Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 498/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 U 477/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob Gesundheitsstörungen des neurologisch-psychiatrischen Formenkreises Folge des Arbeitsunfalles vom 15. Februar 2003 sind.
Mit Unfallanzeige vom 20. März 2003 schilderte der Arbeitgeber und Ehemann der 1945 geborenen Klägerin, diese sei am 15. Februar 2003 im K verunfallt, als sie im Rahmen des Arbeitsvertrages Einkäufe für das von ihm betriebene Blumengeschäft erledigt habe. Beim Verlassen des Fahrstuhls sei sie mit einem älteren Mann zusammengeprallt, der rückwärtsgewandt einen Schritt nach hinten gemacht habe und ihr auf den Fuß getreten sei, so dass sein Hinterkopf gegen ihren Kopf gestoßen sei. Sie sei zu Fall gekommen. Ein Wachmann habe ihr aufgeholfen. Der ältere Herr habe sein Verschulden eingeräumt und seine Adresse hinterlassen.
Unter dem 11. März 2003 bescheinigte der Zahnarzt Dr. M, der Zahn 11 sei durch ein Trauma (Verletzung durch Fremdeinwirkung) frakturiert. In der zahnärztlichen Auskunft vom 30. April 2003 für die Beklagte führte er aus, die Klägerin habe geschildert, den Ellenbogen des Mannes frontal im Oberkieferbereich ins Gesicht bekommen zu haben. Die erste Inan-spruchnahme zahnärztlicher Hilfe sei nach telefonischer Vereinbarung am 17. Februar 2003 am 3. März 2003 erfolgt.
Der Durchgangsarzt und Chirurg G beschrieb im Bericht vom 14. August 2003 eine leichte Schwellung und deutlichen Druckschmerz über der linken Wange. Die Kiefergelenke seien frei beweglich, Gefühlsstörungen und Nervenausfälle seien in diesem Bereich nicht feststellbar. Soweit die Klägerin seit dem Unfall über Schmerzen im Kniegelenk rechts mehr als links klage, sei eine leichte Schwellung und Verhärtung in diesem Bereich festzustellen.
In der Krankheitsauskunft vom 05. März 2004 führte der Arzt F aus, die Klägerin sei bei dem Zusammenstoß auf die Knie gefallen. Es bestehe ein Kopfschmerz, ein Schmerz der linken Gesichtshälfte und beider Kniegelenke. Außerdem seien Angstzustände aufgefallen, Arbeitsun-fähigkeit habe vom 15. Mai 2003 bis 27. Februar 2004 bestanden. Die Krankenkasse der Klägerin teilte unter dem 27. August 2003 mit, die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arzt F sei bisher wegen Osteoporose/chronischer Schmerzzustand zu Lasten der Krankenkasse erfolgt.
Unter dem 24. März 2004 machte die Klägerin geltend, sie leide unter psychischen Beschwerden. Sie habe Angst vor der Benutzung von Fahrstühlen, vor Menschenmengen und vor dem Bus- und Autofahren.
Eine Röntgenuntersuchung beider Kniegelenke vom 05. November 2003 ergab einen unauffälligen Befund.
Am 14. Oktober 2004 erstattete der Unfallchirurg Dr. H ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Die radiologische Diagnostik habe eine leichte Sklerosierung der tibialen Gelenkfläche beidseits (Arthrose 1. Grades) ergeben. Knöcherne Verletzungen des Schädels, insbesondere beider Jochbeinbögen, seien nicht feststellbar. Eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit der Knie habe höchstens bis zu vier Wochen bestanden. Unfallfolgen seien zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht mehr feststellbar, allerdings sei eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung erforderlich.
Frau Dr. P, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, erstattete unter dem 29. März 2005 ein nervenärztliches Gutachten. In diesem konnten die Schmerzen der linken Wange nicht mit dem Verlauf eines bestimmten Nerves in Verbindung gebracht werden. Es zeige sich ein zugrunde liegendes "Körperverständnis", das aber nicht den anatomischen Gegebenheiten entspreche. Auch das angegebene Schmerzmuster entspreche weder einer symptomatischen/posttraumatischen noch einer idiopathischen Trigeminusneuralgie. Auch zeigten sich weder Trigger Faktoren, noch mögliche typische autonome Begleitsymptome, noch ein bestehendes sensibles Defizit oder ein kontinuierlicher wellenförmiger Dauerschmerz. Die bestehende Symptomatik beruhe auf einer vermehrten Sensibilisierung für Körperprozesse, die unfallunabhängig sei. Für die eigenständige Diagnose aus dem somatoformen Formenkreis, z. B. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, zeige die Klägerin nicht die geforderten Kriterien. Als unfallabhängig sei die nun aufgetretene Angstsymptomatik zu beurteilen, die sich zeitnah zum Unfall als spezifische Phobie gezeigt habe. Es finde sich mittlerweile eine Generalisierung der Angst auslösenden Symptome im Sinne von agoraphoben und klaustro-phoben Ängsten (ICD 10 F 41.3). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage derzeit 20 v. H. Eine Therapie sei dringend erforderlich, dann sei mit einem Rückgang der MdE zu rechnen.
Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. S vom 12. April 2005 eingeholt. Dieser führte aus, dass Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet nicht vorlägen, eine unfallbedingte MdE bestehe daher nicht. Das eingeholte Gutachten der Frau Dr. P enthalte keine Ausführungen zum Ursachenzusammenhang. Dieser werde lediglich behauptet. Die Klägerin schildere eine vielfältige Angstsymptomatik, die am ehesten einer Panikstörung mit Agoraphobie zuzuordnen sei. Es bestünden wiederkehrende, teilweise unerwartete Panikattacken, anhaltende Besorgnis vor neuen Attacken und ein entsprechendes Vermeidungsverhalten gegenüber Situationen, in denen Panikattacken aufgetreten seien. Nach dem vorliegenden Schrifttum (Kendler et. al. 2001, Hellema et. al. 2006) handele es sich um eine anlagebedingte Störung, die weder durch Lebensereignisse noch traumatische Ereignisse hervorgerufen werden könne. Das Ereignis selbst sei wenig dramatisch, es gehöre zu den üblichen Erfahrungen des täglichen Lebens und sei sicher nicht geeignet, schwerwiegend in das Leben eines Menschen einzugreifen.
Mit Bescheid vom 27. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2005 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Februar 2003 ab. Leistungen wegen der Prellung und der Zahnverlet-zung seien über den 14. März 2003 hinaus nicht zu erbringen. Die Entschädigung der Angststörung und der geklagten Beschwerden im Bereich des fünften Hirnnerves (Nervus trigeminus) werde abgelehnt.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2006 abgewiesen. Dem Gutachten der Dr. P könne nicht gefolgt werden, soweit sie eine unfallbedingte Angststörung angenommen habe, da eine tragfähige Begründung für den Unfallzusammenhang nicht gegeben worden sei. Sie würdige weder die Geeignetheit des Unfalls, eine Angststörung zu verursachen, noch diskutiere sie unfallfremde Faktoren. Dies überrasche umso mehr, als die Gutachterin im Zusammenhang mit den Gesichtsschmerzen von einer vermehrten Sensibilisierung für Körperprozesse mit eigenen Erklärungsmustern gespro-chen habe. Der einzige Aspekt, der für den bejahten Ursachenzusammenhang angeführt worden sei, sei der zeitnahe Zusammenhang zum Unfallereignis. Die diesbezüglich von der Klägerin geschilderten Angststörungen seien jedoch nicht durch Arztberichte bestätigt und daher fragwürdig. So habe die behandelnde Orthopädin Dr. E unter dem 28. Oktober 2003 zwar Angstzustände geschildert, aber keine fallspezifischen und ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, irgendwie Angst vor allem zu haben. Fehle es an der generellen Geeignetheit eines Un-falls, eine psychische Erkrankung zu verursachen, komme eine Anerkennung der psychischen Erkrankung als Unfallfolge aber von vornherein nicht in Betracht (Bundessozialgericht BSG , Urteil vom 26. Januar 1994, Az.: 9 RVg 3/93 = SozR 3 3800 § 1 Nr. 3).
