L 18 B 1694/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 158 AS 22562/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 1694/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. August 2008 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit der Wohnungssuche wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren bei dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) ihr Begehren weiter verfolgt, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, die aufgelaufenen Mietschulden ihrer Wohnung als Darlehen zu übernehmen (vgl. Antragsschrift vom 10. August 2008), ist nicht begründet. Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdeschrift über den erstinstanzlich gestellten Antrag hinaus nunmehr auch die Übernahme weiterer mit der Wohnungssuche im Zusammenhang stehender Kosten ("Mehraufwandsentschädigung") geltend macht, ist dieser Antrag unzulässig. Das Landessozialgericht (LSG) entscheidet als Beschwerdegericht in der Sache (nur) über das gegen den angefochtenen Beschluss eingelegte Rechtsmittel, nicht aber über erstmals bei dem Beschwerdegericht gestellte Rechtsschutzanträge (vgl. § 29 Abs. 1 SGG). Insoweit fehlt es an der funktionalen Zuständigkeit des LSG.

Ein Anordnungsanspruch auf Übernahme der Mietschulden, der sich nur aus § 22 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) ergeben kann, besteht schon deshalb nicht, weil eine Mietschuldenübernahme zum jetzigen Zeitpunkt eine Räumung der Wohnung, zu der die Antragstellerin nach Maßgabe des Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts C vom 4. Juli 2008 verpflichtet ist, nicht mehr verhindern kann (vgl. Schreiben des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 10. Juli 2008). Die Schuldenübernahme ist daher nicht (mehr) geeignet, den drohenden Verlust der Wohnung abzuwenden.

Die begehrte Mietschuldenübernahme ist aber auch deshalb nicht "gerechtfertigt" (vgl. § 22 Abs. 5 Satz 1und Satz 2 SGB II), weil sie der Sicherung einer kostenmäßig im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht als angemessenen anzusehenden Unterkunft dienen würde (vgl. hierzu Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rz. 109 m. w. Nachw.), und zwar auch dann, wenn der Unterkunftsbedarf der beiden Söhne der Antragstellerin – was vorliegend keiner abschließenden Entscheidung bedarf - zusätzlich in Rechnung zu stellen wäre. Für die Zeit ihrer Aufenthalte im Haushalt der Antragstellerin bilden die Kinder mit der Antragstellerin nämlich eine – zeitweise - Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr

1). Hieraus folgt aber nicht, dass die Söhne der Antragstellerin bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen als anteilige Anspruchsinhaber für die Unterkunftskosten in das Verfahren einzubeziehen wären. Denn Schuldnerin der geltend gemachten Mietschulden und damit anspruchsberechtigt nach § 22 Abs. 5 SGB II ist alleine die Antragstellerin.

Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2) eine Einzelfallprüfung voraus, bei der zunächst die maßgebliche Wohnungsgröße – typisierend – anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu bestimmen ist. Im Land Berlin erscheint damit für eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft eine 2,5 bis 3-Zimmer-Wohnung (vgl. Ziff. 8 Abs. 1 der zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz i.V. mit § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 - Mitteilung Nr. 8/2004 -) mit einer Größe bis zu 75 qm angemessen (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Juni 2007 – L 10 B 854/07 AS ER – veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de.). Die 4-Zimmer-Wohnung der Antragstellerin mit einer Grundfläche von 137 qm überschreitet diese angemessene Größe bei weitem.

Auch die Kosten von derzeit 874,84 EUR brutto warm sind unangemessen hoch. Nach den hier heranzuziehenden durchschnittlichen Mittelwerten aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt Nr. 30 vom 11. Juli 2007, S. 1797) für einfache Wohnlagen und Ausstattungen ergibt sich für eine Wohnung von 75 qm eine Netto-Kaltmiete von (Wohnfläche 60 qm bis unter 90 qm: 2,90 EUR/qm + 4,26 EUR/qm + 3,18 EUR/qm + 4,66 EUR/qm + 4,31 EUR/qm + 4,11 EUR/qm + 4,35 EUR/qm + 5,29 EUR/qm + 6,38 EUR/qm + 4,38 EUR/qm + 6,25 EUR qm = insgesamt 50,07 EUR/qm./. 11 = durchschnittlich 4,55 EUR/qm x 75 qm) monatlich 341,25 EUR. Unter Hinzurechnung warmer und kalter Betriebskosten nach Maßgabe des Betriebskostenspiegels 2007 des Deutschen Mieterbundes (veröffentlicht unter www.mieterbund.de) von 2,60 EUR/qm (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. März 2008 – L 29 B 296/08 AS ER – veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de) ergibt sich eine angemessene Brutto-Warmmiete von monatlich 536,25 EUR (341,25 EUR zzgl. 195,- EUR). Derartige Wohnungen sind auf dem noch immer entspannten Berliner Wohnungsmarkt auch konkret verfügbar. Eine dauerhafte Sicherung der jetzigen Wohnung der Antragstellerin wäre angesichts der die Angemessenheitsgrenzen deutlich, d. h. um mehr als 60 %, übersteigenden Kosten daher auch bei einer Mietschuldenübernahme nicht gewährleistet. Denn es würden im Hinblick auf die zu gewährenden laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung auch bei Berücksichtigung der Kinder in kürzester Zeit erneut Mietschulden auflaufen, die erneut eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch rechtfertigen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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