L 14 B 1471/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 1479/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1471/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Mai 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Zwar hat der 1978 geborene Antragsteller Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II), da er das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in (der Bundesrepublik) Deutschland hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) – was die Antragsgegnerin auch nicht verkennt. Dementsprechend dürfte ihm die Antragsgegnerin – auch – Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen haben, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Zweifel daran, dass die dem Antragsteller für die von ihm seit April 2008 bewohnte Wohnung entstehenden Aufwendungen angemessen sind, ergeben sich insbesondere unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin offenbar vor Erlass des Bescheids vom 12. März 2008 vorgenommenen Prüfung (Bl. 71 der Leistungsakte) nicht.

Der Erbringung von Leistungen in Höhe dieser Aufwendungen steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin eine entsprechende Zusicherung nicht erteilt hat. Die vorherige Zustimmung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2 SGB II ist keine "echte" Anspruchsvoraussetzung (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –). Entscheidend ist allein, ob der Umzug "objektiv" erforderlich ist bzw. war. § 22 Abs. 2a SGB II ist vorliegend nicht anwendbar, da der Antragsteller das 25. Lebensjahr vollendet hat.

Der Auszug des Klägers aus der Wohnung seiner Eltern – und damit sein Umzug – dürfte auch als "erforderlich" im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II anzusehen sein. Der durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) in § 22 SGB II eingefügte Abs. 2a spricht dafür, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Menschen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, keiner "Erlaubnis" mehr bedürfen, um eine eigene Wohnung zu beziehen. Aus dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs ergibt sich keine allgemeine Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit eines volljährigen bzw. – ab 1. April 2006 – über 25 Jahre alten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, in einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft mit anderen Menschen zu wohnen, wohnen zu bleiben oder eine solche Gemeinschaft zu begründen (so bereits Beschlüsse des Senats vom 28. September 2006 – L 14 B 733/06 AS ER – und vom 10. Juni 2008 – L 14 B 498/08 AS PKH –). "(D)ie Übernahme der Unterkunftskosten (dient) der Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses, des Wohnens. Sie bildet einen Eckpfeiler für die Erreichung des übergeordneten Hilfeziels, der Loslösung aus dem Leistungsbezug. Dieses menschliche Grundbedürfnis ist nicht auf die schlichte Beseitigung der Obdachlosigkeit als solche beschränkt, sondern beinhaltet grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich in einem abgeschlossenen, von Einflüssen Dritter freien Bereich aufzuhalten." (LSG Hamburg, Beschluss vom 25. August 2005 – L 5 B 201/05 ER AS – unter Hinweis auf die Hamburger "Fachlichen Vorgaben zu § 22 II – Leistungen für Unterkunft und Heizung" vom 15. Oktober 2004). Dementsprechend steht jedem volljährigen bzw. (jetzt) über 25 Jahre alten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in aller Regel eine eigene Wohnung (wenn auch nur mit einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattung – BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –) zu.

Allerdings setzt der vom Antragsteller begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) voraus, dass eine vorläufige Regelung "zur Abwendung wesentlicher Nachteile" nötig erscheint (sog. Anordnungsgrund). Dies ist anzunehmen, wenn dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, den Ausgang des sog. Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Anordnungsgrund ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).

Angesichts dessen, dass – worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat – im vorliegenden Eilverfahren allenfalls die vorläufige Erbringung von Leistungen für die Zeit vom 24. April 2008 (Antragstellung beim Sozialgericht) bis zum 30. Juni 2008 (Ende des im Bescheid vom 4. Januar 2008 geregelten Bewilligungszeitraums) in Betracht kommt, ist ein Annordnungsgrund nicht gegeben. Der Antragsteller hat jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass er durch die (vorläufige) Nichterbringung von Leistungen für diesen – begrenzten – Zeitraum in eine Notlage geraten würde oder bereits ist, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte. Insbesondere hat er – auch im Beschwerdeverfahren – nicht einmal behauptet, dass bereits Mietschulden entstanden sind, sondern lediglich angeführt, dass er "bereits jetzt Probleme habe, alle Kosten zu tragen". Andererseits war er in der Lage, eine Mietsicherheit zu zahlen sowie die Aufwendungen für seinen Umzug und die Renovierung der Wohnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass es ihm ungeachtet der angeführten "Probleme" nicht gelungen ist, den geschuldeten Mietzins zu-mindest für die Zeit bis zum 30. Juni 2008 zu zahlen. Für den am 1. Juli 2008 beginnenden Bewilligungsabschnitt ist ggf. ein neuer Antrag zu stel-len, worauf der Antragsteller bereits hingewiesen worden ist. Es steht ihm frei, insoweit auch erneut um vorläufigen Rechtsschutz nachzusuchen, sofern ein Eilbedürfnis (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden kann.

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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