Gegen den ihr am 06. Februar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit der Berufung vom 06. März 2006. Sie macht geltend, dass dem überzeugenden Gutachten der Dr. P gefolgt werden müsse. Dieses habe durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten der Frau Dr. S Bestätigung erfahren. Den Einwänden des Prof. Dr. S in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen für die Beklagte könne nicht gefolgt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide und die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. S und der Dipl. Psych. K.
Das Landessozialgericht hat einen Erörterungstermin am 10. Mai 2006 durchgeführt, in dem die Klägerin ihr Begehren auf Anerkennung von Unfallfolgen auf das psychiatrische Gebiet beschränkt hat, und Oberärztin Dr. S, Krankenhaus N, Abteilung für Psychiatrie, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Diese hat im nervenärztlichen Gutachten vom 10. November 2006 ausgeführt, die Klägerin sei in ursprünglich neutraler Situation überraschend mit einem als körperliche Attacke erlebten Zusammenprall konfrontiert worden. Mit einer Verzögerung von mehreren Stunden habe sie nächtens erwachend einen Schmerz an der linken Wange und nicht etwa an der Stirn, an die der Hinterkopf des Unfallkontrahenten ge-prallt war, verspürt, der sich angefühlt habe, "als wenn jemand was in die Wange reinhaue". Diese Formulierung lege eine jahrelang verdrängte Gewalterfahrung in Kindheit und erster Ehe nahe. Darüber hinaus habe die Klägerin binnen kurzem phobische Ängste, die zunächst auf das Verlassen von Fahrstühlen bezogen gewesen seien, entwickelt, die bald auf Situationen der Konfrontation mit Menschenansammlungen generalisiert seien. Weiter sei die Angst im Pkw hinzugekommen, die klaustrophobische Züge trage. Unter kognitiv-lerntheoretischen Konzepten sei somit der neutrale situative Stimulus "Lift" durch das Zusammentreffen mit einem aversiven Stimulus "schmerzhafte Kollision mit dem Unfallgegner" im Sinne der klassischen Konditionierung zu einem Angst auslösenden Reiz geworden. Entsprechend der Zwei Faktoren Theorie von Mowrer habe sich im Sinne operanter Konditionierung ein Meidungsverhalten herausgebildet, das ein Aufsuchen von phobischen Situationen nur noch in Begleitung des Ehemannes oder der Tochter möglich mache. In der aktuellen gutach-terlichen Untersuchung sei die Klägerin als eine hinsichtlich ihrer Alltagsbewältigung kompetente und kompensierte Persönlichkeit erschienen, die lediglich subklinische Akzentuierungen aufgewiesen habe, sie sei jedoch durch das Erleben der unverhofften und überraschenden Gewalterfahrung im Sinne der Manifestation einer Agoraphobie mit klaustrophobischen Zügen und einer somatoformen Schmerzstörung dekompensiert. Auch bei genauer psychiatrischer Exploration habe sich keine vorbestehende Krankheitsanlage eruieren lassen. Das Unfallereignis als eine überraschende Verletzung sei zwar thematisch mit Gewalterfahrungen der Vorgeschichte psychologisch zu verknüpfen, es bestünden aber keine Hinweise darauf, dass die konsekutive Schmerzstörung und Agoraphobie präexistent gewesen seien. Gerade die emotionale Brücke der Gewalterfahrung unterscheide das Unfallereignis von sonstigen alltäglich vorkommenden ähnlich gelagerten Ereignissen, so dass es als unersetzliche äußere Einwirkung anzusehen sei, ohne die Phobie und Schmerzstörung entweder gar nicht oder nicht unwesentlich später aufgetreten wären. Selbst wenn von einer durch vorbestehende Stressoren ausgehenden biologischen psychologischen Vorbereitung ausgegangen werde, entspreche dies nicht einer vorbestehenden Erkrankung, und selbst wenn diese bis dato subklinisch gebliebene Persönlichkeitsstruktur (ausgeprägtes Opfererleben) als bereitliegende Störung angesehen würde, wäre von einer wesentlichen Verschlimmerung im Sinne einer Mitverursachung auszugehen, da das Unfallereignis jene Persönlichkeitsstruktur über die Manifestationsschwelle gehoben hätte. Die MdE für die Angststörung betrage 20 v. H., die somatoforme Schmerzstörung bedinge keine zusätzliche MdE.
Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. S vom 08. Januar 2007 vorgelegt. Dieser bemängelte zunächst, dass sich in der Akte verschiedene Unfallabläufe fänden. Die Befunderhebung sei unvollständig. Eine sorgfältige körperliche oder neurologische Untersuchung habe nicht stattgefunden. Diese wäre aber wesentlich gewesen, um zu überprüfen, ob nachvollziehbare Schmerzen im Innervationsgebiet des Trigeminusastes gegeben seien. Differenzialdiagnostische Überlegungen fehlten vollständig. Etwaige vegetative Auffälligkeiten seien nicht erwähnt. Auch der psychopathologische Befund weise Lücken auf. Die gestellten Diagnosen seien nicht unter Bezugnahme auf die gängigen Diagnosemanuals begründet und ließen sich aufgrund der mitgeteilten Beschwerden und Befunde auch nicht nachvollziehen. Wenn schon eine Agoraphobie als Diagnose angenommen werde, bleibe zu untersuchen, ob diese durch das Unfallereignis hervorgerufen worden sei. Der Verweis auf frühere Gewalterfahrungen reiche hierzu nicht. Neuere Arbeiten belegten übereinstimmend, dass Angststörungen wesentlich durch genetische Faktoren bedingt seien oder erklärt werden könnten, die deutlichste genetische Komponente finde sich bei agoraphobischen Störungen. Das vorgeschlagene Konstrukt, dass das Bagatellerlebnis beim Verlassen des Fahrstuhls zu einer Reaktivierung der früheren Gewalterfahrung und dadurch zu der Auslösung einer Angstsymptomatik geführt habe, könne konkret weder widerlegt noch bestätigt werden, es handele sich um eine empirisch nicht überprüfbare Hypothese, die durch den aktuellen medizinischen Kenntnisstand nicht gestützt werde. Die Agoraphobie werde mehr als andere Angststörungen durch genetische Faktoren bestimmt, über eine Auslösung durch Lebensereignisse sei nichts bekannt. Dem Gutachten sei nicht zu entnehmen, warum die Gutachterin zu einer anderen Auf-fassung gelange. Hinsichtlich der MdE Bewertung sei einfach der Beschwerdevortrag der Klägerin "geglaubt" worden.
