L 20 B 1399/08 AS NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 AS 1341/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 B 1399/08 AS NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 3. Juni 2008.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht hat sich der Kläger gegen die von dem Beklagten mit Bescheid vom 15. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2007 verfügte Absenkung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. September 2007 bis 30. November 2007 um 10 % der Regelleistung, "maximal 31,00 EUR monatlich" gewandt. Zur Begründung der Absenkung hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, der Kläger sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu einem Meldetermin am 14. August 2007 um 15.30 Uhr nicht erschienen, zu dem er mit Schreiben vom 3. August 2007 eingeladen worden sei; ein wichtiger Grund hierfür sei nicht ersichtlich.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger durch seinen Verfahrensbevollmächtigten schriftsätzlich vorgetragen, er sei Inhaber einer KFZ- Werkstatt und gehe seiner selbständigen Tätigkeit von morgens früh bis abends spät nach. Er habe deshalb dem Beklagten mehrfach mitgeteilt, dass Termine zwischen 15.30 und 16.00 Uhr regelmäßig insbesondere kurzfristig nicht einzuhalten seien. Am 13. August 2007 habe er mit dem Beklagten telefonisch hinsichtlich eines Ersatztermins Kontakt aufgenommen. Dem Kläger sei versichert worden, dass das Gespräch weitergeleitet und es einen neuen Termin geben werde. Er sei im Wesentlichen allein für die Werkstattarbeiten sowie die Überführung von Fahrzeugen etc. zuständig. Seine Ehefrau übernehme überwiegend die Kundenannahme und Betreuung sowie die Terminvergabe. Das "Unfallgeschäft" sei die tragende Säule des Geschäftsbetriebes. Dieses Geschäft sei unvorhersehbar; vor allem legten die Kunden Wert auf Soforthilfe. Andernfalls werde der Auftrag anderweitig vergeben. Aufgrund dessen habe er den Termin am 14. August 2007 nicht wahrnehmen können.

Aufgrund mündlicher Verhandlung hat das Sozialgericht Cottbus die Klage gegen den Bescheid vom 15. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2007 mit Urteil vom 3. Juni 2008 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Zur Begründung der Klageabweisung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, für das Nichterscheinen zum Meldetermin am 14. August 1997 liege kein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II - vor. Der Kläger sei objektiv in der Lage gewesen, den Termin wahrzunehmen. Er wäre dadurch nicht an der Ausübung seines Gewerbebetriebes gehindert gewesen. Der Kläger sei als Selbständiger in der Lage, seine Termine zu koordinieren. Im Falle der kurzzeitigen Abwesenheit hätten die Auszubildenden von seiner Ehefrau beaufsichtigt werden können. Wäre der Kläger während seiner Abwesenheit tatsächlich vor Ort unabkömmlich gewesen, hätte er verständigt werden und innerhalb von 20 Minuten zu seiner Werkstatt zurückkehren können. Schließlich stehe nicht fest, ob am 14. August 2007 gegen 15.30 Uhr tatsächlich Aufträge angenommen, abgearbeitet und erledigt worden seien. Der Kläger habe dies weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen. Der Vortrag des Klägers, der Beklagte habe ihm auf seine telefonische Mitteilung, dass er den Termin nicht wahrnehmen könne, mitgeteilt, dass es einen neuen Termin geben werde, sei nicht "zielführend". Weder sei ein neuer Termin vereinbart noch einseitig durch den Beklagten anberaumt worden. Die Pflicht, den Termin am 14. August 1997 wahrzunehmen, habe deshalb fortbestanden.

Gegen das dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 16. Juni 2008 zugestellte Urteil hat dieser am 3. Juli 2008 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, das Sozialgericht habe entscheidungserheblichen unstrittigen Vortrag des Klägers nicht berücksichtigt. So sei dem Beklagten bekannt, dass Termine gegen 15.30 Uhr regelmäßig und insbesondere so kurzfristig nicht einhaltbar seien. Das Sozialgericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass die Ehefrau nicht berechtigt gewesen sei, die Auszubildenden zu beaufsichtigen; die Aufsichts- und Obhutspflicht habe allein dem Kläger oblegen. Unzutreffend sei auch die Feststellung des Sozialgerichts, der Kläger könne seine Termine im Vorfeld vollständig koordinieren. Das Gericht habe dabei nicht berücksichtigt, dass er im Wesentlichen allein für die Werkstattarbeiten sowie für die Überführung und das Abschleppen von Fahrzeugen sowie für die Ausbildung der Auszubildenden zuständig sei und das Unfallgeschäft seine ständige Anwesenheit im Gewerbebetrieb erfordere. Wegen der Unvorhersehbarkeit des Unfallgeschäftes habe er dem Beklagten auch nicht im Vorfeld verbindlich mitteilen können, welche Aufträge am 14. August 2007 gegen 15.30 Uhr tatsächlich angenommen und abzuarbeiten seien. Die Absenkung der Regelleistung sei schließlich rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil der Beklagte ihm telefonisch versichert habe, dass ein neuer Ersatztermin vereinbart werde.

Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers ist der Antrag zu entnehmen, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 3. Juni 2008 - S 25 AS 1341/07 - zuzulassen. Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz -SGG - zulässig.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder aufgrund Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger hat sich mit der Klage gegen die Absenkung der ihm bewilligten Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für einen Zeitraum von 3 Monaten um "maximal 31,00 EUR monatlich" gewandt, so dass der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht wird. Die somit zulassungsbedürftige Berufung ist vom Sozialgericht ausdrücklich nicht zugelassen worden.

Die Zulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Berufung ist nicht zuzulassen. Ein gesetzlicher Zulassungsanspruch liegt nicht vor.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. das Urteil von einer Entscheidung der Landessozialgerichte, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Eine solche wäre anzunehmen, wenn eine bisher nicht geklärte, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufgeworfen wäre (Meyer–Ladewig in: Meyer–Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005 § 144 Rn. 28). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft und von der Entscheidung erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Eine tatsächliche Frage ist nicht ausreichend, auch wenn spezielle Erfahrungssätze betroffen sind. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Kriterien oder Grundsätze zur Auslegung der Norm ergeben, die für die Entscheidung im Einzelfall ausreichen (Meyer–Ladewig a.a.O. § 144 Rn 28 i.V.m. § 160 Rn 7). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Soweit das Gericht aufgrund der von ihm gewürdigten Tatsachen zu dem Ergebnis gekommen ist, der Kläger sei objektiv in der Lage gewesen, den Termin wahrzunehmen, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes im Sinne des § 31 Abs. 2 SGB II hätten deshalb nicht vorgelegen, wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Ob einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht die Wahrnehmung eines Meldetermins möglich ist und somit ein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs. 2 SGB II vorliegt, ist aufgrund von Zumutbarkeitserwägungen zu entscheiden, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 31 Rdnr. 37). Hängt aber die Beantwortung einer Rechtsfrage maßgeblich von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab, entzieht sie sich einer zu klärenden Verallgemeinerung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2007 - 2 B 31/07 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Dezember 2003 - L 12 B 61/03 AL NZB -, jeweils zitiert nach juris).

Soweit der Kläger geltend macht, dass Gericht habe entscheidungserheblichen (unstrittigen) Sachvortrag nicht berücksichtigt, wirft der Kläger keine Rechtsfrage sondern die Frage auf, ob die Entscheidung des Gerichts auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG beruht; dazu wird nachfolgend noch ausgeführt.

Soweit der Kläger geltend macht, die Absenkung des ihm bewilligten Arbeitslosengeldes II um 10 % der Regelleistung sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil - wie vom Sozialgericht als wahr unterstellt - der Beklagte am 13. August 1997 telefonisch versichert habe, dass ein neuer Ersatztermin vereinbart werde, wirft er ebenfalls keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Denn ob die Voraussetzungen des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung gegeben sind, hängt ebenfalls von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer Verallgemeinerung. Darüber hinaus ergeben sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung Grundsätze und Merkmale, die für die Entscheidung ausreichen, ob der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung wegen eines widersprüchlichen Verhaltens der Behörde im Einzelfall berechtigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2007 - B 12 AL 1/06 R - m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2004 - 3 B 101/03 -, jeweils zitiert nach juris).

Dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung der genannten Gerichte abweicht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG), wird weder vom Kläger geltend gemacht noch ist dies sonst erkennbar.

Der Kläger hat schließlich keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem das Urteil des Sozialgerichts beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Es geht dabei nicht um die Richtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zur Entscheidung (Meyer Ladewig in: Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 144, Rn. 32).

Der Einwand des Klägers, dass Gericht habe wesentliches Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, greift nicht durch. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt und damit gegen § 128 SGG verstoßen hätte. (vgl. dazu Meyer Ladewig in: Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 128 Rdnr. 13 ff.).

Das Sozialgericht hat sich insbesondere mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt, seine ständige Anwesenheit im Gewerbebetrieb insbesondere in der Zeit um 15.30 Uhr sei erforderlich. Dabei hat es berücksichtigt, dass seine Ehefrau lediglich Büroaufgaben hatte und dem Kläger als Hilfskräfte lediglich zwei zu beaufsichtigende Auszubildende zur Verfügung standen. Ferner hat es sich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Kläger aufgrund eines kurzfristigen Auftrages in der fraglichen Zeit in seinem Gewerbebetrieb unabkömmlich wird. Schließlich hat es das Vorbringen des Klägers, man habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass es einen neuen Termin geben würde, als wahr unterstellt und auf dieser Grundlage einen Vertrauensschutz des Klägers dahingehend, dass ein Nichterscheinen zu dem Meldetermin am 14. August 2007 keine für ihn nachteiligen Folgen haben werde, (sinngemäß) verneint.

Eine unzureichende Sachaufklärung hat der Kläger nicht gerügt. Das Gericht hätte seine Amtsermittlungspflicht im Übrigen nur verletzt, wenn es sich aus seiner rechtlichen Sicht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Nach dem Vorstehenden ist das Vorbringen des Klägers allenfalls geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts in Frage zu stellen; ein etwaiger Irrtum in der Rechtfindung begründet jedoch keinen Verfahrensmangel.

Die Beschwerde war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG); dadurch wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juni 2008 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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