Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 129 AS 25435/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 1894/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. September 2008 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Mietschulden des Antragstellers für die von ihm bewohnte Unterkunft in der B, B, in Höhe von 1.488,31 EUR im Wege eines Darlehens zu übernehmen. Das Darlehen wird ab 1. Oktober 2008 durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 vom Hundert der an den Antragsteller jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Gründe:
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen erstinstanzlich gestellten Antrag, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, Mietschulden für die im Rubrum bezeichnete Wohnung als Darlehen zu übernehmen, (nur) in Höhe von 1.488,31 EUR (vgl. zur Berechnung des geltend gemachten Anspruchs S. 4 der Beschwerdeschrift vom 17. September 2008) weiter verfolgt, ist begründet.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich, soweit der Antragsteller Leistungen für Wohnraum geltend macht, aus § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Danach können Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Die zuletzt genannte Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da seit dem 30. Juli 2008 eine Räumungsklage rechtshängig ist. Die Übernahme von Leistungen für Geschäftsräume und somit auch für die (nur) im Rahmen der selbständigen Tätigkeit genutzten Teile der Wohnung kommt nach § 22 Abs. 5 SGB II hingegen nicht in Betracht, da diese Leistungen nicht der Sicherung der "Unterkunft" dienen (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 3/05 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 1). Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der Übernahme der rückständigen Kosten für den vom Antragsteller in Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit genutzten Teil der Wohnung kann sich hingegen aus § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II ergeben. Die Vorschrift enthält eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsleistungen aller Art, für die die nicht abschließend in Satz 2 der Vorschrift aufgeführten Einzelleistungen die Rolle von Hauptbeispielen übernehmen (vgl. hierzu und den gesetzlich nicht geregelten näheren Modalitäten einer solchen weiteren Eingliederungsleistung hinsichtlich Art, Dauer und Höhe BSG aaO).
Da wegen der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens eine abschließende Sachaufklärung hinsichtlich des Verhältnisses der privat bzw. geschäftlich genutzten Teile der Wohnung und damit eine Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach Maßgabe der insoweit heranzuziehenden Produkttheorie (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 3) und somit letztlich auch der Rechtfertigung einer Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II ebenso untunlich ist wie eine abschließende Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer weiteren Eingliederungsleistung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II, war nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927-929). Danach bestünde im Fall der Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Gefahr einer Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers. Dieser Nachteil wiegt aber im Verhältnis zu den dem Antragsgegner drohenden Nachteilen ungleich schwerer. Dieser hat die ausgeworfenen Leistungen ohnehin nur als Darlehen zu erbringen. Der Antragsteller hat überdies bei der Höhe der geltend gemachten Forderung die Unterkunftskosten nur in der von dem Antragsgegner laufend bewilligten Höhe (= monatlich 530,52 EUR) zugrunde gelegt und damit einen geschäftlich genutzten Anteil seiner Wohnung bereits "herausgerechnet". Überdies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II eine Anordnung zur Darlehenstilgung getroffen.
