Sozialgeld zuzüglich 123,04 EUR anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung) zugrunde und zieht davon 177,- EUR Halbwaisenrente sowie 154,- EUR Kindergeld ab, so verbleibt jeweils ein Betrag in Höhe von 0,04 EUR, der nicht gedeckt ist. Da die Antragsteller zu 2) und 3) ihren Lebensunterhalt danach nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen sichern können, fallen sie einerseits nicht nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 letzter Halbsatz SGB II aus der Bedarfsgemeinschaft heraus. Andererseits bleibt aber von ihrem Einkommen auch nichts, was bei der Antragstellerin zu 1) angerechnet werden könnte.

Schließlich ist auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin zu 1) meint, es reiche aus vorzutragen, dass sie als alleinerziehende Mutter zweier Grundschulkinder in einer desolaten finanziellen Lage sei, verkennt sie, dass ihr aufgrund des Umstands, dass sie alleinerziehend ist, ein Mehrbedarf zusteht und auch bewilligt worden ist. Inwieweit ihre finanzielle Lage desolat ist, hat sie im Übrigen nicht mitgeteilt, geschweige denn glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Sie spiegelt den Ausgang des Verfahrens wider.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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