Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 R 1264/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 555/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1952 geborene Kläger, der vom 05. November 1975 bis 30. April 1977 Grundwehrdienst geleistet hatte, erwarb nach einem Fachschulstudium am Institut zur Ausbildung von Pädagogen K die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieurpädagoge (Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht)" zu führen (Zeugnis vom 31. August 1984). Bereits ab 01. Januar 1978 war er bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB) E B bzw. dem VEB E B versicherungspflichtig beschäftigt, und zwar als Lehrausbilder bis 31. Dezember 1978, als Lehrmeister vom 01. Januar 1979 bis 31. Dezember 1980, als Lehrobermeister vom 01. Januar 1981 bis 31. Dezember 1989 und als Abteilungsleiter vom 01. Januar 1990 bis 30. Juni 1990. Mit Wirkung vom 01. Februar 1978 war der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung der DDR beigetreten und entrichtete bis zum 30. Juni 1990 Beiträge für das Einkommen bis 1 200,- Mark (M) der DDR monatlich bzw. 14 400,- M jährlich. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab mit der Begründung, dass der Kläger am 30. Juni 1990 nicht über den Titel eines Ingenieurs oder Technikers im Sinne der Verordnung über die Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVTI VO) vom 17. August 1950 (GBl. S. 844) und der hierzu ergangenen Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487) verfügt habe. Die geltend gemachte Beschäftigung sei auch keinem anderen Zusatzversorgungssystem zuzuordnen. Insbesondere scheide eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem Nr. 18 der Anlage 1 zum AAÜG (Zusätzliche Versorgung der Pädagogen in Einrichtungen der Volks- und Berufsbildung) aus. Denn als Angehörige der pädagogisch tätigen Intelligenz im Sinne der einschlägigen Versorgungsordnung hätten im Bereich Berufsbildung nur Lehrkräfte des berufstheoretischen Unterrichtes gegolten, die eine dafür anerkannte abgeschlossene pädagogische Ausbildung besäßen. Die Qualifikation als Ingenieurpädagoge berechtige hingegen nur zur Beschäftigung in der berufspraktischen Ausbildung.
Im Klageverfahren hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, "die Beschäftigungszeiten vom 01.08.1984 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1" zum AAÜG festzustellen, hilfsweise festzustellen, dass er "während seiner Beschäftigungszeit vom 01.08.1984 bis zum 30.06.1990 als zugehörig zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG gilt". Das Sozialgericht hat diese Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2008 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung der im Klageantrag bezeichneten Daten. Das AAÜG sei auf ihn gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht anwendbar. Er sei nicht in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen. Auch eine ihn einbeziehende Rehabilitierungsentscheidung liege nicht vor. Auch eine fiktive Einbeziehung komme nicht in Betracht. Im Hinblick auf die AVTI gelte dies schon deshalb, weil der Kläger am 30. Juni 1990 keine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt habe. Die Tätigkeit als Abteilungs- bzw. Hauptabteilungsleiter im Bereich Ausbildung bzw. Aus- und Fortbildung am Stichtag erfülle auch nicht die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die zusätzliche Altersversorgung der Pädagogen (Zusatzversorgungssystem Nr. 18 der Anlage 1 zum AAÜG). Denn dieses Zusatzversorgungssystem habe Lehrkräfte der praktischen Berufsausbildung nicht erfasst (Bezugnahme auf Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2007 L 12 RA 110/04 , veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine Schriftsätze vom 28. März 2008 und 04. Juli 2008 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschafts-überführungsgesetz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, hilfsweise, die bezeichnete Beschäftigungszeit als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Zusatzversorgungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) hinsichtlich der begehrten Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI, hilfsweise zu einem anderen Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG, nebst der insoweit tatsächlich erzielten Entgelte für die Zeit vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990 weiter verfolgt, ist nicht begründet.