Es war daher vom Regelfall der Schuldenübernahme bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II bzw. von der Erforderlichkeit einer entsprechenden weiteren Eingliederungsleistung mit der Folge eines Wegfalls des "Entschließungsermessens" (vgl. BSG SozR 4-4200 § 16 Nr 1) auszugehen und bei entsprechend gebundenem Ermessen (vgl. hierzu auch Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rz. 108) der Antragsgegner zur Gewährung wie tenoriert zu verpflichten. Der Anordnungsgrund folgt dabei aus der Tatsache, dass nach einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückständen eine Räumungsklage gegen den Antragsteller bereits erhoben worden ist. Da die Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch, innerhalb derer eine vollständige Befriedigung des Vermieters die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat, am 30. September 2008 endet, war zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners zu entscheiden. Der Antragsgegner wird infolge der gerichtlichen Anordnung verpflichtet sein, sich insoweit unverzüglich innerhalb der o. g. Frist zur Befriedigung des Vermieters zu verpflichten. Soweit weitere Mietschulden mit der Räumungsklage begehrt werden, hat die Bevollmächtigte des Antragstellers dem Gericht telefonisch zugesichert, dass diese der Antragsteller fristgerecht selbst aufbringt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen erstinstanzlich gestellten Antrag, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, Mietschulden für die im Rubrum bezeichnete Wohnung als Darlehen zu übernehmen, (nur) in Höhe von 1.488,31 EUR (vgl. zur Berechnung des geltend gemachten Anspruchs S. 4 der Beschwerdeschrift vom 17. September 2008) weiter verfolgt, ist begründet.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich, soweit der Antragsteller Leistungen für Wohnraum geltend macht, aus § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Danach können Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Die zuletzt genannte Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da seit dem 30. Juli 2008 eine Räumungsklage rechtshängig ist. Die Übernahme von Leistungen für Geschäftsräume und somit auch für die (nur) im Rahmen der selbständigen Tätigkeit genutzten Teile der Wohnung kommt nach § 22 Abs. 5 SGB II hingegen nicht in Betracht, da diese Leistungen nicht der Sicherung der "Unterkunft" dienen (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 3/05 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 1). Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der Übernahme der rückständigen Kosten für den vom Antragsteller in Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit genutzten Teil der Wohnung kann sich hingegen aus § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II ergeben. Die Vorschrift enthält eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsleistungen aller Art, für die die nicht abschließend in Satz 2 der Vorschrift aufgeführten Einzelleistungen die Rolle von Hauptbeispielen übernehmen (vgl. hierzu und den gesetzlich nicht geregelten näheren Modalitäten einer solchen weiteren Eingliederungsleistung hinsichtlich Art, Dauer und Höhe BSG aaO).
Da wegen der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens eine abschließende Sachaufklärung hinsichtlich des Verhältnisses der privat bzw. geschäftlich genutzten Teile der Wohnung und damit eine Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach Maßgabe der insoweit heranzuziehenden Produkttheorie (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 3) und somit letztlich auch der Rechtfertigung einer Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II ebenso untunlich ist wie eine abschließende Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer weiteren Eingliederungsleistung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II, war nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927-929). Danach bestünde im Fall der Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Gefahr einer Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers. Dieser Nachteil wiegt aber im Verhältnis zu den dem Antragsgegner drohenden Nachteilen ungleich schwerer. Dieser hat die ausgeworfenen Leistungen ohnehin nur als Darlehen zu erbringen. Der Antragsteller hat überdies bei der Höhe der geltend gemachten Forderung die Unterkunftskosten nur in der von dem Antragsgegner laufend bewilligten Höhe (= monatlich 530,52 EUR) zugrunde gelegt und damit einen geschäftlich genutzten Anteil seiner Wohnung bereits "herausgerechnet". Überdies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II eine Anordnung zur Darlehenstilgung getroffen.
Es war daher vom Regelfall der Schuldenübernahme bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II bzw. von der Erforderlichkeit einer entsprechenden weiteren Eingliederungsleistung mit der Folge eines Wegfalls des "Entschließungsermessens" (vgl. BSG SozR 4-4200 § 16 Nr 1) auszugehen und bei entsprechend gebundenem Ermessen (vgl. hierzu auch Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rz. 108) der Antragsgegner zur Gewährung wie tenoriert zu verpflichten. Der Anordnungsgrund folgt dabei aus der Tatsache, dass nach einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückständen eine Räumungsklage gegen den Antragsteller bereits erhoben worden ist. Da die Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch, innerhalb derer eine vollständige Befriedigung des Vermieters die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat, am 30. September 2008 endet, war zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners zu entscheiden. Der Antragsgegner wird infolge der gerichtlichen Anordnung verpflichtet sein, sich insoweit unverzüglich innerhalb der o. g. Frist zur Befriedigung des Vermieters zu verpflichten. Soweit weitere Mietschulden mit der Räumungsklage begehrt werden, hat die Bevollmächtigte des Antragstellers dem Gericht telefonisch zugesichert, dass diese der Antragsteller fristgerecht selbst aufbringt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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