In ihrer dazu eingeholten Stellungnahme vom 22. März 2007 hat Frau Dr. S ausgeführt, die von Prof. Dr. S empfohlene Aufzählung möglicher neurologischer Krankheitsbildung, die ebenfalls zu Gesichtsschmerzen führen könnten, aber nicht vorlägen, sei nicht weiterführend. Soweit vegetative Auffälligkeiten im Gutachten nicht genannt worden seien, hätten diese auch nicht vorgelegen. Den Schmerzcharakter habe sie mit den Worten der Klägerin beschrieben. Soweit Prof. Dr. S die Bezugnahme auf gängige Diagnosemanuals vermisst habe, habe sie dies in ihrer nun vorliegenden Stellungnahme nachgeholt. Dass die Angstsymptome von ihm im Sinne einer Panikstörung mit Agoraphobie abweichend hierarchisiert worden seien, spiegele einen seit Jahrzehnten bestehenden Dissens zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen wider. Die Annahme einer endogenen Panikerkrankung mit dem Epiphänomen einer Agoraphobie sei eher Kennzeichen einer biologischen Theoriebildung, während ihre Einordnung stärker einem psychodynamischen Verständnis der Krankheitsentstehung entspreche. Selbstverständlich sei es nicht schwierig, für jede wissenschaftliche Auffassung Literaturstellen in unüber-schaubarer Menge heranzuziehen. Der Versuch, mit Hinweis auf das Erscheinungsdatum, die von ihr im Gutachten angegebene Literatur als überholt darzustellen, entbehre jeder Grundlage.
Unter dem 23. April 2007 hat Prof. Dr. S in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme u. a. ausgeführt, die Argumentation, es sei eine Frage, zu welcher psychiatrischen Schule man sich bekenne, ob eine Panikstörung oder eine Agoraphobie bestehe, lenke nur von der mangelhaften Präzision der Befunderhebung durch die Gutachterin ab und sei auch insofern falsch, als Agoraphobien mit und ohne Panikstörung und separate Panikstörungen nach allen Diagnosemanuals befundet werden könnten. Die derzeitige Lehrmeinung besage, dass Angststörungen durch genetische Faktoren und nicht durch traumatisierende Lebensereignisses hervorgerufen würden. Dies sei durch die von ihm zitierten Studien ausreichend belegt.
Zu diesem Vorbringen hat der Senat eine erneute Stellungnahme der Frau Dr. S vom 12. Juni 2007 eingeholt. Sie führte aus, die von Prof. Dr. S vorgenommene Ableitung eines individuellen Erkrankungsrisikos aufgrund epidemiologisch gewonnener statistischer Daten in den zitierten Studien entbehre jeder Grundlage und sei spekulativ.
Ergänzend hat die Beklagte eine Stellungnahme der Beratenden Psychologin K vom 08. Juli 2007 eingereicht. Da die Klägerin nach eigenen Angaben bei Fernreisen keine Angst empfinde, allein im Blumenladen ihres Ehemannes arbeiten könne und tägliche Einkäufe bewältige, müsse festgestellt werden, dass eine Agoraphobie oder Panikstörung nie festgestellt worden sei. Dasselbe gelte für die somatoforme Schmerzstörung. Bei einem zufälligen und nicht vorsätzlichen Zusammenstoß zweier Menschen in einem Kaufhaus handele es sich um ein Bagatellereignis, das grundsätzlich nicht geeignet sei, bei einem gesunden Menschen eine Störung zu verursachen.
Der Senat hat eine weitere Stellungnahme der Frau Dr. S vom 23. Oktober 2007 eingeholt, die ausgeführt hat, gerade aus dem Umstand, dass die Klägerin in ihrer Alltagsbewältigung eine kompetente und kompensierte Persönlichkeit gewesen sei, folge, dass sie nicht von einem Ba-gatellereignis betroffen worden sei.
Weiter hat der Senat Krankenunterlagen des Prof. Dr. J, Facharzt für Neurologie, und der Fachärzte für Orthopädie S und Dr. B vom 17. April 2008 beigezogen.
Die Firma K hat mit Schreiben vom 16. Juli 2008 mitgeteilt, der Name des Wachmannes, der der Klägerin nach dem Sturz am 15. Februar 2003 aufgeholfen habe, sei nicht mehr ermittelbar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen die angefochtenen Bescheide zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Angst- und Schmerzstörung als Unfallfolge und Gewährung einer Verletztenrente hat.
Nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, einen Anspruch auf Rente. Infolge eines Ver-sicherungsfalles ist die Erwerbsfähigkeit nur dann gemindert, wenn die versicherte unfallbri-gende Tätigkeit mit Wahrscheinlichkeit die wesentliche Teilursache der eingetretenen Gesundheitsstörungen ist. Nach der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung sind als rechtlich relevante Ursachen nur solche anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Nach der Rechtsprechung des BSG muss aus den Auffassungen des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden, welche Ursache wesentlich war und welche nicht (BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175). Beweismaßstab für die Bejahung des rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhangs ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, die vorliegt, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeu-gung gegründet werden kann (z. B. BSG SozR 3 1300 § 48 Nr. 67, BSGE 19, 52, 56).
Nach der medizinischen Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass die bei der Klägerin vorliegende Angststörung, unabhängig davon, ob man diese als Agoraphobie mit somatoformer Schmerzstörung (Dr. S) oder als Panikstörung mit Agoraphobie (Prof. Dr. S) hierarchisiert, nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 15. Februar 2003 zurückzuführen ist.
Zunächst folgt der Senat Dr. S und Dr. P bei der Diagnose einer Angststörung, weil beide Gutachterinnen bei der persönlichen Untersuchung der Klägerin diese befundet und die Erkrankung ausreichend mit den glaubwürdigen Angaben der Klägerin begründet haben. Den Einwänden des Prof. Dr. S und der Dipl. Psych. K vermochte der Senat insoweit nicht zu folgen. Die Hinweise auf die angeblich nicht ausreichende Exploration und Befunddarstellung überzeugen den Senat nicht. Insoweit hat Frau Dr. S zu Recht ausgeführt, dass ein Gutachten naturgemäß nur die wesentlichen Befundungen, die für die Diagnose wesentlich seien, darstellen müsse. Es ist insoweit der Praxis geschuldet, dass nur tatsächlich in Betracht kommende Gesundheitsstörungen differenzialdiagnostisch abgeklärt werden müssen und Befundungen nur das für den Gutachter Wesentliche darstellen können. Alles andere stellte eine lehrbuchhafte Überfrachtung eines im Gerichtsverfahren erstatteten Gutachtens durch regelmäßig erfahrene Ärzte, hier der Oberärztin einer Klinik für Psychiatrie, dar.
Aber auch, wenn der Senat von einer vorliegenden Angststörung ausgeht, lässt sich anhand der vorliegenden medizinischen Äußerungen nicht feststellen, dass diese ihre wesentliche Ursache mit Wahrscheinlichkeit im Unfallereignis hat.