Die Klagen sind zwar in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang zulässig. Insbesondere besteht ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einem gesonderten gerichtlichen Verfahren gegen die Beklagte zur isolierten Überprüfung der von ihr insoweit abgelehnten Datenfeststellungen nach dem AAÜG. Denn neben der vorliegenden Klage auf Vormerkung der begehrten Daten ist ein weiteres Verfahren gegen die Beklagte auf Verurteilung zur Zahlung höherer Rente nicht anhängig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 B 4 RS 7/06 R veröffentlicht in juris).
Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen mit den von ihm erhobenen Klagen durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG bzw. zu einem anderen Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 01. August 1991, dem Zeitpunkt des In Kraft Tretens des AAÜG, keinen Versorgungsanspruch im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hatte. Denn der Versorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Kläger war aber auch am 01. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte unstreitig bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. Die Beklagte hat zudem in den angefochtenen Bescheiden eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG nicht getroffen. Eine solche Einbeziehung hat der Kläger auch nicht nachträglich durch Rehabilitierung nach Maßgabe des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes erlangt.
§ 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahingehend auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage am 01. August 1991 einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (ständige Rechtsprechung des BSG: vgl. z. B. Urteile vom 09. April 2002 B 4 RA 31/01 R = SozR 3 8570 § 1 Nr. 2, - B 4 RA 3/02 R = SozR 3 8570 § 1 Nr. 7 sowie vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R = SozR 3 8570 § 1 Nr. 8). Ein derartiger fiktiver Anspruch ist aber nur dann zu bejahen, wenn am Stichtag (30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Zusatzversorgungssystem vorgesehen war (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 B 4 RA 18/03 R = SozR 4 8570 § 1 Nr. 1; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 B 4 RA 23/04 R = SozR 4 8570 § 1 Nr. 6). Für die im Hauptantrag begehrte Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI sind insoweit die Texte der AVTI VO und § 1 Abs. 1 der 2. DB maßgebend, soweit diese am 03. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind. Die genannten Vorschriften der DDR sind dabei unabhängig von deren Verwaltungs- und Auslegungspraxis allein nach bundesrechtlichen Kriterien auszulegen (vgl. BSG SozR 3 8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 B 4 RA 11/04 R , veröffentlicht in juris). Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt ein fingierter Anspruch im Bereich der AVTI nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30. Juni 1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung tatsächlich verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (betriebliche Voraussetzung: vgl. hierzu BSG SozR 3 8570 § 1 Nr. 6; SozR 3 8570 § 1 Nr. 3).
Der Kläger gehörte am Stichtag nicht zu dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB abschließend umschriebenen Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten. Denn er war nach der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 - GBl. II S. 278 - (IngVO) nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er gehörte ersichtlich auch nicht zu dem in § 2 IngVO gleichgesetzten Personenkreis; ihm wurde auch nicht auf Antrag die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zuerkannt (§ 3 IngVO). Das von ihm zurückgelegte Fachschulstudium, das ihn berechtigte, die Berufsbezeichnung "Ingenieurpädagoge" zu führen, gibt nicht das Recht, den Titel "Ingenieur" zu führen. Auf dieses Recht stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB ausweislich der "Einreihungsregelung" in § 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. DB aber ab (vgl. zum Ingenieurpädagogen: BSG, Urteil vom 09. April 2002 B 4 RA 36/01 R veröffentlicht in juris). Der Kläger war auch nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung "Techniker" zu führen. Mangels Erfüllung der persönlichen Voraussetzung am Stichtag kann somit dahinstehen, ob der Kläger am 30. Juni 1990 überhaupt in einer ingenieurtechnischen Beschäftigung tätig war oder ob sein Arbeitgeber überhaupt ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder ein diesen Betrieben gleichgestellter Betrieb war. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der von dem Kläger zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07. September 2006 (- B 4 RA 47/05 R = SozR 4 6570 § 1 Nr. 12). Denn der dortige Kläger hatte das Recht, am 30. Juni 1990 die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Damit galten für ihn nach dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR, wie er in der IngVO seinen Ausdruck gefunden hatte, die Bestimmungen über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" entsprechend. § 1 Abs. 2 IngVO bestimmte nämlich ausdrücklich, dass auch "Ingenieurökonomen" bezüglich der Berechtigung zur Führung des Titels "Ingenieur" den Ingenieuren gleichgestellt waren (vgl. hierzu schon BSG SozR 3 8570 § 5 Nr. 6 S. 41). Der Kläger hatte jedoch zu keinem Zeitpunkt die Berechtigung erworben, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Er ist Ingenieurpädagoge.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein anderes System der zusätzlichen Altersversorgung nach der Anlage 1 zum AAÜG. Allein in Betracht kommt insoweit die zusätzliche Altersversorgung der Pädagogen (Zusatzversorgungssystem Nr. 18 der Anlage 1 zum AAÜG). Denn abgesehen davon, dass der Erwerb der Berufsbezeichnung "Ingenieurpädagoge" nicht dazu führt, dass ihr Träger als Pädagoge im versorgungsrechtlichen Sinne anzusehen ist (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 15. Dezember 2003 L 6 RA 307/01 , veröffentlicht in juris), war der Kläger am Stichtag als Abteilungsleiter im Bereich Ausbildung bzw. Aus- und Fortbildung des VEB E B auch nicht in einer pädagogischen Einrichtung beschäftigt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. April 2008 B 4 RS 31/07 R veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Überdies erfasste die zusätzliche Versorgung der Pädagogen nicht die Lehrkräfte in der praktischen Berufsausbildung (vgl. § 1 Abs. 4 der Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen vom 27. Mai 1976 GBl. I S. 253; § 1 Abs. 2 der Anordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen vom 02. Mai 1988; vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2007 L 12 RA 110/04 , veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Kläger war aber – was schon aus seiner Berufsbezeichnung in der entsprechenden Urkunde erhellt – "Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1952 geborene Kläger, der vom 05. November 1975 bis 30. April 1977 Grundwehrdienst geleistet hatte, erwarb nach einem Fachschulstudium am Institut zur Ausbildung von Pädagogen K die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieurpädagoge (Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht)" zu führen (Zeugnis vom 31. August 1984). Bereits ab 01. Januar 1978 war er bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB) E B bzw. dem VEB E B versicherungspflichtig beschäftigt, und zwar als Lehrausbilder bis 31. Dezember 1978, als Lehrmeister vom 01. Januar 1979 bis 31. Dezember 1980, als Lehrobermeister vom 01. Januar 1981 bis 31. Dezember 1989 und als Abteilungsleiter vom 01. Januar 1990 bis 30. Juni 1990. Mit Wirkung vom 01. Februar 1978 war der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung der DDR beigetreten und entrichtete bis zum 30. Juni 1990 Beiträge für das Einkommen bis 1 200,- Mark (M) der DDR monatlich bzw. 14 400,- M jährlich. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab mit der Begründung, dass der Kläger am 30. Juni 1990 nicht über den Titel eines Ingenieurs oder Technikers im Sinne der Verordnung über die Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVTI VO) vom 17. August 1950 (GBl. S. 844) und der hierzu ergangenen Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487) verfügt habe. Die geltend gemachte Beschäftigung sei auch keinem anderen Zusatzversorgungssystem zuzuordnen. Insbesondere scheide eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem Nr. 18 der Anlage 1 zum AAÜG (Zusätzliche Versorgung der Pädagogen in Einrichtungen der Volks- und Berufsbildung) aus. Denn als Angehörige der pädagogisch tätigen Intelligenz im Sinne der einschlägigen Versorgungsordnung hätten im Bereich Berufsbildung nur Lehrkräfte des berufstheoretischen Unterrichtes gegolten, die eine dafür anerkannte abgeschlossene pädagogische Ausbildung besäßen. Die Qualifikation als Ingenieurpädagoge berechtige hingegen nur zur Beschäftigung in der berufspraktischen Ausbildung.