Der Senat folgt insoweit der Einschätzung von Prof. Dr. S und Dipl. Psych. K, dass das Unfallereignis letztlich ein Bagatellereignis war, dessen folgenlose Bewältigung ohne weiteres von jedem gesunden Menschen erwartet werden kann und muss. Vorliegend ist die Klägerin "Opfer" eines Vorfalles geworden, der vom Unfallgegner in keiner Weise beabsichtigt und auch nicht gegen die Klägerin gerichtet war. Er hat diese lediglich beim Rückwärtsschreiten übersehen, ist ihr auf den Fuß getreten, so dass diese einen Schlag mit dem Hinterkopf gegen ihren Kopf bekam und fiel. Ein solches körperlich im Wesentlichen folgenlos bleibendes Ereignis muss als Bagatelle angesehen werden. So sind bei der Klägerin aufgrund des Kopfstoßes weder Prellungen noch andere Verletzungen im Gesicht beschrieben worden. Dass sie einen Ellenbogen in die linke Wange bekommen habe, hat die Klägerin lediglich einmal beim Zahnarzt beschrieben, in den übrigen Unfallaussagen fehlt diese Beschreibung, so dass der Senat davon ausgeht, dass der Unfallhergang nicht dergestalt war, dass die Klägerin einen erheblichen Ellenbogenstoß ins Gesicht bekommen hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie zudem behauptet, einen Unfall mit Ellenbogenstoß ins Gesicht nie beschrieben zu haben. Wollte sie die Fraktur eines Zahnes auf diesen Stoß zurückführen, so hätte es nach Auffassung des Senats zumindest erheblicher sichtbarer körperlicher Verletzungen bedurft, da ein gesunder Zahn nur durch erhebliche Gewalteinwirkung bricht. Von erheblichen Verletzungen wie Blutergüssen oder dergleichen im Gesicht der Klägerin war aber nie die Rede. Zahnärztliche Hilfe wurde auch erst am 3. März 2003 – etwa drei Wochen nach dem Unfall – in Anspruch genom-men. Auch nach dem Unfall konnte die Klägerin jedenfalls nicht nachvollziehbar die Auffassung gewinnen, Opfer einer Gewaltattacke geworden zu sein, wie Frau Dr. S dies darstellt. Denn bereits in der Unfallanzeige ist davon die Rede, dass der ältere Herr sich sofort für sein Tun entschuldigt und für Weiteres seine Adresse hinterlassen habe. Ein solches Erlebnis als Erfahrung einer Gewaltattacke darzustellen, wie dies Dr. S getan hat, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Selbst dass die Klägerin in der Kindheit und in ihrer ersten Ehe möglicherweise Gewalterfahrungen erleben musste, führt zu nichts anderem, da diese Gewalterfahrungen in einem völlig anderen Kontext stehen. Daran ändert auch die Konstruktion einer emotionalen Brücke nichts, wie Prof. Dr. S für den Senat zutreffend ausgeführt hat. Der Senat kann aber insoweit offen lassen, ob es schon an der generellen Geeignetheit des vorliegenden Bagatellereignisses fehlt, eine psychiatrische Gesundheitsstörung hervorzurufen, und schon deshalb die Anerkennung als Unfallfolge nicht in Betracht kommt (BSG a. a. O. und Urteil vom 9. Mai 2006 in SG b, 2007, Seite 242 ff). Denn selbst wenn unterstellt wird, dass der Unfall grund-sätzlich geeignet gewesen sein könnte, eine psychiatrische Gesundheitsstörung hervorzurufen, so lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass er die wesentliche Ursache der vorliegenden Angststörung gewesen ist.
Der Senat hatte zunächst festzustellen, dass in der wissenschaftlichen Literatur ein noch nicht entschiedener Meinungsstreit über die Verursachung einer Agoraphobie bzw. einer Panikstörung mit Agoraphobie besteht. Dies haben Prof. Dr. S und Dr. S übereinstimmend dargestellt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die jeweils angeführten Fundstellen in der Literatur so zutreffend sind, wie die befassten Sachverständigen sich auch gegenseitig bestätigen. Nicht entscheidend ist, dass die von Prof. Dr. S zitierten Fundstellen wenige Jahre jünger sind als die von Frau Dr. S genannten. Daraus allein vermochte der Senat nicht zu folgern, dass die herr-schende Meinung in der Wissenschaft nunmehr die von Prof. Dr. S favorisierte Ansicht vertritt. Der Senat hat auch keine Bedenken, dass in den genannten Studien jeweils nachvollziehbar die jeweilige Hypothese bestätigt wurde. Dies allein führt aber nicht zur Beseitigung des Mei-nungsstreites. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass weiter zwischen der so genannten biologischen Theorie und der psychodynamischen Theorie Streit über die Verursachung der Agoraphobie und ihrer Hierarchisierung besteht. Ist der Entstehungsmechanismus einer solchen psychiatrischen Erkrankung aber nicht geklärt, ist es nicht Aufgabe der Gerichte durch die Auswahl von Sachverständigen oder die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen oder durch Gutachtenaufträge den Fortschritt der medizinischen Erkenntnis voranzutreiben. Diesen in ständiger Rechtsprechung des BSG dargelegten Grundsätzen folgt auch der Senat (vgl. BSGE 81, 84, 89; SozR 3 2500 § 28 Nr. 4). Sind die Zusammenhänge aber ungeklärt, so trägt die Klägerin die Feststellungslast.
Aber selbst wenn der Senat der einen oder anderen Theorie folgte, ergäbe sich kein Entschädigungsanspruch der Klägerin.
Folgte der Senat der von Prof. Dr. S favorisierten biologischen Theorie, so käme die Anerkennung der Agoraphobie als Unfallfolge von vornherein nicht in Betracht, da diese Angststörung seiner Auffassung nach nur genetische Ursachen haben könne und von der Verursachung durch Lebensereignisse nichts bekannt sei.
Folgte der Senat der Auffassung der Dr. S, so fehlt es an der Wesentlichkeit der Verursachung. Frau Dr. S hat diese vermeintlich damit begründet, dass eine emotionale Brücke zu vorangegangenen Gewalterlebnissen geschlagen werden müsse, die allerdings von ganz erheblicher Natur gewesen seien. Eine von Gewalt geprägte Kindheit und eine durch Gewalt herbeigeführte Schwangerschaft durch den ersten Ehemann sind nach Auffassung des Senats aber von vollkommen anderer Qualität als das hier streitgegenständliche Unfallstolpern. Es leuchtet dem Senat mit Frau Dr. S durchaus ein, dass durch die erheblichen Gewalterfahrungen in Kindheit und erster Ehe prämorbide Persönlichkeitsstrukturen geschaffen worden sind. Dies verkennt letztlich auch Frau Dr. S in ihrem Gutachten nicht. Wenn sie die Wesentlichkeit des Unfallereignisses aber dann damit begründet, dass dieses die Persönlichkeitsstruktur über die Manifestationsschwelle gehoben habe, so verkennt sie den Begriff der Wesentlichkeit im Rechtssinne. Durch ihre Beschreibung wird geradezu deutlich, dass das Unfallereignis hier nur auslösenden Charakter hatte und damit Gelegenheitsursache war. Um in einem anderen Bild zu sprechen, ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, nicht die wesentliche Ursache des Überlaufens, sondern nur der letzte Anlass. Wesentlich für das Überlaufen ist das aus anderen Gründen bereits fast gefüllte Fass. Vergleichbar liegt es hier, wenn ein Bagatell-Unfallereignis über eine emotionale Brücke zur vorher erlebten Gewalt letztlich zu Angststörungen führt. Vor diesem Hintergrund kann der Senat Frau Dr. S auch nicht folgen, wenn sie das Unfallereignis als in seiner Art unersetzlich beschreibt. Es ist insoweit ein unzulässiger Rückschluss, wenn Frau Dr. S ausführt, da die Klägerin das Ereignis nicht folgenlos bewältigt habe, sei es von gravierender Natur gewesen. Dies vernachlässigt die von ihr selbst eingeräumte problematische Per-sönlichkeitsstruktur aufgrund der frühen Gewalterfahrungen. Auch jedes andere von Dritten verursachte Stolpern in neutraler Situation müsste nach dem Gutachten der Dr. S geeignet gewesen sein, über die emotionale Brücke vergleichbare Angststörungen auszulösen. Warum dies nicht so sein soll und worin die Unersetzlichkeit des Ereignisses bestehen soll, hat die Gutachterin an keiner Stelle begründet. Folglich ist von einer Gelegenheitsursache auszugehen.
Auch die somatoforme Schmerzstörung konnte letztendlich aus denselben Gründen nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Ein somatisches Korrelat für diese angegebene Gesundheitsstörung fand sich nicht. Die Auslösung über eine psychische Kausalitätskette ist nicht nachvollziehbar. Insoweit kam es im Ergebnis hierauf aber auch schon deshalb nicht an, weil auch Frau Dr. S der somatoformen Schmerzstörung eine MdE von Null zugeordnet hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob Gesundheitsstörungen des neurologisch-psychiatrischen Formenkreises Folge des Arbeitsunfalles vom 15. Februar 2003 sind.
Mit Unfallanzeige vom 20. März 2003 schilderte der Arbeitgeber und Ehemann der 1945 geborenen Klägerin, diese sei am 15. Februar 2003 im K verunfallt, als sie im Rahmen des Arbeitsvertrages Einkäufe für das von ihm betriebene Blumengeschäft erledigt habe. Beim Verlassen des Fahrstuhls sei sie mit einem älteren Mann zusammengeprallt, der rückwärtsgewandt einen Schritt nach hinten gemacht habe und ihr auf den Fuß getreten sei, so dass sein Hinterkopf gegen ihren Kopf gestoßen sei. Sie sei zu Fall gekommen. Ein Wachmann habe ihr aufgeholfen. Der ältere Herr habe sein Verschulden eingeräumt und seine Adresse hinterlassen.
Unter dem 11. März 2003 bescheinigte der Zahnarzt Dr. M, der Zahn 11 sei durch ein Trauma (Verletzung durch Fremdeinwirkung) frakturiert. In der zahnärztlichen Auskunft vom 30. April 2003 für die Beklagte führte er aus, die Klägerin habe geschildert, den Ellenbogen des Mannes frontal im Oberkieferbereich ins Gesicht bekommen zu haben. Die erste Inan-spruchnahme zahnärztlicher Hilfe sei nach telefonischer Vereinbarung am 17. Februar 2003 am 3. März 2003 erfolgt.
Der Durchgangsarzt und Chirurg G beschrieb im Bericht vom 14. August 2003 eine leichte Schwellung und deutlichen Druckschmerz über der linken Wange. Die Kiefergelenke seien frei beweglich, Gefühlsstörungen und Nervenausfälle seien in diesem Bereich nicht feststellbar. Soweit die Klägerin seit dem Unfall über Schmerzen im Kniegelenk rechts mehr als links klage, sei eine leichte Schwellung und Verhärtung in diesem Bereich festzustellen.
In der Krankheitsauskunft vom 05. März 2004 führte der Arzt F aus, die Klägerin sei bei dem Zusammenstoß auf die Knie gefallen. Es bestehe ein Kopfschmerz, ein Schmerz der linken Gesichtshälfte und beider Kniegelenke. Außerdem seien Angstzustände aufgefallen, Arbeitsun-fähigkeit habe vom 15. Mai 2003 bis 27. Februar 2004 bestanden. Die Krankenkasse der Klägerin teilte unter dem 27. August 2003 mit, die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arzt F sei bisher wegen Osteoporose/chronischer Schmerzzustand zu Lasten der Krankenkasse erfolgt.
Unter dem 24. März 2004 machte die Klägerin geltend, sie leide unter psychischen Beschwerden. Sie habe Angst vor der Benutzung von Fahrstühlen, vor Menschenmengen und vor dem Bus- und Autofahren.
Eine Röntgenuntersuchung beider Kniegelenke vom 05. November 2003 ergab einen unauffälligen Befund.
Am 14. Oktober 2004 erstattete der Unfallchirurg Dr. H ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Die radiologische Diagnostik habe eine leichte Sklerosierung der tibialen Gelenkfläche beidseits (Arthrose 1. Grades) ergeben. Knöcherne Verletzungen des Schädels, insbesondere beider Jochbeinbögen, seien nicht feststellbar. Eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit der Knie habe höchstens bis zu vier Wochen bestanden. Unfallfolgen seien zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht mehr feststellbar, allerdings sei eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung erforderlich.
Frau Dr. P, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, erstattete unter dem 29. März 2005 ein nervenärztliches Gutachten. In diesem konnten die Schmerzen der linken Wange nicht mit dem Verlauf eines bestimmten Nerves in Verbindung gebracht werden. Es zeige sich ein zugrunde liegendes "Körperverständnis", das aber nicht den anatomischen Gegebenheiten entspreche. Auch das angegebene Schmerzmuster entspreche weder einer symptomatischen/posttraumatischen noch einer idiopathischen Trigeminusneuralgie. Auch zeigten sich weder Trigger Faktoren, noch mögliche typische autonome Begleitsymptome, noch ein bestehendes sensibles Defizit oder ein kontinuierlicher wellenförmiger Dauerschmerz. Die bestehende Symptomatik beruhe auf einer vermehrten Sensibilisierung für Körperprozesse, die unfallunabhängig sei. Für die eigenständige Diagnose aus dem somatoformen Formenkreis, z. B. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, zeige die Klägerin nicht die geforderten Kriterien. Als unfallabhängig sei die nun aufgetretene Angstsymptomatik zu beurteilen, die sich zeitnah zum Unfall als spezifische Phobie gezeigt habe. Es finde sich mittlerweile eine Generalisierung der Angst auslösenden Symptome im Sinne von agoraphoben und klaustro-phoben Ängsten (ICD 10 F 41.3). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage derzeit 20 v. H. Eine Therapie sei dringend erforderlich, dann sei mit einem Rückgang der MdE zu rechnen.
Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. S vom 12. April 2005 eingeholt. Dieser führte aus, dass Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet nicht vorlägen, eine unfallbedingte MdE bestehe daher nicht. Das eingeholte Gutachten der Frau Dr. P enthalte keine Ausführungen zum Ursachenzusammenhang. Dieser werde lediglich behauptet. Die Klägerin schildere eine vielfältige Angstsymptomatik, die am ehesten einer Panikstörung mit Agoraphobie zuzuordnen sei. Es bestünden wiederkehrende, teilweise unerwartete Panikattacken, anhaltende Besorgnis vor neuen Attacken und ein entsprechendes Vermeidungsverhalten gegenüber Situationen, in denen Panikattacken aufgetreten seien. Nach dem vorliegenden Schrifttum (Kendler et. al. 2001, Hellema et. al. 2006) handele es sich um eine anlagebedingte Störung, die weder durch Lebensereignisse noch traumatische Ereignisse hervorgerufen werden könne. Das Ereignis selbst sei wenig dramatisch, es gehöre zu den üblichen Erfahrungen des täglichen Lebens und sei sicher nicht geeignet, schwerwiegend in das Leben eines Menschen einzugreifen.
Mit Bescheid vom 27. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2005 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Februar 2003 ab. Leistungen wegen der Prellung und der Zahnverlet-zung seien über den 14. März 2003 hinaus nicht zu erbringen. Die Entschädigung der Angststörung und der geklagten Beschwerden im Bereich des fünften Hirnnerves (Nervus trigeminus) werde abgelehnt.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2006 abgewiesen. Dem Gutachten der Dr. P könne nicht gefolgt werden, soweit sie eine unfallbedingte Angststörung angenommen habe, da eine tragfähige Begründung für den Unfallzusammenhang nicht gegeben worden sei. Sie würdige weder die Geeignetheit des Unfalls, eine Angststörung zu verursachen, noch diskutiere sie unfallfremde Faktoren. Dies überrasche umso mehr, als die Gutachterin im Zusammenhang mit den Gesichtsschmerzen von einer vermehrten Sensibilisierung für Körperprozesse mit eigenen Erklärungsmustern gespro-chen habe. Der einzige Aspekt, der für den bejahten Ursachenzusammenhang angeführt worden sei, sei der zeitnahe Zusammenhang zum Unfallereignis. Die diesbezüglich von der Klägerin geschilderten Angststörungen seien jedoch nicht durch Arztberichte bestätigt und daher fragwürdig. So habe die behandelnde Orthopädin Dr. E unter dem 28. Oktober 2003 zwar Angstzustände geschildert, aber keine fallspezifischen und ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, irgendwie Angst vor allem zu haben. Fehle es an der generellen Geeignetheit eines Un-falls, eine psychische Erkrankung zu verursachen, komme eine Anerkennung der psychischen Erkrankung als Unfallfolge aber von vornherein nicht in Betracht (Bundessozialgericht BSG , Urteil vom 26. Januar 1994, Az.: 9 RVg 3/93 = SozR 3 3800 § 1 Nr. 3).