Im Klageverfahren hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, "die Beschäftigungszeiten vom 01.08.1984 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1" zum AAÜG festzustellen, hilfsweise festzustellen, dass er "während seiner Beschäftigungszeit vom 01.08.1984 bis zum 30.06.1990 als zugehörig zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG gilt". Das Sozialgericht hat diese Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2008 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung der im Klageantrag bezeichneten Daten. Das AAÜG sei auf ihn gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht anwendbar. Er sei nicht in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen. Auch eine ihn einbeziehende Rehabilitierungsentscheidung liege nicht vor. Auch eine fiktive Einbeziehung komme nicht in Betracht. Im Hinblick auf die AVTI gelte dies schon deshalb, weil der Kläger am 30. Juni 1990 keine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt habe. Die Tätigkeit als Abteilungs- bzw. Hauptabteilungsleiter im Bereich Ausbildung bzw. Aus- und Fortbildung am Stichtag erfülle auch nicht die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die zusätzliche Altersversorgung der Pädagogen (Zusatzversorgungssystem Nr. 18 der Anlage 1 zum AAÜG). Denn dieses Zusatzversorgungssystem habe Lehrkräfte der praktischen Berufsausbildung nicht erfasst (Bezugnahme auf Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2007 L 12 RA 110/04 , veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine Schriftsätze vom 28. März 2008 und 04. Juli 2008 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschafts-überführungsgesetz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, hilfsweise, die bezeichnete Beschäftigungszeit als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Zusatzversorgungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) hinsichtlich der begehrten Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI, hilfsweise zu einem anderen Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG, nebst der insoweit tatsächlich erzielten Entgelte für die Zeit vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990 weiter verfolgt, ist nicht begründet.
Die Klagen sind zwar in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang zulässig. Insbesondere besteht ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einem gesonderten gerichtlichen Verfahren gegen die Beklagte zur isolierten Überprüfung der von ihr insoweit abgelehnten Datenfeststellungen nach dem AAÜG. Denn neben der vorliegenden Klage auf Vormerkung der begehrten Daten ist ein weiteres Verfahren gegen die Beklagte auf Verurteilung zur Zahlung höherer Rente nicht anhängig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 B 4 RS 7/06 R veröffentlicht in juris).
Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen mit den von ihm erhobenen Klagen durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG bzw. zu einem anderen Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 01. August 1984 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 01. August 1991, dem Zeitpunkt des In Kraft Tretens des AAÜG, keinen Versorgungsanspruch im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hatte. Denn der Versorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Kläger war aber auch am 01. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte unstreitig bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. Die Beklagte hat zudem in den angefochtenen Bescheiden eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG nicht getroffen. Eine solche Einbeziehung hat der Kläger auch nicht nachträglich durch Rehabilitierung nach Maßgabe des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes erlangt.
§ 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahingehend auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage am 01. August 1991 einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (ständige Rechtsprechung des BSG: vgl. z. B. Urteile vom 09. April 2002 B 4 RA 31/01 R = SozR 3 8570 § 1 Nr. 2, - B 4 RA 3/02 R = SozR 3 8570 § 1 Nr. 7 sowie vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R = SozR 3 8570 § 1 Nr. 8). Ein derartiger fiktiver Anspruch ist aber nur dann zu bejahen, wenn am Stichtag (30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Zusatzversorgungssystem vorgesehen war (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 B 4 RA 18/03 R = SozR 4 8570 § 1 Nr. 1; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 B 4 RA 23/04 R = SozR 4 8570 § 1 Nr. 6). Für die im Hauptantrag begehrte Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI sind insoweit die Texte der AVTI VO und § 1 Abs. 1 der 2. DB maßgebend, soweit diese am 03. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind. Die genannten Vorschriften der DDR sind dabei unabhängig von deren Verwaltungs- und Auslegungspraxis allein nach bundesrechtlichen Kriterien auszulegen (vgl. BSG SozR 3 8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 B 4 RA 11/04 R , veröffentlicht in juris). Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt ein fingierter Anspruch im Bereich der AVTI nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30. Juni 1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung tatsächlich verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (betriebliche Voraussetzung: vgl. hierzu BSG SozR 3 8570 § 1 Nr. 6; SozR 3 8570 § 1 Nr. 3).