Gegen den ihr am 06. Februar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit der Berufung vom 06. März 2006. Sie macht geltend, dass dem überzeugenden Gutachten der Dr. P gefolgt werden müsse. Dieses habe durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten der Frau Dr. S Bestätigung erfahren. Den Einwänden des Prof. Dr. S in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen für die Beklagte könne nicht gefolgt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide und die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. S und der Dipl. Psych. K.
Das Landessozialgericht hat einen Erörterungstermin am 10. Mai 2006 durchgeführt, in dem die Klägerin ihr Begehren auf Anerkennung von Unfallfolgen auf das psychiatrische Gebiet beschränkt hat, und Oberärztin Dr. S, Krankenhaus N, Abteilung für Psychiatrie, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Diese hat im nervenärztlichen Gutachten vom 10. November 2006 ausgeführt, die Klägerin sei in ursprünglich neutraler Situation überraschend mit einem als körperliche Attacke erlebten Zusammenprall konfrontiert worden. Mit einer Verzögerung von mehreren Stunden habe sie nächtens erwachend einen Schmerz an der linken Wange und nicht etwa an der Stirn, an die der Hinterkopf des Unfallkontrahenten ge-prallt war, verspürt, der sich angefühlt habe, "als wenn jemand was in die Wange reinhaue". Diese Formulierung lege eine jahrelang verdrängte Gewalterfahrung in Kindheit und erster Ehe nahe. Darüber hinaus habe die Klägerin binnen kurzem phobische Ängste, die zunächst auf das Verlassen von Fahrstühlen bezogen gewesen seien, entwickelt, die bald auf Situationen der Konfrontation mit Menschenansammlungen generalisiert seien. Weiter sei die Angst im Pkw hinzugekommen, die klaustrophobische Züge trage. Unter kognitiv-lerntheoretischen Konzepten sei somit der neutrale situative Stimulus "Lift" durch das Zusammentreffen mit einem aversiven Stimulus "schmerzhafte Kollision mit dem Unfallgegner" im Sinne der klassischen Konditionierung zu einem Angst auslösenden Reiz geworden. Entsprechend der Zwei Faktoren Theorie von Mowrer habe sich im Sinne operanter Konditionierung ein Meidungsverhalten herausgebildet, das ein Aufsuchen von phobischen Situationen nur noch in Begleitung des Ehemannes oder der Tochter möglich mache. In der aktuellen gutach-terlichen Untersuchung sei die Klägerin als eine hinsichtlich ihrer Alltagsbewältigung kompetente und kompensierte Persönlichkeit erschienen, die lediglich subklinische Akzentuierungen aufgewiesen habe, sie sei jedoch durch das Erleben der unverhofften und überraschenden Gewalterfahrung im Sinne der Manifestation einer Agoraphobie mit klaustrophobischen Zügen und einer somatoformen Schmerzstörung dekompensiert. Auch bei genauer psychiatrischer Exploration habe sich keine vorbestehende Krankheitsanlage eruieren lassen. Das Unfallereignis als eine überraschende Verletzung sei zwar thematisch mit Gewalterfahrungen der Vorgeschichte psychologisch zu verknüpfen, es bestünden aber keine Hinweise darauf, dass die konsekutive Schmerzstörung und Agoraphobie präexistent gewesen seien. Gerade die emotionale Brücke der Gewalterfahrung unterscheide das Unfallereignis von sonstigen alltäglich vorkommenden ähnlich gelagerten Ereignissen, so dass es als unersetzliche äußere Einwirkung anzusehen sei, ohne die Phobie und Schmerzstörung entweder gar nicht oder nicht unwesentlich später aufgetreten wären. Selbst wenn von einer durch vorbestehende Stressoren ausgehenden biologischen psychologischen Vorbereitung ausgegangen werde, entspreche dies nicht einer vorbestehenden Erkrankung, und selbst wenn diese bis dato subklinisch gebliebene Persönlichkeitsstruktur (ausgeprägtes Opfererleben) als bereitliegende Störung angesehen würde, wäre von einer wesentlichen Verschlimmerung im Sinne einer Mitverursachung auszugehen, da das Unfallereignis jene Persönlichkeitsstruktur über die Manifestationsschwelle gehoben hätte. Die MdE für die Angststörung betrage 20 v. H., die somatoforme Schmerzstörung bedinge keine zusätzliche MdE.
Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. S vom 08. Januar 2007 vorgelegt. Dieser bemängelte zunächst, dass sich in der Akte verschiedene Unfallabläufe fänden. Die Befunderhebung sei unvollständig. Eine sorgfältige körperliche oder neurologische Untersuchung habe nicht stattgefunden. Diese wäre aber wesentlich gewesen, um zu überprüfen, ob nachvollziehbare Schmerzen im Innervationsgebiet des Trigeminusastes gegeben seien. Differenzialdiagnostische Überlegungen fehlten vollständig. Etwaige vegetative Auffälligkeiten seien nicht erwähnt. Auch der psychopathologische Befund weise Lücken auf. Die gestellten Diagnosen seien nicht unter Bezugnahme auf die gängigen Diagnosemanuals begründet und ließen sich aufgrund der mitgeteilten Beschwerden und Befunde auch nicht nachvollziehen. Wenn schon eine Agoraphobie als Diagnose angenommen werde, bleibe zu untersuchen, ob diese durch das Unfallereignis hervorgerufen worden sei. Der Verweis auf frühere Gewalterfahrungen reiche hierzu nicht. Neuere Arbeiten belegten übereinstimmend, dass Angststörungen wesentlich durch genetische Faktoren bedingt seien oder erklärt werden könnten, die deutlichste genetische Komponente finde sich bei agoraphobischen Störungen. Das vorgeschlagene Konstrukt, dass das Bagatellerlebnis beim Verlassen des Fahrstuhls zu einer Reaktivierung der früheren Gewalterfahrung und dadurch zu der Auslösung einer Angstsymptomatik geführt habe, könne konkret weder widerlegt noch bestätigt werden, es handele sich um eine empirisch nicht überprüfbare Hypothese, die durch den aktuellen medizinischen Kenntnisstand nicht gestützt werde. Die Agoraphobie werde mehr als andere Angststörungen durch genetische Faktoren bestimmt, über eine Auslösung durch Lebensereignisse sei nichts bekannt. Dem Gutachten sei nicht zu entnehmen, warum die Gutachterin zu einer anderen Auf-fassung gelange. Hinsichtlich der MdE Bewertung sei einfach der Beschwerdevortrag der Klägerin "geglaubt" worden.
In ihrer dazu eingeholten Stellungnahme vom 22. März 2007 hat Frau Dr. S ausgeführt, die von Prof. Dr. S empfohlene Aufzählung möglicher neurologischer Krankheitsbildung, die ebenfalls zu Gesichtsschmerzen führen könnten, aber nicht vorlägen, sei nicht weiterführend. Soweit vegetative Auffälligkeiten im Gutachten nicht genannt worden seien, hätten diese auch nicht vorgelegen. Den Schmerzcharakter habe sie mit den Worten der Klägerin beschrieben. Soweit Prof. Dr. S die Bezugnahme auf gängige Diagnosemanuals vermisst habe, habe sie dies in ihrer nun vorliegenden Stellungnahme nachgeholt. Dass die Angstsymptome von ihm im Sinne einer Panikstörung mit Agoraphobie abweichend hierarchisiert worden seien, spiegele einen seit Jahrzehnten bestehenden Dissens zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen wider. Die Annahme einer endogenen Panikerkrankung mit dem Epiphänomen einer Agoraphobie sei eher Kennzeichen einer biologischen Theoriebildung, während ihre Einordnung stärker einem psychodynamischen Verständnis der Krankheitsentstehung entspreche. Selbstverständlich sei es nicht schwierig, für jede wissenschaftliche Auffassung Literaturstellen in unüber-schaubarer Menge heranzuziehen. Der Versuch, mit Hinweis auf das Erscheinungsdatum, die von ihr im Gutachten angegebene Literatur als überholt darzustellen, entbehre jeder Grundlage.
Unter dem 23. April 2007 hat Prof. Dr. S in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme u. a. ausgeführt, die Argumentation, es sei eine Frage, zu welcher psychiatrischen Schule man sich bekenne, ob eine Panikstörung oder eine Agoraphobie bestehe, lenke nur von der mangelhaften Präzision der Befunderhebung durch die Gutachterin ab und sei auch insofern falsch, als Agoraphobien mit und ohne Panikstörung und separate Panikstörungen nach allen Diagnosemanuals befundet werden könnten. Die derzeitige Lehrmeinung besage, dass Angststörungen durch genetische Faktoren und nicht durch traumatisierende Lebensereignisses hervorgerufen würden. Dies sei durch die von ihm zitierten Studien ausreichend belegt.
Zu diesem Vorbringen hat der Senat eine erneute Stellungnahme der Frau Dr. S vom 12. Juni 2007 eingeholt. Sie führte aus, die von Prof. Dr. S vorgenommene Ableitung eines individuellen Erkrankungsrisikos aufgrund epidemiologisch gewonnener statistischer Daten in den zitierten Studien entbehre jeder Grundlage und sei spekulativ.
Ergänzend hat die Beklagte eine Stellungnahme der Beratenden Psychologin K vom 08. Juli 2007 eingereicht. Da die Klägerin nach eigenen Angaben bei Fernreisen keine Angst empfinde, allein im Blumenladen ihres Ehemannes arbeiten könne und tägliche Einkäufe bewältige, müsse festgestellt werden, dass eine Agoraphobie oder Panikstörung nie festgestellt worden sei. Dasselbe gelte für die somatoforme Schmerzstörung. Bei einem zufälligen und nicht vorsätzlichen Zusammenstoß zweier Menschen in einem Kaufhaus handele es sich um ein Bagatellereignis, das grundsätzlich nicht geeignet sei, bei einem gesunden Menschen eine Störung zu verursachen.
Der Senat hat eine weitere Stellungnahme der Frau Dr. S vom 23. Oktober 2007 eingeholt, die ausgeführt hat, gerade aus dem Umstand, dass die Klägerin in ihrer Alltagsbewältigung eine kompetente und kompensierte Persönlichkeit gewesen sei, folge, dass sie nicht von einem Ba-gatellereignis betroffen worden sei.
Weiter hat der Senat Krankenunterlagen des Prof. Dr. J, Facharzt für Neurologie, und der Fachärzte für Orthopädie S und Dr. B vom 17. April 2008 beigezogen.
Die Firma K hat mit Schreiben vom 16. Juli 2008 mitgeteilt, der Name des Wachmannes, der der Klägerin nach dem Sturz am 15. Februar 2003 aufgeholfen habe, sei nicht mehr ermittelbar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen die angefochtenen Bescheide zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Angst- und Schmerzstörung als Unfallfolge und Gewährung einer Verletztenrente hat.
Nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, einen Anspruch auf Rente. Infolge eines Ver-sicherungsfalles ist die Erwerbsfähigkeit nur dann gemindert, wenn die versicherte unfallbri-gende Tätigkeit mit Wahrscheinlichkeit die wesentliche Teilursache der eingetretenen Gesundheitsstörungen ist. Nach der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung sind als rechtlich relevante Ursachen nur solche anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Nach der Rechtsprechung des BSG muss aus den Auffassungen des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden, welche Ursache wesentlich war und welche nicht (BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175). Beweismaßstab für die Bejahung des rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhangs ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, die vorliegt, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeu-gung gegründet werden kann (z. B. BSG SozR 3 1300 § 48 Nr. 67, BSGE 19, 52, 56).
Nach der medizinischen Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass die bei der Klägerin vorliegende Angststörung, unabhängig davon, ob man diese als Agoraphobie mit somatoformer Schmerzstörung (Dr. S) oder als Panikstörung mit Agoraphobie (Prof. Dr. S) hierarchisiert, nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 15. Februar 2003 zurückzuführen ist.
Zunächst folgt der Senat Dr. S und Dr. P bei der Diagnose einer Angststörung, weil beide Gutachterinnen bei der persönlichen Untersuchung der Klägerin diese befundet und die Erkrankung ausreichend mit den glaubwürdigen Angaben der Klägerin begründet haben. Den Einwänden des Prof. Dr. S und der Dipl. Psych. K vermochte der Senat insoweit nicht zu folgen. Die Hinweise auf die angeblich nicht ausreichende Exploration und Befunddarstellung überzeugen den Senat nicht. Insoweit hat Frau Dr. S zu Recht ausgeführt, dass ein Gutachten naturgemäß nur die wesentlichen Befundungen, die für die Diagnose wesentlich seien, darstellen müsse. Es ist insoweit der Praxis geschuldet, dass nur tatsächlich in Betracht kommende Gesundheitsstörungen differenzialdiagnostisch abgeklärt werden müssen und Befundungen nur das für den Gutachter Wesentliche darstellen können. Alles andere stellte eine lehrbuchhafte Überfrachtung eines im Gerichtsverfahren erstatteten Gutachtens durch regelmäßig erfahrene Ärzte, hier der Oberärztin einer Klinik für Psychiatrie, dar.
Aber auch, wenn der Senat von einer vorliegenden Angststörung ausgeht, lässt sich anhand der vorliegenden medizinischen Äußerungen nicht feststellen, dass diese ihre wesentliche Ursache mit Wahrscheinlichkeit im Unfallereignis hat.