Der Kläger gehörte am Stichtag nicht zu dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB abschließend umschriebenen Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten. Denn er war nach der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 - GBl. II S. 278 - (IngVO) nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er gehörte ersichtlich auch nicht zu dem in § 2 IngVO gleichgesetzten Personenkreis; ihm wurde auch nicht auf Antrag die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zuerkannt (§ 3 IngVO). Das von ihm zurückgelegte Fachschulstudium, das ihn berechtigte, die Berufsbezeichnung "Ingenieurpädagoge" zu führen, gibt nicht das Recht, den Titel "Ingenieur" zu führen. Auf dieses Recht stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB ausweislich der "Einreihungsregelung" in § 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. DB aber ab (vgl. zum Ingenieurpädagogen: BSG, Urteil vom 09. April 2002 B 4 RA 36/01 R veröffentlicht in juris). Der Kläger war auch nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung "Techniker" zu führen. Mangels Erfüllung der persönlichen Voraussetzung am Stichtag kann somit dahinstehen, ob der Kläger am 30. Juni 1990 überhaupt in einer ingenieurtechnischen Beschäftigung tätig war oder ob sein Arbeitgeber überhaupt ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder ein diesen Betrieben gleichgestellter Betrieb war. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der von dem Kläger zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07. September 2006 (- B 4 RA 47/05 R = SozR 4 6570 § 1 Nr. 12). Denn der dortige Kläger hatte das Recht, am 30. Juni 1990 die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Damit galten für ihn nach dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR, wie er in der IngVO seinen Ausdruck gefunden hatte, die Bestimmungen über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" entsprechend. § 1 Abs. 2 IngVO bestimmte nämlich ausdrücklich, dass auch "Ingenieurökonomen" bezüglich der Berechtigung zur Führung des Titels "Ingenieur" den Ingenieuren gleichgestellt waren (vgl. hierzu schon BSG SozR 3 8570 § 5 Nr. 6 S. 41). Der Kläger hatte jedoch zu keinem Zeitpunkt die Berechtigung erworben, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Er ist Ingenieurpädagoge.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein anderes System der zusätzlichen Altersversorgung nach der Anlage 1 zum AAÜG. Allein in Betracht kommt insoweit die zusätzliche Altersversorgung der Pädagogen (Zusatzversorgungssystem Nr. 18 der Anlage 1 zum AAÜG). Denn abgesehen davon, dass der Erwerb der Berufsbezeichnung "Ingenieurpädagoge" nicht dazu führt, dass ihr Träger als Pädagoge im versorgungsrechtlichen Sinne anzusehen ist (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 15. Dezember 2003 L 6 RA 307/01 , veröffentlicht in juris), war der Kläger am Stichtag als Abteilungsleiter im Bereich Ausbildung bzw. Aus- und Fortbildung des VEB E B auch nicht in einer pädagogischen Einrichtung beschäftigt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. April 2008 B 4 RS 31/07 R veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Überdies erfasste die zusätzliche Versorgung der Pädagogen nicht die Lehrkräfte in der praktischen Berufsausbildung (vgl. § 1 Abs. 4 der Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen vom 27. Mai 1976 GBl. I S. 253; § 1 Abs. 2 der Anordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen vom 02. Mai 1988; vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2007 L 12 RA 110/04 , veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Kläger war aber – was schon aus seiner Berufsbezeichnung in der entsprechenden Urkunde erhellt – "Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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