Der Senat folgt insoweit der Einschätzung von Prof. Dr. S und Dipl. Psych. K, dass das Unfallereignis letztlich ein Bagatellereignis war, dessen folgenlose Bewältigung ohne weiteres von jedem gesunden Menschen erwartet werden kann und muss. Vorliegend ist die Klägerin "Opfer" eines Vorfalles geworden, der vom Unfallgegner in keiner Weise beabsichtigt und auch nicht gegen die Klägerin gerichtet war. Er hat diese lediglich beim Rückwärtsschreiten übersehen, ist ihr auf den Fuß getreten, so dass diese einen Schlag mit dem Hinterkopf gegen ihren Kopf bekam und fiel. Ein solches körperlich im Wesentlichen folgenlos bleibendes Ereignis muss als Bagatelle angesehen werden. So sind bei der Klägerin aufgrund des Kopfstoßes weder Prellungen noch andere Verletzungen im Gesicht beschrieben worden. Dass sie einen Ellenbogen in die linke Wange bekommen habe, hat die Klägerin lediglich einmal beim Zahnarzt beschrieben, in den übrigen Unfallaussagen fehlt diese Beschreibung, so dass der Senat davon ausgeht, dass der Unfallhergang nicht dergestalt war, dass die Klägerin einen erheblichen Ellenbogenstoß ins Gesicht bekommen hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie zudem behauptet, einen Unfall mit Ellenbogenstoß ins Gesicht nie beschrieben zu haben. Wollte sie die Fraktur eines Zahnes auf diesen Stoß zurückführen, so hätte es nach Auffassung des Senats zumindest erheblicher sichtbarer körperlicher Verletzungen bedurft, da ein gesunder Zahn nur durch erhebliche Gewalteinwirkung bricht. Von erheblichen Verletzungen wie Blutergüssen oder dergleichen im Gesicht der Klägerin war aber nie die Rede. Zahnärztliche Hilfe wurde auch erst am 3. März 2003 – etwa drei Wochen nach dem Unfall – in Anspruch genom-men. Auch nach dem Unfall konnte die Klägerin jedenfalls nicht nachvollziehbar die Auffassung gewinnen, Opfer einer Gewaltattacke geworden zu sein, wie Frau Dr. S dies darstellt. Denn bereits in der Unfallanzeige ist davon die Rede, dass der ältere Herr sich sofort für sein Tun entschuldigt und für Weiteres seine Adresse hinterlassen habe. Ein solches Erlebnis als Erfahrung einer Gewaltattacke darzustellen, wie dies Dr. S getan hat, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Selbst dass die Klägerin in der Kindheit und in ihrer ersten Ehe möglicherweise Gewalterfahrungen erleben musste, führt zu nichts anderem, da diese Gewalterfahrungen in einem völlig anderen Kontext stehen. Daran ändert auch die Konstruktion einer emotionalen Brücke nichts, wie Prof. Dr. S für den Senat zutreffend ausgeführt hat. Der Senat kann aber insoweit offen lassen, ob es schon an der generellen Geeignetheit des vorliegenden Bagatellereignisses fehlt, eine psychiatrische Gesundheitsstörung hervorzurufen, und schon deshalb die Anerkennung als Unfallfolge nicht in Betracht kommt (BSG a. a. O. und Urteil vom 9. Mai 2006 in SG b, 2007, Seite 242 ff). Denn selbst wenn unterstellt wird, dass der Unfall grund-sätzlich geeignet gewesen sein könnte, eine psychiatrische Gesundheitsstörung hervorzurufen, so lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass er die wesentliche Ursache der vorliegenden Angststörung gewesen ist.
Der Senat hatte zunächst festzustellen, dass in der wissenschaftlichen Literatur ein noch nicht entschiedener Meinungsstreit über die Verursachung einer Agoraphobie bzw. einer Panikstörung mit Agoraphobie besteht. Dies haben Prof. Dr. S und Dr. S übereinstimmend dargestellt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die jeweils angeführten Fundstellen in der Literatur so zutreffend sind, wie die befassten Sachverständigen sich auch gegenseitig bestätigen. Nicht entscheidend ist, dass die von Prof. Dr. S zitierten Fundstellen wenige Jahre jünger sind als die von Frau Dr. S genannten. Daraus allein vermochte der Senat nicht zu folgern, dass die herr-schende Meinung in der Wissenschaft nunmehr die von Prof. Dr. S favorisierte Ansicht vertritt. Der Senat hat auch keine Bedenken, dass in den genannten Studien jeweils nachvollziehbar die jeweilige Hypothese bestätigt wurde. Dies allein führt aber nicht zur Beseitigung des Mei-nungsstreites. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass weiter zwischen der so genannten biologischen Theorie und der psychodynamischen Theorie Streit über die Verursachung der Agoraphobie und ihrer Hierarchisierung besteht. Ist der Entstehungsmechanismus einer solchen psychiatrischen Erkrankung aber nicht geklärt, ist es nicht Aufgabe der Gerichte durch die Auswahl von Sachverständigen oder die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen oder durch Gutachtenaufträge den Fortschritt der medizinischen Erkenntnis voranzutreiben. Diesen in ständiger Rechtsprechung des BSG dargelegten Grundsätzen folgt auch der Senat (vgl. BSGE 81, 84, 89; SozR 3 2500 § 28 Nr. 4). Sind die Zusammenhänge aber ungeklärt, so trägt die Klägerin die Feststellungslast.
Aber selbst wenn der Senat der einen oder anderen Theorie folgte, ergäbe sich kein Entschädigungsanspruch der Klägerin.
Folgte der Senat der von Prof. Dr. S favorisierten biologischen Theorie, so käme die Anerkennung der Agoraphobie als Unfallfolge von vornherein nicht in Betracht, da diese Angststörung seiner Auffassung nach nur genetische Ursachen haben könne und von der Verursachung durch Lebensereignisse nichts bekannt sei.
Folgte der Senat der Auffassung der Dr. S, so fehlt es an der Wesentlichkeit der Verursachung. Frau Dr. S hat diese vermeintlich damit begründet, dass eine emotionale Brücke zu vorangegangenen Gewalterlebnissen geschlagen werden müsse, die allerdings von ganz erheblicher Natur gewesen seien. Eine von Gewalt geprägte Kindheit und eine durch Gewalt herbeigeführte Schwangerschaft durch den ersten Ehemann sind nach Auffassung des Senats aber von vollkommen anderer Qualität als das hier streitgegenständliche Unfallstolpern. Es leuchtet dem Senat mit Frau Dr. S durchaus ein, dass durch die erheblichen Gewalterfahrungen in Kindheit und erster Ehe prämorbide Persönlichkeitsstrukturen geschaffen worden sind. Dies verkennt letztlich auch Frau Dr. S in ihrem Gutachten nicht. Wenn sie die Wesentlichkeit des Unfallereignisses aber dann damit begründet, dass dieses die Persönlichkeitsstruktur über die Manifestationsschwelle gehoben habe, so verkennt sie den Begriff der Wesentlichkeit im Rechtssinne. Durch ihre Beschreibung wird geradezu deutlich, dass das Unfallereignis hier nur auslösenden Charakter hatte und damit Gelegenheitsursache war. Um in einem anderen Bild zu sprechen, ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, nicht die wesentliche Ursache des Überlaufens, sondern nur der letzte Anlass. Wesentlich für das Überlaufen ist das aus anderen Gründen bereits fast gefüllte Fass. Vergleichbar liegt es hier, wenn ein Bagatell-Unfallereignis über eine emotionale Brücke zur vorher erlebten Gewalt letztlich zu Angststörungen führt. Vor diesem Hintergrund kann der Senat Frau Dr. S auch nicht folgen, wenn sie das Unfallereignis als in seiner Art unersetzlich beschreibt. Es ist insoweit ein unzulässiger Rückschluss, wenn Frau Dr. S ausführt, da die Klägerin das Ereignis nicht folgenlos bewältigt habe, sei es von gravierender Natur gewesen. Dies vernachlässigt die von ihr selbst eingeräumte problematische Per-sönlichkeitsstruktur aufgrund der frühen Gewalterfahrungen. Auch jedes andere von Dritten verursachte Stolpern in neutraler Situation müsste nach dem Gutachten der Dr. S geeignet gewesen sein, über die emotionale Brücke vergleichbare Angststörungen auszulösen. Warum dies nicht so sein soll und worin die Unersetzlichkeit des Ereignisses bestehen soll, hat die Gutachterin an keiner Stelle begründet. Folglich ist von einer Gelegenheitsursache auszugehen.
Auch die somatoforme Schmerzstörung konnte letztendlich aus denselben Gründen nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Ein somatisches Korrelat für diese angegebene Gesundheitsstörung fand sich nicht. Die Auslösung über eine psychische Kausalitätskette ist nicht nachvollziehbar. Insoweit kam es im Ergebnis hierauf aber auch schon deshalb nicht an, weil auch Frau Dr. S der somatoformen Schmerzstörung eine MdE von Null zugeordnet hat.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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